heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

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uname
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heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von uname » 27.10.2017 10:46:29

Ich habe folgenden Artikel gelesen:

https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 74102.html

Er ist schön geschrieben und es gibt schöne Kommentare.
Ich kann die Argumentation in vielen Teilen bestätigen. Vim ist ein nutzerfreundlicher Editor, wenn man bereit ist die Befehle zu verstehen.

Nice
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Re: heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von Nice » 27.10.2017 12:31:33

@uname:
Ich kann die Argumentation in vielen Teilen bestätigen. Vim ist ein nutzerfreundlicher Editor, wenn man bereit ist die Befehle zu verstehen.
Sorry, das sehe ich ganz anders.

Ich selbst mag Computer und Programmieren, halte aber Nutzer nicht für faul oder dumm, wenn sie eine angenehme und einfache Benutzeroberfläche (gui) wünschen, statt intensiv erst Handbücher studieren zu müssen, um ihren PC bedienen zu können.

Ich könnte genau so gut andere Menschen kritisieren, weil sie sich keinen Nutzgarten anlegen (Kräuter; Obst; Gemüse etc.*), wie ich es tue und nicht bereit sind, sich dafür das Fachwissen anzueignen sowie die Zeit dafür aufzubringen und statt dessen aus meiner Sicht fragwürdig produzierte Produkte beim Discounter kaufen.


*
By the way: in Perma-Kultur: 8)
https://de.wikipedia.org/wiki/Permakultur
Zuletzt geändert von Nice am 27.10.2017 12:38:52, insgesamt 4-mal geändert.

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chimaera
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Re: heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von chimaera » 27.10.2017 12:34:31

Ich sehe die Zielgruppe des Artikels nicht ganz; den einen rennt man offene Türen ein, die anderen haben keinen Bedarf.
[..] Linux is not a code base. Or a distro. Or a kernel. It's an attitude. And it's not about Open Source. It's about a bunch of people who still think vi is a good config UI. - Matt's reply on ESR's cups/ui rant

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Lord_Carlos
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Re: heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von Lord_Carlos » 27.10.2017 12:35:45

Was ist denn die Definition von nutzerfreundlich?
Ich habe damit unter anderem auch einsteigerfreundlichkeit eingeschlossen.
Im Gegenteil, sie sind der kommerziellen Konkurrenz bei einem entscheidenden Punkt an Freundlichkeit meilenweit voraus. Das jedoch ausschließlich unter der Annahme, dass ein möglichst präziser und effizienter Ansatz der beste ist.
Genau, bei einem von mehreren Punkten ist Mutt nutzerfreundlich :)
Mir ist es am liebsten wenn ein email client nur zwei Fragen stellt: email und password.
Erweiterte Einstellungen sind gerne willkommen, aber optional.
Wenn der Anwender zum Beispiel seine E-Mails in wenigen Minuten statt einer Stunde abarbeiten kann, um sich anschließend den eigentlich wichtigen Aufgaben zu widmen, ist Mutt ein deutlich nutzerfreundlicheres Programm als die Klickorgie im Web-Client.
Ohne jetzt Mutt benutzt zu haben, was macht es so effizient? Shortcuts, Tags und Filter gibt es doch auch bei gmail.com oder Outlook.

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╚═╝ ┴ └─┘ ┴ └─┘┴ ┴═╩╝ rockt das Forum!

ViNic

Re: heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von ViNic » 27.10.2017 12:49:49

Ich beschäftige mich mit dem Thema Nutzerfreundlichkeit auch schon eine Weile und habe schon Erfahrungen sammeln dürfen. Das Thema erlebe ich in letzten Jahren besonders intensiv, als Anwender und auch als Entwickler. Das Thema halte ich für äußerst komplex, als das man es in ein paar Zeilen wiedergeben oder kommentieren könnte. Diesen beiden Kommentaren stimme ich mehr zu:

https://www.heise.de/forum/heise-online ... 8279/show/
https://www.heise.de/forum/heise-online ... 7964/show/

