geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
Ich stand auf--> Vernichtende Blicke. Ich selbst aber fühlte mich befreit und zufrieden.
mMm hattest du dadurch die Aufgabe gelöst. Ohne Anweisungen (und Möglichkeit der Nachfrage) eine Kiste Streichhölzer auszukippen stellt keine lösbare Aufgabenstellung dar (man hätte es auch als Aufforderung sehen können, das Mobiliar in Brand zu stecken). Offensichtlich war es ein Spiel, und der Sinn jedes Spiels ist es, es zu einem Ende zu bringen. Sich der Spielsituation zu entziehen löst diese implizite, immer gültige Aufgabe. Du hättest auch den Raum verlassen und ein Eis essen gehen können.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
Was ist also erstmal schlecht an dem Sozialkreditsystem ?
Nichts - weil es eh schon überall mehr oder weniger verdeckt praktiziert wird.
Schlecht ist nicht die Idee eines Sozialkreditsystems, sondern die Art und Weise wie das Chinesische funktioniert - nicht weil es chinesisch ist, sondern weil es menschenverachtend ist. Und nein, "weil es eh schon überall mehr oder weniger verdeckt praktiziert wird" ist keine Rechtfertigung - wie übrigens jede Form relativierender Rechtfertigung von Missständen.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
So wie ich das verstanden habe, ist das Sozialkreditsystem einsehbar und nachvollziehbar.
Das bleibt abzuwarten.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
Da es öffentlich ist, gibt es eine Rückkopplung mit dem sozialen Umfeld was bei negativen Verhalten
einen Druck (Gruppendruck) von der Gemeinschaft erzeugt, und zu Korrektur des Verhaltens beitragen kann.
Um mal den großen yeti zu zitieren: "Normal zu sein ist kein erstrebenswerter Zustand, außer für Einheitsvektoren."
Eine Gesellschaft braucht gewisse Regeln um zu funktionieren, das ist richtig. Aber sie sollten ein Minimalkonsens sein, der größtmögliche Entfaltung des Einzelnen innerhalb der Regeln erlaubt. Das sind natürlich widerstrebende Ziele zwischen denen ein Kompromiss gefunden werden muss. Vielleicht tendieren wir im Westen zu sehr in Richtung Individualismus, aber genauso ist der fernöstliche Kulturkreis (China, Japan) möglicherweise zu sehr auf Konformität geprägt.
Klar ist, dass beide Modelle in der Praxis korrumpiert sind, denn im Westen wird der ach so geschätzte Individualismus für die meisten dadurch unterdrückt, dass sich wenige Mächtige zu viel davon genehmigen. Im Osten dagegen werden die konformistischen Regelungen wiederum nicht von der Gesellschaft selbst bestimmt, sondern ebenfalls von einer kleinen Machtelite die offensichtlich außerhalb der gesellschaftlichen Regeln steht, die sie ja so vor sich hertragen.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
Das Argument, dass die Daten missbraucht werden können, und man sei auf Grund welcher auch immer
gearteten philosophischen Theorie grundsätzlich gegen so etwas, ist mehr als weltfremd.
Nein, es ist nicht weltfremd. Und spätestens seit Snowden sollte das jedem klar sein. Wer alt genug ist um die DDR miterlebt zu haben, der musste das im Grunde auch vorher wissen. Und im Grunde muss das Thema doch schon im Geschichtsunterricht in der Schule bis zum Erbrechen durchgekaut worden sein.
Von zentralen Stellen gesammelte Daten werden immer missbraucht. Die Frage ist nur wann, von wem und zu welchem Zweck.
niemand hat geschrieben: 26.07.2018 20:24:29
Schlecht an dem System ist unter Anderem, aber nicht abschließend: die Daten können missbraucht werden. Die Daten können manipuliert werden. Die Daten können fehlerhaft sein. Die Datenverarbeitung kann fehlerhaft sein. Die Dateninterpretation kann fehlerhaft sein, bzw. relevante Umstände unberücksichtigt lassen. Menschen sind über solche Faktoren erpressbar. Menschen ändern sich und ihr Verhalten über die Zeit, so dass die Daten auch veraltet sein können. Bewertungsmaßstäbe können sich verschieben. Usw., usf..
