Der Staat als Dienstleister und der Bürger als Kunde

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Ruhollah
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Der Staat als Dienstleister und der Bürger als Kunde

Beitrag von Ruhollah » 09.03.2004 19:52:28

Folgenden interessanten Text habe ich im FDP-Forum gefunden. Er stammt von einer gewissen Frieda Freiheit. Weil er interessant und diskussionswürdig ist, stelle ich den Artikel auch noch mal hier ein.

Es ist modern geworden, den Staat als Dienstleister zu bezeichnen und Bürger als Kunden. Wenn dies doch nur zu mehr Bürgernähe und weniger Bürokratie führte, wäre absolut nichts gegen diese Begriffe einzuwenden. Ich aber sehe eine Gefahr, die damit einhergeht, wenn man den Staat als Dienstleister und die Bürger als Kunden bezeichnet.

1. Es ist setzt sich eine Versorgungsmentalität bei dem Bürger durch. Sozialstaatsbetrüger fühlen sich doch gerade ermuntert, die Dienstleistungen des "Dienstleisters" Vater Staat in Anspruch zu nehmen.

2. Es führt auch dazu, dass die Bürger nach mehr Dienstleistungen und staatlichen Versicherungen rufen, um das eigene Unvermögen abgesichert zu wissen. Wenn ich Bürger dieses Landes höre oder deren Äußerungen lese, was angeblich alles Staates Aufgabe sei, so kann ich nur den Kopf schütteln.

3. Auch die Etatisten fühlen sich ermuntert, dem Staat neue Betätigungsbereiche und Kompetenzen zu erschließen. Das Argument, der Staat sei für seine "Kunden" da, führt zu solchen unsinnigen Expansionen und Investitionen wie zuletzt bei der BA, die mit ihren "virtuellen Arbeitsmarkt" ihre "Kunden" bedienen wollen, gleichzeitig aber private Vermittlungsunternehmen den Markt streitig machen. Echte Marktwirtschaftler können das nicht wollen.


Zusammenfassend muss ich sagen, dass die Termini Dienstleister für Staat und Kunde für Bürger, irreführend, ja gar gefährlich sind.

Eure Frieda



Ich finde, dass sie absolut recht hat.

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Natas12
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Beitrag von Natas12 » 09.03.2004 21:30:59

"frieda freiheit" heißt in wirklichkeit wohl "sabine christiansen" und schafft es nicht, den begriff "sozial" ohne den begriff "betrüger" zu nennen. na ja. als durchschnittliche fdp-interessierte apothekerehefrau wird man selten in den "genuss" kommen, sozialleistungen bezie... - verzeihung - "erschleichen" zu müssen.

ich finde, dass ich absolut recht habe.

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Six
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Beitrag von Six » 09.03.2004 21:47:14

Ich habe auch recht.

Ruhollah
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Beitrag von Ruhollah » 09.03.2004 21:47:22

Es gibt zweifelsfrei Menschen, die den Sozialstaat betrügen. Warum darf man die nicht benennen? Nur weil man sie benennt, heißt es noch lange nicht, dass alle Bezieher von Sozialleistungen Betrüger seien! Sie tun der Frieda unrecht.

Schade, dass man in Deutschland nicht richtig disputieren kann, denn jedesmal werden einem die schlimmsten Dinge unterstellt.

Kritiker der gegenwärtigen amerikanischen Regierung schieben schon reflexartig Nebensätze nach, dass sie öfter schon in Amerika gewesen seien und dort auch viele Freunde haben. Bei Kritik an Scharons Politik, gibt's das gleiche Spiel. Und nun hat die Frieda Freiheit vergessen zu erwähnen, nicht alle Sozialleistungsbezieher seien Betrüger, und schon wird mit einer großen Keule auf sie eingeschwungen.

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Beitrag von emge » 09.03.2004 22:05:18

Meinen Glückwunsch!

Zur Verleihung des "df.de most off topic award".

