Sprachliche Zerfallserscheinungen?

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hikaru
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 13.04.2017 10:03:00

scientific hat geschrieben:Aber die synonyme Bedeutung für "in die Gänge kommen" (auch lustig) oder "rasch zu beginnen" ist halt für österreichische Ohren unerträglich "bundesdeutsch"...
Diese Synonyme von "in die Pedale treten" sind mir als Nord-/Ostdeutschem nicht geläufig. Ich kenne es wirklich nur mit Bezug auf Radfahren.
Aber bei synonymen Redewendungen zu erwarten, dass sie unmittelbar in der Situation Sinn ergeben würden ist eh unrealistisch. Kaum einer "trifft den Nagel auf den Kopf" wenn er eine zutreffende Äußerung macht oder "reißt sich am Riemen" wenn er besondere Mühe in etwas investiert.

guennid

Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von guennid » 13.04.2017 12:52:08

Gestern politisch völlig unkorrekt beim Metzger, mitten im schönen Hessenland:

Ich hatte "ein Viertel Jagdwurst" geordert. Als die Metzgersmeistersgattin "in die Pedale trat", ging mir durch den Kopf: Was ist die eigentlich die Bezugsgröße: "kg" oder "Pfund"? 250gr waren mir eigentlich etwas viel. Offenbar waren wir uns aber einig bei 125gr. Sie gab daraufhin zum Besten: Kürzlich bestellt hier ein Österreicher: "fünf Viertel Deka Faschiertes". Da sei sie ziemlich "am Schleudern" gewesen. :mrgreen: "Herrlich! ich liebe sprachliche Eigenheiten!
Zuletzt geändert von guennid am 13.04.2017 13:09:21, insgesamt 1-mal geändert.

BenutzerGa4gooPh

Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 13.04.2017 13:02:20

hikaru hat geschrieben:oder "reißt sich am Riemen" wenn er besondere Mühe in etwas investiert.
Sich beschränken - anders kenne ich das nicht.
fünf Viertel Deka Faschiertes
Was ist denn das? (Faschinen: Rutenbündel zur Damm- oder Ufer-Bewehrung, Deka: gar keine Idee)
Und was ist die öserreichische Bezugsgröße von 5/4 = 1,25?
Zuletzt geändert von BenutzerGa4gooPh am 13.04.2017 13:09:42, insgesamt 2-mal geändert.

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Meillo
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Meillo » 13.04.2017 13:07:34

guennid hat geschrieben:Herrlich! ich liebe sprachliche Eigenheiten!
Ich fand immer diesen Typ cool, der bei seiner Bank ``eine Kilo-Mark'' abgehoben hat. Die anderen fanden das recht seltsam. :-)
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scientific
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von scientific » 13.04.2017 13:23:13

Faschiertes ist nix faschistisches.
Und Deka ist bei einer Massenangabe die streng CI-konforme Vorsilbe für 10^1
Dekagramm sind 10 Gramm.

So wie Hekto für 10^2 steht.
Also ein Hekto-Ar sind 100 Ar.
Ein Ar hingegen 100 m^2...

Bei der Eisenbahn werden die Steine alle 100m gesetzt. Die rechnen in Hektometer.

Der 1000er-Sprung vom Vorsilbenlosen Einheitswert zum Kilo(meter, gramm, Joule) ist irgendwie seltsam... In die andere Richtung gibts ja auch dezi und centi (von centum =100) für 10^-1 und 10^-2...
dann putze ich hier mal nur...

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 13.04.2017 13:26:32

guennid hat geschrieben:Ich hatte "ein Viertel Jagdwurst" geordert.
Da hätte ich ohne zu stutzen ein Viertel einer ganzen Jagdwurst am Stück über die Theke gereicht.

thoerb
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von thoerb » 13.04.2017 14:14:04

hikaru hat geschrieben:
guennid hat geschrieben:Ich hatte "ein Viertel Jagdwurst" geordert.
Da hätte ich ohne zu stutzen ein Viertel einer ganzen Jagdwurst am Stück über die Theke gereicht.
Das muss dann aber vorher noch ordentlich mit einem Zollstock (Gliedermaßstab) abgemessen und eingeteilt werden. :wink:

guennid

Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von guennid » 13.04.2017 14:30:02

Zollstock (Gliedermaßstab) abgemessen
wörtlich oder metrisch genommen? :wink:

thoerb
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von thoerb » 13.04.2017 14:46:18

guennid hat geschrieben:
Zollstock (Gliedermaßstab) abgemessen
wörtlich oder metrisch genommen? :wink:
Mit einem metrischen Zollstock. :mrgreen:

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Meillo » 13.04.2017 15:08:23

thoerb hat geschrieben:
guennid hat geschrieben:
Zollstock (Gliedermaßstab) abgemessen
wörtlich oder metrisch genommen? :wink:
Mit einem metrischen Zollstock. :mrgreen:
Sind darauf dann metrische Zoll aufgetragen, statt amerikanischen?

