interessante Arte Dokumentation

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von Saxman » 14.07.2014 14:56:26

wanne hat geschrieben:
daniel h hat geschrieben:B: Hinter jedem Markt stecken Menschen die verschiedene Interessen haben. Wirtschaftliche, humane, wissenschaftliche. Die Nutznießer sind wir, die Angestellten, die mit diesen Märkten ihre Familien ernähren.
Nein. Metro ist z.B. eine AG. Sie ist gesetzlich dazu verpflichtet ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre zu dienen. Sie darf per gesetz keine humanen oder wissehschaftlichen Ziele haben. [...]
Sind wir hier in der Märchenstunde? Es gibt kein Gesetz dass ein Unternehmen verpflichtet ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre zu dienen. Und wo soll den bitteschön geregelt sein, dass ein Unternehmen keine wissenschaftlichen oder humanitären Ziele verfolgen darf? Sorry,aber das ist absoluter Quatsch. Wenn ein Unternehmen sich humanitäre oder wissenschaftliche Ziele setzt ist das durchaus gestattet. Den Gesellschaftszweck bestimmt die Gesellschaft immer noch selbst.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von wanne » 14.07.2014 16:54:52

DEUTSCHER CORPORATE GOVERNANCE - KODEX hat geschrieben:[…]die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse).
Diesem Kodex sind AGs gemäß §161 AktG verpflichtet. (Wertschöpfung des Unternehmens kommt den wirtschaftlichen interressen der Aktionäre gleich.)
Saxman hat geschrieben:Wenn ein Unternehmen sich humanitäre oder wissenschaftliche Ziele setzt ist das durchaus gestattet.
Ja, aber das Unternehmen ist dann kein Gewerbe und darf auch keine AG sein. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts darf vermutlich so ziemlich alles in der Richtung für Genossenschaften ist das sowieso kein Problem. Bei ner GmbH würde ich (ohne es sicher zu wissen) mal auf ähnliche Einschränkungen wie bei AGs tippen.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von Saxman » 14.07.2014 18:31:20

wanne hat geschrieben:
DEUTSCHER CORPORATE GOVERNANCE - KODEX hat geschrieben:[…]die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse).
Diesem Kodex sind AGs gemäß §161 AktG verpflichtet. (Wertschöpfung des Unternehmens kommt den wirtschaftlichen interressen der Aktionäre gleich.)
Nein sind sie nicht. § 161 AktG besagt lediglich, dass die AG sich dazu äußern muss, ob sie dem Kodex folgt oder nicht (Entsprechungserklärung), mehr nicht. Der Kodex hat (leider) keinen normativen Charakter. Im Übrigen ist er auch nicht dazu gedacht, den shareholder value zu maximieren. Im Gegenteil ist er mit Willen des Gesetzgebers im Kontext der Corporate Compliance entstanden, um Auswüchse auf Unternehmensebene zu vermeiden. Der Kodex soll eine nachhaltige Unternehmensführung sicherstellen. Er regelt strengere Normen, denen sich das Unternehmen freiwillig unterwirft. Die von dir zitierte Wertschöpfung ist gerade nicht gleichzusetzen mit dem alleinigen Interesse der Aktionäre.
wanne hat geschrieben:
Saxman hat geschrieben:Wenn ein Unternehmen sich humanitäre oder wissenschaftliche Ziele setzt ist das durchaus gestattet.
Ja, aber das Unternehmen ist dann kein Gewerbe und darf auch keine AG sein. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts darf vermutlich so ziemlich alles in der Richtung für Genossenschaften ist das sowieso kein Problem. Bei ner GmbH würde ich (ohne es sicher zu wissen) mal auf ähnliche Einschränkungen wie bei AGs tippen.
Den Gesellschaftszweck eines Unternehmens regelt die Satzung, darüber können die Gesellschafter frei entscheiden. Dabei ist die Gesellschaft bei der Wahl des Gesellschaftszwecks weitestgehend frei, es gibt keine Liste erlaubter Zwecke, geschweige denn ein Verbot humanistischer oder wissenschaflicher Ziele. So gibt es beispielsweise im medizinischen Bereich zahlreiche humanitär ausgerichtete Unternehmen die als Aktiengesellschaften fungieren (z.B. Rhön Klinikum AG). Nur weil ein Unternehmen Gewinne erwirtschaften will, muss es nicht auf den Gesellschaftszweck verzichten. Liegt keine vorrangige Gewinnerzielungsabsicht vor, bzw. werden die Gewinne nur für die Erfüllung des Stiftungszwecks eingesetzt, liegt aus steuerlichen Gründen eine gemeinnützige Stiftung oder eine Gemeinnützige GmbH aber näher. Zwingend ist ein Verzicht auf einen humanitären Zweck bei Gewinnerzielungsabsicht aber nicht. Gleiches gilt analog auch für den wissenschaftlichen Bereich. Nochmals zusammengefasst: Den Gesellschaftszweck regelt ausschließlich die Satzung (u.a. § 705 BGB, § 23 Abs. 3 Nr. 2 Aktg) des Unternehmens. Ein Verbot humanitärer oder wissenschaftlicher Ziele existiert nicht.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von wanne » 14.07.2014 20:05:01

