Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 161843]

Smalltalk
wanne
Moderator
Beiträge: 7462
Registriert: 24.05.2010 12:39:42

Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 161843]

Beitrag von wanne » 11.08.2016 02:10:07

So habe hier wohl ein etwas anderes Fass aufgemacht. Habe das von hier mal abgetrennt.
guennid hat geschrieben:Aber unsere "Nerds" kriegen das vielleicht noch dahin, dass schon im Kindergarten nur noch einsprachig - selbstverständlich "Englisch" gesprochen wird. So lernt man das schließlich am besten! :mrgreen:
Vielfalt schön und gut, aber doch nur für die paar wenigen, die wirklich aussuchen können. Die aller meisten bleiben doch auf ihrer Muttersprache hängen. Und warum man seinen Kindern eine Sprache beibringen soll, die 99% der Leute nicht verstehen ist mir absolut schleierhaft. Da werden sich noch ein paar Generationen Bettonköpfe, die der festen Überzeugung sind, dass ihre Sprache die einzig wahre ist entgegenstellen. Aber die Tendenz ist wirklich absehbar.

Der Geburtsort meiner Mutter und der meines Vaters liegen ~100km auseinander. Trotzdem muss meine Mutter meine Vater fragen, was meine Uroma gesagt hat. (Und das ist kein Witz. Die verstehen sich wirklich einfach nicht.) Für meinen Opa ist Hochdeutsch die Fremdsprache, die er zwar nur schwer sprechen kann aber mit der er sich mit allen für ihn relevanten Personen unterhalten kann. Im Fernseher lief aber in erster linie hochdeutsch und wenn Besuch in seine Firma kam, hatte er die zu sprechen. Spätestens mein Vater hat allenfalls noch einen schwäbischen Akzent, der so in ganz Schwaben gesprochen wird und der vor allem in ganz Deutschland verstanden wird.
Wenn ich arbeiten gehe, sitzt neben mir ein Italiener, der bis vor 6 Monaten in Irland gearbeitet hat. Selbstverständlich wird mit dem englisch geredet und Filme gucke ich in erster Linie auf englisch. Schon weil sie früher rauskommen ;-)
Was für meinen Opa Hochdeutsch war ist für mich englisch. (Ganz sicher ich spreche besser englisch als mein Opa hochdeutsch.) Und ich denke für meine Ekel oder Urenkel wird es noch vier oder fünf relevante Sprachen geben und sie werden Englisch als die ihre bezeichnen. (vermutlich Russisch, Englisch, Arabisch, Chinesisch)
Reste von Deutsch wird es da noch geben, und mit den Kumpesls, wird das gesprochen, aber um Worte mit nicht englischer Verwandtschaft zu hören, muss man eigentlich schon zu Opa gehen und in der Schule oder am Arbeitsplatz ist das eigentlich auch nicht der formell richtige Umgangston.

Und ich kann daran keinen Nachteil sehen, dass die sich dann mit ein paar Milliarden austauschen können statt, wie meine Uroma, mit ein paar 10k. ganz im gegenteil ist eine einheitliche Sprache eben nötig, wenn man alle paar Jahre seinen Wohnort um ein paar hundert Kilometer versetzt.
Mit der Sense mähen tut heute auch niemand mehr. Passt einfach nicht mehr in die heutige Gesellschaft. Kannst du in deiner Freizeit machen Sinnvoll ist es nicht.
rot: Moderator wanne spricht, default: User wanne spricht.

Ozelot
Beiträge: 1507
Registriert: 18.11.2007 09:52:58

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von Ozelot » 11.08.2016 07:29:18

