Der 3. Weltkrieg, divide et impera

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TomL

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von TomL » 11.01.2017 11:50:43

guennid hat geschrieben:Ich weiß, das alles willst du so wenig wie ich. Aber dann mach's doch einfach mal konkret
Das kann ich nicht, weil ich wie hikaru Änderungen für unmöglich halte und weil definitiv keine 'Partei' existiert, die eine aussichtsreiche politische Alternative wäre. Deswegen teile ich auch hikarus andere Haltung, stattdessen einfach die Dinge zu tun, die einem das eigene Leben lebenswert erscheinen lassen und die man schlichtweg gerne tut. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht manchmal einfach nur gerne auch mal über diesen politischen Scheiss meckere. :?
guennid hat geschrieben:
wahren Urheber der Verbrechen am Gedanken an die Menschlichkeit
Also ich kann mir nicht helfen, "Urheber von Verbrechen" sind für mich Verbrecher also kriminell. Für die ist die Strafjustiz da. Mir kommen da so'n paar symbolisierte Galgen in den Sinn.
Das Thema hatten wir schon.... war da nicht irgendwas mit "struktureller Gewalt", die keiner Person zuzuordnen ist .... *grübelgrübel* ... das ist ja einer der Mechanismen, die die Entscheidungen der handelnden Personen in diesem System schützt. Sie sind ursächlich verantwortlich, können aber nicht verantwortlich gemacht werden, weil es ab einem Punkt ein systemisches Handeln ist.

BTW, kanntest Du das Wasser-Video bereits? Wie ist Deine Meinung dazu?

debianoli
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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von debianoli » 11.01.2017 12:19:58

Jana66 hat geschrieben: Aber schreibe ruhig mal, was denn konkret die EU Großes, auch für den "Kleinen Mann", auch für den in südeuropäischen EU-Staaten geleistet hat. Einzahlungen eines Staates und daraufhin "Förderung" von Projekten im jeweiligen Staat per teurer EU-Bürokratie und dehalb auch notwendiger, teurer "Landes-Bürokratie" lasse bitte außen vor. :wink:
Was die EU konkret in den letzten 60 Jahren geleistet hat? Wie wäre es mit der Sicherung des Friedens zwischen Deutschland und Frankreich? Und der friedlichen Lösung der Süd-Tirol-Frage zwischen Italien und Österreich?

Dazu finde ich die Reisefreiheit in Europa durch Schengen super. Ich brauche keine aufgeblasenen Zöllner zwischen Mittenwald und Brenner, denen beim Zerlegen des Autos einer abgeht.

Über die EU sollte man sich auch mal richtig informieren, denn da sehe ich bei vielen, die die EU kritisieren riesige Lücken bezüglich des Wissens zu Funktionsweisen und politischen Entscheidungsträgern der EU. Am Besten fängt man mit Grundlagen wie dem Acquis communautaire an.

Und die die Kritik an der EU wegen der Flüchtlings-Regelungen hat seine Ursachen im Schwachsinn Dublin-Abkommen, mit dem die deutsche Regierung jegliche Flüchtlinge schön brav von Deutschland fernhalten wollte. Damit man sich ja nicht um reale Probleme kümmern muss. Getreu dem alten Kohl-Motto: Einfach aussitzen und nichts tun. Die Arbeit sollten Länder wie Griechenland und Italien machen. Doch die waren bereits vor 4, 5 Jahren am Ende der Fahnenstange angelangt.

Ebenso ist es mit sinnvollen deutschen Regelungen zur Einwanderung: Die wurden in den letzten Jahrzehnten vor allem von CDU und CSU verhindert. Den Rüttgers-Wahlkampf inkl. Unterschriften-Sammlungen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft vor ca. 15 Jahren bereits vergessen? Ich sage nur "Lieber Kinder statt Inder"

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hikaru
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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von hikaru » 11.01.2017 12:36:04

Jana66 hat geschrieben:Nur kurz dazu, warum ich den Begriff "3. Weltkrieg" verwendete:

Kürzlich hatte ich irgendwo gelesen, dass es mitllerweile im letzten Irakkrieg - mit der Folge der Entstehung von ISIS (Rhetorische Frage, nicht unbedingt an dich: Aus welchen Gründen eigentlich?) und der Destabilisierung von Syrien durch ISIS und (!) durch von deutschen Medien sogenannte "gemäßigte Rebellengruppen", sowie im letzten, offensichtlich bislang andauernden Afghanistankrieg es mittlerweile 4 Millionen Tote (!) gab.
Wenn ich dich also richtig verstehe, dann machst du den Weltkriegsbegriff an der Anzahl der Toten fest?
Jana66 hat geschrieben:Ich hätte ebenso "in den Raum stellen" können, ob der 2. Weltkrieg je beendet wurde: Korea, Vietnam, Chile und kleinere lateinamerikanische Staaten, Stellvertreterkriege im sog. Kalten Krieg, insgesamt nur in Europa "Kalter Krieg".
Ja, aber das waren eben "nur" Stellvertreterkriege. Die eigentlichen Hauptkontrahenten USA und UdSSR haben sich im direkten Duell auf Machtdemonstrationen beschränkt.

guennid hat geschrieben:oder wähle wie hikaru eine Lösung a la Descartes (1596-1650). :wink:
Auch wenn ich seine philosophische Methode sehr ansprechend finde, so komme ich doch bei Descartes immer mit seiner dritten Meditation in's Schleudern, weil ich sein 1. Argument für den Gottesbeweis für von vorne bis hinten an den Haaren herbeigezogen halte.

TomL hat geschrieben:ich bin mit Leib und Seele Europäer und ein begeisterter Fan unserer freiheitlichen westlichen Lebensweise und Kultur und also solcher unbedingt für eine gemeinsam erlebtes und politisch gemeinsam geführtes westliches Europa. Ich bin aber gleichermaßen und ebenfalls ohne jeden Zweifel auch ein Fan kultureller Globalisierung
Dann wirst du dich unweigerlich in Widersprüche verstricken, denn die Werte und Kultur des "Westens" sind mit den Vorstellungen in manchen anderen Kulturkreisen inkompatibel.

