Natas12 hat geschrieben:
eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zu pol. fragen meine klappe zu halten (hauptsächlich aus zeitgründen). aber sei's drum - der hinweis auf diesen lehrer sollte nur zeigen, dass der angebliche "verfolgungswahn" der linken, die mit ihren "deutschland verrecke" - shirts herumlaufen, nicht immer nur ein fiktiver sein muss. ein normaler mensch wird hier faktisch seiner existenzgrundlage beraubt, während die nazis im parlament sitzen. seltsam, dass dort der staat seine verfassung plötzlich nicht mehr "schützen" musste, die er bei einem harmlosen lehrer so vehement zu verteidigen wusste. aber nazis haben nichts gegen den heiligsten grundsatz deutschlands einzuwenden (das recht auf materiellen besitz), daher sind sie ja auch nicht so gefährlich für den staat...
Das mit der Zeit kenne ich
Aber ich halte diese Gespräche für zu wichtig, als daß man deswegen darauf verzichten sollte.
Zum Thema:
Die Frage, ob ein Staatsgebilde seine Verfassung verteidigen darf, bleibt also unbeantwortet. Auch gut, ich habe auch keine Antwort zu diesem Punkt. Aber bezgl. des Vergleiches, den du heranziehst, fallen doch ein, zwei interessante Unterschiede auf, so daß dies schon fast als unzulässiger Vergleich aufgefaßt werden könnte.
1) Viele hätten nichts dagegen wenn Herr Csaszkoczy als Abgeordneter der, sagen wir z. B. MLDP, in den Landtag oder Bundestag einziehen würde.
2) Viele hätten was dagegen, wenn sich Herr Voigt oder einer seiner niederen Parteigänger auf ein Lehreramt bewerben würde.
Damit ist eigentlich klar, daß das Problem in der Organisation der Schule als staatliche Behörde gelagert ist. Da ich ohnehin Ivan Illich zustimme, hätte ich keine Probleme damit, dem Staat die Ausbildungspflicht zu entziehen und das Problem somit aus der Welt zu schaffen. Das läßt sich sogar mit Art. 7 GG vereinbaren.
Wirklich ulkig wird die Geschichte aber erst, wenn man sich überlegt, warum Herr C. überhaupt in einer Schule lehren will, die sich aus einem System speist, das er ablehnt und zu bekämpfen sich vorgenommen hat. Dann in der Inquisition (das intensive Bewerbungsgespräch) auch noch stolz zu behaupten, jawoll, die BRD ist die Pest am Arsch des Arbeiters und sie muß weg, scheint mir ein wenig dümmlich. Ich finde, du kannst schlecht erwarten, daß du als bekennender Satanist eine Anstellung im katholischen Jugendwerk bekommst - oder umgekehrt.
Als Privatperson hingegen ist es deine Privatsache, was du denkst und machst und so lange du kein Gesetz übertrittst, kümmert's auch kaum jemanden und damit sind wir wieder bei Schritt 1.
Natas12 hat geschrieben:die humorlosigkeit und fehlende vernunft, die du den "den linken" da implizit unterstellst, ist ja ein oft verwendetes argumentationsmuster und taucht in vielen schattierungen als "kampf gegen 68" (als vulgärform) oder als liberale/liberalistische ideologie ("vernünftigkeit", "ende der ideologien") auf. darauf könnte man entgegnen: konträr zur populären liberalismus-weisheit ist die realität für viele menschen tatsächlich nicht lustig, zumal die liberalistische ideologie ihre eigenen "kapus" hat (nur subtiler, intellektueller). aber da ich denke, dass du dir dessen sehr bewußt bist, trifft das nicht auf dich zu...
Dazu habe ich kaum eine Meinung. Ich glaube, daß klassischer Liberalismus eine "Ideologie" ist, die den Grundsatz vertritt, sich so wenig wie möglich einzumischen und keine Bewertungen vorzunehmen. Das unterscheidet sie auf positive Weise von so ziemlich allen anderen "Ideologien", die mir bekannt sind, außerdem verträgt es sich gut mit der relativistischen These, der ich auch anhänge.
Natas12 hat geschrieben:und die gewalt? nun, ich hatte im ersten kurzen post angemerkt, dass ich im falle von SW-patenten gewalt ablehne. aber die diskussion ist ja von den SW-patenten zur frage nach legitimität von gewalt generell umgeschwenkt. wie steht es um den gewaltlosen protest? gewaltloser protest wird von den meinungsmonopolen unter den teppich gekehrt und delegitimiert. da hilft es auch nix, eine neue partei zu gründen, die den vorhandenen zorn kanalisieren soll - das allerorts herrschende TINA-prinzip spült die wähler ja doch wieder den großen parteien zu. und falls ein alternatives projekt erfolg hat, wird es eben notfalls verboten. da muss der staat nämlich seine verfassung schützen...