wanne hat geschrieben:Und ich denke für meine Ekel oder Urenkel wird es noch vier oder fünf relevante Sprachen geben und sie werden Englisch als die ihre bezeichnen. (vermutlich Russisch, Englisch, Arabisch, Chinesisch)
Reste von Deutsch wird es da noch geben..
Halte ich für unwahrscheinlich. Dialekte sterben gerade aus, weil sie unterhalb einer gewissen Menge Sprecher liegen UND weil sie einer Hoch- Amts- und Kultursprache zu ähnlich sind, in die alle Sprecher relativ leicht ausweichen können. Ähnlich auch bestimmte(!) kleine Sprachen wie Sorbisch oder schottisches Gaelisch. Andere kleine Sprachen stehen dagegen besser da als früher (Walisisch, Baskisch). Ich habe auch letztens eine Armenierin kennen gelernt, die in Berlin lebte und kein Wort Englisch sprach (aber perfekt Deutsch nach 1,5 Jahren), was mich ein bißchen beruhigt hat. Es ist noch nicht alles überall das gleiche, und es gibt Gegenden auf der Welt - Südamerika, chinesische und russische Einflußzonen, auch Indien in gewisser Weise, wo die Spracherfordernisse noch sehr unterschiedlich sind.
wanne hat geschrieben:Und ich kann daran keinen Nachteil sehen, dass die sich dann mit ein paar Milliarden austauschen können statt, wie meine Uroma, mit ein paar 10k. ganz im gegenteil ist eine einheitliche Sprache eben nötig, wenn man alle paar Jahre seinen Wohnort um ein paar hundert Kilometer versetzt.
Was mich beunruhigt, ist, daß jede Sprache einzigartige Ausdrücke hat, mit denen man Dinge ausdrücken kann, die man in anderen Sprachen nur schwer oder gar nicht ausdrücken kann - und deswegen auch verlernt, überhaupt zu erleben.

Andererseits sehe ich nicht wirklich ein Problem darin, kleinen Kindern mehrere Sprachen beizubringen. Das ist in vielen Gegenden der Welt völlig normal. Nur weil Deutschland jetzt halt mal ein paar Jahrzehnte (mehr wars nicht!) einsprachig war, muß man das ja nicht zur Norm machen. Das HILFT doch auch dem Überleben mehrerer Sprachen. .. Und ein paar Brocken Arabisch und Türkisch sollte man z.B. in Berlin können, finde ich. Macht auch Spaß. Mein Kleiner grölte letztens auch türkische Fußballschlachtrufe. Das schadet seinem Deutsch bisher nicht.
wanne hat geschrieben:Mit der Sense mähen tut heute auch niemand mehr. Passt einfach nicht mehr in die heutige Gesellschaft. Kannst du in deiner Freizeit machen Sinnvoll ist es nicht.
It gets the job done, and keeps the arms strong. Mindestens einer hier im Forum senst noch ;-) Aber freilich hast Du da mehr oder weniger recht. Ist nur bei Sprachen anders, weil sie nicht nur Werkzeuge für einen bestimmten Job sind, sondern unsere ganze Art zu denken und zu handeln prägen, und sogar unsere Wahrnehmung.

guennid

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von guennid » 11.08.2016 08:29:41

Ist nur bei Sprachen anders, weil sie nicht nur Werkzeuge für einen bestimmten Job sind, sondern unsere ganze Art zu denken und zu handeln prägen, und sogar unsere Wahrnehmung.
+1

... und ich das durchaus positiv sehe.

Meinen Heimatdialekt beherrsche ich noch. Und ich fühle mich sauwohl in ihm, wenn sich die Gelegenheit ergibt. :wink:

Aber wir schweifen ab ('Tschuldigung, OT muss das ja heißen :mrgreen: ), es ging ja um Filmsynchronisation.

Benutzeravatar
Lord_Carlos
Beiträge: 5578
Registriert: 30.04.2006 17:58:52
Lizenz eigener Beiträge: GNU Free Documentation License
Wohnort: Dänemark

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von Lord_Carlos » 11.08.2016 08:32:33

Ozelot hat geschrieben:Was mich beunruhigt, ist, daß jede Sprache einzigartige Ausdrücke hat, mit denen man Dinge ausdrücken kann, die man in anderen Sprachen nur schwer oder gar nicht ausdrücken kann - und deswegen auch verlernt, überhaupt zu erleben.
Ich koennte mir vorstellen das die Worte dann trotzdem in dem Lokalen Sprachgebrauch verbleiben.
Wird sich dann etwas mischen mit anderen Sprachen.

