Richard M. Stallman in Essen

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Tunix
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Richard M. Stallman in Essen

Beitrag von Tunix » 29.09.2004 00:44:18

Ich war in Essen im Glaspavillon. Sowohl der Vortrag von Dr. Peter Gerwinski als auch der von Richard M. Stallman waren sehr informativ.
Dr. Gerwinski führte zu Beginn der Veranstaltung in einem deutschen Vortrag in die Problematik der Softwarepatente ein und er hat es IMHO sehr gut verstanden, das Thema massenkompatibel herüberzubringen, ohne die versierteren Leute zu langweilen. Er ging am Beispiel seiner Firma darauf ein, was kleinere Softwareschmieden erwarten würde, wenn sich Softwarepatente in Zukunft etablieren würden. Auch ging er speziell auf die EU-rechtliche Situation ein, zum Beispiel, dass sich der Ministerrat komplett der demokratischen Kontrolle entzieht (Lobbyarbeit lässt grüßen). Oder dass das europäische Patentamt trotz aktueller Gesetzeslage (Software und Formeln sind nicht patentierbar) über 30.000 Softwarepatentanmeldungen entgegen nahm (ist für uns ja schon ein alter Hut), und nur EIN VIERTEL davon zu europäischen Firmen gehören. 50% gehören den USA, das verbleibende Viertel Japan. Dr. Gerwinski hat jedenfalls sehr umfassend über sämtliche Aspekte der Softwarepatente informiert. Von dem Problem, dass man sich als kleine Firma die Lizensierung dieser Patente nicht leisten kann bis hin zur Tatsache, dass es schlicht und ergreifend nicht realisierbar wäre, nach möglcihen Patentverstößen im eigenen Quellcode zu suchen, zumindest nicht ohne entsprechende Rechtsabteilung.
Stallmans Vortrag griff u.a. ein paar dieser Punkte auf und vertiefte sie. Er sprach davon, dass wir jetzt als Europäer einen kleinen Vorteil gegenüber den Vereinigten Staaten hätten, da wir keine Softwarepatente haben. Und wir sind drauf und dran diesen Vorteil zu verspielen. Er wies u.a. auf die Gefahr hin, dass Brachenriesen Verträge untereinander abschließen könnten, sich bei Patentverletzungen nicht gegenseitig zu verklagen, dafür aber bei kleinen Softwareschmieden keine Gnade zeigen.
Er hat drei Möglichkeiten aufgeführt, wie man sich legal mit Softwarepatenten zurechtzufinden könnte/müsste und welche Probleme es dabei gibt (die diese Patente als absolut sinnlos erscheinen lassen).
Punkt 1 war das normale Lizensieren. Das geht nur so lange gut, wie man sich sich das leisten kann und der Verkauf des Produkts noch genug abwirft. Oft wollen die Lizenzgeber z.B. 5% vom Verkaufspreis jedes verkauften Produktes. Wenn man 20 solcher Patente lizensieren muss bleibt nicht mehr viel übrig :P Und erst bei 21 :lol: Bei freier Software gesellt sich das Probelm dazu, dass man gar nicht weiß, wieviele Kopien eines Programms im Umlauf sind.
Punkt 2 war das Vermeiden von patentierten Ideen, was aber selbst wenn man Full-Time Patente auswerten würde nicht wirklich zu bewerkstelligen ist.
Punkt 3 befasste sich damit, ein Patent gerichtlich für ungültig erklären zu lassen, sofern man nachweisen kann, dass jemand anderes zuvor diese Idee schon hatte. Aber das kostet Geld, eine Mange Geld, besonders wenn man einen großen Konzern vor Gericht zerren will.
Er hat auch viel über die Patentprobleme der LZW-Komprimierung berichtet und seine Bestürzung darüber ausgedrückt, dass viele das GIF-Format trotzdem weiter verwendet haben, obwohl mit PNGs (die er übrigens Pings auspricht, ich wusste gar nicht, dass die so ausgesprochen werden) durchaus Alternativen vorhanden waren.
RMS hat mit sehr aussagekäftigen Analogien gearbeitet und hat es vermieden in technische Details abzudriften. Zum Beispiel verglich er das Programmieren unter Softwarepatenten mit dem Herumtapsen in einem Minenfeld vergleichen. Es kann lange alles gut gehen bis man den falschen Schritt macht. Er gab aber eine Unstimmigkeit mit dieser Analogie zu: Eine Mine, auf die getreten wurde, ist nachher keine Gefahr mehr für andere (wie makaber), bei Softwarepatente können aber jedes mal auf's Neue Programmierer in die Falle tappen. Insgesamt war der ganze Vortag sehr locker, wozu sicher auch die humoristischen und manchmal sogar sehr bissigen Bemerkungen beigetragen haben. Es war faszinierend ihm zuzuhören.
Stallman hat sehr ruhig, langsam und äußerst deutlich gesprochen. Man konnte ihn hervorrgand verstehen. Man merkt ihm an, dass er Erfahrung mit Publikum hat, für das englisch eine Fremdsprache ist.
Lustig wurde es, als ihm zwischendurch einer der Organisatoren(?) (keine Ahnung, wer das wahr) eine Freude machen wollte und ihm etwas Mineralwasser bringen wollte: "Is this soda?" - "Yes" - "Ok, then no thanks. But thanks for trying" (sinngmäß aus dem Gedächtnis). Ein paar Miunten später kam besagter Herr dann mit einer Flasche Vittel (stlles Wasser) an (er wollte wohl nicht das RMS verdurstet), für die sich RMS dann auch höflich bedankt hat. Nur er hat die Flasche nicht aufbekommen. Der eine Typ eilte ihm zur Hilfe und er bekam die Flasche auch nicht auf. Was ein Drama :lol: Auf jedenfalls hat das Publikum gegröhlt vor lachen. Der Kampf der zwei Männer gegen die Wasserflasche sah einfach nur zu ulkig aus ;)
Eine Diskussion gab es aus Zeitgründen zum Schluss nicht mehr, aber er hat in der letzten Viertelstunde Souvenirs (Metallanhänger mit GNU-Symbol, richtig edel) der Free Software Foundation für 15 € verkauft, die als direkte Spende an die FSF gehen. Ich hatte noch so gerade Glück, dass ich meine 10 € in Scheinen mit Hilfe von einigen Münzen zu 15€ vervollständigen konnte. Auf meine Frage hin, ob er auch Münzen nimmt (lassen sich ja schlecht umtauschen) meinte er "Sure, what do you wanna have?" (also welche von den drei Varianten ich haben wollte). Er ist ziemlich locker drauf, sehr sympathisch.