Saxman hat geschrieben:Nein sind sie nicht. § 161 AktG besagt lediglich, dass die AG sich dazu äußern muss, ob sie dem Kodex folgt oder nicht
Ja, muss ich mich beim suchen verguckt haben. Defakto gibt es aber einige Urteile wo aktionäre erfolgreich geklagt haben, dass AGs ihnen ihre möglichen gewinne vorenthalten (Berühmtestes Beispiel dürfte Apple sein. Aber das lief natürlich nicht nach deutschem Recht.)
Saxman hat geschrieben:Die von dir zitierte Wertschöpfung ist gerade nicht gleichzusetzen mit dem alleinigen Interesse der Aktionäre.
Nja, das würde ich so nicht sehen. Es bezieht eben nur zukünftige Aktionäre mit ein.
Saxman hat geschrieben:Den Gesellschaftszweck regelt ausschließlich die Satzung (u.a. § 705 BGB, § 23 Abs. 3 Nr. 2 Aktg) des Unternehmens.
Ja, wenn du das wort ausschließlich raus nimmst stimmt das. (Es gibt massenhaft Normen, die das einschränken. Versuche einfahc mal eine Gesellschaft zur förderung des Rassismus zu gründen.) – Für die Gesellschaft wie sie im BGB definiert ist (Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Aber eine AG ist garantiert keine BGB-Gesellschaft. Währe ganz nett, wenn §717 BGB auch für AGs gelten würde.
Für AGs gibt es (aus guten Gründen) andere großteils härtere Regeln.

Edit: Ich habe mal etwas gegoogelt und festgestellt, dass es in dt. tatsächlich formen von GmbHs und AGs ohne Gewinnabsicht geben kann. Anderen ist es wohl aber tatsächlich nicht erlaubt. z.B der KG auf Aktie. Alles nicht so einfach...

Viel zu viele Normen mit vil zu vielen abhängigkeiten untereinander.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von Saxman » 14.07.2014 21:50:45

wanne hat geschrieben:
Saxman hat geschrieben:Die von dir zitierte Wertschöpfung ist gerade nicht gleichzusetzen mit dem alleinigen Interesse der Aktionäre.
Nja, das würde ich so nicht sehen. Es bezieht eben nur zukünftige Aktionäre mit ein.
Nachhaltige Wertschöpfung hat zuerst einmal nichts mit den Aktionären zu tun. Es gibt nicht wenige Aktiengesellschaften die keinen Cent an die Aktionäre ausschütten, dort partizipieren die Aktionäre an der Wertsteigerung des Unternehmens über den Kurs der Aktien - oder eben nicht. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung dazu, dass eine Aktiengesellschaft ihre Gewinne ausschüttet. Insofern bezieht sich die nachhaltige Wertschöpfung in erster Linie auf das Unternehmen selbst. Der Corporate Governance Kodex spricht in diesem Zusammenhang auch von einer sozialen Marktwirtschaftlichen Komponente, aber das tut hier eh nichts weiter zur Sache.
wanne hat geschrieben:
Saxman hat geschrieben:Den Gesellschaftszweck regelt ausschließlich die Satzung (u.a. § 705 BGB, § 23 Abs. 3 Nr. 2 Aktg) des Unternehmens.
Ja, wenn du das wort ausschließlich raus nimmst stimmt das. (Es gibt massenhaft Normen, die das einschränken. Versuche einfahc mal eine Gesellschaft zur förderung des Rassismus zu gründen.) – Für die Gesellschaft wie sie im BGB definiert ist (Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Aber eine AG ist garantiert keine BGB-Gesellschaft. Währe ganz nett, wenn §717 BGB auch für AGs gelten würde.
Für AGs gibt es (aus guten Gründen) andere großteils härtere Regeln.
Das ist richtig, so lange die Satzung, bzw. der Gesellschaftszweck, nicht gegen geltendes Recht verstößt, ist sie/er zulässig.
wanne hat geschrieben:Edit: Ich habe mal etwas gegoogelt und festgestellt, dass es in dt. tatsächlich formen von GmbHs und AGs ohne Gewinnabsicht geben kann. Anderen ist es wohl aber tatsächlich nicht erlaubt. z.B der KG auf Aktie. Alles nicht so einfach...