Grüße, Marco

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Webermaster
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Beitrag von Webermaster » 09.03.2004 22:15:54

Ich finde den Text von F. Freiheit eher doof
Sie bemängelt die Begriffe Dienstleister und Kunde in o. g. Zusammenhang, vergisst aber selber einen konstruktiven Vorschlag zu machen (ist vielleicht das Problem der FDP - auch hier in der Schweiz)
Ausserdem finde ich den Sozialstaat eine gute Sache, daran ändern auch 'Sozialstaatsbetrüger' nichts.

Vielleicht hab ich auch ab und zu Recht

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Beitrag von Roarin » 09.03.2004 22:19:20

Relativ viel schwachsinn. So richtig formuliert?

Ich kann ja wohl von Väterchen Staat erwarten das er mein Unvermögen (Unfall, Krankheit, Arbeitslosigkeit) absichert, denn ich habe Jahrelang in eine Versicherung eingezahlt.

Missbrauch gibt es überall, aber wenn ich dann so verwaschene Äusserungen wie "Wenn ich Bürger dieses Landes höre oder deren Äußerungen lese, was angeblich alles Staates Aufgabe sei, so kann ich nur den Kopf schütteln.
" höre weis ich doch das da wohl gerade jemand nachm Stammtisch noch was zu sagen hatte.

Das größte Problem ist, dass wir ein Beamten System haben. Es wird nur versucht überschüssige Leute irgendwo unterzubringen - vollkommen egal ob der da nun Ahnung von hat oder nicht.

Ausserdem wenn interresiert der Name? -> Arbeitsagentur.

Gruß
Simon
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Beitrag von Natas12 » 09.03.2004 22:32:17

wenn auch frieda weiß, dass die wenigsten bezieher von sozialleistungen betrüger sind, weshalb werden sie dann extra erwähnt? offensichtlich hat sich bei ihr der gleiche mechanismus im kopf festgesetzt, der auch beim begriff "ausländer" immer die begriffe "illegal" oder "kriminell" impliziert. manchmal wird dann noch ein "man wird doch auch mal darüber reden dürfen" eingeschoben, so als würde man nicht STÄNDIG darüber reden, so als wüßte man nicht, dass es erklärtes ziel ist, bezieher von sozialleistungen als asoziale schmarotzer erscheinen zu lassen, die nur zu faul und zu dumm sind, etwas aus ihrem leben zu machen.

abgesehen davon finde ich den text sogar für das offensichtliche genre (sabine christiansen - talk) ziemlich schwach. wenn schon pseudoliberal abledern, dann aber richtig!

mensch fdp!!! das geht doch viel besser!

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DavidJ
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Beitrag von DavidJ » 10.03.2004 10:36:54

Meiner bescheidenen Meinung nach hat sie recht. Denn so wie ich den Artikel verstehe, geht es ihr darum dass man den Staat eben nicht als Versorger oder Dienstleister bezeichnen oder anpreisen sollte. Was auch völlig richtig ist. Der Staat ist nicht unser Versorger, das müssen wir selbst sein bzw. die Eltern wenn man noch nicht im entsprechenden Alter ist. Ich sehe auch nicht inwiefern man den Staat als Dienstleister begreifen sollte. Es geht in dem Artikel auch nicht um die Sozialhilfeempfänger oder die Ausländer sondern schlicht um Leute die die Lücken im sozialen Fallnetz ausnutzen möchten. Diese Leute können Deusche oder Zugewanderte sein. Und es ist leider trauriger Fakt, dass es viele gibt, die als Deutsche das soziale System ausnutzen und dass es viele gibt, die nach Deutschland kommen um sich ebenfalls an diesem sozialen System zu bedienen. Das ist ein Problem, es kostet den Staat also uns selbst viel Geld. Und darüber muss geredet werden und Lösungen müssen gefunden werden. Insofern halte ich es für richtig dass man den Staat nicht als Dienstleister und uns Bürger nicht als Kunden verstehen sollte. Wobei in beiden Fällen eigentlich wir Bürger gemeint sind denn eigentlich sind wir diejenigen die den Staat tragen. Wir bezahlen die Steuern u. anderes und wir stellen das Fallnetz zur Verfügung.