Hier noch ein paar Fotos (leider nur Handykamera, daher bitte keine Wunder erwarten)

Der Vortrag von Dr. Gerwinski. Der Laden ist gut besucht:
http://www.christian-kroll.de/Stallman_ ... villon.jpg

Richard M. Stallman hat sich kurz vor Ende von Dr. Gerwinskis Vortrag unauffällig in den Raum geschlichen und hat sich ganz hinten, wo ich saß (eher stand) erstmal seinen Laptop aufbaut und dran herumgewerkelt. Die Zuhörer vorne haben nichts bemerkt! Ich hab ihn dann einfach mal ganz dreist geknippst:
http://www.christian-kroll.de/Stallman_ ... ortrag.jpg

Dieses Bild entstand nach dem Vortrag als er vorne die Anhänger verkauft hat. Man durfte ihm auch Fragen stellen und auf Wunsch hat er auch Bücher signiert.
http://www.christian-kroll.de/Stallman_ ... ortrag.jpg

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Maikel
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Beitrag von Maikel » 29.09.2004 09:23:11

Ich war, natürlich, auch da :P

Auffällig waren die vielen Linuxfans im Publikum, war ja quasi ne Pilgerfahrt :wink:
Es hätten besser aber auch Firmenchefs und Regionalpolitiker da sein sollen.
Die hätten eine Menge lernen können!
Der Vortrag war wirklich sehr gut und vor allem recht verständlich!
Gut fande ich die vielen Vergleiche an denen Stallman aufzeigt was Patente, wenn sie in falschen Bereichen eingesetzt werden, alles verhindert, sprich unmöglich gemacht hätten.
So die Verweise auf Schriftsteller und Musiker zB.
Da hätten auch Windosen Nutzer verstanden was Patente für sie bedeuten.

Ich sag nur: mp3, jpeg, ...

