Sprachliche Zerfallserscheinungen?

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scientific
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von scientific » 06.04.2017 09:20:29

Geil bedeutet auch schlicht "fett" im Sinne fetter Speisen.
Eine Torte mit viel Schlagobers und Creme ist eine "geile Torte" - ohne der Bedeutung von super, schön oder aufregend.

Lg scientific
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hikaru
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 06.04.2017 09:21:58

scientific hat geschrieben:So tun sich Franzosen mit dem H, Chinesen mit dem R und eben Englischsprechende mit den deutschen Umlauten unheimlich schwer, diese im Erwachsenenalter überhaupt noch bilden zu können... Es geht schlicht nicht mehr. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Keine Ahnung woher die Vorstellung kommt, dass Chinesen kein R sprechen können, aber ich kenne etwa zwei Dutzend Chinesen aus vielen Teilen des Landes und keiner von denen hat Probleme ein R zu sprechen. Es klingt nicht immer so wie wir es erwarten würden, aber es ist immer eindeutig als R zu identifizieren. Ich glaube da bei meinen Bekannten nicht mehr an Ausnahmen. Vielleicht gibt es irgendwo einen chinesischen Dialekt der kein R kennt, aber dann dürfte wohl eher das die Ausnahme sein.
Womit manche Chinesen (v.A. aus dem Nordwesten) ein Problem zu haben scheinen ist, Worte auf E enden zu lassen. Die hängen dann gern noch ein halbes A an oder machen aus dem E ein Ä. Ein prinzipielles Ausspracheproblem mit dem E scheinen diese Chinesen aber nicht zu haben, den im Wort funktioniert es.
scientific hat geschrieben:Und soviel ich weiß, ist der kindergarten sogar mit "t" im Englischen als deutsches Lehnwort gebräuchlich. Möglicherweise verändert sich das aber mittlerweile, dass der garten zum garden mutiert.
Ich kenne auch beide Schreibweisen, aber in der Schule wurde mir vor über 20 Jahren nur der "kindergarden" beigebracht. Und soweit ich das anhand von Muttersprachlern beurteilen kann, scheint das seit mindestens 10 Jahren die gebräuchliche Variante zu sein.
scientific hat geschrieben:Und die typisch österreichische Phrase "Das geht sich aus/Das geht sich nicht aus" für die Beschreibung für örtliche, zeitliche, emotionale, finanzielle,... Konsistenz oder Inkonsistenz
Kenne ich auch als Norddeutscher - ich meine sogar schon aus DDR-Zeiten. Jedenfalls kam es mir nie fremd vor.

Meillo hat geschrieben:Das ist aber kein Problem der Schweizer. Die Deutschen umschreiben das Scharfe S ebenfalls mit ``ss'' statt mit ``sz'', woraus die Ligatur damals entstanden ist.
Warum in Deutschland "ss" statt "sz" geschrieben wird, wenn ein "ß" gemeint ist, verstehe ich auch nicht. Bei Deutschen ist das aber nur ein Notbehelf, weshalb es weniger auffällt, während Schweizer die Ligatur im Grunde gar nicht verwenden.
Meillo hat geschrieben:Das sehe ich anders. Wir lassen doch in anderen Sprachen doch auch einfach die Diakritika weg, wenn wir sie auf unserer Tastatur schreiben.
Ich lasse Diakritika ungern weg. So versuche ich z.B. konsequent "à la" zu schreiben und ich finde Eigennamen mit Diakritika werden entstellt, wenn man sie ohne schreibt.
Meillo hat geschrieben:Meinst du ernsthaft, man muesste von einem Englischsprachigen erwarten, dass er die Umschriftregeln der deutschen Zeichen kennt?
Derjenige der ein Wort entlehnt, sollte sie kennen, denn er hat sich vermutlich etwas bei der Entlehnung gedacht und sollte daher die Fremdsprache kennen. Alle anderen plappern dann nur nach. Diakritika können da schon mal verloren gehen, aber warum das Umschrift-E von Umlauten verloren gehen sollte leuchtet mir nicht ein.