Jedesmal zu unterstellen es ginge gegen die Sozialhilfeempfänger und die Zugewanderten und somit die Diskussion zu ersticken bringt uns nicht weiter. Es ist einfach so dass es Menschen gibt die Sozialhilfeempfänger sind weil sie es bequemer finden und es ist einfach so dass es Menschen gibt die aus dem Ausland hierher kommen um sich am sozialen System zu bedienen. Sich an den Wörtern Sozialhilfeempfänger und Ausländer aufzuhängen ist unsinnig, genau so gut könnte man sagen es ginge gegen die Menschen. Aber es geht um ganz bestimmte Personen (wenn auch nicht einzeln bekannte) die (ja, genau, die) das soziale System, welches von uns allen getragen wird ausnutzen möchten. Warum soll man nicht darüber reden oder versuchen etwas dagegen machen?
Warum ist es unmöglich zu differenzieren dass es nicht gegen die Sozialhilfeempfänger und auch nicht gegen die Ausländer geht?

Über das andere Ende unseres Systems wird jedoch immer wieder gerne pauschal und abwertend gewettert: Die Reichen. Wobei es auch unter diesen welche gibt die sich unrechtmäßig bereichern. Aber was bitteschön rechtfertigt es denn pauschal gegen die Reichen, welche sowohl Deutsche als auch Ausländer oder Zugewanderte sein können, zu schimpfen? Sind sie die Bösen oder wie? So einfach ist es leider nicht.

EDIT:
Der Staat ist nicht unser Versorger, das müssen wir selbst sein bzw. die Eltern wenn man noch nicht im entsprechenden Alter ist. Ich sehe auch nicht inwiefern man den Staat als Dienstleister begreifen sollte.
Es geht mir jetzt auschließlich um Leute die sich selbst versorgen können, nicht um welche die z.B. wg. Behinderung oder Arbeitslosigkeit selbst nichts für ihr Einkommen tun können.

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jogix
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Beitrag von jogix » 10.03.2004 11:43:46

Hi,

Full ACK, David.

Da ich gelegentlich nebenbei Nachhilfe gebe, bekomme ich da auch einiges mit. Nun, Mathe ist nicht gerade ein beliebtes Fach, weshalb die meisten meiner Schüler regelmäßig fluchen. So hatte demletzt ein Mädel gemeint "wozu soll ich den Sch*** denn lernen?" - "Für den Beruf brauchst Du das." - " Ach Quatsch, ich lebe später sowieso von der Sozialhilfe....!"
Das ist die Mentalität, die sich in Deutschland verbreitet.

Weiteres Beispiel: der Mann einer ehemaligen Arbeitskollegin meiner Mutter ist wegen einer Standortschließung Arbeitslos geworden. Nun, er war einfacher Arbeiter. Jetzt hatte er aber soviel Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bekommen, daß er keinen Sinn darin gesehen hat, wieder arbeiten zu gehen, denn wegen 300DM (damals...!) den ganzen Tag sonstwo rumzueiern - das lohnt sich doch nicht.

Irgendwie ist da was faul, nicht wahr?!
cheers,
Jochen
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emge
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Beitrag von emge » 10.03.2004 12:09:47

Willkommen am Stammtisch.

Viele Grüße, Maro

DavidJ
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Beitrag von DavidJ » 10.03.2004 12:23:20

Jetzt hatte er aber soviel Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bekommen, daß er keinen Sinn darin gesehen hat, wieder arbeiten zu gehen, denn wegen 300DM (damals...!) den ganzen Tag sonstwo rumzueiern - das lohnt sich doch nicht.
Man kann es ja irgendwie schon verstehen, warum arbeiten gehen und fast nix dafür bekommen wenn man das gleiche oder mehr bekommen kann ohne zu arbeiten. Das ist ein Problem auf Seiten des Arbeitsmarktes, welches im Zusammenhang mit unserem sozialen System leider unnötig "Gelgenheiten" schafft. Ich betone hier trotzdem noch dass ich nicht so denke, dass alle Arbeislosen und Sozialhilfeempfänger sich nur durchschorren wollen. Im gegenteil, ich glaube die meisten würden sehr, sehr gerne selbst etwas für ihren Lebensunterhalt tun.
Irgendwie ist da was faul, nicht wahr?!
Klar ist es das. Was ich auch noch problematisch finde, ist die Integration von Zuwanderern und das Bildungs- insbesondere aber des Erziehungsniveau im Land - Geredet wird da viel aber im nächsten Augenblick wird wieder das Geld unter dem Arsch weggekürzt. Bravo!