Viel zu viele Normen mit vil zu vielen abhängigkeiten untereinander.
Das stimmt allerdings, Gesellschaftsrecht ist schon ein Thema für sich. Ich hatte mich im Studium ausführlich mit der Thematik beschäftigt, so schnell wie sich die Gesetze ändern, ist es trotzdem schwer auf dem Laufenden zu bleiben.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von cronoik » 14.07.2014 23:12:31

wanne hat geschrieben:Viel zu viele Normen mit vil zu vielen abhängigkeiten untereinander.
Das Problem ist eher, dass man als Laie davon ausgeht das alles irgendwo geregelt ist. Manche Sachen regeln sich einfach dadurch das es keinen Sinn macht. Wie Saxman bereits gesagt hat, lohnt es sich für Organisationen aufgrund der Pflichten die durch das Aktiengesetz entstehen einfach nicht eine Aktiengesellschaft für humanitäre oder wissenschaftliche Ziele ohne Gewinnerzielungsabsicht zu gründen. Das fängt mit Berichtspflichten an und hört mit den Regelungen bzgl. der Organe auf. Des weiteren gibt keine Regelung dazu weil sich doch die Frage stellt was so eine Regelung überhaupt sollte. Wenn ich als Aktionär eine Aktie kaufe dann sollte ich mich auch mit den Zielen des Unternehmens auseinander setzen. Eine Stiftung oder ein Verein bringen da weit weniger formale Verpflichtungen mit wodurch sich die Gesellschaft eher auf ihre gesetzten Ziele konzentrieren kann.
wanne hat geschrieben:Ja, muss ich mich beim suchen verguckt haben. Defakto gibt es aber einige Urteile wo aktionäre erfolgreich geklagt haben, dass AGs ihnen ihre möglichen gewinne vorenthalten (Berühmtestes Beispiel dürfte Apple sein. Aber das lief natürlich nicht nach deutschem Recht.)
Des hängt immer von der jeweiligen Satzung ab. Vgl.:
§58(4) hat geschrieben: Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist.
Wenn also in der Satzung geregelt ist das es keine Dividende gibt, dann können die Aktionäre auch nicht klagen. Auch lässt sich daraus keine Gewinnerzielungsabsicht ableiten, sondern nur das wenn es einen Gewinn gibt und es keine Regelung in der Satzung gibt, dann haben die Aktionäre Anspruch auf diesen.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 14.07.2014 23:58:38

inne hat geschrieben:Hier eine, für Leute die auch den Film "Blauäugig" oder "Das Experiment" mögen.

Der Rassist in uns.
Danke für den Link!

Ich war enttäuscht (aber nicht überrascht) wie wenig Widerstand von den Braunäugigen innerhalb der Grenzen des Experiments kam. Ich habe höchsten Respekt vor der Dame die irgendwann relativ zum Anfang ausgestiegen ist weil ihr die Methoden nicht gefielen, aber das war eben ein Aussteigen, kein Widerstand.
Das Äquivalent in einer echten Gesellschaft wäre die Emigration gewesen, aber die ändert leider die Verhältnisse im Land nicht. Die Blauäugigen wurden im Experiment weiter diskriminiert.
Bezeichnend fand ich, dass gerade diejenigen die selbst schon Diskriminierung erfahren hatten nicht etwa besonders kritisch waren, sondern aus einer Art Revanchehaltung heraus in vollem Bewusstsein um ihre Taten mitgemacht haben, während man den anderen vielleicht ein mangels Erfahrung fehlendes Reflektionsvermögen "zugute" halten könnte.

Auch hat das Experiment gut gezeigt, dass selbst kollektiver Widerstand der Opfer nutzlos ist. Die Blauäugigen haben sich nach der ersten "Deportation" solidarisiert, wurden aber von den Moderatoren mit Hinweis auf die Regeln des Experiments zum Weitermachen überredet. Im echten Leben hätten sie Schusswaffen gehabt. Auch hier half Emigration und selbst offener Widerstand (höchsten Respekt auch an die Dame die im "Tribunal" offen aufbegehrt hat) nicht das System zu verändern.

Je weiter das Experiment fortschritt umso mehr kam ich zu dem Schluss, dass nur zwei Dinge geholfen hätten:
1. Dauerhafte Entfernung des Experimentleiters durch die Teilnehmer aus dem Experiment (z.B. in eine Kammer sperren und Schlüssel wegwerfen) - das Realweltäquivalent wäre ein Attentat.
2. Die kollektive Entscheidung der Mehrheit der Braunäugigen nicht weiter den Anweisungen des Leiters zu folgen und sich stattdessen mit den Blauäugigen zu solidarisieren - in der Realwelt wäre das Äquivalent eine Revolution mit(!) grundlegendem Systemwechsel (es hilft nicht wenn hinterher ein anderer Braunäuguger die Rolle des Experimentleiters übernimmt).