kruhling hat geschrieben:( Damit mich jetzt niemand haut ) :mrgreen:
Das will ich sehen! :mrgreen:

scientific
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von scientific » 06.04.2017 09:40:23

Nun ich nehme an, das Chinesische ist genauso Einheitlich wie das Deutsche.
Vor allem die feine Nuancierung der 5 verschiedenen A der bairischen Sprachen stellen vor allem für die Sprecher zwischen Hannover und Hamburg überhaupt kein Problem dar.
Zumal schon für Wiener mit gehobener Sprache der Unterschied zwischen Schoas und Schåas aus den Oberösterreichischen nicht zu Hören, geschweige denn Auszusprechen ist...

(Schoas = Kurzform für Georg, Schåas = Flattulenz, Schas)
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von DerMaex » 06.04.2017 09:50:31

Also ich als Niederösterreicher, der allerdings schon weit über ein Jahrzehnt nur mehr selten, und dann auch nur für ein paar Tage, in Österreich war, würde zu meinem fränkischen Freund Georg niemals etwas anderes als "Schoasch" sagen, aber sicherlich nicht "Schoas". :mrgreen:

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Lord_Carlos » 06.04.2017 09:54:03

Uff, sz anstatt von ss zu schreiben waere fuer mich eine Herausforderung. Muss ich mir mal ueberlegen.

Ueber vs. Uber
Es sieht beim ersten mal ungewohnt aus, aber warum jetzt noch Energi und Gedanken darauf verschwenden? Oder anders gefragt, warum sollten sie nicht das Wort auf ihre weise schreiben?

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von scientific » 06.04.2017 09:59:04

Du würdest als Niederösterreicher auch niemals Öpfi oder Stüfi sagen wie ich als OBERösterreicher... (Donau, Enns sind da die Sprachgrenze. Zwischen Mühl- und Waldviertel gibts keinen so großen Flu#, daher ist da die Sprachgrenze etwas diffuser, aber auch eindeutig erkennbar, wie auch in der Siedlungsform...)
.
Und wohl auch nicht "nedda" zu "nur"...
Da gibts trotz Dialektkontinuum oft ganz scharfe Sprachgrenzen, die durch Bäche oder Flüsse gekennzeichnet sind.
In einem Haus sagt man noch "bloß" und im Haus 50m weiter über den Bach drüber heißt es schon "nedda"...

Was ist jetzt richtig? Was falsch?
Ich denke, der Sprachgebrauch richtet sich nach üblich und unüblich.
Sprachgrenzen sind sowohl geographisch verortbar, als auch soziologisch...

Hier in richtig und falsch einzuteilen ist meist nur der Versuch der Separierung von Menschen mit dem Ziel "die Anderen" als minderwertiger einzustufen und sich selbst dadurch besser zu fühlen, oder die eigene Gruppe zu formieren und ihr mehr Rechte gegenüber den "Anderen" aufgrund der eigenen Überlegenheit einzuräumen.

Ym2c

PS: ich hatte einen chinesischen Lehrer, der konnte nach 30 Jahren in Österreich immer noch kein R.
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von DerMaex » 06.04.2017 10:11:46

Als Niederösterreicher würde ich ja auch nicht "Schoasch" sagen, sondern "Tschordschi", eventuell auch "Schurl", oder "Schurli".

Der Versuch Menschen auftrund ihrer Sprache(Schrift, Grammatik,...) zu separieren, gar als minderwertig einzustufen, ist aber eher ein Forenphänomen(Rechtschreib- und Grammatiknazis gibt es da in fast jedem), das mir sonst eher weniger unterkommt. - OK, ich wohne auf den Kanaren, da kommt es dann schon manchmal vor, dass Festlandspanier über die Canarios abfällig als "ungebildete Bauern" sprechen, weil deren Art zu sprechen mehr an Südamerika erinnert als an Spanien.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 06.04.2017 10:14:40

scientific hat geschrieben:Nun ich nehme an, das Chinesische ist genauso Einheitlich wie das Deutsche.
Noch viel weniger. Zwei Chinesen aus entfernten Regionen können sich ohne Mandarin (Hochchinesisch) praktisch gar nicht verständigen. In Deutschland klappt das meist noch irgendwie.
Ich will auch nicht ausschließen, dass es irgendwo Chinesen gibt die kein R sprechen können, aber ich finde es eben kurios, dass sich das in das kollektive westliche Gedächtnis eingebrannt hat, obwohl keiner der Chinesen die ich kenne Probleme damit hat. Und ich habe Leute aus Xinjiang, Gansu, Beijing, Liaoning, Shanghai, Fujan, Guangdong, Yunnan und Sichuan kennengelernt.