Ich sah z.B. gestern eine Dokumentation (ich blaube auf Phoenix) über die Frauenrechtsbewegung in Saudi Arabien. Dort scheint es eine ganz andere Vorstellung von Gleichberechtigung zu geben als bei uns. Gleichberechtigung impliziert bei uns eigentlich auch immer Gleichstellung, eine Frau soll also die gleichen Möglichkeiten wie ein Mann haben, womit gleiche Rechte und Pflichten verbunden sind. Eine der saudischen Frauenrechtlerinnen, die sogar einige Zeit selbstständig in Europa gelebt hat, sagte aber direkt und recht selbstbewusst in die Kamera, dass sie gar nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer haben möchte. Sie möchte als Frau nicht die Last für ein von Männern unabhängiges Leben tragen müssen. Sie sei eine Frau und erwarte als solche das Privileg, von Männern versorgt zu werden. Dafür sei sie auch gern bereit die im Westen für Frauen als selbstverständlich angesehenen Freiheiten aufzugeben. In ihrem Kampf um Gleichberechtigung ginge es hauptsächlich darum, dass sie als Frau in ihrer traditionellen Rolle die gleichen Rechte habe, ihre traditionelle Stellung von Männern einzufordern, z.B. vor Gericht ihr Recht auf Versorgung einklagen zu können.
So ein Gesellschaftsbild, das mir für sich genommen erstmal legitim erscheint, ist nicht vereinbar mit den westlichen Gesellschaftsstrukturen.
TomL hat geschrieben:Ich bin mit tiefster Überzeugung gegen die aggressive militärisch geführte Plünderung islamischer Nahost-Staaten oder afrikanischer rohstoffreiche Länder, die Zerschlagung dortiger nationaler Regierungen, Zerstörung, Zerbombung, Verheerung von Städten, Landstrichen und was sogar auch die Ermordung der dort lebenden Menschendort beinhaltet... einfach deshalb, weil Krieg ein gewinnträchtiger westlicher Wirtschaftsfaktor ist. Wir verdienen zuerst an der Zerstörung und lassen uns dann den Wiederaufbau mit deren Öl oder Rohstoffen bezahlen.
Aber nur deshalb, weil wir als Kontinent von Kolonialherren so gehandelt haben und immer noch handeln, sind wir überhaupt in der komfortablen Position, uns untereinander unsere "westlichen Werte" leisten zu können. Auf welch tönernen Füßen die stehen sieht man ja sehr schnell, wenn nur mal ein paar Leute mehr als gewöhnlich von außerhalb kommen.
Ich bin mir also gar nicht so sicher wie viel unsere "Werte" überhaupt wert sind, wenn wir sie uns nur deshalb leisten können, weil wir sie anderen vorenthalten, bzw. nur so lange leisten wollen, so lange sie uns bequem sind.

debianoli
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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von debianoli » 11.01.2017 13:25:21

hikaru hat geschrieben:
Jana66 hat geschrieben:... es mittlerweile 4 Millionen Tote (!) gab.
Wenn ich dich also richtig verstehe, dann machst du den Weltkriegsbegriff an der Anzahl der Toten fest?
Einen Weltkrieg an der Anzahl der Toten festzumachen ist unüblich. Dann wäre auch der 30-jährige Krieg im 17. Jh ein Weltkrieg gewesen. Oder der russische Bürgerkrieg ab 1918. Die Einstufung eines Krieges als Weltkrieg beruht hauptsächlich auf anderen Faktoren: 1. Krieg zwischen Staaten 2. Mit Beteiligung von Staaten aus aller Welt 3. Kriegsschauplätzen auf allen Kontinenten. Siehe dazu den Eintrag auf Wikipedia, der berührt die wichtigsten Konfliktfelder der Begriflichkeit "Weltkrieg"

Das alles ist in Afghanistan, Irak und Syrien NICHT vorhanden. Hierbei handelt es sich um regionale Konflikte, siehe 1. Golfkrieg zwischen Iran und Irak. Oder um Bürgerkriege wie in Afghanistan.
hikaru hat geschrieben:Ich bin mir also gar nicht so sicher wie viel unsere "Werte" überhaupt wert sind, wenn wir sie uns nur deshalb leisten können, weil wir sie anderen vorenthalten, bzw. nur so lange leisten wollen, so lange sie uns bequem sind.
Das alte Dilemma von Demokratie und Freiheit. Das zeigt sich bereits bei der Gründung der USA: Die freien, reichen Gründerväter hatten oft eine Plantage mit unfreien Sklaven.

Wobei ich beim Thema "Europäischer Kolonialismus" erwähnen möchte, dass diese Herrschaft in weiten Teilen nur durch die aktive Mitarbeit der einheimischen Eliten möglich war. Oder glaubt ihr wirklich, dass das Minus-Geschäft afrikanische Kolonien ohne Beteiligung der einheimischen Herrscher auch nur ansatzweise funktioniert hätte? Nicht umsonst waren bis ins 19. Jh hinein reine Stützpunkte an den Küsten üblich. Im Deutschen Reich gab es zB sehr rege Debatten über den völligen wirtschaftlichen Unsinn von Kolonien in Afrika. Das kostete nur und brachte keinerlei Gewinne.

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 11.01.2017 13:50:00

@hikaru
Nur für's Protokoll: Ich möchte in deinem "wir" nicht mitgemeint sein!
hikaru hat geschrieben:Ich bin mir also gar nicht so sicher wie viel unsere "Werte" überhaupt wert sind
Mein alter Vorwurf: zu unhistorisch :wink:

Zur Saudi-Frau: Ich habe den Film nicht gesehen, insofern möchte ich das Folgende nur unter Vorbehalt - soweit ich deine Darstellung verstanden habe - formulieren:
hikaru hat geschrieben:die Werte und Kultur des "Westens" sind mit den Vorstellungen in manchen anderen Kulturkreisen inkompatibel.
Durchaus nicht. jedenfalls nicht in deinem Beispiel. Du vermengst hier etwas.

Wenn die Dame für sich fordert, einen bestimmten Lebensentwurf leben zu dürfen, dann ist das eine durchaus "westliche" (mir wäre die Bezeichnung "aufklärerische" lieber) Forderung, nämlich die nach der Freiheit, tun und lassen zu dürfen, was das Gesetz erlaubt.
Und wenn sie fordert, Rechtssubjekt sein zu dürfen (Klagerecht), dann ist das ebenfalls eine zwar andere, aber ebenso "westliche" Forderung, nämlich die nach Gleichberechtigung. Letzteres scheint mir in Gesellschaften, die nicht mal das (Frauen als Rechtssubjekte) gewähleisten, eine ziemlich fortschrittliche Gleichberechtigungsforderung zu sein.

Leider wird das bei "uns" dauernd vermengt: Unter dem Vorwand? (ich weiß, das System und seine Zwänge :wink: ) der Gleichberechtigung wird der einen Hälfte der Gesellschaft mehr oder weniger vorgeschrieben, wie sie ihr Leben gestalten sollte - auch eine Form von Leitkultur :wink:
hikaru hat geschrieben:Descartes [..] 1. Argument für den Gottesbeweis
Den kannst du auch getrost vergessen. :wink:
Mir ging's bei der Analogie um Descartes' Verhältnis zur Moral seiner Zeit.

Grüße, Günther

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 11.01.2017 14:09:16

@debianoli: Deinen Beitrag finde ich fair. Beide Seiten aus deiner Sicht beleuchtet.
Mit Nachteilen für Afrika durch EU-Vertraege mit Afrika habe ich mich allerdings nicht befasst. Wird wohl auch nicht groß in den Medien behandelt. Jedenfalls wenig davon mitgekriegt.

