Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

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Ibex
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Ibex » 23.04.2020 18:35:41

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.04.2020 19:16:42
Eine andere Alternative wäre, nicht das Ende der Pandemie anzustreben, sondern uns auf Dauer in einem Leben in der Pandemie einzurichten. Der aktuelle Status Quo wird dann im Wesentlichen auf unbestimmte Zeit bestehen bleiben. Die Todesopfer werden überschaubar bleiben aber unsere Grundrechte bleiben auf der Strecke und spätestens mit der nächsten Generation (vermutlich weit früher) wird unsere bis vor Kurzem so geschätzte freieheitliche Grundordnung nur noch in Geschichtsbüchern existieren.
Die Frage ist nun, für welche dieser Alternativen wir uns entscheiden falls in absehbarer Zeit kein Impfstoff entwickelt werden kann. Eine noch viel wichtigere Frage wäre aber, ob uns für diesen Fall noch bessere Alternativen einfallen, die sowohl Menschenleben als auch Grundrechte schonen.
Die alternative Einschränkungen for ever ist natürlich beängstigend. Angesichts der zunehmend Diskussionen um Lockerungen mache ich mir da aber wenig sorgen, das wird nicht durchsetzbar sein. Das im Zuge dessen allerdings Grundrechtseinschätzungen durchgesetzt werden, die später nicht zurückgenommen werden, diese Gefahr besteht sicherlich, bzw. wir könne es z.B. in Ungarn bereits erleben. Und auch hier kann man schon jetzt die Ausweitungen polizeilicher Befugnisse live miterleben, die juristisch nicht abgedeckt sind und vorher so nicht denkbar gewesen wären. Auch wenn das bisher noch nicht in Gesetze Änderungen gemündet ist, werden Fakten geschaffen, die vielleicht später auch in anderem Kontext angewendet werden. Da heißt es wachsam zu bleiben.

Zum Impfstoff gibt es allerdings Alternative. Je länger die Pandemie andauert, desto besser wird der Virus verstanden, auch die hier vehement geforderten Studien zu Riskogruppen, Sterblichkeit und Imunitätsdauer laufen bereits weltweit.

Neben dem Impfstoff gibt es diverse Kandidaten für Medikamente zur Behandlung des Virus, die teilweise schon in der Testphase sind. Schon jetzt dürften die Überlebenschancen auf der Intensivstation deutlich besser sein, weil die Ärzte besser verstehen, wie die optimale Behandlung aussehen muss. Wenn eine Behandlung bereitsteht, die die durchschnittliche Dauer der Beatmung reduziert, sinkt auch die Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystem. Ebenso können schnelltest auf Virus und Antikörper helfen. Wir reden sicher nicht über ein paar Wochen, aber das es keine Jahre dauert, da bin ich doch sehr optimistisch.

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hikaru
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von hikaru » 23.04.2020 19:36:22

Ibex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 18:35:41
Die alternative Einschränkungen for ever ist natürlich beängstigend. Angesichts der zunehmend Diskussionen um Lockerungen mache ich mir da aber wenig sorgen, das wird nicht durchsetzbar sein.
Das sagst du jetzt, wo die Einschränkungen noch frisch sind und "Normalität" für dich immer noch das ist, was vor der Corona-Krise normal war. Aber lass da mal etwas Gewöhnung eintreten! Und dann lass vielleicht noch eine Lockerungsmaßnahme schief gehen und die Infektionszahlen wieder signifikant steigen! Dann schieben genug Leute Panik um das Gesellschaftsklima zu ändern.
Ich merke z.B. jetzt schon den normativen Druck, nicht mehr ohne Maske das Haus zu verlassen. Dafür, dass das Tragen in bestimmten Situationen Sinn ergeben kann, habe ich durchaus Verständnis, aber es fühlt sich für mich (noch?) nicht normal an und ich möchte eigentlich auch nicht, dass es sich normal anfühlt. Trotzdem denke ich beim Verlassen des Hauses inzwischen fast ebenso selbstverständlich an die Maske wie an den Schlüssel - nicht weil ich ohne Maske draußen Angst vor dem Virus hätte, sondern weil ich ohne Maske von Manchen angeschaut werde, als würde ich Kinder fressen.