Lord_Carlos hat geschrieben:Ueber vs. Uber
Es sieht beim ersten mal ungewohnt aus, aber warum jetzt noch Energi und Gedanken darauf verschwenden? Oder anders gefragt, warum sollten sie nicht das Wort auf ihre weise schreiben?
Weil es ein Lehnwort ist und "uber" in der Originalsprache nicht existiert.
Um vielleicht ein Beispiel zu wählen, das dir sprachlich näher liegt: An der Ostseeküste in Mecklenburg hat das Smørrebrød Anfang der 90er einen gewissen Kultstatus erreicht, weil es aus Sicht eines DDR-Bürgers mit eingeschränkter Reisefreiheit "exotisch" war und Dänemark trotzdem nah genug war um sich so eine Reise leisten zu können. Nun ist sicher nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Deutscher der Einfachheit halber "Smörrebröd" schreibt, aber ich habe auch oft "Smörebröt" an den Imbissbuden gelesen und das führt dann dazu, dass Deutsche dazu tendieren, das erste Ö langzuziehen. Und ein "Smöörebröt" ist eben kein "Smørrebrød".

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von MSfree » 06.04.2017 10:23:50

hikaru hat geschrieben:In Deutschland klappt das meist noch irgendwie.
"Nicht wirklich", um mal einen inzwischen häufig anzutreffenden Anglizismus zu benutzen. :?

Wenn du glaubst, daß ein ostfriesich Platt sprechender Norddeutscher sich mit einem schwäbisch sprechenden Einwohner von der Alb verständlich unterhalten könnten, ohne auf Hochdeutsch auszuweichen, dann befindest du dich auf dem Hoizweg.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von hikaru » 06.04.2017 10:30:02

MSfree hat geschrieben:Wenn du glaubst, daß ein ostfriesich Platt sprechender Norddeutscher sich mit einem schwäbisch sprechenden Einwohner von der Alb verständlich unterhalten könnten, ohne auf Hochdeutsch auszuweichen, dann befindest du dich auf dem Hoizweg.
Ich weiß. Ich hatte eine ähnliche Konstellation im Studentenwohnheim. Die beiden haben die ersten drei Wochen miteinander Englisch gesprochen, bis sie ihre jeweilige Aversion gegen Hochdeutsch überwunden hatten.
Aber das ist doch eher die Ausnahme, dass sich zwei deutsche Dialekte dermaßen unterscheiden, dass der eine für den anderen unverständlich wird. In China ist das eher die Regel, soweit ich es mitbekommen habe, vermutlich schon allein aufgrund der Größe des Landes.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von TuxPeter » 06.04.2017 10:31:13

MSfree hat geschrieben: Wenn du glaubst, daß ein ostfriesich Platt sprechender Norddeutscher sich mit einem schwäbisch sprechenden Einwohner von der Alb verständlich unterhalten könnten, ohne auf Hochdeutsch auszuweichen, dann befindest du dich auf dem Hoizweg.
Soviel Strecke musst du gar nicht zwischen die Dialektausformungen legen. Ein Mensch mit ausgeprägtem "frankforder" Platt wird schon im wenige -zig km entfernten Hohen Vogelsberg, sagen wir in einem Kaff bei Nidda, seine Probleme bekommen.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Meillo » 06.04.2017 10:32:50

MSfree hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:In Deutschland klappt das meist noch irgendwie.
"Nicht wirklich", um mal einen inzwischen häufig anzutreffenden Anglizismus zu benutzen. :?