+1
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:36:47
Überzeugend wäre: Wer schafft wie die Digitalisierung ab. Das ist aber ein Luftschloss.
Ich sehe den Zusammenhang nicht. Natürlich können die technischen Mittel welche die Digitalisierung bereitstellt zum Datenmissbrauch benutzt werden. Erich Mielke hätte sich sicher alle 10 Finger nach der heutigen Technik geleckt.
Aber das Problem ist kein technisches, sondern ein soziales: Es heißt "Gelegenheit macht Diebe", aber es ist immer noch der Dieb, der den Diebstahl begeht, nicht die sich ihm bietende Gelegenheit.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
Wenn man sich die Realität ansieht ist der chinesische Ansatz zumindest der erste Versuch ein weltweit gegebenes Übel
wenigstens halbwegs transparent zu machen.
Dass es missbraucht werden kann oder auch nicht, brauchen wir doch gar nicht diskutieren.
Mir scheint es eher, als würde da der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 20:12:26
Ähnlich wäre das Verlangen. sofort alle Waffen in der Welt abzuschaffen, da sie ja missbraucht werden könnten. Wobei
jeder weiß, dass sie ausschließlich zu diesem Zweck produziert werden.
Der Vergleich passt nicht, denn der grundlegende Zweck der Digtalisierung ist nicht, Menschen zu unterdrücken, sondern Produktionsprozesse effektiver zu machen. Da ist an sich erstmal nicht negativ.
Ich verstehe nicht, was du mit dem Bild aussagen willst. In Deutschland sterben jährlich etwa 900000 Menschen. [1] Davon gehen dem Bild zufolge etwa 5% auf das Konto psychischer Störungen, wobei rund 1/4 der Deutschen Symtome von Depressionen haben. Mit anderen Worten, die "Gestörten" sind nur für 20% der Tode verantwortlich, die ihnen rein bevölkerungsstatistisch zustehen würden. Als Schlussfolgerung würde ich nun ziehen, dass man vor allem vor "Normalos" Angst haben sollte, womit wir wieder bei yeti wären.
Natürlich ist diese Argumentationskette völlig hanebüchen, weil sie gleich an mehreren Stellen bricht. Der springende Punkt ist, dass ich bei dir gar keine Argumentationskette erkenne, die ich auf ihre Stabilität hin überprüfen könnte.
Huo hat geschrieben: 26.07.2018 21:17:07
Die Transparenz ist ein Teil des Übels! Der vom chinesischen Sozialkreditsystem ausgehende Zwang wird doch durch Transparenz erst ermöglicht. Die umfassende Transparenz treibt der Gesellschaft jegliches Fremde und Abweichende aus. Ohne Transparenz keine Gleichschaltung. Die fetischisierte Transparenz gehört zu den am meisten überschätzten Werten der digitalen Moderne. Dagegen geht, wie ich befürchte, Vertrauen, das erst zwischen Wissen und Nichtwissen enstehen kann, verloren.
Hier sprichst du zwei gute Punkt an, nämlich Transparenz und Vertrauen. Beides klingt erstmal gut, aber dabei darf man nicht außer acht lassen, dass die positven Aspekte in unterschiedlichen Kontexten gelten und im selben Kontext angewendet teils Antagonisten sind.
Transparenz führt immer da zu positiven Ergebnissen, wo es um unpersönliche Akteure geht (Institutionen, Geschäftsprozesse), denn an irgendeiner Stelle wirkt der unpersönliche Prozess immer in eine persönliche Sphäre hinein (die Sozialleistungen irgendeiner Behörde die mir mein persönliches Leben ermöglichen, das Produkt das ich von einer Firma kaufe um mir mein persönliches Leben zu erleichtern) und da hilft mir Privatmensch, als tendenziell schwächeren Partner, die Transparenz um die Seriösität des professionellen Geschäftspartners einzuschätzen. Transparenz bei persönlichen Akteuren führt aber im Extremfall zum gläsernen Menschen und dann sind wir schnell bei der Schere im Kopf, die ich als menschenverachtend empfinde.