@debianoli und hikaru: Bezüglich Weltkrieg. Ich denke oft direkt mit den Worten eines Begriffes, bei Fremdworten schaue ich mir manchmal die Wortherkunft und deren eigentliche Bedeutung an. Definitionen sind eh willkürliche, hoffentlich sinnvolle Festlegungen. Viele definieren unterschiedlich. Persönlich mache ich den Begriff eher an der Anzahl direkt und INDIREKT beteiligter Staaten (auch durch Auswirkungen) fest. Exakte Schwellwerte festlegen sollen andere. Die Toten kann man erst später zählen, meist nur sehr grob und oft politisch geschönt schätzen. Kriege verursachen auch Hunger, Krankheit, neuerdings auch Ertrunkene. Vlt. ist ein globaler kalter Krieg auch ein Weltkrieg. Reine Definitionsfrage über die sich kein Streit lohnt. Zumal bei Drohneneinsatz im Talatue, Drohnensteuerung über Drittstaaten. :wink:
Zuletzt geändert von BenutzerGa4gooPh am 11.01.2017 14:24:32, insgesamt 9-mal geändert.

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von hikaru » 11.01.2017 14:13:10

guennid hat geschrieben:@hikaru
Nur für's Protokoll: Ich möchte in deinem "wir" nicht mitgemeint sein!
Welches "wir" meinst du?
guennid hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:Ich bin mir also gar nicht so sicher wie viel unsere "Werte" überhaupt wert sind
Mein alter Vorwurf: zu unhistorisch :wink:
Warum?
guennid hat geschrieben:Zur Saudi-Frau: Ich habe den Film nicht gesehen, insofern möchte ich das Folgende nur unter Vorbehalt - soweit ich deine Darstellung verstanden habe - formulieren:
hikaru hat geschrieben:die Werte und Kultur des "Westens" sind mit den Vorstellungen in manchen anderen Kulturkreisen inkompatibel.
Durchaus nicht. jedenfalls nicht in deinem Beispiel. Du vermengst hier etwas.

Wenn die Dame für sich fordert, einen bestimmten Lebensentwurf leben zu dürfen, dann ist das eine durchaus "westliche" (mir wäre die Bezeichnung "aufklärerische" lieber) Forderung, nämlich die nach der Freiheit, tun und lassen zu dürfen, was das Gesetz erlaubt.
Und wenn sie fordert, Rechtssubjekt sein zu dürfen (Klagerecht), dann ist das ebenfalls eine zwar andere, aber ebenso "westliche" Forderung, nämlich die nach Gleichberechtigung. Letzteres scheint mir in Gesellschaften, die nicht mal das (Frauen als Rechtssubjekte) gewähleisten, eine ziemlich fortschrittliche Gleichberechtigungsforderung zu sein.
Sie fordert aber auch das Recht ein, die Verantwortung für ihr eigenes Leben an andere (ihre männlichen Beschützer/Betreuer - irgend so ein Wort nutzte sie falls die Übersetzung stimmte) delegieren zu können. Das halte ich nicht für vereinbar mit der westlichen Idee der individuellen Selbstbestimmung. Sie mag nach unseren Maßstäben in der Lage sein, diese Verantwortung aus freien Stücken von sich zu schieben, aber sie hätte nicht das Recht, diese Verantwortung jemand anderem aufzubürden.
Dass sie eine Vorstellung davon hat was sie da fordert nehme ich an, denn wie gesagt, sie hat einige Zeit auf eigene Verantwortung in Europa gelebt.

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von debianoli » 11.01.2017 15:14:39

Jana66 hat geschrieben:Bezüglich Weltkrieg. Ich denke oft direkt mit den Worten eines Begriffes, bei Fremdworten schaue ich mir manchmal die Wortherkunft und deren eigentliche Bedeutung an. Definitionen sind eh willkürliche, hoffentlich sinnvolle Festlegungen. Viele definieren unterschiedlich.
Da muss ich dir als gewissenhafter :mrgreen: Geisteswissenschaftler massiv widersprechen. GERADE die oft WILLKÜRLICHE Verwendung von Begriffen in der öffentlichen Diskussion macht diese UNMÖGLICH. Insbesondere wenn dies entgegen etablierter Begrifflichkeiten in Geschichts- oder Politikwissenschaften geschieht. Man sollte sich entweder an etablierte Begrifflichkeiten halten oder definieren, was man unter einem Begriff "versteht". Sonst führen Diskussionen ins Leere.

Zudem gibt es zuviele Kampfbegriffe, die von allen politischen Seiten mit den verschiedensten Zielrichtungen und teilweise völlig entgegen der eigentlichen Bedeutung genutzt werden. Da ist eine klare Definition des Begriffes vor der Diskussion eigentlich lebenswichtig.

Beispiel: "Faschismus" war ursprünglich eine ca. 1922 gegen linke Arbeiter entstandene ITALIENISCHE Bewegung. Hauptzielrichtungen waren u.a. ein radikaler Nationalismus und der Kampf gegen den "Marximus". Ein deutscher Nationalsozialist hätte sich NIEMALS selber als Faschist bezeichnet, denn das waren nur "ausländische" Italiener.

Doch schon schnell wurden damit die unterschiedlichsten Bewegungen in der ganzen Welt als Faschisten bezeichnet. Und auch der politische Gegner, selbst wenn der eigentlich auf der "eigenen" Seite stand: So wurde die SPD von Kommunisten Anfangs der 1920er Jahre als "Sozialfaschisten" bezeichnet. Ebenso bezeichnen heute "besorgte Bürger" und AfDler die Antifa gerne als "Linksfaschisten", was eine völliger Verdrehung des Begriffs ist. Denn Faschisten sind wie erwähnt gegen Marxisten = Linke.

Ein andere Seite der Medaille erlebt man gerade bei eigentlich klar definierten Begriffen, die plötzlich wieder aus der historischen Versenkung kommen und nun "endlich" wieder positiv gesehen werden sollen. "Völkisch" ist so ein Wort, bei dem jeden geschichtlich Interessierten die Hutschnur platzt. Das Wort steht eindeutig für rechtsradikale Denkweisen und wurde nur in diesem Bereich genutzt. Ebenso das Unwort des Jahres "Volksverräter".

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 11.01.2017 16:06:52

@debianoli: Theoretisch hast du Recht. Ich widerspreche auch gar nicht. :D
Praktisch sieht es oft so aus, deshalb meine obigen Worte, die deine Kritik herausforderten: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Postfaktische_Politik
Den ganzen Artikel wenigstens überfliegen.
Von der Wortbedeutung her, ohne Wikipedia zu lesen, würde man das Wort Postfaktizitaet als "nach/hinter den Tatsachen" verstehen. Also entweder gar nicht verstehen oder sogar das Gegenteil vermuten. Na ja, und wozu angehangene "Ismen" dienen ist bekannt. Aus all diesen Gründen und weil ich modische Schlagworte/Schubkästen nicht mag, mein persönliches Unwort. :mrgreen:
Zuletzt geändert von BenutzerGa4gooPh am 11.01.2017 16:10:27, insgesamt 2-mal geändert.