Für mich stand relativ schnell fest, dass ich als Blauäugiger emigriert wäre, denn es war spätestens seit der gescheiterten Solidarisierung absehbar, dass die Blauäugigen nie in der Lage sein würden das System aus eigener Kraft zu stürzen.
Ebenso schnell stand für mich fest, dass ich als Braunäugiger den richtigen Moment abwarten würde um die anderen Braunäugigen zum Widerstand aufzufordern. Blöderweise kam der nie, denn zu Anfang als es unter den Braunäugigen noch Zweifel gab war den Teilnehmern der Ernst der Lage noch nicht bekannt (einer hat es versucht und wurde gegangen) und später als es bei Eröffnung des "Tribunals" ernst wurde und die Blauäugigen auch noch als sichere Verbündete dabei waren, waren die Braunäugigen schon zu sehr auf Linie. Am Ende wäre ich auch hier emigriert, aber erst nachdem ich mich der Mittäterschaft schuldig gemacht hätte.

Für mich bleiben zwei Erkenntnisse als Fazit:
1. Wenn kollektiver Widerstand gegen die Staatsgewalt von seiten der Profiteure(!) des Systems nötig um ein Unrechtssystem zu kippen und das schon in einem so kleinen Experiment nicht klappt, wie sol das in einer globalisierten Gesellschaft (in der es keine nennenswerten Alternativsysteme mehr gibt) funktionieren?
2. Emigration so schnell wie möglich. Blöderweise weiß ich im echten Leben nicht wohin.

Den Titel der Sendung finde ich übrigens schlecht gewählt. Klar geht es hier vordergründig um Rassismus, aber das Schema passt auch auf jede andere Form diskriminierender Gesellschaften - z.B. reich gegen arm wie in aktueller Ausprägung.

Edit:
Mich würde mal die Reaktion der Experimentatoren auf Teilnehmer mit Iris-Heterochromie interessieren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Iris-Heterochromie

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von thoerb » 15.07.2014 11:14:55

hikaru hat geschrieben: Ich war enttäuscht (aber nicht überrascht) wie wenig Widerstand von den Braunäugigen innerhalb der Grenzen des Experiments kam. Ich habe höchsten Respekt vor der Dame die irgendwann relativ zum Anfang ausgestiegen ist weil ihr die Methoden nicht gefielen, aber das war eben ein Aussteigen, kein Widerstand.
Nicht jeder hat die Stärke in einer Gruppe Widerstand zu leisten und Aussteigen ist doch auch eine Art von Widerstand. Das finde ich auf jeden Fall besser, als das Spiel weiter mit zu machen. Ich denke die meisten der Braunäugigen haben sich in Ihrer Rolle nicht wohlgefühlt und man hat auch gemerkt, dass den Meisten oder auch eigentlich allen irgendwann klar wurde, dass der Moderator nur Schwachsinn von sich gibt. Aber trotzdem haben sie alle mit und weitergemacht um nicht gegen die Regeln zu verstoßen und dann als Außenseiter da zu stehen und weil sie sich der Gruppe gegenüber verantwortlich fühlten und das Projekt nicht gefährden wollten. Ich finde es gut, wenn Menschen ihr eigenes Gewissen wichtiger ist, als der Gruppenzwang. Ich wäre da wahrscheinlich auch ganz schnell weg gewesen. Aber das war ja auch nur ein Projekt, das ein paar Stunden ging, mit Menschen, die man so gut wie gar nicht kennt. Wie ist das aber im wahren Leben, wenn plötzlich alle um einem herum die man lieb und gerne hat unter Druck gesetzt werden, sich plötzlich verändern, man nicht mehr weiß, wem man vertrauen kann? Solch eine Situation möchte ich niemals erleben und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich dann der Held wäre, der rebellieren würde. Vor allem wenn man eine Verantwortung gegenüber denen hat, die einem nahe stehen. In diesem Projekt war das symbolisch der Mann der dafür verantwortlich gemacht wurde, dass alle Ihre grünen Bänder tragen.

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 15.07.2014 11:37:54

thoerb hat geschrieben:Nicht jeder hat die Stärke in einer Gruppe Widerstand zu leisten und Aussteigen ist doch auch eine Art von Widerstand.
Nein, Aussteigen ist kein Widerstand. Versteh mich nicht falsch, ich halte das immer noch für eine respektable Handlungswweise, aber Widerstand hat zum Ziel das Unrechtssystem zu beseitigen. Mit Aussteigen erreicht man das Ziel aber nicht, denn alle anderen machen dann eben ohne einen genauso weiter wie vorher.
thoerb hat geschrieben:Ich denke die meisten der Braunäugigen haben sich in Ihrer Rolle nicht wohlgefühlt und man hat auch gemerkt, dass den Meisten oder auch eigentlich allen irgendwann klar wurde, dass der Moderator nur Schwachsinn von sich gibt. Aber trotzdem haben sie alle mit und weitergemacht um nicht gegen die Regeln zu verstoßen und dann als Außenseiter da zu stehen und weil sie sich der Gruppe gegenüber verantwortlich fühlten und das Projekt nicht gefährden wollten.
Und genau das ist es was mich enttäuscht.
Im Grunde war von Anfang an allen klar, dass der Projektleiter Schwachsinn erzählt. Im Rahmen des Experiments (und wirklich nur in diesem Rahmen) habe ich Verständnis dafür, dass man zumindest zunächst noch mitspielt um das Experiment nicht zu gefährden. Aber spätestens als die Blauäugigen sich sichtlich unwohl gefühlt haben, hätten alle Braunäugigen den Gehorsam verweigern müssen um sich nicht zu Tätern der Diskriminierung (und zwar echten Tätern, nicht gespielten) zu machen. Stattdessen haben sich einige regelrecht an der Erniedriegung der anderen ergötzt und das finde ich verwerflich (ganz real, nicht nur gespielt).