Zum einen besteht innerhalb des bestehenden Grundgesetzes ein großer Gestaltungsspielraum, zum anderen kann das Grundgesetz auf einem gesetzeskonformen Wege geändert werden (sans der in Art 79 beschriebenen Ausnahmen). Einer populären Bewegung (ups, das böse Wort) wird wohl auch ein Verbot wenig Einhalt gebieten. Und dann gibt es ja immer noch die Möglichkeit eines gewaltsamen Putsches oder einer glorreichen Revolution (je nachdem, wer gewinnt
)
BTW, was ist das TINA-Prinzip?
Natas12 hat geschrieben:
einerseits hat für mich der entlassene opelaner, der notfalls mit gewalt dazu gezwungen wird, im park müll zu picken, jedes recht der welt, mit gesinnungsgenossen die opelfabrik zu stürmen und die maschinen zu zertrümmern. denn die repression der "normalen menschen" gründet sich darauf, sie zu vereinzeln und angst zu erzeugen: angst um den arbeitsplatz, angst davor, unter die räder zu kommen. und genau diese angst fehlt den mächtigen, die in der tat nichts zu befürchten haben.
Das würde ganz bestimmt gewaltig helfen, seine Situation zu verbessern. Also doch wieder nur ein Frustventil? "Die da oben" sollen auch mal Angst haben, die fiesen Schweine, echt jetzt.
Natas12 hat geschrieben:
aber andererseits ist dies (wie bereits erwähnt wurde) sehr "slippery" und das beispiel des herumfliegenden splitters sehr realistisch (man denke an hauptmanns "die weber"). nur muss man sich stets vor augen halten, dass es für die eigene bedingungslos liberale einstellung tatsächlich materielle grundlagen gibt. das tut der liberalen seele natürlich weh, weil sie außer sich selbst keine äußeren bedingungen akzeptieren mag. aber als saturierter europäer, der ich selbst bin, kann ich mir den liberalismus, dieses "vernünftigsein" leisten (ein vernünftigsein im sinne des freiwilligen verzichts auf widerstand, das mir im prozess der sozialisation durch langjährige dressur eingeimpft wurde).
Ich weiß garnicht, was du immer mit dieser Vernunft hast. Vernunft ist die Brechstange der Leute mit verknusperten Missionen - wir wissen, was das Beste für euch ist, die Vernunft diktiert... blabla.
Da "diktieren" Liberalen fremd ist, paßt auch die Vernunft nicht so richtig ins Portfolio. Stattdessen findet man vorsichtige Schlagworte wie "Sympathie" (Smith), "die Freiheit des anderen" (Mill), "Begrenzung der Autorität" (Spencer), "human action but not human design" (Fletcher) oder eben "Abwesenheit von Zwang" (Hayek). Und das ist nur eine kleine Auswahl. Es gibt viele lesenswerte Texte zu diesem Thema, auch und gerade in Abarbeitung zu Marx, dessen Beitrag zur Entwicklung des Liberalismus man kaum überschätzen kann.
Natas12 hat geschrieben:
und auch wenn ich ungern in die falle von godwin's law tappen mag: waren die gewalttätigen aktionen der deutschen kommunisten gegen die braunen straßenschläger etwa illegitim? ok - ein terrorregime, da ist gewalt erlaubt.
Godwins Gesetz ist irrelevant, obwohl ich die ganze Zeit auf diesen Vergleich gewartet habe. Es ist nicht wirklich wichtig, aber vielleicht hilft es, wenn ich hier mal ausdrücke, daß ich kein Pazifist bin.
Trotzdem ist das hier eine falsche Analogie
Das dritte Reich war kaum ein Land, in dem man in einem gesetzeskonformen Prozeß Änderungen erreichen konnte. Die BRD scheint mir zumindest die theoretischen Bedingungen zu bieten; man kennt das ja: marketplace of ideas, freie Wahlen und das ganze insignifikante Geraffel, das ich keinesfalls missen möchte.
Natas12 hat geschrieben:
als notorischer pessimist frage ich jedoch, ohne die einzigartigkeit des nationalsozialismus irgendwie anzutasten: faschisieren (nix fasching,
faschismus ) sich unsere gesellschaften nicht gerade selbst und das im namen ökonomischer und wissenschaftlicher vernunft? wenn die mächtigen alle mittel in der hand haben, sich selbst anerkennung zu verschaffen, sodaß jeder gewaltlose protest ins leere läuft - wenn das der fall ist: kann ich den mächtigen und privilegierten ihre macht gewaltlos abnehmen? oder müssen sie nicht dazu "überredet" werden, wie der arbeitslose "überredet" werden muss, indem man für ihn "anreize" schafft, die ebenfalls ein ausdruck symbolischer und realer gewalt sind...?
Da fallen mir spontan ein paar Fragen ein:
1) Welchen Faschismus meinst du? Pareto-Faschismus, italienischen Faschismus, spanischen Faschismus, Neofaschismus, religiösen Faschismus oder einfach nur den Faschismus "rechts" von dir?
2) Was ist ein Anreiz? Mehr Geld? Elektroschocks? 30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich (womit wir wieder bei der MLPD wären
)
3) Was ist symbolische Gewalt?
Natas12 hat geschrieben:
damit will ich aber nicht behaupten, dass ich diese frage für mich bereits beantwortet hätte...
Immerhin.