Intressant an den "Lockerungen" ist übrigens, dass sie sich nach wie vor im Grunde ausschließlich auf wirtschaftlich relevante Bereiche beziehen, das persönliche Leben aber nach wie vor völlig ausblenden. Ich darf zwar wieder in Läden rennen und völlig sinnlosen Tinnef kaufen und somit ein Stück weit wieder gutes Konsumvieh sein, aber geliebte Menschen darf ich immer noch nicht besuchen (wenn sie nicht gerade im Sterben liegen).
Ibex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 18:35:41
Das im Zuge dessen allerdings Grundrechtseinschätzungen durchgesetzt werden, die später nicht zurückgenommen werden, diese Gefahr besteht sicherlich, bzw. wir könne es z.B. in Ungarn bereits erleben. Und auch hier kann man schon jetzt die Ausweitungen polizeilicher Befugnisse live miterleben, die juristisch nicht abgedeckt sind und vorher so nicht denkbar gewesen wären. Auch wenn das bisher noch nicht in Gesetze Änderungen gemündet ist, werden Fakten geschaffen, die vielleicht später auch in anderem Kontext angewendet werden. Da heißt es wachsam zu bleiben.
Das mit dem "wachsam bleiben" ist im Moment gar nicht so einfach, da das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach wie vor stark beschnitten ist: Demonstration nur nach Genehmigung mit maximal 20 Teilnehmern und die faktische Situation ist nach wie vor so, dass die Polizei sowas jederzeit aus fadenscheinigen Gründen auflösen kann, wenn ihr gerade unwohl ist.
Ibex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 18:35:41
Zum Impfstoff gibt es allerdings Alternative. Je länger die Pandemie andauert, desto besser wird der Virus verstanden, auch die hier vehement geforderten Studien zu Riskogruppen, Sterblichkeit und Imunitätsdauer laufen bereits weltweit.
Das ändert aber an der zugrundeliegenden Politik nichts:
Ohne Impfstoff keine Herdenimmunität und damit kein Spielraum für Lockerungen, die eine Reproduktion von langfristig >1 erlauben. Medikamente zur Bekämpfung der Symptome können die schweren Krankheitsverläufe und Totenzahlen begrenzen, im besten Fall die Kapazitäten des Gesundheitssystems durch Verkürzung der Behandlungszeiten stärken, aber sie können nicht die Infektionszahlen reduzieren. Letzteres wäre aber wichtig für die politisch bedeutsame Reproduktionszahl.
Ibex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 18:35:41
Ebenso können schnelltest auf Virus und Antikörper helfen.
Fragt sich halt, was man unter "Scnnelltest" versteht. Die PCR-Tests schlagen nur während der Infektion selbst an. Wenn du bisher gar keine Information hast und PCR-negativ gestestet wirst, weißt du also nicht, ob du noch nicht oder nicht mehr infiziert bist. Du weißt dann also auch nicht, ob du noch gefährdet (und gefährlich) bist.
Bei den Antikörper-Tests können die ELISA-Tests wohl ganz ordentlich sein. Das ist aber nichts wirklich Massentaugliches, da diese Tests auf profesionelle medizinische Infrastruktur angewiesen sind (was ja der große Flaschenhals ist). Die bisher verfügbaren Lateral-Flow-Tests ("Schwangerschaftstests für Corona"), die man auch zu Hause machen könnte sind viel zu unzuverlässig. Ordentlich ausgeführt (wohinter man bei Laien schon ein Fragezeichen setzen sollte) können sie wohl recht zuverlässig erkennen, ob Antikörper gegen ein Coronavirus vorliegen oder nicht. Aber sie sind recht ungenau darin, speziell Antikörper gegen SARS-CoV2 zu erkennen. Ich habe z.B. etwas von einer Sensitivität von 67% gelesen. Wenn man sich vor Augen führt, dass die "Nulllinie" eigentlich bei 50% liegt (hier wäre der Test nicht besser als ein Münzwurf- also ohne jede Aussage), dann ist das nicht viel. Wenn du also ein LF-positiv-Ergebnis hast, hast du nur eine Zweidrittelchance tatsächlich immun (und damit auch ungefährlich) zu sein. Es besteht aber eine 1/3-Chance, dass du einfach vor nicht all zu langer Zeit irgendein anderes Coronavirus (z.B. Influenza) hinter dir hattest.* Möchtest du mit dieser Fehlermarge die Risikokandidaten aus deiner Familie konfrontieren?


*) Hier fällt mir spontan ein, dass es interessant wäre zu klären, ob ein LF-SARS-CoV2-Test falsch-positiv auf eine Grippeimpfung reagieren kann. Weiß das jemand?

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novalix
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von novalix » 23.04.2020 20:43:37

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 19:36:22
Wenn du also ein LF-positiv-Ergebnis hast, hast du nur eine Zweidrittelchance tatsächlich immun (und damit auch ungefährlich) zu sein. Es besteht aber eine 1/3-Chance, dass du einfach vor nicht all zu langer Zeit irgendein anderes Coronavirus (z.B. Influenza) hinter dir hattest.* Möchtest du mit dieser Fehlermarge die Risikokandidaten aus deiner Familie konfrontieren?


*) Hier fällt mir spontan ein, dass es interessant wäre zu klären, ob ein LF-SARS-CoV2-Test falsch-positiv auf eine Grippeimpfung reagieren kann. Weiß das jemand?
Ich habe gar keine Ahnung, schreibe aber trotzdem was dazu (Armchair-Epidemiologist *).
Coronaviren != Influenza.
Die vier beim Menschen bislang verbreiteten Coronaviren und andere Erkältungsviren lösen einen grippalen Infekt aus nicht "die Grippe".
Für das eigene Empfinden und eine oberflächliche Begutachtung ist der klinische Verlauf recht ähnlich, solange im Fall der Influenza noch eine passende Immunabwehr vorhanden ist.

Die false positives könnten durchaus von einer "frischen" Immunität gegen eines der bekannten Coronaviren getriggert werden.
Es besteht sogar die Hypothese, dass eine kürzlich aufgefrischte Immunität eine Art Hintergrundimmunität gegen SARS-CoV-2 bilden kann (=> asymptomatischer Krankheitsverlauf).
Eine Impfung bzw. frische Immunität bezogen auf Influenzaviren sollte hier keine Rolle spielen.