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 11.01.2017 16:08:44

hikaru hat geschrieben:Sie fordert aber auch das Recht ein, die Verantwortung für ihr eigenes Leben an andere (ihre männlichen Beschützer/Betreuer - irgend so ein Wort nutzte sie falls die Übersetzung stimmte) delegieren zu können.
Sowas würde nur Sinn machen, wenn sie ein Recht hätte, verheiratet zu werden. Wie anders wollte sie fordern können, "die Verantwortung für ihr eigenes Leben an andere [...] delegieren zu können"? Ich kann mir nur vostellen, dass sie fordert, ihre Versorgungsrechte aus einem mehr oder weniger freiwillig eingegangenen existierenden traditionellen Eheverhältnis auch juristisch geltend machen zu können. Offenbar ist z.Z. nicht mal das in Saudi-Arabien für Frauen möglich. Und diese "Pflichten" verheirateter Männer gibt es, jedenfalls im Koran, dort aber eben nicht als Rechte der Frau, sondern lediglich als mit vom Propheten mit erhobenem Zeigefinger an die Männer gerichtete Ermahnung. Inwieweit und wo diese Ermahnung auch in Gesetzesform gegossen worden ist, weiß ich nicht.
hikaru hat geschrieben:Welches "wir" meinst du?
:
hikaru hat geschrieben:wir als Kontinent von Kolonialherren so gehandelt haben und immer noch handeln
hikaru hat geschrieben:wir (enthalten) (unsere "Werte") anderen vor, bzw.( wollen sie) nur so lange leisten, so lange sie uns bequem sind.
Warum du mir zu unhistorisch warst:
Das Beispiel zeigt es doch. Du kannst das nicht unhistorisch gegenüberstellen: "hier ist es so, woanders ist es anders". In frühreren Zeiten war das hier ebenfalls so ähnlich. Für mich ist das Fortschritt, für dich, wenn ich recht, sehe purer Zufall, Mode, Geschmacksfrage etc. Und dass das dort immer noch so ist, hängt mit der dortigen historischen Entwicklung zusammen.
Und ich meine gezeigt zu haben, dass das, was dort jetzt von Frauen gefordert wird, durchaus als das Nachholen von Aspekten der Aufklärung begriffen werden kann, wiewohl es das gar nicht zu sein scheint und auch den Akteur(inn)en nicht als ein solches bewusst ist.

Oder noch überspitzter formuliert: Ich glaube, die Frau tut mir ihrem konkretistischen kleinen Begehren mehr für die Frauenemanzpation in Saudi-Arabien, als alle "westlichen" Schreihälse zusammengenommen, die völlig abstrakt die Unterdrückung der Frauen in Saudi-Arabien anprangern.

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 11.01.2017 16:27:47

Ein deutscher Nationalsozialist hätte sich NIEMALS selber als Faschist bezeichnet, denn das waren nur "ausländische" Italiener.
OH oh, debianoli.

Hitler war durchaus ein begeisterter Mussolini-Verehrer, später ... na ja, den "Zauberlehrling" kennst du wohl.
Sein Putschversuch von 1923 sollte in IMitation von Mussolinis "Marsch auf Rom" ein "Marsch auf Berlin" werden.
Man mag von Ernst Nolte halten was man will, sein "Faschsimus in seiner Epoche" ist nach wie vor Standard. Im Übrigen zeigst du im Satz vorher selber wesentliche Gemeinsamkeiten auf.


@TomL
Das Thema hatten wir schon.... war da nicht irgendwas mit "struktureller Gewalt", die keiner Person zuzuordnen ist .... *grübelgrübel* ...
Also ich spar mir jetzt die Mühe, den ganzen Zusammenhang zu zitieren, aber da kriege ich deine Argumentation nicht auf die Reihe. Wenn ich die Gleichung Urheber des Verbrechens=Verbrecher aufmache, dann hat das doch nichts damit zu tun, wie bewusst dem einen oder dem anderen oder beiden ihr Handeln ist.

"Das Wasser-Video"? Thomas ich steh' auf dem Schlauch. :wink:

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von hikaru » 11.01.2017 16:51:38

guennid hat geschrieben:Sowas würde nur Sinn machen, wenn sie ein Recht hätte, verheiratet zu werden. Wie anders wollte sie fordern können, "die Verantwortung für ihr eigenes Leben an andere [...] delegieren zu können"?
Im Fall dass sie unverheiratet bleibt (oder geschieden wird - auch das ist in Saudi Arabien wohl nicht mehr undenkbar) möchte sie diese Ansprüche gegenüber den Männern in ihrer Familie stellen können (Vater, Brüder, etc.). Auch das sagt sie in der Dokumentation.
Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Pflege von Kranken oder Behinderten. Sie möchte schlicht nicht die Verantwortung für ihr eigenes gesundes Leben tragen müssen.
guennid hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:Welches "wir" meinst du?
:
hikaru hat geschrieben:wir als Kontinent von Kolonialherren so gehandelt haben und immer noch handeln
hikaru hat geschrieben:wir (enthalten) (unsere "Werte") anderen vor, bzw.( wollen sie) nur so lange leisten, so lange sie uns bequem sind.
Du bist doch wie ich Bewohner des Kontinents Europa, oder ist mir etwas entgangen? Und kollektiv als Gesellschaft handeln wir Bewohner Europas teils immer noch wie Kolonialherren. Ob dir das als Individuum passt oder nicht ist nebensächlich. Du bist Teil dieser Gesellschaft, profitierst in Form deines Lebensstandards von diesem Kollektivverhalten und hältst dieses Verhalten durch deine Systemkonformität mit aufrecht.
guennid hat geschrieben:Warum du mir zu unhistorisch warst:
Das Beispiel zeigt es doch. Du kannst das nicht unhistorisch gegenüberstellen: "hier ist es so, woanders ist es anders". In frühreren Zeiten war das hier ebenfalls so ähnlich. Für mich ist das Fortschritt, für dich, wenn ich recht, sehe purer Zufall, Mode, Geschmacksfrage etc. Und dass das dort immer noch so ist, hängt mit der dortigen historischen Entwicklung zusammen.
Und ich meine gezeigt zu haben, dass das, was dort jetzt von Frauen gefordert wird, durchaus als das Nachholen von Aspekten der Aufklärung begriffen werden kann, wiewohl es das gar nicht zu sein scheint und auch den Akteur(inn)en nicht als ein solches bewusst ist.
Ich glaube ich beginne zu verstehen was du meinst. Den Vorwurf, "unhistorisch" zu sein möchte ich aber von mir weisen.
Ja, auch hier gab (und gibt es teilweise) es eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern. Und ja, die Bewegung in Saudi-Arabien könnte man als Auswirkung von deren Version einer beginnenden Aufklärung ansehen.
Ich halte es aber für zu einfach gedacht, die "Aufklärung in Saudi-Arabien" als ein Nachholen der europäischen Aufklärung zu betrachten. Selbst wenn es Parallelen gibt, so sind doch die Rahmenbedingungen ganz andere, also mag auch das Ergebnis ganz anders aussehen. Es gibt jedenfalls keinen Grund anzunehmen, dass beide Ergebnisse miteinander kompatibel wären.

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von debianoli » 11.01.2017 17:14:16

guennid hat geschrieben:
Ein deutscher Nationalsozialist hätte sich NIEMALS selber als Faschist bezeichnet, denn das waren nur "ausländische" Italiener.
OH oh, debianoli.

