Prüfungen am Computer ablegen
Verfasst: 31.12.2017 15:42:54
Hat hier jemand schon mit dem Ablegen von Prüfungen/Klausuren am Computer Erfahrungen gemacht? Hier eine Anekdote dazu:
Ich studiere Informatik an einer Fachhochschule. Dieses Semester hatten wir eine Vorlesung zum Thema Datenbanken. Der Professor – nennen wir ihn Cybert – ist ein durch und durch moderner Mensch: mit Tablet und Smartphone ausgerüstet hält er seine Vorlesung, die so lange dauert, bis er seine Kinder von der Krippe abholen muss. SQL, relationale Datenbanken und Normalisierung wurden behandelt und als eher altbacken und überholt abgetan. Cybert redet oft von Digitalisierung und hält nur wenig von bedrucktem Papier.
Darum will Cybert auch, dass die Studierenden die Prüfung digital ablegen – zumindest was seinen Teil des Stoffes betrifft, denn es gibt noch den Themenbereich relationale Algebra, der von einem anderen Professor behandelt worden ist. Dieser soll traditionell auf Papier geprüft werden. Aber Cybert will sich nicht mit Papier herumschlagen müssen.
Damit die Prüfung digital durchgeführt werden kann, müssen die Studierenden auf ihren Laptops eine spezielle Software installieren, den Safe Exam Browser. Dieser läuft – auf Windows und MacOS – im sogenannten Kiosk-Mode, der verhindert, dass der Kandidat während der Prüfung andere Applikationen öffnen oder auf die Zwischenablage zugreifen kann. Linux-User müssen einen Laptop mit Windows mitbringen oder von der Schule ein Prüfungsgerät ausleihen.
Um sicherzustellen, dass die Software auch wirklich bei allen Studierenden läuft, wurde ein Probedurchgang mit alten Prüfungsfragen absolviert. Zwar hatte ich den Safe Exam Browser installiert, konnte jedoch die Probeprüfung nicht starten. Von der Fehlermeldung nicht schlauer geworden bat ich den Assistenten um Hilfe. Dieser erkundigte sich, ob denn die richtige Version des Safe Exam Browsers installiert worden sei. Auf die Antwort, dass die neueste Version von der offiziellen Webseite installiert worden sei, entegnete er, dass nur die Version funktioniere, die auf der Schulplattform abgelegt worden ist.
Tatsächlich erstellt der Browser beim Start eine Prüfsumme um mögliche Manipulationen an der Software auszuschliessen. Unterscheidet sich die Version auch nur in einem Bit von der vorgesehenen, kann die Prüfung nicht gestartet werden. Zugegeben: das ergibt aus sicherheitstechnischer Perspektive Sinn.
Nach einer Neuinstallation mit der betreffenden Version ging es dann auch einen Schritt weiter. Doch wieder funktionierte etwas nicht, denn beim nächsten Schritt muss man sich auf der Schulplattform einloggen. Da ich dem oft von Sicherheitsexperten geäusserten Rat folgend einen Passwortmanager verwende und der Zugriff auf eine weitere Anwendung vom Safe Exam Browser unterbunden wird, konnte ich nicht auf den Passwortmanager zugreifen und mich somit nicht einloggen.
Das Passwort für die Schulplattform, das zudem als WiFi-Passwort auf mehreren meiner Geräten inklusive dem für die Prüfung verwendeten Laptop hinterlegt ist, musste also geändert werden. Dies war schnell getan, doch musste das neue Passwort anschliessend für die WiFi-Verbindung hinterlegt werden, damit im Falle eines kurzen Unterbruchs eine neue Verbindung mit dem Netzwerk erstellt werden kann.
Endlich funktionierte alles, die Probeprüfung konnte bearbeitet und erfolgreich abgeschlossen werden. Schnell noch das temporär gewählte Passwort wieder durch die sichere Variante aus dem Passwortmanager ersetzen, damit die WiFi-Verbindung auf dem Smartphone, auf dem Kindle und unter Linux – für die Prüfung musste Windows verwendet werden, denn der Safe Exam Browser läuft auf Linux nicht im Kiosk-Mode – auch wieder funktioniert. Leider konnte das Passwort nicht auf die vorherige Version zurückgestellt werden, da die Passwort-Policy der Hochschule das nicht erlaubt. So musste also das kürzere, leichter merkbare und somit durchaus weniger sichere Passwort beibehalten bzw. auf allen anderen Geräten und Installationen angepasst werden.