Und wie lang ist denn ein solcher Zollstock? Ein Hektozoll? ;-)
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 13.04.2017 15:13:01

Meillo hat geschrieben:
thoerb hat geschrieben:Mit einem metrischen Zollstock. :mrgreen:
Sind darauf dann metrische Zoll aufgetragen, statt amerikanischen?

Und wie lang ist denn ein solcher Zollstock? Ein Hektozoll? ;-)
Frag doch mal die NASA! Die müsste das wissen. ;)

http://www.astronews.com/news/artikel/1 ... -001.shtml

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von OppaErich » 13.04.2017 16:47:11

Meillo hat geschrieben: Und wie lang ist denn ein solcher Zollstock? Ein Hektozoll? ;-)
Typisch sind 6 Dutzend. Hektozoll ist die Einfuhrumsatzsteuer auf einen Hektoliter Glyphosat, das ist die Menge, die für einen Hektar Kulturfläche ausreicht.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von scientific » 13.04.2017 20:17:59

6 Dutzend?
72 Stück...
dann putze ich hier mal nur...

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deb http://debian.xundeenergie.at/xundeenergie testing main

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von DeletedUserReAsG » 13.04.2017 20:21:15

72" sind nun nicht überragend viel.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 18.04.2017 15:38:00

Aus einem anderen Thread [1]:
seep hat geschrieben:Na, falls die Rechte nicht passen, schrub er doch.
Ich mag den kreativen Einsatz unregelmäßiger Zeitformen! Ganz ehrlich - zeigen sie doch, dass Sprache nie wirklich logisch war.
Warum heißt das nicht "schreibte"? Und warum ist "schrieb" besser als "schrub"?

Meine Französischlehrerin in der Schule sagte mal, dass etwa 40% aller Verben im Französischen unregelmäßig sind. Ich habe das nie geprüft und ich weiß auch nicht, ob das im Vergleich zu Deutsch oder Englisch besonders viel ist. Aber es hinterließ das demotivierende Gefühl, dass Denken beim Sprachenlernen nur bedingt hilfreich ist und stupides Auswendiglernen im Zweifelsfall zu "richtigeren" Ergebnissen führt.


[1] viewtopic.php?f=15&t=164927#p1129370

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Meillo » 18.04.2017 15:50:26

hikaru hat geschrieben: Meine Französischlehrerin in der Schule sagte mal, dass etwa 40% aller Verben im Französischen unregelmäßig sind. Ich habe das nie geprüft und ich weiß auch nicht, ob das im Vergleich zu Deutsch oder Englisch besonders viel ist. Aber es hinterließ das demotivierende Gefühl, dass Denken beim Sprachenlernen nur bedingt hilfreich ist und stupides Auswendiglernen im Zweifelsfall zu "richtigeren" Ergebnissen führt.
Darum mag ich Spanisch lieber als Franzoesisch: da ist naemlich das Verhaeltnis von Denken zu Auswendiglernen besser. ;-)
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 18.04.2017 16:21:04

Meillo hat geschrieben:Darum mag ich Spanisch lieber als Franzoesisch: da ist naemlich das Verhaeltnis von Denken zu Auswendiglernen besser. ;-)
Spanisch stand mir seinerzeit nicht zur Verfügung. Ich hatte nur die Wahl zwischen Russisch und Französisch. Ersteres war kurz nach der Wende gerade out und für Letzteres sprach zumindest oberflächlich, kein neues Alphabet lernen zu müssen.

Im Nachhinein betrachtet war die Entscheidung falsch. Mal abgesehen davon, dass ich Beiträge auf ubuntu-fr.org verstehe habe ich meine Französischkenntnisse nach der Schule nur einmal genutzt - kurioserweise in Spanien. Die paar Brocken Spanisch die ich mir für die Reise angeeignet hatte bestätigen deinen Eindruck: Vergiss die komplizierte Französische Grammatik, justiere die Aussprache ein wenig und lerne eine Hand voll logische Operatorvokabeln: Dann hat man einen ganz brauchbaren Spanisch-Crashkurs für Anfänger.
Russisch könnte ich viel öfter anwenden, brauche ich aber auch nicht.

guennid

Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von guennid » 18.04.2017 16:59:08

hikaru hat geschrieben:Warum heißt das nicht "schreibte"?
Vielleicht kann ich dich beruhigen: In der ehemaligen Grafschaft Ziegenhain, sozusagen in Deutschlands Mitte, tauchte in den vergangenen Jahren immer häufiger "ich fande" statt "ich fand" auf. Das lässt doch hoffen - oder? :mrgreen:

DeletedUserReAsG

Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von DeletedUserReAsG » 18.04.2017 18:13:32

Korrekt falsch ist aber „ich findete”.


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