Hitler war durchaus ein begeisterter Mussolini-Verehrer, später ... na ja, den "Zauberlehrling" kennst du wohl.
Sein Putschversuch von 1923 sollte in IMitation von Mussolinis "Marsch auf Rom" ein "Marsch auf Berlin" werden.
Man mag von Ernst Nolte halten was man will, sein "Faschsimus in seiner Epoche" ist nach wie vor Standard. Im Übrigen zeigst du im Satz vorher selber wesentliche Gemeinsamkeiten auf.
Natürlich haben die Gemeinsamkeiten und erkannten sich auch als Brüder im Geiste. Trotzdem hätte sich kein Nationalsozialist als Faschist bezeichnet. Dazu war diese Bewegung zu radikal-nationalistisch. Das gleiche gilt für die spanische Falange. Wobei man streiten kann, ob die Franco Bewegung wirklich faschistisch war.

Das macht den Begriff ja so schwierig: Das, was Zeitgenossen als Faschismus bezeichnet haben, hing immer vom Standpunkt ab. Marxisten zB hatten ein Riesenproblem mit der Einordnung der Faschisten in ihr Weltbild. Denn die Bewegung kam lange nach Marx auf und deshalb gab es dafür keine marxistische Erklärung.

Nolte hat damals neue Facetten der Forschung geöffnet, doch Forschung bleibt nie stehen. Payne hat in seinem sTandardwerk die Kennzeichen einer faschistischen Bewegung erstellt. Ich kann dir das mal raussuchen, wenn es dich interessiert.

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 11.01.2017 17:28:40

hikaru hat geschrieben:Im Fall dass sie unverheiratet bleibt (oder geschieden wird - auch das ist in Saudi Arabien wohl nicht mehr undenkbar) möchte sie diese Ansprüche gegenüber den Männern in ihrer Familie stellen können (Vater, Brüder, etc.). Auch das sagt sie in der Dokumentation.
Ich werde wohl die Klappe halten oder mir die Doku ansehen müssen. Ich sagte ja - ich habe sie bisher nicht gesehen. So wie du's jetzt darstellst, wär'das ja ein Ding.
hikaru hat geschrieben:Ich halte es aber für zu einfach gedacht, die "Aufklärung in Saudi-Arabien" als ein Nachholen der europäischen Aufklärung zu betrachten.
Ich nicht, und obwohl ich auch nicht denke, dass das "einfach" ist: da müssen die durch - aber unbeeinflusst von Besserwessis :wink:
hikaru hat geschrieben:Und kollektiv als Gesellschaft handeln wir Bewohner Europas teils immer noch wie Kolonialherren. Ob dir das als Individuum passt oder nicht ist nebensächlich.
Tut mir leid, aber ich weigere mich, mich da vereinnahmen zu lassen. Das sind Menschen, die da möglicherweise als Kolonialherren handeln und wenn die von systemischen Zwängen geleitet werden, müssen sebige bewusstgemacht, notfalls aufgebrochen werden.
hikaru hat geschrieben:Selbst wenn es Parallelen gibt, so sind doch die Rahmenbedingungen ganz andere, also mag auch das Ergebnis ganz anders aussehen.
Glaub ich nicht. Bei "Partiell anders" würde ich zustimmen und eventuell sogar darauf bestehen.

Ich bin halt eine unverbesserlicher Optimist im "Bewusstsein des Fortschritts der Freiheit" :wink:

@debianoli

Payne ist mir bisher durch die Lappen gegangen, den kannte ich bisher nicht. Danke für den Hinweis.

debianoli
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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von debianoli » 11.01.2017 18:12:38

@ guennid
Stanley Payne - Geschichte des Faschismus

Auch lesenswerte Darstellung der Betrachtung desGesamtphaenomens ist Wolfgang Wippermann - Faschismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bisheute ( falls du dasnicht schon kennst)

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 11.01.2017 18:22:04

Wolfgang Wippermann - Faschismustheorien

Der war zu meiner Zeit HiWi bei Nolte in Marburg :mrgreen:

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von debianoli » 11.01.2017 18:36:14

:mrgreen: Vielleicht gibt dir Wippermann Rabatt für sein Buch, wenn ihr euch kennt?

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 11.01.2017 20:58:53

Im Fall dass sie unverheiratet bleibt (oder geschieden wird - auch das ist in Saudi Arabien wohl nicht mehr undenkbar) möchte sie diese Ansprüche gegenüber den Männern in ihrer Familie stellen können (Vater, Brüder, etc.). Auch das sagt sie in der Dokumentation.
Ich habe es mir angesehen hikaru. "Die heimliche Revolution - Frauen in Saudi Arabien", 10.01.2017,18:00 Uhr auf Phönix. Die Doku ist aber ein oder zwei Jahre älter. Und ich konnte es nicht so finden, wie von dir erinnert. Im Falle von Unterhaltsansprüchen ging es immer nur um Ansprüche aus Eheverhältnisssen, nicht gegenüber Vätern oder Brüdern. Und die Damen meinten, dass sie diese Ansprüche in Saudi-Arabien besser durchsetzen könnten als Frauen in "westlichen" Ländern. Was die Unverheirateten anging, so kommentierten die Macherinnen der Doku, dass immer häufiger dieser Lebenentwurf (keine Heirat) gewählt werde. Aber da ging's dann nicht um Versorgungsansprüche.

Die Mädels waren ganz schön cool drauf - aber alle Akteurinnen waren Angehörige der Oberschicht, mindestens der gehobenen Mittelschicht.

Ich vermute, die Saudis haben historisch gelernt, und zwar aus dem Untergang des Schah-Regimes im Iran. Aber das war 1979, vor deiner Zeit. :wink:

Grüße, Günther

TomL

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von TomL » 12.01.2017 14:30:52