* I really get those things
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
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hikaru
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von hikaru » 23.04.2020 21:10:50

novalix hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 20:43:37
Coronaviren != Influenza.
Danke für die Klarstellung! Da habe ich mich wohl etwas zu weit über meinen Armchair gelehnt. ;)
Dass Grippe = Influenza != Grippaler Infekt ist, war mir bekannt. Und dass es beim Menschen (jetzt) fünf Coronaviren gibt hatte ich auch so in Erinnerung.* Dass die Influenzaviren nicht dazu gehören, hatte ich dann aber nicht mehr überblickt.

Gut, dann dürften also Influenza-Antikörper (egal ob durch Infektion oder Impfung erworben) als LF-Trigger für SARS-CoV2 ausscheiden.
Kann man auf Basis des eigenen Verhaltens eine Infektion mit einem der anderen Coronaviren als unwahrscheinlich betrachten, wenn man z.B. weiß, dass man in den letzten 5 oder 10 Jahren nicht in Ostasien (SARS-CoV1) oder arabischen Raum (MERS) war und so zumindest die "persönliche Sensititivät" eines LF-Tests als höher annehmen?


*) Wikipedia nennt Sieben [1]:
SARS-CoV(-1), SARS-CoV-2, MERS-CoV, HCoV-HKU1, HCoV-NL63, HCoV-OC43, HCoV-229E
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Coronaviridae

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ralli
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von ralli » 24.04.2020 07:02:47

Selber beobachte ich in den Diskussionen rund um den Coronavirus, wie täglich zunehmende Paranoia und Ängste der ansonsten rational denkenden Menschen zu Menschen macht, die die Wirklichkeit radikal ausblenden und durch irrationale Wunschvorstellungen ersetzen.

Ich gehöre nicht dazu, denn ich habe keinen Grund dazu, anzuzweifeln, das wir nicht aus dieser Krise insgesammt gestärkt hervorgehen werden.

Die Bewußtseinslage, was wirklich wichtig ist im Leben, wird sich nach der Bewältigung der Pandemie ändern. Und das ist gut und richtig so.

Ich teile die verständlichen Sorgen um eine dauerhafte Aufweichung und zukünftigen Manifestierung unserer Freiheitsrechte in keinster Weise.

Auch einen sich entwickelnden Polizeistaat autoritärer Prägung sehe ich in dieser Form nicht.

Auch wenn ich unsere Gesellschaft und Ihren Gesellschaftscharakter mit Ihren Defekten der Hasskultur, fehlender Empathie für die Schwächeren und der allerorts spürbaren sozialen Ungerechtigkeiten schon immer als krank sah, ein abgleiten in ungarische Verhältnisse befürchte ich nicht.

Die Sonntagsreden unserer Politiker sind ja nichts Neues, ihr Geschwafel von (verordneter) Solidarität reine Worthülsen. Solidarität ja, aber nicht für alle. Keinen extra Bonus für Hartz IV Empfänger, das kleinliche Gezänk um die Grundrente und den Bonus für die Pflegekräfte sprechen für sich.

Schnell haben die Politiker wieder von der realen Politik in die Symbolpolitik umgeschaltet.

Beispiel die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Das haben dann Mathematiker und Statistiker durchgerechnet, wie hoch der durchschnittliche Bezug von Kurzarbeitergeld sein wird, um dann eine stufenweise Erhöhung vorzunehmen, von der in Wirklichkeit nur ganz wenige profitieren.

Beispiel Senkung der Mwst. für die Gastronomie. Wenn aufgrund des Lockdown keine Umsätze generiert werden können, kann auch von dieser populistischen Maßnahme niemand profitieren. Das ist auch ein Zeichen dafür, das die Gastronomie erst sehr spät wieder zum Zuge kommen wird.

Der Föderalismus der Länder erzeugt Chaos und Desorientierung und erschwert daher eine für alle verbindlichen einheitlichen Regeln, wie unschwer im Schulwesen ersichtlich ist.

Bevor der Schulbetrieb wieder aufgenommen wird, sollten zunächst mal alle sanitären Anlagen auf den Prüfstand. Der derzeitige Zustand dürfte in keinster Weise den geforderten und nötigen neuen Hygieneregeln entsprechen.

Trotzdem bleibe ich zuversichtlich, das alles gut wird.

Ob wir überreagiert haben oder der schwedische Sonderweg richtig war, wird die Zukunft zeigen.

Gruß ralli
Wer nicht lieben kann, muß hassen. Wer nicht aufbauen kann muß zerstören. Wer keine Brücken baut, muß spalten.

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hikaru
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von hikaru » 24.04.2020 09:05:46