Code: Alles auswählen

╔═╗┬ ┬┌─┐┌┬┐┌─┐┌┬┐╔╦╗
╚═╗└┬┘└─┐ │ ├┤ │││ ║║
╚═╝ ┴ └─┘ ┴ └─┘┴ ┴═╩╝ rockt das Forum!

guennid

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von guennid » 11.08.2016 08:52:32

Ich koennte mir vorstellen das die Worte dann trotzdem in dem lokalen Sprachgebrauch verbleiben.
Wird sich dann etwas mischen mit anderen Sprachen.
Das eher nicht; ist vielleicht, wenn man sich die Geschichte des Lateinischen anschaut, etwas zu kurz gedacht. Andererseits lässt sich deine Vermutung aber auch so weiterdenken: die (mögliche) Entwicklung des Englischen zur Universalsprache birgt schon Gefahren - für das Englische. :wink:

Grüße, Günther

tobo
Beiträge: 1991
Registriert: 10.12.2008 10:51:41

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von tobo » 11.08.2016 15:26:05

guennid hat geschrieben:Andererseits lässt sich deine Vermutung aber auch so weiterdenken: die (mögliche) Entwicklung des Englischen zur Universalsprache birgt schon Gefahren - für das Englische. :wink:
So sieht's wohl aus. Die Ursache daran dürfte sein, dass der englischen Sprache keine Standardisierung voransteht. Da herrscht völliger Wildwuchs, was Grammatik, Vokabular und Aussprache angeht. Und die fehlende örtliche Begrenzung der Sprache dürfte dieses auseinanderdriften nur verstärken. Man setze einen englischen Dialekt auf einer relativ einsamen Insel aus, lässt ihn sich 100 Jahre (ohne äußere Einflüsse und Korrektiv) entwickeln und kommt dann wieder her, um sich mit den Leuten zu unterhalten - keine Chance. Ich glaube die BBC war's, die im Zuge der Fußball-WM in Südafrika Interviews in den Slums drehen wollten - da gab es unüberbrückbare Verständigungsprobleme. Auf die Dauer entstehen hier nicht viele englische Dialekte, sondern viele eigenständige englische Sprachen, manche mehr und manche weniger angelehnt an ihren englischen oder amerikanischen Ursprung. Und gerade was Kommunikation angeht, da ist ein fehlender Standard ziemlich sicher kontraproduktiv!?

Was die Quantität der Synchronisationen angeht, da kann ich nicht wirklich einen Rückgang feststellen!? Der deutsche Markt ist schon noch viel zu wichtig, dass man den ignorieren könnte. Vielleicht schaue ich aber auch nur viel zu wenig oder das falsche Zeugs. Jedenfalls bevorzuge ich entweder deutsch oder das (englische) Original, aber keine Untertitelung. Denn das führt bei mir zwangsläufig dazu, dass ich das Teil 2 mal schauen muss, damit ich alles mitbekomme!? Und was Star Trek angeht, das bevorzuge ich im klingonischen Original...

Benutzeravatar
hikaru
Moderator
Beiträge: 13585
Registriert: 09.04.2008 12:48:59

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von hikaru » 11.08.2016 15:49:37

tobo hat geschrieben:Und was Star Trek angeht, das bevorzuge ich im klingonischen Original...
tlhIngan Hol teH jablu'DI' reH QaQqu' nay'

DeletedUserReAsG

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von DeletedUserReAsG » 11.08.2016 16:00:10

Gesundheit!

Benutzeravatar
Patsche
Beiträge: 3261
Registriert: 21.06.2013 01:47:54
Lizenz eigener Beiträge: MIT Lizenz
Wohnort: /home/10001101001

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von Patsche » 11.08.2016 16:01:09

hikaru hat geschrieben:tlhIngan Hol teH jablu'DI' reH QaQqu' nay'
Rache wird am besten kalt serviert :D

Benutzeravatar
hikaru
Moderator
Beiträge: 13585
Registriert: 09.04.2008 12:48:59

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von hikaru » 11.08.2016 16:03:35

Patsche hat geschrieben:Rache wird am besten kalt serviert :D
Nicht ganz. ;)

tobo
Beiträge: 1991
Registriert: 10.12.2008 10:51:41

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von tobo » 11.08.2016 16:11:51

hikaru hat geschrieben:tlhIngan Hol teH jablu'DI' reH QaQqu' nay'
Da hast du aber einen ganz schön fiesen Dialekt!? Möglicherweise habe ich da doch ein wenig übertrieben mit meinen Klingon-Fähigkeiten. Obwohl sich das ja fast mit der Suchmaschine seiner Wahl herausfinden lässt...