DavidJ
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Beitrag von DavidJ » 10.03.2004 12:25:30

Willkommen am Stammtisch.

Viele Grüße, Maro
Anstatt dümmliche Kommentare abzugeben könntest du doch erklären was dich stört.

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fober
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Beitrag von fober » 10.03.2004 12:55:46

meiner meinung nach hat sie recht ... wenn man es logisch betrachtet.
Der staat ist kein Dienstleister. RICHTIG. mit so vielen Schulden wäre der Insolvenzverwalter ständiger Gast :)

Der Bürger ist kein Dienstleistungsnehmer. RICHTIG. Weil sonst könnten wir ja ohne eigenen Standortwechsel einfach den Dienstleister wechseln ... und das ist nicht so einfach mölich.

ALSO ... selbst ist der bürger

cu frank
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Lesen ist seeliger denn posten :D
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emge
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Beitrag von emge » 10.03.2004 13:19:44

DavidJ hat geschrieben:
Willkommen am Stammtisch.

Viele Grüße, Maro
Anstatt dümmliche Kommentare abzugeben könntest du doch erklären was dich stört.
Mich stört, dass in diesem Thread auf sehr niedrigen Niveau Polemik betrieben wird, die recht nah an dem Geschwafel ist, das man gemeinhin als Stammtischpolemik bezeichnet. Argumente a'la "ich habe von der Mutter eines Freundes deren Ehemann gehört, dass er vor 3 Jahren gesagt hat..." sind nun mal auf diesem Level. Wenn das aus dem recht knappen Posting nicht hervorgegangen ist... sorry.

Dazu kommt noch, dass ihr zwar alle schön erklärt, was euch da stört, Lösungsansätze muss man aber mit der Lupe suchen.

Deshalb nochmal: Willkommen am Stammtisch.

Viele Grüße, Marco

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Natas12
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Beitrag von Natas12 » 10.03.2004 13:35:18


Marktteilnehmer sind darauf abgerichtet, sich eben nicht nur als Arbeits- und Markt-, sondern auch als Sozialkonkurrenten zu verhalten. Man bleibt nur übrig, wenn dem anderen möglichst wenig übrig bleibt. Das Leistungsprinzip oder besser die Ökonomie der Ausgrenzung reproduziert ausgrenzende Individuen. Wem nehmen wir etwas weg?, ist deren vorrangige Frage. Was ich will, gesteh ich keinem andern zu, lautet der asoziale Imperativ. Dieses leistungsbezogene Credo inszeniert sich freilich als unerschütterliche Größe: Wer will, der kann. Und wer nicht kann, will nicht. Ist ein Saboteur. Ein Schmarotzer. Ein Parasit. Wir wollen auf unsere Kosten kommen, aber niemand darf auf unsere Kosten leben. Vom sozialdarwinistischen Topos zur rassistischen Verachtung ist es dabei nur ein kleiner Schritt.
(aus: freitag 04/04)

ach ja: ich finde, dass emge absolut recht hat
"In den reichen Ländern hat die Freiheit gesiegt - mit all den schrecklichen Folgen, die das für die anderen mit sich bringt und noch bringen wird. Die Demokratie ist auf andere Epochen verschoben." (L. Canfora)

Ruhollah
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Beitrag von Ruhollah » 10.03.2004 13:40:24

Ich habe Frieda so verstanden, dass es ihr mehr um Dienstleistungen und weniger um elementare Sozialleistungen geht. Dass Sozialleistungen als Dienstleistungen verstanden werden ist schon völlig verkehrt. So glauben viele Menschen, sie hätten ein Anspruch auf Sozialhilfe, weil sie weiß ich wie lange "eingezahlt" oder Steuer gezahlt haben. Angenommen, wir hätten überhaupt keinen produktiven Sektor mehr, was glauben die vom Staat Alimentierten eigentlich, woher das Geld kommen solle.