Wenn du glaubst, daß ein ostfriesich Platt sprechender Norddeutscher sich mit einem schwäbisch sprechenden Einwohner von der Alb verständlich unterhalten könnten, ohne auf Hochdeutsch auszuweichen, dann befindest du dich auf dem Hoizweg.
Das was der Norddeutsche in dem Fall als kaum verstaendliches Urschwaebisch bezeichnen wuerde ist schon das Hochdeutsch des Schwaben. Wuerde der Schwabe Schwaebisch schwaetzen, dann wuerde der Norddeutsche nichts verstehen. ;-)
Use ed once in a while!

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von maroc » 06.04.2017 10:35:22

scientific hat geschrieben:PS: ich hatte einen chinesischen Lehrer, der konnte nach 30 Jahren in Österreich immer noch kein R.
Seine Frage "Haben Lechnung schon gemacht?" erheitert mich heute nach 20 Jahren immer noch
Mangels chinesischer Bekannter kann ich das mit den Chinesen und dem R nicht beurteilen. Ein amerikanischer Bekannter hat mir vor Jahrzehnten (als China noch vom Maoismus geprägt war) folgenden Witz erzählt:

Bei einer wissenschaftlichen Konferenz kommen ein Amerikaner und ein Chinese nebeneinander zu sitzen. Der Amerikaner möchte die Gelegenheit beim Schopfe packen, mehr über die politischen Verhältnisse in China zu erfahren, und fragt neugierig: "Do you have elections in China?" Worauf der Chinese antwortet: "Oh yes, evely molning!"

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von scientific » 06.04.2017 10:36:39

So wie die 5 verschiedenen A in bairischen Sprachen. 2 oder 3 verschiedene O, 2 E...
Wer den Einsatz dieser Laute nicht mit der Muttermilch aufgesaugt hat, lernt das nie mehr.
Native Speaker hören die feinsten Nuancen, wenn sie "falsch" sind...
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von TuxPeter » 06.04.2017 11:00:30

Aber nochmal zum Thema. Für mich hat die Rechtschreibereform (oder heißt es ~schreibreform?) zu einem klaren Verlust von Rechtschreibfähigkeiten geführt, es ist mir auch zunehmend Wurscht geworden, ob das nun alles richtig und korrekt ist - zumal ja auch das berufliche Umfeld weggefallen ist.

Aber wenn ich z.B. "Potenzial" oder "Potenziometer" lesen, tut mir das irgendwo zwischen Aug' und Hirn weh. Oder "aufwändig". Noch schlimmer ist natürlich, dass man überall "Wiederstand" findet, selbst wenn nur das Elektronikbauteil gemeint ist. Und dass man "daß" jetzt mit Doppel-S schreibt, hat anscheinend dazu geführt, dass die meisten Leuten das "das" und das "dass" nicht mehr unterscheiden können. Aber in Sachen Rechtschreibreform ist man ja ein "Stück weit" (auch so eine merkwürdige Fügung) zurückgerudert und erlaubt jetzt weitestgehend (meist falsch: weitgehendst) wieder die älteren Schreibweisen.

Wir müssen, glaube ich, Verfall und Wandlung unterscheiden.

Ein Verfall findet statt, weil die Verlage allenthalben ihre Korrektoren, Redakteure etc. wegrationalisiert haben, weil wir in Foren das ungefilterte und eben auch oft sprachlich falsches Gebrabbel lesen, weil die uns wie eine schäbige Hülle umgebende Sprache der Werbewelt fortwährend auf Teufel-komm-raus originell sein wollende Aussagen produziert und ihr dabei nichts anderes einfällt als gegen Schreibweisen, Grammatik und Semantik zu verstoßen.

Wandlung findet durch Vermischung mit Fremd- und Fachsprachen statt.

Und die Wandlung ist nicht immer eine zum Schlechteren, sie kann auch bereichern.

p.s.: Ich hab' das jetzt zwei mal Korrektur gelesen, aber ihr werdet bestimmt noch Fehler darin finden!