hikaru hat geschrieben:
und also solcher unbedingt für eine gemeinsam erlebtes und politisch gemeinsam geführtes westliches Europa. Ich bin aber gleichermaßen und ebenfalls ohne jeden Zweifel auch ein Fan kultureller Globalisierung
Dann wirst du dich unweigerlich in Widersprüche verstricken, denn die Werte und Kultur des "Westens" sind mit den Vorstellungen in manchen anderen Kulturkreisen inkompatibel.
Nicht zwingend.... es würde funktionieren, wenn der eine nicht seine Lebensweise bzw. sein Weltbild dem anderen abverlangen würde und nicht seine eigene Lebensart mit Nachdruck in der Heimat des anderen erzwingen wollte, indem z.B. muslimische Frauen hier in Europa auf die Vollverschleierung verzichten würden, und ebenso selbstverständlich europäische Frauen auf Reisen im muslimischen Heimatland auf die Zuschaustellung von zuviel Haut verzichten würden. Aus Repekt vor dem islamischen Glauben sollte sich gerade bei dem Aspekt die hier gewohnte Freizügigkeit auf das Urlaubs-Camp-Gelände beschränken. Wenn ich Gast bin, habe ich mich den Regeln anzupassen, die ich dort vorfinde... und dabei steht es mir nicht zu, dass zu kritisieren. Wenn mir das jedoch nicht gefällt, muss ich halt wieder gehen. Das gleiche erwarte ich von Muslimen, die mit unserer Normalität nicht klar kommen.
Aber nur deshalb, weil wir als Kontinent von Kolonialherren so gehandelt haben und immer noch handeln, sind wir überhaupt in der komfortablen Position, uns untereinander unsere "westlichen Werte" leisten zu können.
Und genau das wird die nächste Welle an Flüchtlingen erzeugen, die hier in Europa ihr Überleben sichern wollen. Das habe ich heute morgen in unserer Dorfzeitung gelesen, hier aus einem anderen Blatt "entliehen":
http://www.badische-zeitung.de/wirtscha ... 39241.html
Auf welch tönernen Füßen die stehen sieht man ja sehr schnell, wenn nur mal ein paar Leute mehr als gewöhnlich von außerhalb kommen.
Dieser oben zitierte Fischfang, ebenso wie das weiter oben verlinkte Wasser-Video sind u.a. Bestandteile der von Dir erwähnten westlichen Kolonialherrschaft. Und m.E. sind das die wahren Fluchtursachen und nicht allein der Terrorismus. Ich glaube sogar, dass das alles noch viel dichter verzahnt ist, als uns hier allen bewusst ist. Und jeder, der hier in DE Konsument ist, ist gleichzeitig auch Teilhaber und Mitverursacher dieser Misere... und wenn man sich aus dem "Wir" herausnehmen will, ist es nur das, was Mausfeld schon als "bequemes Verleugnen" bezeichnet hat.
Ich bin mir also gar nicht so sicher wie viel unsere "Werte" überhaupt wert sind, wenn wir sie uns nur deshalb leisten können, weil wir sie anderen vorenthalten, bzw. nur so lange leisten wollen, so lange sie uns bequem sind.
Warum bist Du da unsicher? Raub, Mord, Überfälle gibt es seit Menschen die Keule schwingen können. Wir haben das Töten und diese Raubüberfälle lediglich mit moderner Kriegstechnik und den Rechtsabteilungen milliardenschwerer Konzerne digitalisiert, aber es ist dennoch nix anderes. Das Verlogene ist nur das hinterher folgende Gejammer hier unserer "Gutmenschen" in DE, über die armen Menschen dort, die sterben, weil sie erschossen werden, auf der Flucht ertrinken, im Winter erfrieren, verhungern, verdursten.... weil niemand sagt, dass es unsere aggressive westliche Globalisierungspolitik ist, also wir selber, die das angerichtet haben und weiterhin anrichten.

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 12.01.2017 17:17:08

@ThomL
Verbirgt sich das Wasser-Video hinter einem Youtube-Link? Da will Google irgend ein Einverständnis von mir, das ich noch nicht mal lesen will.

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von spiralnebelverdreher » 12.01.2017 20:28:00

Jana66 hat geschrieben:
Tintom hat geschrieben:Das Haus verlassen und auf der Straße demonstrieren!
Welche Demo der "Neuzeit" hat irgendwas verändert? Nur wenige haben es noch nicht bemerkt - oder wollen sich selbst darstellen. :wink:
Es gibt sehr wohl einige Demos, die etwas geändert haben. Zwei Beispiele:

Studiengebühren in Hessen wurden von CDU/FDP 2006 eingeführt und nach außerparlamentarischen Druck (u.a. viele Demos und einige Krezungsblockaden hier in Frankfurt) vom Landesparlament (mit Stimmen von SPD/Grüne/Linke) im Jahr 2008 abgeschafft. Die anschließend wieder regierende CDU/FDP Koalition hätte sie wieder einführen können, hat aber darauf klugerweise "verzichtet".

Im Januar und Februar 2012 hatten europaweit Zehntausende gegen das Handelsabkommen "Anti-Counterfeiting Trade Agreement ACTA" protestiert. Die ACTA-Gegner kritisierten eine einseitige Ausrichtung auf die Interessen von Rechteinhabern wie etwa der Unterhaltungsindustrie. Das europäische Parlament hat dann das Abkommen abgelehnt.

Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Erfolge außerparlamentarischer Initiativen im kollektiven Gedächntnis weniger stark haften bleiben als die unbestreitbaren Misserfolge.

Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.


https://www.studis-online.de/StudInfo/G ... hessen.php
https://www.studis-online.de/HoPo/art-4 ... _kocht.php
http://www.bpb.de/politik/hintergrund-a ... 04-07-2012

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von hikaru » 13.01.2017 11:08:45

guennid hat geschrieben:Ich habe es mir angesehen hikaru. "Die heimliche Revolution - Frauen in Saudi Arabien", 10.01.2017,18:00 Uhr auf Phönix. Die Doku ist aber ein oder zwei Jahre älter. Und ich konnte es nicht so finden, wie von dir erinnert. Im Falle von Unterhaltsansprüchen ging es immer nur um Ansprüche aus Eheverhältnisssen, nicht gegenüber Vätern oder Brüdern.
Hast du zufällig einen Link zu der Sendung? In der Mediathek ist sie nicht zu finden und wenn ich gewusst hätte, dass ch am nächsten Tag hier darüber diskutieren werde, dann hätte ich sie vielleicht aufmerksamer verfolgt.
Ich bin mir nach wie vor sicher, das mit den Vätern und Brüdern gehört zu haben, aber es mag sein, dass ich da irgendwelche Zusammenhänge durcheinanderwürfle.
guennid hat geschrieben:Was die Unverheirateten anging, so kommentierten die Macherinnen der Doku, dass immer häufiger dieser Lebenentwurf (keine Heirat) gewählt werde. Aber da ging's dann nicht um Versorgungsansprüche.
Ja, das war ein weiterer Punkt der behandelt wurde.
guennid hat geschrieben:Die Mädels waren ganz schön cool drauf - aber alle Akteurinnen waren Angehörige der Oberschicht, mindestens der gehobenen Mittelschicht.
Das fand ich auch erst, aber die Sache mit den Unterhaltsansprüchen hatte mich dann doch deutlich irritiert. Deshalb war mir das auch (falsch?) im Gedächtnis geblieben.
guennid hat geschrieben:Ich vermute, die Saudis haben historisch gelernt, und zwar aus dem Untergang des Schah-Regimes im Iran.
Ich denke, hier kommt es darauf an, wen du mit "die Saudis" meinst. Für das Volk mag das gelten, aber zumindest bei Teilen der wahabistisch geprägten Regierung würde ich es bezweifeln.

TomL hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:
und also solcher unbedingt für eine gemeinsam erlebtes und politisch gemeinsam geführtes westliches Europa. Ich bin aber gleichermaßen und ebenfalls ohne jeden Zweifel auch ein Fan kultureller Globalisierung
Dann wirst du dich unweigerlich in Widersprüche verstricken, denn die Werte und Kultur des "Westens" sind mit den Vorstellungen in manchen anderen Kulturkreisen inkompatibel.
Nicht zwingend.... es würde funktionieren, wenn der eine nicht seine Lebensweise bzw. sein Weltbild dem anderen abverlangen würde und nicht seine eigene Lebensart mit Nachdruck in der Heimat des anderen erzwingen wollte, indem z.B. muslimische Frauen hier in Europa auf die Vollverschleierung verzichten würden, und ebenso selbstverständlich europäische Frauen auf Reisen im muslimischen Heimatland auf die Zuschaustellung von zuviel Haut verzichten würden.
Eben das halte ich zumindest in Teilen für utopisch. Es funktioniert nur bei Themen zu denen eine Seite eine Meinung hat, die andere Seite aber nicht. Dann kann man sich auf die Praxis desjenigen mit der Meinung einigen. Wenn aber beide eine Meinung haben, und zwar eine unterschiedliche, dann wird man da nicht zusammenkommen.