Benutzeravatar
hikaru
Moderator
Beiträge: 13585
Registriert: 09.04.2008 12:48:59

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von hikaru » 11.08.2016 16:21:39

tobo hat geschrieben:Da hast du aber einen ganz schön fiesen Dialekt!?
Schön wär's. Ich kann eigentlich nur noch ein paar Sprichworte. niemands Signatur kann ich z.B. nicht mehr lesen. ;)
"BortaS" gegen ""tlhingan Hol" auszutauschen war nicht schwer und dürfte auch grammatisch unproblematisch sein. "teH" musste ich suchen und war die beste Approximation die ich auf die Schnelle zu "Original"/"echt" fand.

wanne
Moderator
Beiträge: 7462
Registriert: 24.05.2010 12:39:42

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von wanne » 12.08.2016 03:25:54

hikaru hat geschrieben:niemands Signatur kann ich z.B. nicht mehr lesen.
Der behauptet da aber Mensch und nicht Klingone zu sein. ;-)
rot: Moderator wanne spricht, default: User wanne spricht.

wanne
Moderator
Beiträge: 7462
Registriert: 24.05.2010 12:39:42

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von wanne » 12.08.2016 05:03:36

Ozelot hat geschrieben:Halte ich für unwahrscheinlich. Dialekte sterben gerade aus, weil sie unterhalb einer gewissen Menge Sprecher liegen
Und diese Schwelle steigt stetig an. Vor 100 Jahren haben noch ein paar 1000 ausgereicht man war relativ fest in seinem Dorf verankert. Bei heutige Lebensverhältnissen bewegt man sich eher Landesweit. Aber in einigen Kreisen ist man deutlich weiter. Meine Lesezeichen zeigen zu deutlich mehr als der Hälfte nicht mehr auf deutsche Seiten. Und in den Chefetagen ist es völlig normal von heute auf morgen von San Francisco nach Stuttgart zu wechseln.
(Aktuelles Beispiel bei Celesio: Aufsichtratmitglied trat zurück und 3 Monate später hatte eine Dame aus der Rechtsabteilung bei McKesson (Hauptaktionär) einen neuen Job. Und natürlich kann die kein Wort deutsch. Ihre Kollegen werden mit der Englisch reden.
Als ich im Studentenwohnheim gewohnt habe, waren da über die Hälfte der Einwohner keine deutschen Muttersprachler und alle hatten nicht vor mehr als ein Jahr in Deutschland zu bleiben. Das waren junge lernwillige Studenten, die eigentlich zum großen Teil da waren um die deutsche Sprache zu lernen.
Trotzdem ist da die Sprache (sehr zum Unbehagen der germanistikstudenten) oft nach Englisch gekippt. Einfach weil ein guter Abend nach einer Sprache verlange, die alle beteiligten auch nach dem vierten Bier noch fließend sprechen.
Es gibt einfach Personenkreise die alle paar Jahre ihr Heimatland wechseln. Und die werden auch in ihrer Freizeit eine (oder vielleicht zwei) Sprache nutzen in der sie sich mühelos ausdrücken können. Denn in 50 Sprachen kann sich niemand mühelos ausdrücken. Und die werden ihren Kindern vielleicht noch ihre Muttersprache beibringen, aber diese werden die nicht mehr aktiv nutzen. Eine Sprache die weder Kumpels noch das Mädel in der Disco versteht interessiert die nicht mehr.
Guck dir die Türken an. Wirklich sauber türkisch können da schon viele nach der 2. Generation nicht mehr. (Deutsch leider oft auch nicht.) Und das obwohl die wirklich noch größere Mengen gleichsprachiger haben. Ein deutsches Kind, dass nur zwei Jahre in Deutschland verbraucht hat wird deutsch genausowenig zur primären Sprache machen. Mit seiner späteren französischen Frau (und damit mit seinen Kindern) wird er englisch reden.
Im Moment sind das die Berüchtigten "Parallelgesellschaften" aber das kann ganz schnell zur Norm werden.
Ozelot hat geschrieben:UND weil sie einer Hoch- Amts- und Kultursprache zu ähnlich sind, in die alle Sprecher relativ leicht ausweichen können.
Die ganzen Sprachen der westlichen Welt (außer vielleicht Finnisch) sind extrem ähnlich. Aussprache und Grammatik unterscheiden sich teils stark. Aber das gilt auch für die meisten Dialekte. Wortstämme sind zu 90% die selben.
Ozelot hat geschrieben:Was mich beunruhigt, ist, daß jede Sprache einzigartige Ausdrücke hat, mit denen man Dinge ausdrücken kann, die man in anderen Sprachen nur schwer oder gar nicht ausdrücken kann - und deswegen auch verlernt, überhaupt zu erleben.