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 07:02:47
Selber beobachte ich in den Diskussionen rund um den Coronavirus, wie täglich zunehmende Paranoia und Ängste der ansonsten rational denkenden Menschen zu Menschen macht, die die Wirklichkeit radikal ausblenden und durch irrationale Wunschvorstellungen ersetzen.
Angesichts dieser Beobachtung staune ich über deinen Optimismus:
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 07:02:47
Ich teile die verständlichen Sorgen um eine dauerhafte Aufweichung und zukünftigen Manifestierung unserer Freiheitsrechte in keinster Weise.
Ich gehe auch nicht davon aus, dass wir ungarische Verhältnisse bekommen, aber ich halte es durchaus für möglich, dass im Laufe der Krise manche Freiheiten dauerhaft verloren gehen. Und jede Einzelne wäre ein Verlust.
Deshalb halte ich gerade jetzt erhöhte Wachsamkeit für sehr wichtig, was mir in Teilen die Positionen der FDP ungewohnt sympathisch macht.
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 07:02:47
Die Bewußtseinslage, was wirklich wichtig ist im Leben, wird sich nach der Bewältigung der Pandemie ändern.
Hier bin ich anderer Meinung. Ich glaube eher, dass nach einem etwaigen Ende der Krise in absehbarer Zeit viele Menschen die zwischendurch verlorenen Freiheiten nachholen wollen und dabei auch das über Bord werfen, was es an positiven Begleiterscheinungen während der Krise gab.
Das ist zumindest das, was in den 90ern nach dem Zusammenbruch der DDR in den neuen Bundesländern passiert ist, und ich habe keinen Grund anzunehmen, dass es in der aktuellen Situation anders sein wird.
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 07:02:47
Auch einen sich entwickelnden Polizeistaat autoritärer Prägung sehe ich in dieser Form nicht.
Mit Söder als Kanzler hielte ich eine gewisse Entwicklung in diese Richtung nicht für ausgeschlossen, wo die juristsichen und/oder faktischen Befugnisse der Sicherheitsbehörden auf ein ungesundes Maß ausgeweitet werden.
Spahn traue ich eine Entwicklung in Richtung Überwachungsstaat zu, die natürlich bei weitem nicht den ganzen Weg in chinesische Verhältnisse gehen wird, aber tendenziell die Richtung einschlagen könnte.

Ich habe gestern übrigens aufgeschnappt, dass eine pseudonyme Corona-Tracing-App u.a. deshalb noch nicht verfügbar ist, weil sich Google und Apple weigern so eine App in ihre Appstores aufzunehmen, wenn sie nicht an die Daten kommen. Weiß dazu jemand etwas Substanzielles?
Falls dem so ist, wäre unsere Abhängigkeit von diesen Konzernen in diesem Bereich ein (weiteres) besorgniserregendes Zeichen in Bezug auf unseren Rechtsstaat: Amerikanische Unternehmen hätten es in weiten Teilen in der Hand, unsere Fähigkeiten zur Reaktion auf die größte Krise seit der Staatsgründung aus unternehmenswirtschaftlichen Motiven zu kontrollieren - unter Gefährdung von Menschenleben wohlgemerkt. Das kennt man sonst nur aus Banananrepubliken.

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novalix
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von novalix » 24.04.2020 12:25:46

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 07:02:47
Ob wir überreagiert haben oder der schwedische Sonderweg richtig war, wird die Zukunft zeigen.
So sonderwegig wie oftmals dargestellt ist es in Schweden gar nicht. Dort gibt es durchaus auch beschränkende Maßnahmen, die das Ziel verfolgen die Kurve abzuflatten.

Was die skandinavischen Länder insgesamt auszeichnet, ist eine politische Kultur, in der das Gemeinwohl aus Eigeninteresse stärker internalisiert ist.
Die Regierung in Schweden baut darauf, dass ihre Bürger daran gewohnt sind, den Genuss der Früchte ihrer Bemühungen mit zeitlicher Verzögerung anzunehmen. Man muss vorsorgen und zusammen stehen, sonst übersteht man die langen, harten Winter halt nicht.

Ehrlich gesagt, hätte ich mir für Deutschland auch einen noch stärker auf Aufklärung und Verantwortung setzenden Maßnahmenkatalog gewünscht. Das war aber offensichtlich einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung nicht verbindlich genug [1]. Offensichtlich brauchen nicht wenige Menschen harte Ansagen, über die sie sich dann auskotzen können; möglicherweise sogar, *damit* sie sich dann auskotzen können.

Man muss selbstverständlich den hierzulande geltenden Maßnahmenkatalog ins Verhältnis setzen, zu vergleichbaren Staaten. Da sind wir noch ein vergleichsweise lockeres Völkchen [2].

[1] Die "Kontaktsperren" wurden an einem Montag beschlossen. Das Wochenende davor sollte dazu genutzt werden, zu beobachten, wie die bis dahin geltenden Empfehlungen umgesetzt werden, nachdem an einige Gruppen (Eiskaffeebesucher und jugendliche im Park) noch "Sondereinladungen" ausgesprochen wurden.
Die Polizei, die mit dieser Beobachtung beauftragt worden war, hat letztlich auch vermeldet: "Alles soweit sutje".
Zu dem Zeitpunkt hatte allerdings Wahlkämpfer Söder schon den treusorgenden Landesvater auf die Bühne gebracht.

