inne hat geschrieben:Du hast das Original gesehen?
Nein. Das Original war ein Experiment mit Schülern in den 60ern. Videoaufnahmen gibt es offenbar dazu, die wurden aber nicht öffentlich in einer Doku ausgewertet.
inne hat geschrieben:Kannst du sagen was dort die Merkmale waren, an denen die Diskriminierung fest gemacht wurde?
Auch da war es die Augenfarbe. Aber mal wurden Blauäugige, mal Braunäugige diskriminiert.
Danke auch für den Link zur britischen Doku! Die ist wirklich nochmal eine Nummer härter, was im Wesentlichen daher kommt dass das Setting ein ganz anderes ist:
Im deutschen Experiment war allen Beteiligten klar, dass es ein Spiel ist. Jeder wusste dass die diskriminierenden Aussagen über Blauäugige Schwachsinn sind. Die meisten haben sich trotzdem in das Spiel gefügt, sich in dessen Rahmen überlegen oder erniedrigt gefühlt, aber es war immer klar, dass es ein Rollenspiel ist. Worum es in dem Spiel geht wurde den Teilnehmern nicht gesagt. Jeder musste selbst herausfinden dass es um Diskriminierung Blauäugiger durch Braunäugige ging (was zugegebenermaßen nicht schwer war, angesichts der Spruchtafeln). Es war also eigenständiges Denken gefordert, wenn auch auf einfachem Niveau.
Im englischen Experiment wurde den Teilnehmern von Anfang an mitgeteilt, dass es darum geht Blauäugige durch Braunäugige zu diskriminieren. Selbstständiges Denken wurde an diese Stelle nicht gefordert. Auch gab es hier keine übertrieben lächerliche Herabsetzung der Blauäugigen. Im deutschen Experiment war klar, dass die abstrusen Anfeindungen nicht ernst gemeint sein können sondern Teil des Spiels sind. Dazu gehört auch das überspitzt ambivalente Auftreten des Experimentators.
Im englischen Experiment bewegten sich die Anfeindungen (z.B. "Alle Weißen sind Rassisten.") in einem Rahmen der durchaus ernst gemeint sein könnte. Auch die Experimentatorin ist hier mit einer konsistenten (ich würde fast schon authentischen) Persönlichkeit aufgetreten. Alles in Allem war das englische Experiment nicht als offensichtliches Spiel zu durchschauen.
Was mich richtig erstaunt, fast schon schockiert hat war, dass die Experimentatorin am Ende
nicht aufgelöst hat, dass das Spiel noch läuft. Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet und die Offenlegung den Blauäugigen mal eine Lektion zu erteilen hielt ich für ein schlaues Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Ziel, nämlich zu demonstrieren, dass die richtige Führerpersönlichkeit jeden zum Rassisten machen kann. Vielleicht ist diese Auflösung hinter den Kameras passiert, aber so wie es in der Sendung dargestellt wurde war es ihr voller Ernst, dass alle Weißen Rassisten seien und den Weißen (hier symbolisiert durch Blauäugige) das klarzumachen war ihr wirkliches Ziel.
Wenn dass tatsächlich der Fall ist dann neige ich zu der Ansicht, dass sie ihr eigenes Experiment nicht verstanden hat. Sie hat eine fiktive rassistische Gesellschaft aufgebaut, innerhalb dieser fiktven Gesellschaft eine reale Rassismusdebatte geführt und dabei nicht gemerkt, dass sie ein reales Rassismusopfer (die Schwarze die da so wehement argumentiert hat) zu einer fiktiven Rassismustäterin gemacht hat die Fiktion und Realität nicht mehr auseinanderhalten kann, denn sie war für Diskriminierung jenseits der Hautfarbe überrhaupt nicht mehr empfänglich.
Ich halte das englische Experiment (im Gegensatz zum deutschen) daher für einen fatalen Fehlschlag, der seinem Ziel - nämlich die Schärfung der Wahrnehmung von Diskriminierung - einen Bärendienst erweist.