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von Blackbox » 15.07.2014 12:11:12

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von inne » 15.07.2014 13:17:30

@hikaru: Weil du immer von Experiment redest. Im Workshop wird den blauäugigen bei der ersten "Deportation" klar gesagt: "Das hier ist KEIN EXPERIMENT". Hier hätte jeder oder nur einer sagen können, gut dann lassen wir blauäugigen, mit dem grünen Kragen das sein und steigen hier aus dem Workshop aus.
Aber sie spielen ihre Rolle bis zum Ende...

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 15.07.2014 13:34:50

inne hat geschrieben:@hikaru: Weil du immer von Experiment redest. Im Workshop wird den blauäugigen bei der ersten "Deportation" klar gesagt: "Das hier ist KEIN EXPERIMENT".
Ja klar, das mussten die Moderatoren sagen, es war schließlich Teil des Experiments.
In den KZs der Nazis wurde den Vergasten vorher auch gesagt: "Ihr geht jetzt duschen."
inne hat geschrieben:Hier hätte jeder oder nur einer sagen können, gut dann lassen wir blauäugigen, mit dem grünen Kragen das sein und steigen hier aus dem Workshop aus.
Zwei von denen haben das ja auch getan. Aber das war dann eben Emigration, kein Widerstand. Der Widerstand endete als die Teilnehmer vor das Ultimatum gestellt wurden entweder den "Workshop" abzubrechen oder sich zu fügen. Es gab für sie keine Alternative im Workshop ("am Leben") zu bleiben und Widerstand zu leisten. Die meisten haben sich dann dafür entschieden die bereits absehbaren Erniedrigungen weiter zu ertragen.
inne hat geschrieben:Aber sie spielen ihre Rolle bis zum Ende...
Genau wie die Juden unter den Nazis. Gut, die konnten später nicht mehr "aussteigen", aber bis Mitte der 30er hätten theoretisch alle deutschen Juden emigrieren können, so wie es einige auch getan haben. Damit hätte sich das Problem der deutschen Juden in einem sie unterdrückenden System zu leben erledigt, aber es hätte eben nicht das Unrechtsregime beseitigt.
Die Alternative, der offene Widerstand gegen das Regime, hätte zum sicheren Tod geführt, genau wie im Experiment zum sicheren Ausschluss.

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von inne » 15.07.2014 14:04:07

hikaru hat geschrieben:
inne hat geschrieben:@hikaru: Weil du immer von Experiment redest. Im Workshop wird den blauäugigen bei der ersten "Deportation" klar gesagt: "Das hier ist KEIN EXPERIMENT".
Ja klar, das mussten die Moderatoren sagen, es war schließlich Teil des Experiments.
Stimmt das Experiment wäre damit nicht beendet. Aber das Ende offen. Aufs deutsche Reich umgemünst, hätte es viellicht die Angriffskriege nur verzögert und teurer gemacht?

Auch wenn das nun etwas OT wird, möchte ich hier mal die Ergebnisse des Stanford-Prison-Experiment Zitieren:
Am Ende der Untersuchung waren die Gefangenen sowohl als Gruppe als auch als Individuen am Boden zerstört. Die Gruppe bildete keine Einheit mehr, sie bestand lediglich aus einem Haufen isolierter, ums Durchhalten bemühter Einzelpersonen, die Kriegsgefangenen oder hospitalisierten psychisch Kranken ähnelten. Die Strafvollzugsbeamten hatten die vollständige Kontrolle über das Gefängnis gewonnen, und sie verfügten über den blinden Gehorsam jedes Gefangenen.