Dafür gewinnst du in der neuen Sprache neue Dinge, die du bisher nicht ausdrücken konntest und jetzt plötzlich erleben kannst. Du gewinnst im Schnitt so viel wie du verlierst. (Ganz im Gegenteil. Solch völlig neuen begriffe werden dann in die neue Sprache integriert. (Kindergarten ist ein schönes Beispiel.))
(Btw. bezweifle ich, dass es Sachen gibt, die man in englisch ausdrücken kann aber in deutsch nicht. Vielleicht braucht man mal drei Sätze, wo in der anderen Sprache ein Wort genügte. Aber das ist auch das Maximum.)
Ozelot hat geschrieben:Andererseits sehe ich nicht wirklich ein Problem darin, kleinen Kindern mehrere Sprachen beizubringen. Das ist in vielen Gegenden der Welt völlig normal.
Zwei vielleicht. Aber spätestens ab der Dritten häufen sich Kinder mit Sprachstörungen extrem. Schon bei zweisprachigen Kindern ist signifikant zu merken, dass sie wesentlich häufiger verringerte kognitive Fähigkeiten haben. Gerade diese schönen Feinheiten, die gewisse Sprachen aufweisen aber andere nicht, machst du damit kaputt.
Ozelot hat geschrieben:Mein Kleiner grölte letztens auch türkische Fußballschlachtrufe. Das schadet seinem Deutsch bisher nicht.
Ganz und gar nicht. Eine zweitsprache fördert typischerweise sogar die Fähigkeiten in der ersten. Aber so flüssig türkisch wie deutsch wird er nie lernen.
wanne hat geschrieben:Ist nur bei Sprachen anders, weil sie nicht nur Werkzeuge für einen bestimmten Job sind, sondern unsere ganze Art zu denken und zu handeln prägen, und sogar unsere Wahrnehmung.
Auch aber ich will sie ja auch nicht abschaffen sondern eine gleichartige ersetzen. Und in erster Linie dient sie eben zum Austausch. Und da ist etwas einheitliches eben um Längen besser.
guennid hat geschrieben:die (mögliche) Entwicklung des Englischen zur Universalsprache birgt schon Gefahren - für das Englische. :wink:
Ja. englische Grammatik wird primitiver. Dafür gibt es jede menge neuer Wörter.
Als Informatiker sehe ich die Entwicklung aber (im Gegensatz zu den Sprachwissenschaftlern) massiv positiv: Damit zerbricht Englisch nicht in mehrere Teilsprachen sondern jede Gesellschaftsgruppe hat ein eigenen Subset an Vokabeln. So werden Ozelots Bedürftnisse nach Vielfältigkeit und Anpassbarkeit der Sprache gedeckt auf der anderen Seite kann man sich die Zusatzvokabeln schnell aneignen. Englisch wird modular.
tobo hat geschrieben:nd gerade was Kommunikation angeht, da ist ein fehlender Standard ziemlich sicher kontraproduktiv!?
Esperanto oder Cicero-Latein wäre mir auch lieber. Aber nicht durchsetzungsfähig.
Englisch ist wenigstens überhaupt ein Standard. Wenn auch einer mit viel Wildwuchs.
Ist wie mit HTML/CSS: Grauenhafter Wildwuchs. Jeder kann andere Teile und es gibt diverse proprietäre Erweiterungen. Aber am Ende eben doch ein standard, und damit besser als alles andere, was halt wirklich nur eine Programmfamilie spricht.
rot: Moderator wanne spricht, default: User wanne spricht.

Benutzeravatar
hikaru
Moderator
Beiträge: 13585
Registriert: 09.04.2008 12:48:59

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von hikaru » 12.08.2016 05:12:26

Ich vermute aber, dass wir ohnehin am Anfang vom Ende des Erlernens von Fremdsprachen stehen, zumindest als Pflichtübung. Das Prinzip des "Universalübersetzers" scheint mir kurz vor der Praktikabilität zu stehen, weil automatische Übersetzungsalgorithmen langsam brauchbar werdn. Ich habe einen chinesischen Kollegen der kein Deutsch und nur sehr schlechtes Englisch spricht. Eine Konversation geht oft dahin, dass er chinesische Sätze in sein Smartphone tippt und mir die englische Übersetzung zeigt. Für gewöhnlich funktioniert das. Auch soll es wohl möglich sein, VOIP-Gespräche mit dazwischengeschalteter Übersetzung zwischen verschiedensprachigen Teilnehmern zu führen.
Natürlich wird es dabei einige "Verluste" geben, aber ich denke so lange sich alle Gesprächspartner dessen bewusst sind, kann zumindest grundlegende Kommunikation auf diesem Weg schon funktionieren.

