KP97 hat geschrieben:Systemd ist jetzt der Standard und wird auch nicht mehr abgelöst, man sollte sich halt damit abfinden und sich auch damit beschäftigen.
Naja, ich bin mit Systemd "aufgewachsen", ich bin zu Linux gewechselt, als die Umstellung gerade begonnen hat. Erst openSUSE 11.3 (?), sowie Fedora 15, dann Ubuntu 11.04 und Arch Linux. Ich hab also mit den alten Init-Systemen so gut wie gar nichts mehr am Hut gehabt (hab ja zuerst auch nichts auf der Kommandozeile rumkonfiguriert). Sämtliche Kenntnisse über das Starten von Diensten habe ich zuerst für Systemd erworben und erst später gelernt, dass es Alternativen gibt. Unter Fedora z. B. musste ich einige *.service- und *.timer-Dateien selbst erstellen, da die ein oder andere Software das nicht selber gebacken bekommen hat ... Und dennoch muss ich für mich persönlich sagen, dass Systemd nach all der Zeit einfach nicht mein Ding ist und ich das nicht (mehr) haben möchte.
Und genau deswegen bin ich zu Linux gewechselt: Ich möchte ein flexibles System haben und nicht gezwungen sein ein bestimmtes Stück Software zu verwenden, nur weil es gerade modern ist. Ob Systemd angeblich Standard ist oder nicht, ist mir relativ egal. Ich verwende auch kein WhatsApp/Windows/etc., nur weil es viele Leute verwenden und es damit "Standard" ist. Ich möchte persönlich für mich entscheiden, was ich als gut empfinde und was nicht und ich denke andere sollten das auch tun dürfen (ich will keinem Systemd ausreden, aber bitte lasst das doch einfach jeden selber entscheiden, denn ein Init-System sollte keine Ersatzreligion
sein und v. a. austauschbar sein!).
Mit den zunehmenden Abhängigkeiten zu Systemd und dessen "Vendor Lock-In" wird dies allerdings immer schwieriger.
Ich verstehe auch ehrlich gesagt überhaupt nicht, worin das Problem besteht einfach jeden Linuxer selber darüber entscheiden zu lassen, ob er das verwenden will oder nicht. "Früher" (also zu Zeiten von Debian Wheezy) konnte man doch auch relativ beliebig Systemkomponenten austauschen, wieso soll das nun auf einmal nicht mehr gehen? War das nicht immer das, was die Linux-Nutzer angepriesen haben, die Flexibilität und freie Konfigurierbarkeit von Linuxsystemen? Wieso brauche ich jetzt plötzlich logind, wenn es doch vor zwei Jahren auch noch ohne ging? Wieso ist sowas nicht optional, sodass weiterhin die Wahl besteht? Ich denke, dass es sich hier nur um wenige abweichende Codezeilen in den meisten Programmen handeln dürfte, denn unter FreeBSD funktioniert das gleiche Stück Software in der aktuellsten Version ja auch weiterhin ohne Systemd (z. B. GDM). Normalerweise sollte Software doch eh modular aufgebaut sein, also sollte es bei einem ordentlich erstellten Programm keine Probleme bereiten je nach Init-System die entsprechenden Befehle zu übergeben, ohne dass dies Änderungen in vielen Teilen des Programms erfordert (also z. B. via Schnittstellen-Klassen, welche man dann je nach Bedarf einkompilieren kann und welche die Verbindungsstücke zu lower-level Komponenten enthalten).
Auch ist mir unverständlich, wie man es gut finden kann, dass immer mehr Dienste eine Abhängigkeit durch undokumentierte/schlecht dokumentierte Schnittstellen zu Systemd entwickeln? Wieso kann sich Systemd nicht mit den altbewährten Diensten und Schnittstellen abfinden und darauf aufbauen?
Ebenso verstehe ich nicht, wieso man ein schlecht dokumentiertes und kommentiertes Stück Software derart schnell adaptiert (und dies anscheidend oftmals intransparent entschieden hat ...), v. a. wenn es noch unzählige offene Bugs gibt ... Sehr brisant finde ich z. B. diesen Bug und v. a. das uneinsichtige Verhalten des Maintainers:
https://bugs.debian.org/cgi-bin/bugrepo ... bug=761658
Insgesamt hinterlässt Systemd bei mir einfach ein schlechtes Gefühl und mir gefällt das Design auch von Grund auf nicht. Das mag jemand anders sehen und das ist auch gut und richtig so, denn schließlich sollte jeder seine Puzzleteile selber wählen dürfen.
PS: Auf heise werden die Systemd-Kritiker übrigens in den Kommentaren tlw. als alte Greise beschimpft. Ich möchte hierzu anmerken, dass ich erst um die 20 bin und trotzdem nicht alles neue automatisch für gut empfinde und auch Systemd deswegen nicht unreflektiert lobhudele.
Ich finde übrigens das Verhalten vieler Leute in der Debatte um Systemd wirklich unmöglich (betrifft nicht wirklich euch). Aus Sicht mancher gibt es heute nur noch zwei Parteien: Fanboys und Hater. Und genau das beobachte ich bei Systemd: Es gibt die einen, welche der Meinung sind, dass Systemd unfehlbar ist und dann gibt's die andere Hälfte, welche (angeblich) nichts Gutes an Systemd finden kann. Und das sehe ich leider nicht nur im berüchtigten heise-Forum, sondern auch in Bugreports von Systemd und an anderen Stellen.
Es wäre wirklich toll, wenn man das mal auf eine sachliche Ebene herunterbrechen könnte und evtl. versuchen könnte hier auf eine vernünftige Art und Weise diskutieren zu können. Ebenso würde ich mir wünschen, wenn man sich einfach auf die Wahlfreiheit einigen könnte (meine Distri kann ich mir ja auch selber frei raussuchen und nicht jeder ist gezwungen einen Debian-Abkömmling zu verwenden) und dadurch jeder sein Lieblings-Init-System nutzen könnte. Gerade bei Debian sollte eine derartige Freiheit eigentlich existieren (und es ist bedauernswert, dass es hierfür einen Fork gebraucht hat), denn schließlich ist dies bei Debian ja eigentlich Tradition (den Kernel kann ich z. B. auch frei wählen; kann Debian auch mit kFreeBSD betreiben, sofern ich denn möchte und es genug Entwickler für einen neuen Release gibt).
@KP97 Ist übrigens nichts persönlich gegen Dich, nur weil ich Deinen Beitrag ursprünglich zitiert hatte.
Gerade vor zwei Tagen bin ich zufällig auf eine Distri gestoßen, die ganz aktuell ist und runit verwendet. Heißt Void und kommt aus Spanien:
http://distrowatch.com/table.php?distribution=void
Habs mir mal angesehen, gar nicht schlecht. Richtig nostalgisch, wenn man den Startvorgang ansieht.
Einen Blick ist es allemal wert.
Die wollte ich mir eigentlich auch mal ansehen ... Aber rolling release ist eigentlich nicht so mein Ding.
Und lässt es sich ohne die praktischen Debian-Helferlein überhaupt noch sinnvoll leben?