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von thoerb » 06.04.2017 11:31:48

TuxPeter hat geschrieben: Soviel Strecke musst du gar nicht zwischen die Dialektausformungen legen. Ein Mensch mit ausgeprägtem "frankforder" Platt wird schon im wenige -zig km entfernten Hohen Vogelsberg, sagen wir in einem Kaff bei Nidda, seine Probleme bekommen.
Das muss ich korrigieren, Nidda ist kein Hoher Vogeslberg, sondern gehört zum Wetteraukreis. Freunde von mir wohnen in der Gegend von Nidda, daher weiß ich das. :wink: Ansonsten stimme ich dir zu.
TuxPeter hat geschrieben: Und dass man "daß" jetzt mit Doppel-S schreibt, hat anscheinend dazu geführt, dass die meisten Leuten das "das" und das "dass" nicht mehr unterscheiden können.
Die das nicht unterscheiden können, die konnten es auch sicher schon vorher nicht. Und diejenigen, die es nur so gelernt haben und es nicht verstehen, hätten es auch in der alten Schreibweise nicht verstanden. Und ich erwische mich selbst auch immer wieder mal dabei, dass ich es falsch mache, obwohl ich es verstanden habe.

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tegula
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von tegula » 06.04.2017 11:35:52

TuxPeter hat geschrieben:Aber wenn ich z.B. "Potenzial" oder "Potenziometer" lesen, tut mir das irgendwo zwischen Aug' und Hirn weh.
Die angeglichene ("eingedeutschte") Schreibung vermeidet IMHO eine falsche Aussprache und erleichtert das (Vor-)Lesen. Ich finde es eher schade, dass sie bei vielen Fremdwörtern weiterhin nicht erlaubt ist.
TuxPeter hat geschrieben:Oder "aufwändig". Noch schlimmer ist natürlich, dass man überall "Wiederstand" findet, selbst wenn nur das Elektronikbauteil gemeint ist.
"Wiederstand" ist auch nach der neuen Rechtschreibung falsch [1].

[1] http://www.duden.de/rechtschreibung/Widerstand

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MSfree
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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von MSfree » 06.04.2017 11:48:05

tegula hat geschrieben:"Wiederstand" ist auch nach der neuen Rechtschreibung falsch.
Genauso wie Standart, garnicht, eigendlich, diverse Fehler mit seit/seid...

Und "Sinn machen" ist auch so ein geliebter Anglizismus.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Liffi » 06.04.2017 11:59:18

MSfree hat geschrieben: Und "Sinn machen" ist auch so ein geliebter Anglizismus.
Puh. Dem würde ich widersprechen wollen. Oder er ist schon lange in unserer Sprache drin.
So z.B. bei Lessing:
Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie zu Ihrer Entschuldigung auch schon "ventos aequante sagitta" aus der Äneis anführen wollten. Ein Übersetzer muß sehen, was einen Sinn macht.
Man kann aber vielleicht argumentieren, dass diese "Sinn machen" ein anderes ist.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Ozelot » 06.04.2017 12:07:30

Ich glaube, wir sollten unterscheiden, wo der Sprachwandel uns nur weh tut, weil wirs halt anders gewohnt sind ("Sinn machen", "in 2015"). Oder weil wir gewisse (natürlich immer ganz berechtigte) Ressentiments haben - Anglizismen sind dem Sprachbewußten viel eher ein Graus als Latinismen.

Man verfällt auch allzu leicht in eine Art Spracharroganz und läßt die neuen Pflänzchen nicht wachsen. Wie im Alltag z.B. das Wort "mystisch" benutzt wird, ist für den Informierten auch immer ein Grund zum Schimpfen. Nur hat der halt dann auch keine Idee, wie man etwas düster-mythisch-Mysteriöses elegant bezeichnen soll.

Solange Ausdrucksmöglichkeiten nicht leiden, muß man halt manches hinnehmen.. bzw. naja, Hinnehmen müssen wir eh alles. Was denkt ihr, wie schlimm das damals war, als die Normannen das Altenglische zur Hälfte romanisiert haben. Oder wieviele der uns lieb gewordenen Formulierungen einen Opa von 1920 auf die Barrikaden gebracht hätten?