Der Benutzer Dummheit und Faulheit vorzuwerfen, ist schlicht falsch und zeugt eher das man bisher nicht viel mit dem Thema beschäftigt hat und auch nicht viel gesehen hat. Dazu noch das unter proprietären Software alles auf Dumm getrimmt wird, nur auf Linux/BSD ist das halt anders "besser".

https://www.heise.de/ct/artikel/Windows ... 30174.html

Gleich zu beginn möchte ich das Zitieren:
Fenster erscheinen oder verschwinden ohne dass der Mauszeiger zuckt – was für Gelegenheitsnutzer wie Magie wirkt, ist für Power-User alltägliches Werkzeug, das viel Zeit spart: Shortcuts für Windows.
Und so einen kenne ich tatsächlich. Ein Ex-Chef hat für sich das unter Windows, MS-Word, MS-Excel und Outlook verinnerlicht. Es war schier unglaublich. Wie im Kino gingen Fenster auf und wieder zu. Text ausgewählt, ausgeschnitten/kopiert und wo anders hinzugefügt. Blitzschnelle navigation allein mit der Tastatur und die Maus ruhte wirklich die meiste Zeit. Ganz ehrlich, jetzt muss mir jemand in der Linux Community zeigen wie schnell er mit seinen Tools ist. Ich habe bisher noch niemanden gesehen. Und ich bin ehrlich gesagt auch nicht kein Tastenkürzel wunder.


Wie sicherlich die meisten die ich bisher gesehen und mit denen ich zusammengearbeitet habe, werde ich mehr Kürzel bestimmter Tools kennen und beherrschen. Weniger aus Dummheit oder Faulheit, sondern wie vermutlich für die meisten sich einfach der Sinn nicht erschließt. Ich nutze Visual Studio nicht mehr, weil mein Projekt zu ende ist. Aber das man Getter und Setter-Methoden in VS mit Strg+R, Strg+E automatisch erstellen kann, weiß ich bis heute. Warum? Erstelle mal ohne Hilfsmittel ein Model mit 10 - 20 Eigenschaften und dazugehörigen Methoden... viel Spaß :mrgreen:

Daher lernt jeder meiner Meinung nach soviel, wie er es für sinnvoll erachtet. Das ist meiner Meinung nach einfache Realität. Man kann natürlich immer mehr lernen, aber wenn man es nicht braucht, vergisst man es am Ende doch. Und wenn man etwas nicht braucht, wie sinnvoll erscheint es dann, dieses etwas zu lernen?

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Re: heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von novalix » 27.10.2017 13:44:02

Kommt halt - wie immer - auf den jeweiligen Kontext an, was man als "nutzerfreundlich" charakterisiert.
Die "einfachen", intuitiven GUIs haben mit Sicherheit den großen Vorteil, dass viele Anwender einen recht schnellen Einstieg in die Bedienung finden können, ohne über zu viele interne Details Bescheid zu wissen.
Das erklärt zu einem Teil den Siegeszug dieser Konzepte zu einer Zeit als der Computer ein Massenprodukt wurde und einer notwendigerweise unerfahrenen, iliteraten Nutzerschaft in die Hände fiel.
Da haben die Apfelköpfchen natürlich recht, wenn sie sagen, dass sie mit ihrem Mac sofort loslegen könnten und nicht erst ein Studium der Internas absolvieren müssen, um heraus zu finden wie man ein Programm wieder schließt.*
Auf der anderen Seite gibt es aber eben auch solche Szenarien wie die folgende, die ich aus dem Gedächtnis wider gebe:
Ein ehemaliger Entwickler bei Amazon erzählte, dass Ende der 90er Jahre die Infrastruktur zur Kundenkommunikation im Unternehmen umgestellt wurde. Es wurde eine für diesen Zweck geschriebene Software eingeführt, die den gängigen Prinzipien einer GUI entsprach. Vorher wurde dafür eine Emacs-Erweiterung namens "mailman" - nicht zu verwechseln mit der Maillisting Software gleichen Namens - eingesetzt.
Bei einer Betriebsfeier wurde nun dieser Entwickler von den anscheinend hauptsächlich Anwenderinnen der Software belagert, mit dem dringlichen Wunsch dafür zu sorgen, dass mailman wieder eingeführt wird.
Der Grund war ganz einfach: ein massiver Produktivitätseinbruch. Die Mädels - keine Nerds, sonder "einfache" Fachanwenderinnen - wollten unbedingt mit Emacs weiter arbeiten, weil sie damit um Magnitüden schneller, sauberer und integrierter arbeiten konnten. Welche Oberfläche war denn in diesem Fall die nutzerfreundlichere?