[2] Wir sind das Völkchen!
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön.

willy4711

Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von willy4711 » 24.04.2020 14:58:17

Fangt an zu rauchen und alles ist gut :mrgreen:
Conclusions and relevance: Our cross sectional study in both COVID-19 out- and inpatients strongly
suggests that daily smokers have a very much lower probability of developing symptomatic
or severe SARS-CoV-2 infection as compared to the general population.
Quelle:https://www.qeios.com/read/article/569

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snyborg
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von snyborg » 24.04.2020 15:24:09

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2020 19:36:22
Intressant an den "Lockerungen" ist übrigens, dass sie sich nach wie vor im Grunde ausschließlich auf wirtschaftlich relevante Bereiche beziehen, das persönliche Leben aber nach wie vor völlig ausblenden. Ich darf zwar wieder in Läden rennen und völlig sinnlosen Tinnef kaufen und somit ein Stück weit wieder gutes Konsumvieh sein, aber geliebte Menschen darf ich immer noch nicht besuchen (wenn sie nicht gerade im Sterben liegen).
Das bringt es auf den Punkt :THX: Nur angesichts dessen könnte ich gerade kotzen :? Hilft aber auch nichts...
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wanne
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von wanne » 24.04.2020 17:56:43

Ich habe gestern übrigens aufgeschnappt, dass eine pseudonyme Corona-Tracing-App u.a. deshalb noch nicht verfügbar ist, weil sich Google und Apple weigern so eine App in ihre Appstores aufzunehmen, wenn sie nicht an die Daten kommen. Weiß dazu jemand etwas Substanzielles?
Umgekehrt: Bei der von der Bundesregierung vorgeschlagenen App wären deutlich mehr Daten wie nötig erhoben worden. Google und Apple hätten die auch bekommen. Sie halten das aber für Datenschutztechnisch unverantwortbar und wollen totalitären Staaten (wie Deutschland) nicht unterstützen. Es gab auch ein Konzept für eine datenschutzfreundliche App in Deustschland, dass dann aber ohne sachliche Begründung eingestellt wurde.
Aus der passenden Gruppe zur Entwicklung sind deswegen auch sonst alle seriösen beteiligten abgesprungen. Übrig geblieben sind nur BigData-Konzerne wie die Arago GmbH. Die Österreicher (Die anfangs in der gleichen Gruppe saßen) entwickeln eine Datenschutzkonforme App, die weniger Daten speichert und haben die Unterstützung der Unternehmen. Ja so fühlt es sich an, wenn man als Staat nicht suverän ist weil die Apple mächtiger ist. In dem Fall finde ich das aber voll OK.
Wenn Google dir erklärt dass das Datenschutmäßig nicht vertretbar ist, dann läuft da gewaltig was schief.

Da es wie schon mehrfach kritisiert sind die daten von RKI und JHU völliger humbug. Wenn nur Totkranke getestet werden ist die Mortalität riesig und die Fallzahlen minimal. Wo 10000 mal mehr Leute getestet werden ist absehbar, dass auch mehr positiv getestet werden.
Deswegen willst du ne randomisierte Studie haben. Leider schient niemand außer Island an vernünftiger Wissenschaft interessiert zu sein. Und das kotzt mich mittlerweile beim RKI an. – Ja das ist aufwändig und braucht unmengen an Tests. Genau das sollte eigentlich die Aufgabe des RKI sein. Und die Tests wären sinnvoller aufgehoben als irgend welche Leute zu testen für die die Behandlung eh klar ist.
Für Influenza macht das RKI das auch vorbildlich. Island hat es auch für Corona gemacht. Wenn man das will und mit einem kleinstbruchteil dessen was wir sonst so gegen Corona machen ist das locker möglich.
Deswegen halte ich mich ganz gerne an die absoluten Todeszahlen:
Zumindest für einige Länder gib es das wöchentlich da: https://www.euromomo.eu/ wenn jetzt viel mehr sterben wie sonst um die Jahreszeit ist das verm. Corona. Ich bitte darauf zu achten wie viel zusätzliche Serblichkeit wir hatten als wir die Maßnahmen eingeführt haben und wie viele wir jetzt haben, wenn wir sie wieder abschaffen.
Die Aussage kann ich deswegen gar nicht unterstützen.
Aber es ist langsam ein Trend zum Positiven ersichtbar.
diese Gefahr besteht sicherlich, bzw. wir könne es z.B. in Ungarn bereits erleben. Und auch hier kann man schon jetzt die Ausweitungen polizeilicher Befugnisse live miterleben, die juristisch nicht abgedeckt sind und vorher so nicht denkbar gewesen wären. Auch wenn das bisher noch nicht in Gesetze Änderungen gemündet ist, werden Fakten geschaffen, die vielleicht später auch in anderem Kontext angewendet werden.
Du ahst da wohl was nicht mitbekommen. Das IFSG wurde angepasst und enthällt jetzt eine weitestgehende Pauschalermächtigung ohne Objektive Kriterien. Daneben ist schon ein paar Monate abgseschaft worden, dass Daten die in Epedemien erhoben werden danach wider gelöscht werden müssen. Ganz abgesehen hat man ja schon vorher ohne gesetzliche Grundlage per Dekret regiert. Hat 1933 nicht gestört und auch jetzt nicht.
Diese gewünschte ehemalige Normalität ist aber eine Illusion. Sie wird es solange nicht geben, bis ein Impfstoff verfügbar ist. Das zumindest ist Fakt.
Weil was? Hier wurde ja schon angemerkt gegen Rauchen und Fressen wird weniger unternommen obwohl es weit mehr Tote fordert.
Die zustimmung war am Anfang so große weil völlig abseits der Realität der Eindruck erweckt wurde, dass man jetzt ein paar wochen Lockdown macht und dafür tausende Tote spaart.
Die Wahrheit sieht anders aus: Entweder auf unabsehbare Zeit (kein Mensch weiß wann eine Impfung bereit stehen wird) ein Staat der deutlich totalitäter als das 3. Reich zu Kriegszeiten oder halt ein Kurzer lockdown zur Volksberuhigung ohne sinnvoll wahrnehmbare wissenschaftliche Begründung warum gerade dann und nur für so kurz.
rot: Moderator wanne spricht, default: User wanne spricht.