Von mir aus anderm Thread kopiert -- wanne

wanne
Moderator
Beiträge: 7462
Registriert: 24.05.2010 12:39:42

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von wanne » 12.08.2016 05:19:56

@hikaru: Möglicherweise hast du da recht.
Ich fände es schade. Ein Date bei dem ich mich nur per Handy verständigen kann. – Besonders romantisch klingt das für mich nicht.
rot: Moderator wanne spricht, default: User wanne spricht.

Benutzeravatar
ralli
Beiträge: 3917
Registriert: 02.03.2008 08:03:02

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von ralli » 12.08.2016 08:03:00

Als bekennender Freigeist bin ich liberal und weltoffen. Und deshalb liebe ich die Sprachenvielfalt einschließlich der verschiedenen Dialekte. Wenn dieser Artenreichtum verloren geht, dann geht etwas ganz Substanzielles verloren, etwas unwiderbringliches, ähnlich wie im Pflanzen- oder Tierreich. Gottlob gibt es aber auch Bewahrer, die dafür sorgen, das zum Beispiel Pattdeutsch immer noch gesprochen wird. Am Ende soll jeder selbst entscheiden, welchen Sprachreichtum er sich aneignen und erwerben will. Dabei bin ich gegen jede Art von Nötigung, die das im Kindergarten bereits erzwingen wollen.
Wer nicht lieben kann, muß hassen. Wer nicht aufbauen kann muß zerstören. Wer keine Brücken baut, muß spalten.

Benutzeravatar
Lord_Carlos
Beiträge: 5578
Registriert: 30.04.2006 17:58:52
Lizenz eigener Beiträge: GNU Free Documentation License
Wohnort: Dänemark

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von Lord_Carlos » 12.08.2016 08:31:09

Bei meiner Grundschule gab es sogar Friesisch Unterricht :)

Ich kann Ralli richtig gut verstehen. Es ist schade wenn eine Sprache verloren geht.
Aber auf der anderen Seite sehe ich auch ein das die Sprache sich immer weiter entwickelt, mischt, neue arten entstehen und manches verloren geht. So war es immer, und so wird es immer sein.

Ich habe Familie die Platt spricht oder sprechen kann, aber ich muesste mich anstrengen ein Grund zu finden Platt zu schnacken. Sozusagen Kuenstlich an leben erhalten. Das ist dann mehr Kultur und Geschichte als ein Werkzeug zur Kommunikation.

Code: Alles auswählen

╔═╗┬ ┬┌─┐┌┬┐┌─┐┌┬┐╔╦╗
╚═╗└┬┘└─┐ │ ├┤ │││ ║║
╚═╝ ┴ └─┘ ┴ └─┘┴ ┴═╩╝ rockt das Forum!

uname
Beiträge: 12072
Registriert: 03.06.2008 09:33:02

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von uname » 12.08.2016 08:45:07

Ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum der Großteil der Menschen die Globalisierung toll findet. Neben nur eine Sprache haben wir am Ende nur ein Betriebssystem, einen Laden der eigentlich nur Bücher verkaufen wollte, eine Suchemaschine und vielleicht weltweit nur noch einen Präsidenten. Ich glaube zufrieden sind vor allem die Menschen, die in ihrem privaten Umfeld z.B. dem eigenen Dorf oder der eigenen Stadt leben und denen die restliche Welt vollkommen egal ist. Vielleicht sind deswegen Kinder meistens glücklicher als Erwachsene. Denen fehlt noch der Blick auf das große Ganze. Ich finde kein Argument für eine Einheitssprache. Als Zweitsprache ist Englisch aber wohl die beste Wahl.

Liffi
Beiträge: 2306
Registriert: 02.10.2004 01:33:05

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von Liffi » 12.08.2016 08:59:49

uname hat geschrieben:Ich finde kein Argument für eine Einheitssprache.
Man kann mit jedem auf der Welt problemlos kommunizieren. Das finde ich unglaublich gut. Man spart viel Geld für Übersetzungen (z.B. bei EU, UN). Kinder müssen keine Fremdsprachen lernen sondern können sich in der Zeit mit Musik, Kunst und Mathematik beschäftigen.