Nach der Prüfung konnte ich noch ein Gespräch zwischen dem Assistenten, der für die technische Umsetzung der Probeprüfung verantwortlich war, und Cybert mitlauschen. Der Assistent empfehlte Cybert, die Prüfung sicherheitshalber auch als ausgedruckte Version dabei zu haben, nur für alle Fälle… Das Argument des Papiersparens würde dann wegfallen. Dem musste sich Cybert also entschieden verwehren! Das für die technische Umsetzung der Prüfung vorgesehene Zeitbudget von 80 Stunden sei – ich hoffe, ich habe mich dabei verhört! –, so der Assistent, auch bald aufgebraucht.
Auf die Tatsache hingewiesen, dass die neueste Version des Safe Exam Browsers, der übrigens mit Systemrechten laufen muss, einige Sicherheitslücken schliesse, die in der zu verwendenden Version noch klafften, meinte der Assistent, dass man für die wirkliche Prüfung schon noch eine neuere Version verwenden könnte. In der letzten Vorlesungsstunde, als über die Prüfung informiert wurde, war aber wiederum von Version 2.1.7 die Rede – die Version mit den Sicherheitslücken. Diese Version müsse zwingend an der Prüfung verwendet werden.
Unterm Strich müssen sich ca. 30 Studierende eine Software auf ihren Rechner installieren, die bekannte Sicherheitslücken aufweist. Diejenigen, die zur Speicherung ihres sicheren Schulpassworts einen Passwort-Manager verwenden, müssen dieses anpassen. Weiter müssen alle Kandidaten mindestens 15 Minuten früher zur Prüfung erscheinen, damit genügend Zeit besteht, die Technik noch einmal zu testen. Sollte es auch nur an einem Rechner nicht funktionieren, würde das den ganzen Prüfungsablauf nach hinten schieben und zwar für alle Kandidaten. Der Assistent hat scheinbar mehrere Tage oder gar Wochen Zusatzaufwand. Aber Hauptsache Cybert muss sich nicht mit Papier herumplagen. In der Ökonomie bezeichnet man dies auch als externalisierte Kosten.
Nun frage ich mich: Muss das so schlecht sein? Ginge das nicht irgendwie besser? Hat jemand positive Erfahrungen mit elektronischen Prüfungen gemacht? Wenn ja: welche Infrastruktur kam dabei zum Einsatz? Programieren auf Papier ist zugegebenermassen umständlich, aber wenn unter einem Jahrgang von Informatik-Studierenden ausnahmslos das Bedürfnis vorherrscht, die Prüfung doch bitte auf Papier ablegen zu können, muss etwas grundlegend falsch gelaufen sein.
Ich studiere Informatik an einer Fachhochschule. Dieses Semester hatten wir eine Vorlesung zum Thema Datenbanken. Der Professor – nennen wir ihn Cybert – ist ein durch und durch moderner Mensch: mit Tablet und Smartphone ausgerüstet hält er seine Vorlesung, die so lange dauert, bis er seine Kinder von der Krippe abholen muss. SQL, relationale Datenbanken und Normalisierung wurden behandelt und als eher altbacken und überholt abgetan. Cybert redet oft von Digitalisierung und hält nur wenig von bedrucktem Papier.
Darum will Cybert auch, dass die Studierenden die Prüfung digital ablegen – zumindest was seinen Teil des Stoffes betrifft, denn es gibt noch den Themenbereich relationale Algebra, der von einem anderen Professor behandelt worden ist. Dieser soll traditionell auf Papier geprüft werden. Aber Cybert will sich nicht mit Papier herumschlagen müssen.
Damit die Prüfung digital durchgeführt werden kann, müssen die Studierenden auf ihren Laptops eine spezielle Software installieren, den Safe Exam Browser. Dieser läuft – auf Windows und MacOS – im sogenannten Kiosk-Mode, der verhindert, dass der Kandidat während der Prüfung andere Applikationen öffnen oder auf die Zwischenablage zugreifen kann. Linux-User müssen einen Laptop mit Windows mitbringen oder von der Schule ein Prüfungsgerät ausleihen.
Um sicherzustellen, dass die Software auch wirklich bei allen Studierenden läuft, wurde ein Probedurchgang mit alten Prüfungsfragen absolviert. Zwar hatte ich den Safe Exam Browser installiert, konnte jedoch die Probeprüfung nicht starten. Von der Fehlermeldung nicht schlauer geworden bat ich den Assistenten um Hilfe. Dieser erkundigte sich, ob denn die richtige Version des Safe Exam Browsers installiert worden sei. Auf die Antwort, dass die neueste Version von der offiziellen Webseite installiert worden sei, entegnete er, dass nur die Version funktioniere, die auf der Schulplattform abgelegt worden ist.