TomL

Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von TomL » 24.04.2020 21:07:46

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Da es wie schon mehrfach kritisiert sind die daten von RKI und JHU völliger humbug.
Dazu ein Kommentar, was diese Zahlen bewirken... um dem Anspruch "auskotzen" auch wirklich zu gerecht zu werden.

Vorab ein paar Fakten. Meine Heimatstadt hat ~76.000 Einwohner. Unsere Kreisstadt berichtet für unseren Ort 148 Infizierte, 123 Gesundete, 3 Todesfälle (ohne zu erläutern, ob die Todesursachen auch tatsächlich auf Corona zurückzuführen sind).

Der Kreis hat ~615.000 Einwohner. Es werden Stand heute 959 Infizierte berichtet, 635 Gesundete - 19 Verstorbene (auch hier, ohne zu erläutern, ob die Todesursachen auch ursächlich auf Corona zurückzuführen sind). Der ganze Kreis hat in den Jahren 2000-2015 relativ gleichbleibend ~7500 Sterbefälle, also ~625 pro Monat... macht bei 2 Monaten also 1250.... das mal so als Vergleichsgröße.

Diese wahrlich dramatisch erhöhten Zahlen durch Corona haben dazu geführt, dass entlang unseres Schifffahrtsweges durch den Ort draußen in der Natur Menschen ganz alleine mit einer Maske und OP-Handschuhen am Damm entlang laufen. Ich sehe bei der Runde mit meinem Hund täglich Menschen, die alleine oder zu zweit auf Rädern diese schöne Strecke entlang fahren, die auf ihrem eigenen Rad diese Gummihandschuhe sowie eine Maske tragen. Ich sehe Leute, die ganz alleine im Auto mit Maske sitzen. Ich habe Menschen vor dem Baumarkt-Eingang mit Maske und Handschuhen gesehen, die mit einer Sprühflasche den Einkaufswagen eingesprüht haben. Die Leser-Kommentare im Lokalblatt werfen der politischen Führung total verärgert Unverantwortlichkeit vor, weil Maßnahmen angeblich viel zu früh gelockert werden.

Ich denke mal, dass sich keine Sau für Fakten interessiert oder was die durchgeführten Maßnahmen am Ende für uns alle wirklich bedeuten..... insofern ist es wohl auch fast Zeitverschwendung, sich weiter dagegen aufzulehnen. Also... soll'n se einfach machen... ich bin eh zu alt, um das noch mitzukriegen. Für 33 bin ich zu spät geboren, für das was schlimmstensfall kommt, zu früh... ist ja also fast so wie ein Lottogewinn.

"Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (Benjamin Franklin)"

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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von hikaru » 24.04.2020 22:38:14

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Ich habe gestern übrigens aufgeschnappt, dass eine pseudonyme Corona-Tracing-App u.a. deshalb noch nicht verfügbar ist, weil sich Google und Apple weigern so eine App in ihre Appstores aufzunehmen, wenn sie nicht an die Daten kommen. Weiß dazu jemand etwas Substanzielles?
Umgekehrt: Bei der von der Bundesregierung vorgeschlagenen App wären deutlich mehr Daten wie nötig erhoben worden.
Letzteres ist wohl so, aber dein "Umgekehrt" impliziert, dass beide Varianten einander ausschließen. Das hieße, wenn man weiß, dass der Staat "der Böse" ist, folgt daraus durch Umkehrschluss, dass Apple und Google hier "die Guten" sind. Ich halte das für zu einfach gedacht.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Google und Apple hätten die auch bekommen. Sie halten das aber für Datenschutztechnisch unverantwortbar und wollen totalitären Staaten (wie Deutschland) nicht unterstützen.
Den Sachinhalt dieser Aussage kann ich nicht beurteilen, aber Deutschland als totalitären Überwachungsstaat zu bezeichnen und diese Einschätzung Google und Apple nahezulegen, macht deine Diskussionsposition (unnötig) angreifbar.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Da es wie schon mehrfach kritisiert sind die daten von RKI und JHU völliger humbug.
Ich halte diese Aussage für unzutreffend. Bisher sehe ich keinen Grund dafür, an den veröffentlichten Zahlen zu zweifeln.
Was zweifelhaft sein mag, sind die Schlüsse die aus diesen Zahlen gezogen werden. Das gilt im ersten Schritt für die Lageberichte der wissenschaftlichen Einrichtungen und im zweiten Schritt für die politischen Maßnahmen, die sowohl aus den Zahlen als auch aus den wissenschaftlichen Berichten abgeleitet werden.