Also wie gesagt!
Im großen und ganzen ein Super Vortrag!!!
Bei der nächsten Stallmanveranstalltung werde ich wieder dabei sein.
Cheers, Maikel
------------
BGLUG
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Linus Torvalds:
"Only wimps use tape backup: _real_ men just upload their important stuff on ftp, and let the rest of the world mirror it ;)"

horst77
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Re: Richard M. Stallman in Essen

Beitrag von horst77 » 29.09.2004 15:43:18

Tunix hat geschrieben:Ich war in Essen im Glaspavillon. Sowohl der Vortrag von Dr. Peter Gerwinski als auch der von Richard M. Stallman waren sehr informativ.
Ich war auch da und ich muss sagen der informationsgehalt war äuserst gering. jeder der ab und zu in eine zeitung schaut dürfte von den informationen nicht mehr überrascht gewesen sein.
der erste vortrag von herrn g. war sehr mässig und hätt auf 5 min. gekürzt werden können.
der zweite vortragend ergoss sich in unzälige beispiele, wo eines gereicht hätte.
eine diskusion wäre sicherlich interessanter gewesen...
Tunix hat geschrieben: IMHO sehr gut verstanden, das Thema massenkompatibel herüberzubringen, ohne die versierteren Leute zu langweilen.
muss ich wiedersprechen. zumindest ich fand es öde und gehöre sicherlich nicht zum kreis versierter leute...
Tunix hat geschrieben:Lustig wurde es, als ihm zwischendurch einer der Organisatoren(?) (keine Ahnung, wer das wahr)
--> Dr. Rüdiger Oberhage
Tunix hat geschrieben: Ich hatte noch so gerade Glück, dass ich meine 10 € in Scheinen mit Hilfe von einigen Münzen zu 15€ vervollständigen konnte.
Herzlich Glückwunsch zu diesem teueren Ding
Tunix hat geschrieben:Ich hab ihn dann einfach mal ganz dreist geknippst:
Oh, wie verwegen...
Tunix hat geschrieben: Man durfte ihm auch Fragen stellen und auf Wunsch hat er auch Bücher signiert.
Das ist für einen Guru aber nett...

Zusammenfassend: Es waren anscheinend ne Menge Leute da, die ihrem Guru ehrfurchtsvoll lauschen wollten. erstaunlicherweise ist keiner auf die Knie gefallen. :lol:

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cliff99
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Beitrag von cliff99 » 29.09.2004 16:11:44

Ich habe den Beitrag von horst77 gelesen und ich muss sagen, der Informationsgehalt war äusserst gering. Dafür wurde viel über Tunix gespottet, der sich die Mühe gemacht hatte, einen recht langen Bericht über den RMS Vortrag zu schreiben. Das ganze Forum dürfte jetzt gespannt sein, ob sich horst77s Laune bis zu seinem zweiten Post bessern wird.

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BeS
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Beitrag von BeS » 29.09.2004 16:16:24

In seinem blog wird Essen auch kurz genannt: https://agia.fsf.org/rms-blog/rms-entry-20040928.html
Letzter Absatz :lol:
Deine Unterstützung für Freie Software kostet dich nur wenige Minuten: www.fsfe.org/support

Ich spreche von Freier Software!

Tunix
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Beitrag von Tunix » 29.09.2004 16:35:23

@Horst77:
Ich weiß nicht, was Du Dir von diesem abend versprochen hast oder was Du uns mit Deinem geistreichen Beitrag mitteilen möchtest. Informativ war der abend sicher für jeden, der sich mit dem Thema Softwarepatente noch nicht ausführlich befasst hat und für diese Leute waren diese Vorträge letztendlich auch gedacht. Wenn man sich, wie Du, mit diesem Thema schon auseinandergesetzt hat, war natürlich nicht viel neues dabei.
muss ich wiedersprechen. zumindest ich fand es öde und gehöre sicherlich nicht zum kreis versierter leute...
Man kann es nicht jedem Recht machen. Das es Dir nicht gefallen hat mag für Dich zwar bedauerlich sein, aber Du hättest ja genausogut früher gehen können, oder hast Du auf eine Überraschung gewartet?

Dagegen finde ich folgende Deiner Kommentare vollkommen überflüssig:
Herzlich Glückwunsch zu diesem teueren Ding

Oh, wie verwegen...

Das ist für einen Guru aber nett...

Es waren anscheinend ne Menge Leute da, die ihrem Guru ehrfurchtsvoll lauschen wollten. erstaunlicherweise ist keiner auf die Knie gefallen.
Ja ja, die Anonymität im Internet lässt bei manchen die eigene Klappe riesengroß werden...