Am Beispiel der BA (Friedas Beispiel) ist es auch schön deutlich zu sehen, dass die Dienstleistungsmentalität der Beamten und Politiker geradezu ins Verderben führt. Was als "Kundennähe" (Stellenmarkt im Internet) verkauft wird, ist 1. eine Expansion zulasten des freien Marktes und 2. ein Millionengrab. Womit dürfen wir als nächstes rechnen? Dass das Arbeitsamt belegte Brötchen und Kaffee ausschenkt und dann das als "Kundenfreundlichkeit" verkauft, während der Bäcker um der Ecke Insolvenz beantragt.

Sorgenvoll nehme ich zu Kenntnis, dass viele Menschen ein dirigistisches, étatistisches Verständnis haben. Zur Euroeinführung wäre es angeblich Aufgabe des Staates gewesen, Preise festzusetzen. (Es gab Menschen in diesem Land, die das wirklich forderten.) Kürzlich spukte durch die Medien die Meldung, dass einige gutverdienende Haushalte die Kinder auf Staatskosten ins Internat schickten. Dass sich selbst bei einigen Gutverdienern eine solche Anspruchsmentalität durchgesetzt hat, die sogar den eigenen Stolz überwiegt, ist alarmierend.

Die Forderung nach der Institution Staat trägt leider Früchte, sehr bittere Früchte. In der aktuellen Ausgabe des Spiegel ist zu lesen, was Eurokraten planen. Die Werbewirtschaft wird wahrscheinlich bald kräftig reguliert; viele Werbebotschaften, darunter sehr kreative, sind den Hohepriestern ein Dorn im Auge. Beispiel: Der Nutella-Werbespruch "Gut für die Seele" wird es dann mangels Beweises bald nicht mehr geben. Noch schlimmer als das, ist das Menschenbild, was dahintersteckt: Das Bild des unmündigen Verbrauchers, den man vor sich selbst schützen muss. Und leider gibt's Menschen, die das auch noch toll finden, weil es angeblich "Staates Aufgabe" sei, die Menschen vor solchen Werbebotschaften zu schützen.

Hat nicht mal Linus Torvalds den lustigen und kreativen Satz gesagt, Software sei wie Sex, beides sei besser, wenn es frei ist. Da er kein zu bezahlendes Produkt anpreist, wird er wohl keine Probleme mit den Hohepriestern und auch nicht mit den Leuten vom horizontalen Gewerbe bekommen.

Leider unterstützt die jetzige Regierung in Berlin das gegenwärtige Vorhaben der "Verbraucherschützer" in Brüssel, gleichzeitig will man sich dem Tabakwerbeverbot aus Brüssel nicht beugen. Der Kanzler setzt sich höchstpersönlich auch dafür ein, dass der deutsche Autohandel nicht liberalisiert wird, zu Ungunsten des deutschen Verbrauchers, der auf günstigere Preise verzichten muss. Das Weltbild jener Leute ist ziemlich verdorben. Im Falle der Tabakwerbung, hält man den Verbraucher für mündig, bei Werbung für Naschwerk und sonstigem nicht. Und der Autokäufer wird auch für unmündig erklärt.

Was mit "Kundennähe" und "Verbraucherschutz" oftmals verkauft wird, geschieht oft in guter Absicht, aber gleichzeitig leidet darunter die Freiheit und der private Sektor. Die Moral sinkt, das Sozialprodukt sinkt und die Arbeitslosigkeit steigt. Ein angelsächsisches Sprichwort lautet: Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Gute Absichten sind auch das Dosenpfand, Ausbildungsabgabe, Steinkohlesubventionen und die geplante Anhebung der Erbschaftssteuer zugunsten der Bildungsetats.