Benutzeravatar
ralli
Beiträge: 3917
Registriert: 02.03.2008 08:03:02

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von ralli » 12.08.2016 09:29:32

uname hat geschrieben:Ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum der Großteil der Menschen die Globalisierung toll findet. Neben nur eine Sprache haben wir am Ende nur ein Betriebssystem, einen Laden der eigentlich nur Bücher verkaufen wollte, eine Suchemaschine und vielleicht weltweit nur noch einen Präsidenten. Ich glaube zufrieden sind vor allem die Menschen, die in ihrem privaten Umfeld z.B. dem eigenen Dorf oder der eigenen Stadt leben und denen die restliche Welt vollkommen egal ist. Vielleicht sind deswegen Kinder meistens glücklicher als Erwachsene. Denen fehlt noch der Blick auf das große Ganze. Ich finde kein Argument für eine Einheitssprache. Als Zweitsprache ist Englisch aber wohl die beste Wahl.
Und das wäre dann eine vollkommene Monokultur, die ich auch ablehne. Jede Vilefalt (auch der Meinungen) ist doch eine Bereicherung. Der Anpassungsdruck, der unter den Globalisierungszwängen politisch gewollt entsteht, hat was zerstörerisches und ist völlig kontraproduktiv.
Wer nicht lieben kann, muß hassen. Wer nicht aufbauen kann muß zerstören. Wer keine Brücken baut, muß spalten.

Benutzeravatar
hikaru
Moderator
Beiträge: 13585
Registriert: 09.04.2008 12:48:59

Re: Stirbt die Synchronisation in deutsch aus?

Beitrag von hikaru » 12.08.2016 10:58:03

wanne hat geschrieben:Die ganzen Sprachen der westlichen Welt (außer vielleicht Finnisch) sind extrem ähnlich.
Sind sie das? Ich bin kein Sprachwissenschaftler. Gut, die sind alle indogermanisch, aber ich sehe da zumindest aus eigener Erfahrung eine Dreiteilung in romanische, slawische und germanische Sprachen, die sich meinem Gefühl nach recht deutlich unterscheiden (offensichtliche Lehnwörter ausgenommen).
wanne hat geschrieben:Wortstämme sind zu 90% die selben.
Das würde ich aus eigener Erfahrung zumindest beim Vergleich romanischer und germanischer Sprachen bezweifeln. Da ich keine slawische Sprache berherrsche kann ich mir da kein Urteil erlauben. Aber aufgrund der wenigen Brocken Russisch, Tschechisch und Polnisch die ich aufgeschnappt habe würde ich das zumindest nicht vermuten.
wanne hat geschrieben:(Btw. bezweifle ich, dass es Sachen gibt, die man in englisch ausdrücken kann aber in deutsch nicht. Vielleicht braucht man mal drei Sätze, wo in der anderen Sprache ein Wort genügte. Aber das ist auch das Maximum.)
Aber genau diese Kompliziertheit von Sprache kann ganze Denkprozesse verändern. Im Englischen wird z.B. sauber zwischen dem öffentlichen Trauern (to mourn) und dem privaten Trauern (to grief) unterschieden. Dass das zwei verschiedene Verhaltensmuster sind habe ich erst verstanden, als ich von dieser Unterscheidung im Englischen wusste.

Auch syntaktisch gibt es Unterschiede, die auf Denkprozesse Auswirkungen haben. So unterscheidet sich z.B. die Verneinung des Verbs müssen/must im Deutschen und Englischen radikal (was übrigens viele Deutsche nicht wissen, weshalb solche Sätze dann oft in ihrer Bedeutung entstellt sind).
Wenn man auf Deutsch sagt, "Du musst das nicht tun.", dann wird der Zwang verneint, den das Verb müssen mit sich bringt (deshalb unterstrichen, darauf bezieht sich das "nicht"). Die Handlung kann also freiwillig trotzdem durchgeführt werden.
Wenn man auf Englisch sagt, "You must not do that.", dann wird die Handlung selbst verneint, der Zwang aber aufrecht erhalten. Die korrekte deutsche Übersetzung wäre also:. "Du darfst das nicht tun."