Eine muslimische Frau, die sich aus Überzeugung (nicht als Mode) verschleiert, wird das auch hier tun wollen, denn ihre Überzeugung bleibt die gleiche. Ebenso wird eine westliche Frau, die Verschleierung als ihrer Meinung nach islamisches Unterdrückungssymbol ablehnt, sich auch in islamischen Ländern nicht verschleiern wollen.
Beides zusammen geht nur in einer Gesellschaft, die jedem die völlige Freiheit lässt, sich zu verschleiern oder nicht. Diese Freiheit bietet aber keine der Gesellschaften. Man wird als Angehöriger der jeweiligen Minderheitenposition auf jeden Fall stigmatisiert.
TomL hat geschrieben:Aus Repekt vor dem islamischen Glauben sollte sich gerade bei dem Aspekt die hier gewohnte Freizügigkeit auf das Urlaubs-Camp-Gelände beschränken. Wenn ich Gast bin, habe ich mich den Regeln anzupassen, die ich dort vorfinde... und dabei steht es mir nicht zu, dass zu kritisieren. Wenn mir das jedoch nicht gefällt, muss ich halt wieder gehen. Das gleiche erwarte ich von Muslimen, die mit unserer Normalität nicht klar kommen.
Du erwartest also von der aus Überzeugung verschleierten Muslimin, dass sie sich hier in Deutschland nur in "Verschleierungsreservaten" aufhält? So funktioniert aber keine Gesellschaft, denn das verhindert Integration und führt zu Ghettobildung.
TomL hat geschrieben:Ich glaube sogar, dass das alles noch viel dichter verzahnt ist, als uns hier allen bewusst ist. Und jeder, der hier in DE Konsument ist, ist gleichzeitig auch Teilhaber und Mitverursacher dieser Misere... und wenn man sich aus dem "Wir" herausnehmen will, ist es nur das, was Mausfeld schon als "bequemes Verleugnen" bezeichnet hat.
Genau deshalb kann sich guennid mMn auch nicht aus meinem "wir" herauswinden.
TomL hat geschrieben:
Ich bin mir also gar nicht so sicher wie viel unsere "Werte" überhaupt wert sind, wenn wir sie uns nur deshalb leisten können, weil wir sie anderen vorenthalten, bzw. nur so lange leisten wollen, so lange sie uns bequem sind.
Warum bist Du da unsicher?
Ich bin mir nicht unsicher, ich habe es nur vorsichtig formuliert - leider auf Kosten der Klarheit. Ich denke wir überbewerten unsere westlichen Werte, sowohl in ihrer moralischen Überlegenheit als auch in ihrer Standhaftigkeit.

spiralnebelverdreher hat geschrieben:Es gibt sehr wohl einige Demos, die etwas geändert haben. Zwei Beispiele:

Studiengebühren in Hessen wurden von CDU/FDP 2006 eingeführt und nach außerparlamentarischen Druck (u.a. viele Demos und einige Krezungsblockaden hier in Frankfurt) vom Landesparlament (mit Stimmen von SPD/Grüne/Linke) im Jahr 2008 abgeschafft. Die anschließend wieder regierende CDU/FDP Koalition hätte sie wieder einführen können, hat aber darauf klugerweise "verzichtet".
Studiengebühren sind trivial. Die sorgen nur für Geld, was zwar schön für den Haushalt ist, aber keine machtpolitische Bedeutung hat.
spiralnebelverdreher hat geschrieben:Im Januar und Februar 2012 hatten europaweit Zehntausende gegen das Handelsabkommen "Anti-Counterfeiting Trade Agreement ACTA" protestiert. Die ACTA-Gegner kritisierten eine einseitige Ausrichtung auf die Interessen von Rechteinhabern wie etwa der Unterhaltungsindustrie. Das europäische Parlament hat dann das Abkommen abgelehnt.
Die Gefahr die von ACTA ausging ist aber keinesfalls gebannt. Es besteht immer noch die Möglichkeit, die Inhalte von ACTA via CETA oder TTIP über die Hintertür einzuführen.
Merke: Nur weil das Volk sich mehrheitlich gegen ein Abkommen erfolgreich gewehrt hat heißt das noch nicht, dass die dahinterstehenden Ideen vom Tisch sind. Wenn ein Vier-Buchstaben-Abkommen scheitert steht schon das nächste bereit und das ganze Spiel geht von vorne los.
spiralnebelverdreher hat geschrieben:Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Erfolge außerparlamentarischer Initiativen im kollektiven Gedächntnis weniger stark haften bleiben als die unbestreitbaren Misserfolge.
Es gab aber bei ACTA keinen Erfolg, es war höchstens ein Teilerfolg. Keiner der Gegner hat ein Problem damit, dass ein Abkommen mit dem Titel "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" verabschiedet wird. Das Problem sind die Inhalte. Und die sind trotz Ablehnung durch die Bevölkerung nach wie vor präsent. Die Befürworter müssen nur ihre Salami etwas feiner schneiden, so wie die Vorratsdatenspeicherung jetzt eben Mindestspeicherfrist heißt.

guennid

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von guennid » 13.01.2017 12:18:42

hikaru hat geschrieben:Hast du zufällig einen Link zu der Sendung?
Ich hole mir, was ich versäumt habe, immer bei OTR "Online-TV-Recorder". Ist leider aufwendig, wenn man's nicht abonnieren will. Aber die Preise sind für meinen Geschmack äußerst moderat und man kommt an ganz alte Schätzchen ran.
hikaru hat geschrieben:Ich denke, hier kommt es darauf an, wen du mit "die Saudis" meinst. Für das Volk mag das gelten, aber zumindest bei Teilen der wahabistisch geprägten Regierung würde ich es bezweifeln.
Doch, ich meine die Regierung. Macht ja wenig Sinn, in diesem polygam-historisch gewordenen Clan Individuen benennen zu wollen. :wink: Irgendwo müssen diese Freiheiten, die die gezeigten Frauen da leben, ja herkommen. Ich kann mir vorstellen, dass die dortige Regierung nach und nach solche Abweichungen zulässt, und nicht wie weiland der Schah alle Traditionen mit Gewalt abschaffen und "westliche" aufzwingen will. Das Ende ist bekannt. - Wiewohl eine solches Taktieren der Saudis andererseits wohl gar nicht "kompatibel" mit anderen von ihnen geübten Praktiken zu sein scheint.
hikaru hat geschrieben:Eine muslimische Frau, die sich aus Überzeugung (nicht als Mode) verschleiert, wird das auch hier tun wollen, denn ihre Überzeugung bleibt die gleiche. Ebenso wird eine westliche Frau, die Verschleierung als ihrer Meinung nach islamisches Unterdrückungssymbol ablehnt, sich auch in islamischen Ländern nicht verschleiern wollen.
Vorsicht: Die eine macht das aus (hoffentlich!) eigener religöser Überzeugung, die andere, wenn sie's denn aus den von dir genannten Gründen täte, verletzte auch nach meinem Dafürhalten die Höflichkeitspflicht des Gastes. Ihre Kleidung wäre damit ein politisches Signal. Dann sind wir schnell dabei, "die eigene Lebensart mit Nachdruck in der Heimat des anderen (zu) erzwingen".
Im Übrigen: In den verschiedenen "Konfessionen" innerhalb dessen, was man Islam nennt, fordert nach meiner Kenntnis die deutliche Mehrheit der religiösen Instanzen von Frauen keine Verschleierung, das Kopftuch genügt (offenbar selbst in Saudi-Arabien :wink: ).
Un vielleicht sollte ich an dieser Stelle sagen: Meine Toleranz ist nicht schrankenlos. Religöse Überzeugungen und Praktiken, die mit aufklärerischen Freiheitsrechten "inkompatibel" sind, sind nicht einfach anders, sondern sollten hierzulande nicht geduldet werden.
hikaru hat geschrieben:Genau deshalb kann sich guennid mMn auch nicht aus meinem "wir" herauswinden.
Ich winde mich nicht heraus, aber ich lasse mich auch nicht vereinnahmen. Ich weiß sehr wohl um problematische Aspekte in der Geschichte meines Landes und akzeptiere daraus sich möglicherweise ergebende Verpflichtungen der jetzigen Regierung meines Landes. Aber ich bin kein Kolonialherr. Und wo mir bekannt wird, dass die Regierung meines Landes oder andere Landsleute sich so verhalten, lehne ich das ab und versuche im Rahmen meiner (zugegebenermaßen bescheidenen) Möglichkeiten, das zu unterbinden und beschäftige mich nicht deswegen (wegen meiner geringen Einflussmöglichkeiten) mit lohnendern/angenehmeren Dingen.