Es gab drei Typen von Strafvollzugsbeamten. Zum einen gab es die strengen, aber fairen Strafvollzugsbeamten, die sich an die Regeln des Gefängnisses hielten. Dann gab es die "guten Kerle", die den Gefangenen kleine Gefallen taten und sie nie bestraften. Und schließlich verhielt sich ein Drittel der Strafvollzugsbeamten feindlich und willkürlich gegenüber den Gefangenen und war sehr einfallsreich darin, sich Demütigungen für die Gefangenen auszudenken. Diese Strafvollzugsbeamten schienen die Macht, die sie ausübten, außerordentlich zu genießen, dennoch konnte keiner unserer Persönlichkeitstests aus der Voruntersuchung dieses Verhalten vorhersagen. Der einzige Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Gefängnisverhalten bestand darin, dass es Gefangene mit hohen Autoritarismus-Werten länger in unserem autoritären Gefängnisumfeld aushielten als andere Gefangene.
Dieses Verhalten wird im Milgram Experiment so erklärt:
Bis heute gilt der Autoritätsgehorsam theoretisch als nur unzureichend geklärt. Obwohl Milgram eine Persönlichkeitsbasis für Autoritätsgehorsam und Verweigerung vermutete, konnte er diese nicht belegen. Stattdessen ging er von zwei Funktionszuständen aus:
  • einem Zustand der Autonomie, in dem das Individuum sich als für seine Handlungen verantwortlich erlebt, und
  • einem „Agens-Zustand“, in den es durch den Eintritt in ein Autoritätssystem versetzt wird und nicht mehr aufgrund eigener Zielsetzungen handelt, sondern zum Instrument der Wünsche anderer wird.
Ansonsten Stimmt es ja auch das gerade die Tatsache, dass viele dieser Experimente, um überhaupt durchführbar zu sein, mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen arbeiten müssen, beweist ihre besondere Unwirklichkeit; das Gefühl der Teilnehmer für die Wirklichkeit wird in Verwirrung gebracht, und ihr kritisches Urteilsvermögen wird stark reduziert.
Zuletzt geändert von Anonymous am 15.07.2014 15:16:24, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von inne » 15.07.2014 14:25:26

hikaru hat geschrieben: Mich würde mal die Reaktion der Experimentatoren auf Teilnehmer mit Iris-Heterochromie interessieren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Iris-Heterochromie
Experimente ;-)

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von Knight » 15.07.2014 16:02:27

Ihr holt meiner Meinung nach alle viel zu weit aus. Laßt doch mal den ganzen Rassismus und das dritte Reich beiseite und fangt im Kleinen an, denn da geht es in aller Regel los.
z.B. Mobbing in der Firma. Oder geht über das Äußere. Zu dick, zu dünn, zu klein, zu gross. Wer hatte nicht den "Lulatsch" oder den "Zwerg" in der Schulklasse, auf dem herumgehackt wurde ?

Klar wurde der Workshop explizit auf Hautfarbe oder Kopftuch ausgerichtet. Ich denke interessanter und realistischer wäre das Ganze gewesen, wenn man z.B. Model-Menschen und Übergewichtige eingesetzt hätte. Die Sticheleien wären wohl um einiges extreme ausgefallen als wenn man nur auf die Augenfarbe geht. Interessant wäre vielleicht gewesen, die Rollen zu tauschen. Wie hätte sich das wohl entwickelt ? Der Übergewichtige als das Non-Plus-Ultra, und das Model als "künstlich" ?

Wie leicht der Mensch manipulierbar ist, geht ja aus Filmen wie "Die Welle" oder "Das Experiment" hervor. Und Hand auf's Herz, ich weiß nicht ob ich 100% dagegen gefeit wäre.
Wer hat schon mal in der Schulklasse Partei für den "Looser" ergriffen ? Ist doch die Angst größer, selber ausgegrenzt zu werden, obwohl man weis, das es falsch ist.
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 15.07.2014 16:32:10

Knight hat geschrieben:Ihr holt meiner Meinung nach alle viel zu weit aus. Laßt doch mal den ganzen Rassismus und das dritte Reich beiseite und fangt im Kleinen an, denn da geht es in aller Regel los.
Aber das sind doch zwei Seiten der selben Medaille. In der Doku ging es nun mal um Rassismus, warum sollte man den dann beiseite lassen?
Natürlich lässt sich das Prinzip an beliebigen Merkmalen festmachen, aber es bleibt immer das Gleiche. Hier war es eben die Augenfarbe. Die ist genauso sinnfrei und damit gut geeignet für das Experiment wie jedes andere Merkmal auch.
Knight hat geschrieben:Interessant wäre vielleicht gewesen, die Rollen zu tauschen. Wie hätte sich das wohl entwickelt ?
Im Originalexperiment (das in der Doku war dr Xte Aufguss) wurden die Rollen von Blau- und Braunäugigen auch getauscht.
Ergebnis: Auch andersrum funktioniert die Diskriminierung. Davon dass man also aus Erfahrungen klug wird kann nicht die Rede sein.

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von inne » 15.07.2014 22:24:49

hikaru hat geschrieben:Im Originalexperiment (das in der Doku war dr Xte Aufguss) wurden die Rollen von Blau- und Braunäugigen auch getauscht.
Du hast das Original gesehen? Kannst du sagen was dort die Merkmale waren, an denen die Diskriminierung fest gemacht wurde?

Das Argument in der ZDFneo Doku, dass die blauen Augen (weniger Melanine) das Sonnenlicht nicht mehr davon abgehalten hat die Hirnzellen der blauäugigen zu verbruzeln und sie deswegen dümmer wären. Das ist ja mal richtig gut....