DavidJ
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Beitrag von DavidJ » 10.03.2004 13:52:26

Dazu kommt noch, dass ihr zwar alle schön erklärt, was euch da stört, Lösungsansätze muss man aber mit der Lupe suchen.
Einen Lösungsansatz habe ich leider nicht. Aber wenn man sich zu einem Thema überhaupt nicht austauscht wird man wohl auch nie einen Lösungsansatz finden, weil einer alleine wohl kaum in der Lage ist so eine Komplexe Sache komplett zu durschauen. Und wie soll man für ein Problem oder eine Ansammlung von Problemen eine Lösung finden wenn man sich noch nichtmal sicher ist was das Problem oder was die Probleme überhaupt sind? Das einzelne Postings die Probleme nicht umfassend beschreieben können ist meiner Meinung nach selbstverständlich. Und wenn dazwischen etwas wie Polemik aufkommt muss man das wohl in Kauf nehmen, ich bin mir aber nicht sicher ob's in diesem Thread wirklich polemische Äußerungen gab - Oder genauer ausgedrückt, ich bin mir nicht sicher dass die Äußerungen auf die du wohl anspielst im Bewusstsein ihrer polemisch wirkenden Art gemacht wurden.

Ich gehe davon aus dass du auf jogix' Posting angespielt hast. Im nachhinein gebe ich dir da sowohl was jogix' Posting und meine Antwort darauf angeht recht. Manchmal merkt man leider nicht wie die eigenen Äußerungen letztlich wirken oder man hat vorher nicht 'mal richtig darüber nachgedacht. Aber wenn dich diese (scheinbare) Polemik stört, wäre es doch wohl besser wenn du gleich darauf aufmerksam machst was los ist. Kommentare wie, "Willkommen am Stammtisch" wirken sonst nur überheblich und verlieren damit wohl auch ihren Sinn.


MFG, David

tylerD
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Beitrag von tylerD » 10.03.2004 13:58:26

Jeodch habt ihr auch keine Vorschläge. Ich bin auch der Meinung, dass an unserem System einiges nicht stimmt. Ich habe oft das Gefühl, dass durch die Bürokratie die in unseren Ämtern herscht, oft nur die bevorzugt werden, die das das System bewußt ausnutzen und bescheißen wollen. Ok sie werden nicht bevorzugt, aber einige sind halt kleverer als andere, und suchen sich die Lücken. Demjenigen, der die Hilfe wirklich schnell und unkompliziert braucht, werden unnötige Hürden auferlegt, unter anderm deswegen weil andere das System ausnutzen, und er hat oft nur sehr schlecht alle Möglichkeiten herauszufinden, welche Hilfe er beanspruchen kann. Sicherlich ist das eine Gradwanderung zwischen Überwachung, Regelmentierung und Vorschriften und ich hab leider auch kein Rezept, aber das wir Reformen brauchen und das sich an dem System einiges ändern muss, ist doch hoffentlich allen klar?

Und dass das wichtigste Theme des Arbeitsamt über ein halbes Jahr der neue Name ist, ist ja nun mal echt lächerlich. Warum muß sich den so ein komisches Amt mit den sinnlosen Werbeparollen der Wirtschaftsunternehmen messen? Wenn ich arbeitslos bin, ist das schlimm genug, jedoch ist mir nicht geholfen, wenn ich von einer super modernen Agentur für Arbeit nen Zettel bekomme oder vom Arbeitsamt. Und das Arbeitsplatzproblem, vor allem hier im Osten, wird sicherlich nicht durch eine bessere und "kundenorientierteren" Verwaltung gelöst. Dazu gehört ja wohl noch einiges mehr.

cu

DavidJ
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Beitrag von DavidJ » 10.03.2004 14:03:47