Grüße, Günther

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Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von hikaru » 13.01.2017 13:07:19

guennid hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:Eine muslimische Frau, die sich aus Überzeugung (nicht als Mode) verschleiert, wird das auch hier tun wollen, denn ihre Überzeugung bleibt die gleiche. Ebenso wird eine westliche Frau, die Verschleierung als ihrer Meinung nach islamisches Unterdrückungssymbol ablehnt, sich auch in islamischen Ländern nicht verschleiern wollen.
Vorsicht: Die eine macht das aus (hoffentlich!) eigener religöser Überzeugung, die andere, wenn sie's denn aus den von dir genannten Gründen täte, verletzte auch nach meinem Dafürhalten die Höflichkeitspflicht des Gastes. Ihre Kleidung wäre damit ein politisches Signal. Dann sind wir schnell dabei, "die eigene Lebensart mit Nachdruck in der Heimat des anderen (zu) erzwingen".
Ich erkenne den Unterschied nicht.
Beide haben eine feste Überzeugung, die es ihnen gebietet, sich explizit zu verschleiern, bzw. sich explizit nicht zu verschleiern. Letzteres ist mMn etwas anderes als das Zeigen von Haut aus Protest.
Die Höflichkeit des Gastes mag die unverschleierte "Emanze" im arabischen Raum immer noch verletzen, aber das Gleiche gilt je nach Verschleierungsgrad auch für die verschleierte Muslima hierzulande.
guennid hat geschrieben:Im Übrigen: In den verschiedenen "Konfessionen" innerhalb dessen, was man Islam nennt, fordert nach meiner Kenntnis die deutliche Mehrheit der religiösen Instanzen von Frauen keine Verschleierung, das Kopftuch genügt (offenbar selbst in Saudi-Arabien :wink: ).
Ich habe hier einfach TomLs Wortwahl als Sammelbegriff für jede Form von Verhüllung von Teilen des Kopfes aufgegriffen, da ich eine Differenzierung momentan für sekundär halte weil sich eine Kopftuchträgerin zunächst genauso öffentlich als Muslima identifiziert wie eine Nikab- oder Burkaträgerin. Dazwischen muss man im Detail sicher noch unterscheiden, aber im Moment reden wir hier nur über die Identifikation von groben Kulturkreisen.
guennid hat geschrieben:Un vielleicht sollte ich an dieser Stelle sagen: Meine Toleranz ist nicht schrankenlos. Religöse Überzeugungen und Praktiken, die mit aufklärerischen Freiheitsrechten "inkompatibel" sind, sind nicht einfach anders, sondern sollten hierzulande nicht geduldet werden.
Wie gedenkst du diese Nichtduldung praktisch umzusetzen? Einer Muslima per Zwang ihre Verschleierung abzunehmen halte ich mit Bezug auf ihre aufklärerischen Freiheitsrechte für problematisch.
guennid hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:Genau deshalb kann sich guennid mMn auch nicht aus meinem "wir" herauswinden.
Ich winde mich nicht heraus, aber ich lasse mich auch nicht vereinnahmen. Ich weiß sehr wohl um problematische Aspekte in der Geschichte meines Landes und akzeptiere daraus sich möglicherweise ergebende Verpflichtungen der jetzigen Regierung meines Landes. Aber ich bin kein Kolonialherr. Und wo mir bekannt wird, dass die Regierung meines Landes oder andere Landsleute sich so verhalten, lehne ich das ab und versuche im Rahmen meiner (zugegebenermaßen bescheidenen) Möglichkeiten, das zu unterbinden und beschäftige mich nicht deswegen (wegen meiner geringen Einflussmöglichkeiten) mit lohnendern/angenehmeren Dingen.
Mein Uropa war auch kein Kolonialherr im engeren Sinn. Aber er hat für einen Staat gearbeitet, der offiziell Kolonialherr war und damit die Praxis dieses Staates unterstützt, wenn auch indirekt. Das Problem ist, dass deine Möglichkeiten dermaßen beschränkt sind, dass du dich schon durch deine pure Existenz als Mitglied dieser Gesellschaft an der Ausbeutung Anderer schuldig machst.

Du schreibst in diesem Forum, also hast du offenbar einen Computer der zweifellos zum Teil aus Rohstoffen besteht, die auf menschenverachtende Weise gewonnen wurden.
Dieser Computer braucht Energie, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu großen Teilen aus Rohstoffen gewonnen wurde, die neben ihrer Gewinungsgeschichte auch nachhaltig die Umwelt und damit die zukünftige Generationen negativ beeinflussen (wir "kolonisieren" sozusagen die Zukunft mit unseren Abfallprodukten).
Du hast irgendeine Art von Internetanschluss. Dieser wird dir vermutlich von einem am globalen Markt agierenden Unternehmen gestellt, das sich damit an der Aufrechterhaltung eines menschenverachtenden Gesellschaftssystems beteiligt.
Nackt wirst du auch nicht vor dem Rechner sitzen, also besitzt du Kleidung. Es ist nicht unmöglich, aber es ist mit erheblichem Aufwand verbunden sich so einzukleiden, dass man damit eine Ausbeutung der Kleidungshersteller ausschließen kann. Ob du diesen Aufwand betreibst weiß ich nicht. Ich tue es nicht. Ähnliches gilt für die Lebensmittel die du unweigerlich brauchst.

BenutzerGa4gooPh

Re: Der 3. Weltkrieg, divide et impera

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 13.01.2017 13:07:36

@guennid UND @hikaru: Schöner Disput, weitermachen! :THX:

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