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Beitrag von horst77 » 30.09.2004 12:30:06

cliff99 hat geschrieben:Das ganze Forum dürfte jetzt gespannt sein, ob sich horst77s Laune bis zu seinem zweiten Post bessern wird.
So ein neuer Tag wirkt wunder!
Heute morgen bin ich aufgewacht und habe seit dem gute Laune :D

Nein, es sei ja jedem gegönt die Vorträge gut gefunden zu haben, ich wollte ja nur dokumentieren, dass es auch die gegenteilige Meinung gibt. (Der Abend war nun mal für mich enttäuschend. Tschuldigung!)

@Tunix: Verzeihung für meinen Spott, aber ich finde es halt befremdlich, dass normale Umgangsformen zu etwas besonderem stilisiert werden. (z.b. "man durfte ihm fragen stellen" Wäre ja noch schöner wenn man das nicht gedurft hätte...)
ich bin halt etwas empfindlich wenn mir "übertriebene" (aus meiner sicht) Personenverehrung begegnet.

So, und nun liebes Forum beruhig dich wieder 8)

Tunix
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Beitrag von Tunix » 30.09.2004 17:10:26

horst77 hat geschrieben:Nein, es sei ja jedem gegönt die Vorträge gut gefunden zu haben, ich wollte ja nur dokumentieren, dass es auch die gegenteilige Meinung gibt. (Der Abend war nun mal für mich enttäuschend. Tschuldigung!)
Dagegen hat auch niemand was, wohl aber, wenn man sich im Ton vergreift.
horst77 hat geschrieben:@Tunix: Verzeihung für meinen Spott,
Entschuldigung angenommen, dennoch werde noch was dazu sagen:
horst77 hat geschrieben:aber ich finde es halt befremdlich, dass normale Umgangsformen zu etwas besonderem stilisiert werden. (z.b. "man durfte ihm fragen stellen" Wäre ja noch schöner wenn man das nicht gedurft hätte...)
Ach komm, nur weil ich anstatt "konnte" "durfte" geschrieben habe? Wortklauberei. In der Tat war es so, dass im Nachhinein noch darauf aufmerksam gemacht wurde, dass man ihm ruhig Fragen stellen könnte, weil dass kaum einer gemacht hat (ob das nun das Resultat ehrfüchtiger Zurückhaltung von GNU-Jüngern war oder einfach keiner Interesse hatte sei mal dahingestellt).
horst77 hat geschrieben:ich bin halt etwas empfindlich wenn mir "übertriebene" (aus meiner sicht) Personenverehrung begegnet.)
Ich stelle mich aber auch nicht hin und verpotte Leute, denen der abend nicht gefallen hat. Schließlich besucht man auch nicht das Mutantenstadl, nur um sich über Leute lustig zu machen, die Karl Moik gut finden, auch wenn der innere Schweinehund einen dazu treiben will.

Ich für meinen Teil stehe RMS durchaus kritisch gegenüber. In manchen Punkten wirkt er mir zu stark polarisierend, eine Zeit lang konnte ich damit so rein gar nichts anfangen. Dennoch erkenne ich seine Leistung im Umfeld der freien Software und dem GNU-Projekt an. Ohne letzteres gäbe es definitiv kein Linux, wie wir es es heute kennen. Er mag ein Hardliner sein, aber er hat die Welt der freien Software geprägt, davon mehrheitlich im positiven Sinne. Und auch wenn er nur ein Rädchen von vielen ist: Seine Stimme hat Gewicht. Und das kann uns im Kampf gegen Softwarepatente nur recht sein. Aus diesen Gründen habe ich die seltene Gelegenheit gerne wahrgenommen, diesen Menschen mal persönlich zu sehen. Dies hat IMHO nichts mit übertriebenem Personenkult zu tun sondern mit Respekt und Anerkennung (wenn auch nicht ungeteilt).

Zur Sache mit dem Metallanhänger: Sicher, bei 15€ fragt man sich tatsächlich, ob der vergoldet ist, aber die Tatsache, das die Einnahmen der FSF zu Gute kommen, welche die Interessen freier Software (und damit auch meine Interessen) vertritt, hat es für mich dann ausreichend relativiert. Ich hätte für 15€ auch zum Italiener essen gehen können, aber der Metallanhänger wird mir im Gegensatz zu einer Spaghetti Bolognese noch lange als Erinnerungsstück erhalten bleiben. Und immerhin ist das Ding gut verarbeitet und sieht nicht billig (im Sinne von kitschig) aus ;)

Tunix
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Beitrag von Tunix » 01.10.2004 12:04:19

Gerade gefunden auf der elug-Mailingliste, RMS' Kampf mit der Wasserflasche ;)

http://student.power.uni-essen.de/~sw03 ... _water.jpg

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