Die Workshops von Jane Elliott sind dann ja nochmal eine Spur härter. Krass!

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 16.07.2014 00:18:49

inne hat geschrieben:Du hast das Original gesehen?
Nein. Das Original war ein Experiment mit Schülern in den 60ern. Videoaufnahmen gibt es offenbar dazu, die wurden aber nicht öffentlich in einer Doku ausgewertet.
inne hat geschrieben:Kannst du sagen was dort die Merkmale waren, an denen die Diskriminierung fest gemacht wurde?
Auch da war es die Augenfarbe. Aber mal wurden Blauäugige, mal Braunäugige diskriminiert.

Danke auch für den Link zur britischen Doku! Die ist wirklich nochmal eine Nummer härter, was im Wesentlichen daher kommt dass das Setting ein ganz anderes ist:
Im deutschen Experiment war allen Beteiligten klar, dass es ein Spiel ist. Jeder wusste dass die diskriminierenden Aussagen über Blauäugige Schwachsinn sind. Die meisten haben sich trotzdem in das Spiel gefügt, sich in dessen Rahmen überlegen oder erniedrigt gefühlt, aber es war immer klar, dass es ein Rollenspiel ist. Worum es in dem Spiel geht wurde den Teilnehmern nicht gesagt. Jeder musste selbst herausfinden dass es um Diskriminierung Blauäugiger durch Braunäugige ging (was zugegebenermaßen nicht schwer war, angesichts der Spruchtafeln). Es war also eigenständiges Denken gefordert, wenn auch auf einfachem Niveau.

Im englischen Experiment wurde den Teilnehmern von Anfang an mitgeteilt, dass es darum geht Blauäugige durch Braunäugige zu diskriminieren. Selbstständiges Denken wurde an diese Stelle nicht gefordert. Auch gab es hier keine übertrieben lächerliche Herabsetzung der Blauäugigen. Im deutschen Experiment war klar, dass die abstrusen Anfeindungen nicht ernst gemeint sein können sondern Teil des Spiels sind. Dazu gehört auch das überspitzt ambivalente Auftreten des Experimentators.
Im englischen Experiment bewegten sich die Anfeindungen (z.B. "Alle Weißen sind Rassisten.") in einem Rahmen der durchaus ernst gemeint sein könnte. Auch die Experimentatorin ist hier mit einer konsistenten (ich würde fast schon authentischen) Persönlichkeit aufgetreten. Alles in Allem war das englische Experiment nicht als offensichtliches Spiel zu durchschauen.

Was mich richtig erstaunt, fast schon schockiert hat war, dass die Experimentatorin am Ende nicht aufgelöst hat, dass das Spiel noch läuft. Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet und die Offenlegung den Blauäugigen mal eine Lektion zu erteilen hielt ich für ein schlaues Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Ziel, nämlich zu demonstrieren, dass die richtige Führerpersönlichkeit jeden zum Rassisten machen kann. Vielleicht ist diese Auflösung hinter den Kameras passiert, aber so wie es in der Sendung dargestellt wurde war es ihr voller Ernst, dass alle Weißen Rassisten seien und den Weißen (hier symbolisiert durch Blauäugige) das klarzumachen war ihr wirkliches Ziel.
Wenn dass tatsächlich der Fall ist dann neige ich zu der Ansicht, dass sie ihr eigenes Experiment nicht verstanden hat. Sie hat eine fiktive rassistische Gesellschaft aufgebaut, innerhalb dieser fiktven Gesellschaft eine reale Rassismusdebatte geführt und dabei nicht gemerkt, dass sie ein reales Rassismusopfer (die Schwarze die da so wehement argumentiert hat) zu einer fiktiven Rassismustäterin gemacht hat die Fiktion und Realität nicht mehr auseinanderhalten kann, denn sie war für Diskriminierung jenseits der Hautfarbe überrhaupt nicht mehr empfänglich.

Ich halte das englische Experiment (im Gegensatz zum deutschen) daher für einen fatalen Fehlschlag, der seinem Ziel - nämlich die Schärfung der Wahrnehmung von Diskriminierung - einen Bärendienst erweist.

inne
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von inne » 16.03.2017 09:35:50

Elektroschock-Experiment Fast jeder würde auf Befehl foltern

Stanley Milgram zeigte 1961, wie leicht man Menschen dazu bringen kann, andere zu quälen und zu töten. Nun wurde der legendäre Stromstoßversuch wiederholt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Nur ein Viertel der Teilnehmer zweifelte.
Funktioniert Heute noch wie Damals.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... ml#ref=rss
(Die Leute kennen das Experiment anscheinend nicht...)

PS: Könnte glatt zu Tierversuchen abbiegen, dazu gabs auch neulich was.