Marktteilnehmer sind darauf abgerichtet, sich eben nicht nur als Arbeits- und Markt-, sondern auch als Sozialkonkurrenten zu verhalten. Man bleibt nur übrig, wenn dem anderen möglichst wenig übrig bleibt. Das Leistungsprinzip oder besser die Ökonomie der Ausgrenzung reproduziert ausgrenzende Individuen. Wem nehmen wir etwas weg?, ist deren vorrangige Frage. Was ich will, gesteh ich keinem andern zu, lautet der asoziale Imperativ. Dieses leistungsbezogene Credo inszeniert sich freilich als unerschütterliche Größe: Wer will, der kann. Und wer nicht kann, will nicht. Ist ein Saboteur. Ein Schmarotzer. Ein Parasit. Wir wollen auf unsere Kosten kommen, aber niemand darf auf unsere Kosten leben. Vom sozialdarwinistischen Topos zur rassistischen Verachtung ist es dabei nur ein kleiner Schritt.
(aus: freitag 04/04)
Na toll! Das hier zu posten läßt irgendwie schon vermuten dass du nichtmal auf einzelne Äußerungen eingehen möchtest, statt dessen aber gerne bereit bist dieses Gedankengut ("Wer will, der kann. Und wer [...]") zu unterstellen. Damit gräbst du dir leider nur selbst das Wasser ab. Schlaue Aussprüche zitieren können wir alle aber zu versuchen einen konstruktiven Beitrag (womit ich besonders das Widerlegen der gemachten Aussagen meine) zum Meinungsaustausch zu leisten ist dann scheinbar doch zu viel verlangt.

DavidJ
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Beitrag von DavidJ » 10.03.2004 14:10:22

Jeodch habt ihr auch keine Vorschläge.
Stimmt, ich habe weder einen Lösungsvorschlag gemacht noch habe ich einen den ich machen könnte. Aber darf ich deswegen nicht mehr darüber reden? Wie soll man in ein Thema "reinwachsen" oder lernen sich dem Thema gerecht werdend damit auseinander zu setzen wenn einem nichtmal erlaubt wird darüber zu reden und so hoffentlich an den anderen zu wachsen? - Also durch Meinungsaustausch neue Sichtweisen und Wissen dazugewinnen.

EDIT: Ich fühle mich jeden Falls außerstande mit 21 Jahren schon sämtlichen Themen wohl informiert und allwissend gegenüber zu stehen.

NOCHMAL EDIT: TylerD, ich habe dein Posting wohl irrtümlich auf mich bezogen?!
Zuletzt geändert von DavidJ am 10.03.2004 14:20:21, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von fober » 10.03.2004 14:14:05

@TylerD
Das scheint mir ein leidiges Problem unserer Zeit zu sein. Es werden Probleme bekämpft, ohne deren Ursache verstanden bzw. erkannt zu haben. Daß dies wiederum nur in einem Wirrwar enden kann ist klar (Welcher Programmierer hat nich schon Fehler des Betriebssystems durch "Quellcode-Kopfstände" versucht zu umschiffen)

Und was eine Lösung anbetrifft ... da renne scheinbar momentan alle im Düsteren rum, bzw. wenn es solche wege gibt sind die meist nur mit sehr schmerzhaften Einschnitten verbunden ... und wer will die schon.

klingt zwar recht blöd ... aber als Ossi kennt man wohl den Spruch:
Der Sozialismus ist eine gute Sache, nur der Faktor Mensch wurde hier völlig außer Acht gelassen. (Der Mensch ist nun mal zu tiefst egoistisch)
Ich glaube, daß es hier nie eine hundertprozentig zufriedenstellend Lösung geben wird

PROST!

cu Frank
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tylerD
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Beitrag von tylerD » 10.03.2004 14:20:41

DavidJ hat geschrieben: Stimmt, ich habe weder einen Lösungsvorschlag gemacht noch habe ich einen den ich machen könnte. Aber darf ich deswegen nicht mehr darüber reden?
Sorry das @ fehlte. Ich bezog das mehr auf emge und nastas12 Aussagen, da sie das ankreiden jedoch auch keine bringen.