Aber deswegen stinkt mir ja auch der Umgang mit dem Zusammenschreiben heutzutage gewaltig (aber eben nicht mit dem zusammen Schreiben..)!

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 06.04.2017 12:32:40

hikaru hat geschrieben: Ich hatte eine ähnliche Konstellation im Studentenwohnheim.
Völlig falsch "gehändelt": Studenten, Lehrlinge, Fräuleins, Neger, Zigeuner sind alle tot. Nun gibt es Studierende, folglich kann es nur noch "Studierendenwohnheime", unaussprechliche Auszubildende, demzufolge abgekürzt mit "Azubis" geben. Der Wortschatz WIRD uns oft eingeschränkt. Einiges mag wohl ein Überbleibsel von der dazumal stilblütentreibenden "Gender Speech" sein, das andere "Political Correctness". Hoffentlich haben Nazis und Rassisten nicht das Wort "Essen"benutzt - sonst wird das auch noch verpönt, um mal ein veraltetes Wort zu nutzen.

Wie wird nun ein in Bayern gehandeltes (Grill-)Hendl "ge"handling"t" oder "ge"handle"t" - und das noch poltisch korrekt ohne jedwede Nazi-Begriffe wie Messer, Gabel, Mund in sozialpädagogisch korrekter "Gender Speech" mit grammatikalisch korrektem "Denglisch"? :facepalm:
(Es könnte ja auch ein versehentlich gegrilltes und damit politisch "begrifflich negativ besetztes" Hühnerfräulein darunter sein. Einen Schachtelsatz korrekt zu interpunktieren, habe ich mir nicht getraut. Wie ein Begriff negativ besetzt sein kann, weiß ich leider auch nicht.)
Zuletzt geändert von BenutzerGa4gooPh am 06.04.2017 12:51:17, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von thoerb » 06.04.2017 12:46:59

Jana66 hat geschrieben:Nun gibt es Studierende, folglich kann es nur noch "Studierendenwohnheime", unaussprechliche Auszubildende, demzufolge abgekürzt mit "Azubis" geben.
Der Lehrmeister ist heute der Ausbilder der Auszubildenden und hat dafür die Ausbildung der Ausbilder gemacht.

Edit: Jetzt könnte man sich noch Gedanken darüber machen, ob man dafür oder dazu sagt.

Radfahrer

Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von Radfahrer » 06.04.2017 13:01:41

hikaru hat geschrieben:
Das wäre kein Problem, wenn es nicht diesen Satz gäbe:
Wir tranken in Massen.
Kann auch gefährlich werden.
Du kannst ja mal einer schönen Frau ein Kompliment über ihre Masse machen. :mrgreen:

Aber was sollen die Schweizer machen? Die können sich halt kein ß leisten.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von TuxPeter » 06.04.2017 13:23:09

tegula hat geschrieben: "Wiederstand" ist auch nach der neuen Rechtschreibung falsch.
Konnte man denn anderes aus meinem Text lesen? Es bleibt jedenfalls anzumerken, dass weitaus die meisten Fehler, die so landein landaus gemacht werden, nach jeder denkbaren Rechtschreibung falsch sind.

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Re: Sprachliche Zerfallserscheinungen?

Beitrag von MSfree » 06.04.2017 13:35:28

Radfahrer hat geschrieben:Du kannst ja mal einer schönen Frau ein Kompliment über ihre Masse machen. :mrgreen:
Frauen, die wenig schmeichelhafte Maße, dafür aber umso mehr Masse haben, werden es dir jedem Fall übel nehmen. Aus der Nummer kommt man als Mann dann sowieso nicht mehr raus. :mrgreen:

Es gibt viele mehrdeutige Wörter, der Sinn ergibt sich durch den Zusammenhang. Ob mit Bau ein halbfertiges Haus, der Knast oder die Tierhöhle gemeint ist, ist als einzenes Wort auch unklar. Auch Leiter kann eine Aufstiegshilfe, ein elektrisches Kabel oder der Chef einer Gruppe sein.

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