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hikaru
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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 16.03.2017 10:38:17

Ja, das Milgram-Experiment ist wirklich ein mächtiges Werkzeug für jemanden, der anderen die Illusion hinter der Vorstellung des "Guten im Menschen" verdeutlichen möchte.
Unter den "richtigen" Umständen wird jeder zum Foltermeister, egal wie hoch er seine moralischen Werte hält. Das "Augenfarbenexperiment" das wir hier ursprünglich diskutiert haben, habe bzw. hätte ich vermutlich nur deshalb durchschaut, weil das Strickmuster dem Milgram-Experiment ähnlich genug ist, welches ich schon aus der Schule kannte.

Als weiteres Experiment nach ähnlichem Strickmuster sei hier noch das Stanford-Prison-Experiment genannt, das dem einen oder anderen vielleicht aus dem Film "Das Experiment" bekannt ist. Natürlich gibt es im Film ein paar unrealistische dramatische Überzeichnungen, aber Alles in Allem halte ich den Film für gelungen.

BenutzerGa4gooPh

Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 16.03.2017 14:26:11

hikaru hat geschrieben:Ja, das Milgram-Experiment ist wirklich ein mächtiges Werkzeug für jemanden, der anderen die Illusion hinter der Vorstellung des "Guten im Menschen" verdeutlichen möchte.
Unter den "richtigen" Umständen wird jeder zum Foltermeister, egal wie hoch er seine moralischen Werte hält.
Laut innes Spiegel-Link nur Autorität, Ausnahmesituation und Gewoehnung. Wo haben wir das häufig, wie entstehen Kriegsverbrechen - mit recht vielen Teilnehmern/Taetern? Die entsprechende Doku hat mir sehr zu denken gegeben, früher mal gesehen.
Weitere "foerderliche" Umstände sehe ich noch in geringer Bildung, Erfahrung (Jugend), Gruppenzwang ("Kameradschaft", Elitedenken, -arroganz) und relativem "Unbeobachtetsein" (Ausland) sowie Rassismus/Nationalismus. Eventuell sogar als Staatsdoktrin, Deutschland ueber alles, Apartheid, Rassentrennung, America First ... .
Spiegel-Kommentare waren auch schon mal besser ... dazumal ... auf altmodischem Papier. :mrgreen:
hikaru hat geschrieben:Unter den "richtigen" Umständen wird jeder zum Foltermeister, egal wie hoch er seine moralischen Werte hält.
Märtyrer, Widerstandskämpfer, Wehrdienstverweigerer und allg. zivilen Widerstand hast du aussen vor gelassen?! Waren und sind leider nur wenige.

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von MartinV » 16.03.2017 16:38:34

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 16.03.2017 17:02:42

Jana66 hat geschrieben:
hikaru hat geschrieben:Unter den "richtigen" Umständen wird jeder zum Foltermeister, egal wie hoch er seine moralischen Werte hält.
Märtyrer, Widerstandskämpfer, Wehrdienstverweigerer und allg. zivilen Widerstand hast du aussen vor gelassen?!
Nein. Die brauchen nur andere Trigger.

BenutzerGa4gooPh

Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von BenutzerGa4gooPh » 16.03.2017 21:51:47

Die Trigger wären deines Erachtens?

Habe mal ein Buch ueber den Iran gelesen: Leute die unter dem Schah verfolgt und gefoltert wurden, wandelten sich unter Chomeini zu ebensolchen Tätern. In der DDR gab es zumindest psychische Folterknechte aus Überzeugung. Religion und (politischer) Fanatismus als weitere Trigger?
Jugendliche schlagen und treten Fremde aus nichtigem oder keinem Anlass krankenhausreif bis tot. Gewalt als Selbstbefriedigung oder Angeberei?
Gewalttaetig durchgesetzte Hackordnungen unter Gefangenen ...
Was wuerde man mit einem Entfuehrer oder Moerder geliebter Menschen anstellen, wenn dieser einem in die Hände fiele?!

Gibt wohl viele Trigger, kann gut sein, dass es fur jeden Menschen einen gibt. Die Triggerschwellen sind wohl unterschiedlich.

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Re: interessante Arte Dokumentation

Beitrag von hikaru » 17.03.2017 10:23:52

Jana66 hat geschrieben:Die Trigger wären deines Erachtens?
Alles, was die moralischen Überzeugungen eines Menschen verändern oder unterlaufen kann.

Ein einschneidendes Erlebnis z.B., das die Weltsicht eines Menschen ändert, könnte für eine Verschiebung seiner moralischen Überzeugungen sorgen.
Ein Szenario in dem jemand nicht (früh genug) erkennt, dass es ihn zur Verletzung seiner moralischen Werte führt, könnte ebenso solch ein Trigger sein. Das Milgram-Experiment ist im Prinzip so ein Szenario.
Es ist aber auch möglich, dass jemand in vollem Bewusstsein gegen seine moralischen Überzeugungen verstößt, z.B. bei einem Interessenkonflikt.

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