Das Volk der Pirahã [1] hat einige bemerkenswerte Besonderheiten in ihrer Sprache. So gibt es z.B. nur drei Zahlwörter: Eins, Zwei, Viele. Dementsprechend haben sie auch kein ausgeprägtes Konzept von Zahlen allgemein und damit von der Mathematik als Ganzes. Das stellt sie wohl vor erhebliche Probleme beim Handel mit der Außenwelt, weil ihnen die Denkkonzepte fehlen um abschätzen zu können, ob ein angebotener Handel fair ist oder nicht.

Oder um nochmal zu meiner "Lieblingssprache" zurückzukommen: Es gibt im Klingonischen den Begriff "tova'dok" [2], der einen Moment absoluter Klarheit zwischen zwei Kriegern auf dem Schlachtfeld beschreibt.
Ohne den ausgedachten Kriegerpathos der bei Star Trek mitschwingt, wäre das vielleicht am ehesten mit der Situation zu beschreiben, jemand anderem wortlos in die Augen zu schauen, und genau zu wissen was er in diesem Moment denkt. Dieses recht außergewöhnliche Gefühl in ein einziges Wort kondensieren zu können finde ich ein geniales Konzept.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Pirah%C3%A3
[2] http://de.memory-alpha.wikia.com/wiki/Tova%27dok

uname
Beiträge: 12072
Registriert: 03.06.2008 09:33:02

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von uname » 12.08.2016 11:41:15

Man kann mit jedem auf der Welt problemlos kommunizieren.
Mindestens mit der Sprache Englisch stimmt das nicht. Beispiele wurden weiter oben angeführt. Auch ist mindestens mein Englisch etwas eingestaubt. Wenn dann müsste man zu einem Stichtag alle geborenen Kinder eine einheitliche Sprache von Geburt an als Muttersprache lehren. Ich schlage mal chinesisch vor, da diese Sprache von den meisten Menschen heute gesprochen wird. Oder vielleicht doch eher klingonisch? Soll mir egal sein. Wer will das aber entscheiden? Wäre ja so als wenn jeder Windows nutzen muss nur weil es eben der Standard ist und Daten (z.B. Office-Dokumente) nur darüber ausgestauscht werden können. Dann können wir diesen Thread und auch gleich das ganze Forum hier zu machen und Debian von unserer Platte löschen. Aber natürlich super beim Datenaustausch wenn endlich alle Menschen Windows und MS Office einsetzen. Darauf wartet Microsoft und der Rest der Welt. Kein Windows-Anwender mehr der sich über meine komischen LibreOffice-Dokumente beschwert. Oder wollen wir Debian und LibreOffice zum Standard erklären? Windows braucht man genauso wenig wie Englisch wenn man Alternativen hat. Wenn alle endlich Debian und Libreoffice nutzen kann ich problemlos mit dem Rest der Welt kommunizieren.

Benutzeravatar
Patsche
Beiträge: 3261
Registriert: 21.06.2013 01:47:54
Lizenz eigener Beiträge: MIT Lizenz
Wohnort: /home/10001101001

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von Patsche » 12.08.2016 11:51:13

hikaru hat geschrieben:Aber genau diese Kompliziertheit von Sprache kann ganze Denkprozesse verändern. Im Englischen wird z.B. sauber zwischen dem öffentlichen Trauern (to mourn) und dem privaten Trauern (to grief) unterschieden.
Es mag vielleicht Einzelfälle geben, wo die englische Sprache etwas genauer ist, aber selbst die englischen Rapper sind immer wieder erstaunt über die deutsche Sprache, weil sie vielfältiger und genauer ist. Und ich denke, dass Rapper da schon ein gutes Verständnis für Sprachgebrauch besitzen.

guennid

Re: Sprachentwicklung hin zur Einheitssprache? [Aus TID 1618

Beitrag von guennid » 12.08.2016 12:10:32

Ich kann ja angesichts unserer jüngeren Vergangenheit ganz gut verstehen, dass manche Leute - insbesondere die empathischeren unter uns - mit allem Deutschen möglichst wenig zu tun haben wollen und, was die Spache angeht, in der (englischen) Universalsprache Entlastung suchen.

Nur scheint mir, dass ein durchaus wenig universales, sondern im Gegenteil ein ziemlich deutsches Verhalten zu sein. :mrgreen:

Grüße, Günther

Gesperrt