Mittlerweile ist der Gebrauch von Computerprogrammen eine längst praktizierte Kulturtechnik. Die Vermittlung dieser Techniken des Gebrauchs findet in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, Firmen und im privaten Bereich in großem Umfang statt. Es gibt nach meinem Empfinden keinen vernünftigen Grund, sich dabei ausschließlich auf die Vermittlung des Umgangs mit einem Konzept zu konzentrieren, welches seine "Freundlichkeit" dem Ungeübten zeigt und den anderen immerhin das Schließen erleichtert, um danach Emacs aufzurufen.

*"Programm schließen" scheint eine sehr wichtige Funktion zu sein. Wer weiß warum?
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön.

ViNic

Re: heise - Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Beitrag von ViNic » 27.10.2017 18:35:58

novalix hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.10.2017 13:44:02
Bei einer Betriebsfeier wurde nun dieser Entwickler von den anscheinend hauptsächlich Anwenderinnen der Software belagert, mit dem dringlichen Wunsch dafür zu sorgen, dass mailman wieder eingeführt wird.
Der Grund war ganz einfach: ein massiver Produktivitätseinbruch. Die Mädels - keine Nerds, sonder "einfache" Fachanwenderinnen - wollten unbedingt mit Emacs weiter arbeiten, weil sie damit um Magnitüden schneller, sauberer und integrierter arbeiten konnten. Welche Oberfläche war denn in diesem Fall die nutzerfreundlichere?
Gewohnheit spielt eine sehr große Rolle und trifft schlicht auf jeden Menschen zu. Ein kleines Beispiel:

Als Webentwickler kann ich schön HTML zusammenschreiben und für eine Webanwendung zur Verfügung stellen. XAML (find ich eigentlich genial) ist syntaktisch zum großem Teil ähnlich wie HTML, aber als ich damit arbeiten musste war ich sehr langsam. Es mag etwas selbstverständlich erscheinen, vor allem wenn es auch noch stark ähnelt. Aber so selbstverständlich ist es wirklich nicht. Das menschliche Gehirn ist wirklich erstaunlich, wenn es darum geht hochkomplexe Prozesse zu lernen und zu verarbeiten, die für uns dann letztendlich so einfach erscheinen. Das es nicht so ist, merkt jeder der gerade etwas spezielles lernen muss.

Beispiel gefälligst?

Slackware halte ich für viel Nutzerfreundlicher als Debian oder openSuSE. Weil es seinen Nutzer so unterstützt wie es der Benutzer gerne möchte. Bei Debian und openSuSE ist man ja auf den PM angewiesen und nur wirklich das essen, was irgendwer gekocht hat. ABER... um diese Nutzerfreundlichkeit zu erlangen muss man halt lernen, wie:

- Software unter Linux kompiliert wird
- wie man automatisiert Software bauen und installieren kann (Slackbuilds)
- lernen wie man selbst automatisierte Skripte baut. Dazu gehört auch die Frage, sollten die Abhängigkeiten mit beachtet und automatisiert installiert werden.

Wenn man, aus meiner Sicht, diese 3 Dinge kann, wird man wohl nie wieder ein Debian, openSuSE (oder jede andere PM unterstützte Version) nutzen wollen.

In dem Sinne würde ich dem Kommentator sicher recht geben :)

Oder sieht es jemand anders?

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