Wissenschaftliche Einrichtungen haben für gewöhnlich Erfahrung mit Statistik und sind sich auch der Schwächen bewusst, insbesondere wenn eine unsichere Datenlage zugrunde liegt. Ich habe bisher nicht den Eindruck, dass es hier vermeidbare Defizite auf Seiten der Wissenschaft gibt. Die Grenzen der Ausagekraft ihrer Daten werden in meinen Augen ausreichend klar kommuniziert und der auf das jeweilige Fachgebiet begrenzten Horizont der Empfehlungen wird auch nicht verhehlt. Dass z.B. die Begrenzung der Testverfahren auf exponierte Gruppen zu sytematischen Fehlern in den ermittelten Zahlen führt wurde in meine Augen immer kommuniziert.
Und dass ein Virologe zuerst daran interessiert ist, die aus virologischer Sicht optimale Lösung zu empfehlen, dies aber nicht das einzige Kriterium für politische Entscheidungen sein kann, haben die Protagonisten auch immer klar gemacht. Ich meine mich da an explizite Aussagen von Drosten und Streeck zu erinnern.

Problematischer sehe ich die Situation bei den Politikern. Hier beobachte ich ein großes Verständnisgefälle, je nachdem wie nahe der jeweilige Politiker dem Fachthema steht. Da war z.B. die gestrige Sendung von Markus Lanz ein interessantes Demonstrationsstück. Politische Gäste waren Karl Lauterbach und Michael Kretschmer. Letzterer hat sich in der Diskussion sowas von fachlich blamiert, dass sich Lauterbach zum Schluss kaum noch getraut hat, dem ganzen Unsinn zu widersprechen, um seinen Kontrahenten vor laufender Kamera nicht völlig lächerlich zu machen.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Die zustimmung war am Anfang so große weil völlig abseits der Realität der Eindruck erweckt wurde, dass man jetzt ein paar wochen Lockdown macht und dafür tausende Tote spaart.
Ja, den Eindruck hat die Politik anfangs tatsächlich verbreitet. Ich vermute, das war Kalkül, um den akuten Schock nicht zu groß werden zu lassen. Das gehört kritisiert und bei Zeiten aufgearbeitet, denn es war klare Bürgertäuschung.

Die Wissenschaftler haben diesen Eindruck allerdings nicht bei mir erzeugt. Da war von Anfang an klar, dass sich eine Pandemie nicht eindämmen lässt, und dass erst eine wie auch immer erreichte Herrdenimmunität zur Lösung führt. Klar war auch, dass eine künstlich erzeugte Herdenimmunität durch Impfung keine Frage von Wochen oder Monaten, sondern bestenfalls eine von Jahren ist. Unklar war für mich anfangs lediglich, ob eine "halbnatürlich" erreichte Herdenimmunität in Form einer kontrollierten Durchseuchung schneller zum Ziel führen kann. Ob das nur für mich unklar war oder auch für die Fachleute, kann ich nicht beurteilen.

Was ich in der öffentlichen Diskussion wahrnehme ist, dass die Politik wirksamere Propaganda betreibt als die Wissenschaft. Auch das beruht vemutlich auf unterschiedlich ausgeprägten Kompetenzen beider Seiten, diesmal eben "zugunsten" der Politik. Hinzu kommt, dass meiner Einschätzung nach viele Bürger die Perspektive eines auf Jahre andauernden pandemischen Ausnahmezustandes nicht wahrhaben wollen, weil nicht wahr sein darf was in der eigenen Vorstellung nicht war sein kann.
Daher entsteht in der Öffentlichkeit der verzerrte Eindruck, als wäre der immer länger erscheinende Lösungszeitraum ein Versagen aller an den Entscheidungen Beteiligten. Dabei gleicht sich lediglch langsam der Erkenntnishorizont der Politiker der Realität an. Immerhin sind wir jetzt schon recht durchgängig bei 2021 als akzeptiertem Zeithorizont und nicht mehr bei "Ende Sommer". Ich vermute, der Trend wird sich langsam fortsetzen und in ein bis zwei Monaten werden wir dann realistische Annahmen zumindest für eine untere Grenze auch in der Kommunikation der Politik haben.

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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von fischig » 24.04.2020 23:39:31

hikaru hat geschrieben:Unklar war für mich anfangs lediglich, ob eine "halbnatürlich" erreichte Herdenimmunität in Form einer kontrollierten Durchseuchung schneller zum Ziel führen kann. Ob das nur für mich unklar war oder auch für die Fachleute, kann ich nicht beurteilen.
Ich denke, das ist nach wie vor sachlich unklar. Man wird sich mal im Ausland umschauen müssen.
hikaru hat geschrieben:Da war z.B. die gestrige Sendung von Markus Lanz ein interessantes Demonstrationsstück. Politische Gäste waren Karl Lauterbach und Michael Kretschmer. Letzterer hat sich in der Diskussion sowas von fachlich blamiert, dass sich Lauterbach zum Schluss kaum noch getraut hat, dem ganzen Unsinn zu widersprechen, um seinen Kontrahenten vor laufender Kamera nicht völlig lächerlich zu machen.
Aber hikaru! Das ist mainstream! Und mainstream ist böse! :mrgreen:
Genau deswegen kann ich sowas nur schwer ertragen (Fremdschämen :wink: ).

Statt der Frage: Wer finanziert ... interessiert mich eigentlich mehr: Wer bezahlt letztlich .../wem werden die Kosten letztlich aufgebürdet ... Ob die Finanzierung jetzt Bill Gates, Jeff Bezos, Mohammed bin Salman al-Saud oder alle drei zusammen übernehmen, interessiert mich nicht wirklich. Die wirtschaftlichen und politischen Eliten dieses Landes haben gehörige historische Erfahrungen damit, wie man solche Kosten von den wirklich Vermögenden fernhält. Von Schuldenschnitten redet nach meiner Wahrnehmung kein Mensch (kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor?), obwohl doch in erheblichem Umfang weniger Werte produziert werden (in Anlehnung an Marx formuliert). Dass dem Pizzabäcker geholfen wird - schön und gut. Aber hat der Vermieter seines Lokals in der gegenwärtigen Situation berechtigten Anspruch auf die volle Miete? Soweit ich sehe, wird darüber nicht diskutiert.