cu

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Beitrag von Natas12 » 10.03.2004 14:23:26

tja, ruhollah. aber nicht ALLE MENSCHEN sind so mündig, aufgeklärt und rational wie du. und da liegt das problem. der sogenannte "liberalismus" hat ein ganz bestimmtes menschenbild - der mensch als rationaler planer, der aufgeklärt ist, der nur die chancengleihheit braucht und sich nicht dirigieren lassen möchte.

das ist ein zutiefst bürgerliches menschenbild, welches aus der eigenen erfahrung, nämlich "bürger" und "nicht einzuordnendes individuum" zu sein, speist. aber nicht alle haben diese erfahrungen gemacht - andere soziale konditionierungsprozesse erzeugen andere menschen, beispielsweise menschen, die unterstützt werden müssen oder menschen, die sich gegen die werbung nicht "wehren" können. die art, wie man über sich und über andere menschen denkt, ist eben (auch) davon abhängig, in welcher position man sich selbst befindet. andernfalls ließe es sich nicht erklären, warum menschen aus unteren sozialen schichten so leicht die "kontrolle" über sich selbst verlieren, während die gebildeten, besser verdienenden offensichtlich dem menschenbild entsprechen, welches sie selbst einfordern und als das absolute durchsetzen möchten, ohne zu bedenken, wie sie selbst zu dieser ansicht gekommen sind.

ich brauche keinen krakenhaften staat, der mir die schuhe zubindet. aber er muss (auch) dafür sorgen, dass diejenigen, die diesen "bürgerlichen" überblick nicht haben, geschützt werden. notfalls vor sich selbst.

@davidj:
wenn es möglich ist, haarsträubende texte aus dem fdp-forum zu zitieren, dann dürfte es auch möglich sein, texte (die vielleicht für dich genauso haarsträubend sind) aus anderen quellen zu zitieren. nicht mehr, nicht weniger. der artikel zielte nicht auf hier agierende personen sondern sollte (überspitzt) die generelle tendenz widerspiegeln (ich nenne sie "konservative restauration" - das zurückfallen in ein voraufklärerisches, neofeudales gesellschaftssystem). und wenn ich mir ansehe, dass darüber diskutiert wird, arbeitslose zu medikamententests zu zwingen (weil bei verweigerung das arbeitslosengeld gestrichen wird), dann finde ich das zitat durchaus angemessen...

es ist wie in der geschichte mit dem affen, der katze und der schnecke (oder waren das andere tiere?). alle drei haben die gleiche chance - sie dürfen auf den baum klettern. wer wird aber wohl als erster oben sein? wenn man einach nur die "chancengleichheit" ausruft und alle einfach "machen" lässt, dann kommen die schwachen unter die räder (und sie werden auch noch selbst dafür verantwortlich gemacht, da ja alle angeblich die gleichen chancen haben). chancengleichheit ist ein mythos.

ach ja, lösungsvorschläge... mein lösungsvorschlag: mehr politik!

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Beitrag von emge » 10.03.2004 14:36:10

tylerD hat geschrieben:Sorry das @ fehlte. Ich bezog das mehr auf emge und nastas12 Aussagen, da sie das ankreiden jedoch auch keine bringen.
Selbstverständlich habe ich keinen Lösungsvorschlag. Deswege enthalte ich mich ja auch der eigentlichen Diskussion zum Thema "Sozialschmarotzer und wie wir damit umgehen".

Ich erlaubte mir lediglich einen Hinweis auf das Fehlen eben dieser Lösungsvorschläge und dass das meiner Meinung nach im Kontrast zu dem pauschalen Aufzählen der Probleme steht.

Also hier mein Lösungsvorschlag für das "Meta-Problem": Bringt Vorschläge, wie man die Probleme im Sozialstaat lösen kann. Wenn schon die Misstände aufgezeigt werden, dann doch bitte auf einem höheren Niveau als dem des FDP-Liberalismus und des Stammtischpopulismus. Auch Zitate aus gesellschaftskritischen Publikationen helfen mir nicht weiter, da ich sie genau so wenig verstehe (bin halt doch nur ein Techniker) wie ich bereit bin den "der Markt wirds schon richten"-Parolen der Liberalen zu folgen.

Viele Grüße, Marco

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