Vertrauen hingegen führt zwischenmenschlich zu guten Ergebnissen, weil tiefe Emotionen nur auf dieser Basis funktionieren. Es versagt aber bei unpersönlichen Akteuren aus genau den Gründen, die ich schon gegenüber guennid angeführt habe.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 21:53:24
Huo hat geschrieben: 26.07.2018 21:17:07
Die Transparenz ist ein Teil des Übels!
Transparenz ist einer der Eckpfeiler eines jeden erfolgreichen Führungsstiels. Das nun zu verleugnen passt überhaupt nicht.
Ihr habt beide Recht, aber du ziehst die falsche Schlussfolgerung, weil du hier Transparenz im persönlichen Bereich (von der Huo spricht) mit Transparenz im unpersönlichen Bereich (von dem du sprichst) vermengst.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 21:53:24
Wenn ich mir den Thread Verlauf ansehe, Gibt es folgenden Konsens:
Sozialkreditsystem ist schlecht weil es von den Chinesen kommt.
China ist einen böse Diktatur wie wir gelernt haben. Darum muss das ja schlecht sein.
Bei uns ist alles viel besser weil kein Sozialkreditsystem. Wir sind frei.
Nein, dieser Konsens besteht nicht. Und ehrlich gesagt finde ich diese Pauschalisierung viel zu platt, um dagegen überhaupt argumentieren zu wollen.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 21:53:24
Das Sozialkreditsystem macht die Menschen uniform was wir um Gottes Willen nicht wollen.
Dass an unserer Freiheit aber trotzdem über 40 000 Jahr für Jahr verrecken - nicht so schlimm weil im Mainstream ja nicht diskutiert.
Gewisse Risiken sind der Preis für eine freiheitliche Gesellschaft. Es wird immer Verbrechen geben, in einer freiheitlichen Gesellschaft sogar mehr als in einer strikt kontrollierten.
In einem Rechtsstaat gilt die Grundannahme, dass jeder Bürger rechtschaffen ist (Unschuldsvermutung). Diejenigen die es nicht sind werden NACH dem Nachweis ihrer Schuld 1. dafür bestraft und 2. davon abgehalten, weitere Verbrechen zu begehen. Ja, dabei sterben Menschen, im Vergleich zum Unterdrückungsystem sogar mehr als nötig. Das ist die Kehrseite der Medaille, die eine freiheitliche Gesellschaft aushalten muss.
Was in China gerade passiert ist die Abschaffung der Unschuldsvermutung, also eines der zentralen Betandteile dessen, was wir was Rechtsstaat ansehen. Und es passiert noch mehr. Nicht nur steht mit dem chinesischen Sozialkreditsystem jeder Bürger latent unter Generalverdacht, auch wird die Gewaltenteilung (ebenfalls Grundpfeiler unseres Verständnisses von Rechtsstaat) völlig ausgehöhlt, da das Sozialkreditsystem in ihrer Verhaltenszensur die Rolle von Legislative, Executive und Judikative übernimmt.
geier22 hat geschrieben: 26.07.2018 21:53:24
Meine Meinung: Wir sind ganz ähnlich Gleich geschaltet wie die Chinesen. Wäre dem nicht so, hätten wir eine vielfältige
Medienlandschaft, und auch in den Mainstream Medien vielfältige Meinungen. Das wir hier (noch) die eine oder andere
Meinung kundtun dürfen, ist kein Gradmesser für die allgemein herrschende gesellschaftliche Diskussionskultur.
Die ist zum großen Teil "chinesisch" - oder noch feiger.
Wenn du meine sonstigen Beiträge zu solchen Themen hier kennst, dann weißt du, dass ich bestimmt kein Fan unseres "Systems" bin. Die Verhältnisse hier mit denen auf die selbe Stufe wie die Chinesischen zu stellen halte ich aber für überzogen. Das soll wiederum kein relativierendes Schönreden sein. Man kann hier genug kritisieren. Es hilft dabei aber nicht, Dinge schwarzzumalen, die gar nicht schwarz sind.
[1]
https://www.indexmundi.com/de/deutschla ... erate.html