Tatsächlich erstellt der Browser beim Start eine Prüfsumme um mögliche Manipulationen an der Software auszuschliessen. Unterscheidet sich die Version auch nur in einem Bit von der vorgesehenen, kann die Prüfung nicht gestartet werden. Zugegeben: das ergibt aus sicherheitstechnischer Perspektive Sinn.
Nach einer Neuinstallation mit der betreffenden Version ging es dann auch einen Schritt weiter. Doch wieder funktionierte etwas nicht, denn beim nächsten Schritt muss man sich auf der Schulplattform einloggen. Da ich dem oft von Sicherheitsexperten geäusserten Rat folgend einen Passwortmanager verwende und der Zugriff auf eine weitere Anwendung vom Safe Exam Browser unterbunden wird, konnte ich nicht auf den Passwortmanager zugreifen und mich somit nicht einloggen.
Das Passwort für die Schulplattform, das zudem als WiFi-Passwort auf mehreren meiner Geräten inklusive dem für die Prüfung verwendeten Laptop hinterlegt ist, musste also geändert werden. Dies war schnell getan, doch musste das neue Passwort anschliessend für die WiFi-Verbindung hinterlegt werden, damit im Falle eines kurzen Unterbruchs eine neue Verbindung mit dem Netzwerk erstellt werden kann.
Endlich funktionierte alles, die Probeprüfung konnte bearbeitet und erfolgreich abgeschlossen werden. Schnell noch das temporär gewählte Passwort wieder durch die sichere Variante aus dem Passwortmanager ersetzen, damit die WiFi-Verbindung auf dem Smartphone, auf dem Kindle und unter Linux – für die Prüfung musste Windows verwendet werden, denn der Safe Exam Browser läuft auf Linux nicht im Kiosk-Mode – auch wieder funktioniert. Leider konnte das Passwort nicht auf die vorherige Version zurückgestellt werden, da die Passwort-Policy der Hochschule das nicht erlaubt. So musste also das kürzere, leichter merkbare und somit durchaus weniger sichere Passwort beibehalten bzw. auf allen anderen Geräten und Installationen angepasst werden.
Nach der Prüfung konnte ich noch ein Gespräch zwischen dem Assistenten, der für die technische Umsetzung der Probeprüfung verantwortlich war, und Cybert mitlauschen. Der Assistent empfehlte Cybert, die Prüfung sicherheitshalber auch als ausgedruckte Version dabei zu haben, nur für alle Fälle… Das Argument des Papiersparens würde dann wegfallen. Dem musste sich Cybert also entschieden verwehren! Das für die technische Umsetzung der Prüfung vorgesehene Zeitbudget von 80 Stunden sei – ich hoffe, ich habe mich dabei verhört! –, so der Assistent, auch bald aufgebraucht.
Auf die Tatsache hingewiesen, dass die neueste Version des Safe Exam Browsers, der übrigens mit Systemrechten laufen muss, einige Sicherheitslücken schliesse, die in der zu verwendenden Version noch klafften, meinte der Assistent, dass man für die wirkliche Prüfung schon noch eine neuere Version verwenden könnte. In der letzten Vorlesungsstunde, als über die Prüfung informiert wurde, war aber wiederum von Version 2.1.7 die Rede – die Version mit den Sicherheitslücken. Diese Version müsse zwingend an der Prüfung verwendet werden.
Unterm Strich müssen sich ca. 30 Studierende eine Software auf ihren Rechner installieren, die bekannte Sicherheitslücken aufweist. Diejenigen, die zur Speicherung ihres sicheren Schulpassworts einen Passwort-Manager verwenden, müssen dieses anpassen. Weiter müssen alle Kandidaten mindestens 15 Minuten früher zur Prüfung erscheinen, damit genügend Zeit besteht, die Technik noch einmal zu testen. Sollte es auch nur an einem Rechner nicht funktionieren, würde das den ganzen Prüfungsablauf nach hinten schieben und zwar für alle Kandidaten. Der Assistent hat scheinbar mehrere Tage oder gar Wochen Zusatzaufwand. Aber Hauptsache Cybert muss sich nicht mit Papier herumplagen. In der Ökonomie bezeichnet man dies auch als externalisierte Kosten.
Nun frage ich mich: Muss das so schlecht sein? Ginge das nicht irgendwie besser? Hat jemand positive Erfahrungen mit elektronischen Prüfungen gemacht? Wenn ja: welche Infrastruktur kam dabei zum Einsatz? Programieren auf Papier ist zugegebenermassen umständlich, aber wenn unter einem Jahrgang von Informatik-Studierenden ausnahmslos das Bedürfnis vorherrscht, die Prüfung doch bitte auf Papier ablegen zu können, muss etwas grundlegend falsch gelaufen sein.