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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von ralli » 25.04.2020 07:20:28

Hallo hikaru,

danke für den Tipp mit Markus Lanz, hab es mir gerade angesehen. Ob Mainstream oder nicht, oftmals interessante Gäste, deshalb auch sehr informativ. Vorweg zum Rededuell zwischen Kretschmer und Lauterbach. Bei allen auftretenden Meinungsverschiedenheiten dürfen wir nicht vergessen oder vernachlässigen, das jeder im guten Glauben handelt, das Richtige zu tun. Das gilt im übrigen auch für unsere Diskussion in diesem Forum. Mir wäre zwar auch lieber, wenn es sich um gesichertes Wissen handeln würde, aber dieser Anspruch ist mir zu absolut. Alle Meinungsverscheidenheiten empfinde ich nicht als trennend, sonder als Bereicherung. Auch dann, wenn sie nicht meinem Weltbild entsprechen. Kretschmer ist eine tragische Figur, zudem lernresistent. Er versucht einen Spagat der Möglichkeiten, die sehr schnell zu einem Flächenbrand führen können. Hat er Erfolg, wird er als Held gefeiert, scheitert er, dann wird er geteert und gefedert und wird politisch in die Bedeutungslosigkeit fallen. Lauterbach hat immer die überzeugenderen Argumente, einer der wenigen Politiker, von denen ich auch unbesehen eine Gebrauchtwagen kaufen würde. Ein rationaler, objektiver sehr sehr kluger Kopf. Leider haben wir in Deutschland zu wenig an Politikern mit diesem Format und Kompetenz. Die Schulen zu früh zu öffnen, halte ich auch für falsch und unvertretbar. Sie werden ähnlich wie in Krankenhäusern einfach im Stich gelassen. Das alles ist unfassbar irrational.

Im übrigen bin ich kein Optimist, auch kein Pessimist. Ich bemühe mich mit meiner Wahrnehmung die Wirklichkeit zu sehen und realistisch einzuschätzen. Ob mir das immer gelingt, da habe ich auch meine Zweifel, denn ich bin nicht unfehlbar.

Gruß ralli
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Luxuslurch » 25.04.2020 08:21:44

TomL hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 21:07:46
Der Kreis hat ~615.000 Einwohner. Es werden Stand heute 959 Infizierte berichtet, 635 Gesundete - 19 Verstorbene (auch hier, ohne zu erläutern, ob die Todesursachen auch ursächlich auf Corona zurückzuführen sind). Der ganze Kreis hat in den Jahren 2000-2015 relativ gleichbleibend ~7500 Sterbefälle, also ~625 pro Monat... macht bei 2 Monaten also 1250.... das mal so als Vergleichsgröße.
Freu dich! Und jetzt schau mal kurz nach Bergamo oder Madrid oder New York. Dort quellen die Leichenhallen über.
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Luxuslurch » 25.04.2020 08:23:44

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Hier wurde ja schon angemerkt gegen Rauchen und Fressen wird weniger unternommen obwohl es weit mehr Tote fordert.
Hier wurde auch schon angemerkt, dass das Äpfel und Birnen sind. Aber natürlich: mit einem Erwartungshorizont jenseits des dritten Reiches zu Kriegszeiten sehen die beiden Früchte schon vergleichbar aus.
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von ralli » 25.04.2020 08:52:28

Das Infektionsgeschehen in New York ist nicht repräsentativ und daher auch nicht übertragbar. New York ist menschliche Käfighaltung, die Bevölkerungsdichte ca. 10 000 pro km². Das das ein idealer Nährboden für den Corona Virus ist und es eine explosionsartige Vermehrung mit einer dramatischen Sterberate gibt, dafür brauchst Du kein Virologe oder Wissenschaftler zu sein, das erschließt sich auch dem normalen Bürger. Überall, wo die Populationsdichte überdurchschnittlich hoch ist, ist der Virus auch vermehrt aufgetreten, Beispiel Nordrhein-Westfalen. Was lernen wir daraus? Größere Städte sind besonders gefährdet.

Gruß ralli
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Luxuslurch » 25.04.2020 10:23:26

Klar. Und dort, wo die Leute aufeinander hocken, wie z.B. auf Großveranstaltungen, ist die Gefahr deutlich höher. Und in stationären Einrichtungen. Und und und.
Klar ist auch, dass nicht alle Maßnahmen zielführend oder sinnvoll sind. Das liegt in der Natur der Sache: es gibt kaum Erfahrung mit Pandemien generell und es gibt überhaupt gar keine Erfahrung mit dem jetzt grassierenden Virus. Wer weiß, was passieren hätte können? Niemand. Bis auf die 83 Millionen Virologen, die zufällig deckungsgleich sind mit 83 Millionen Bundestrainiern zu jeder Fußball-WM.
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von wanne » 25.04.2020 12:04:29

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 22:38:14
Bisher sehe ich keinen Grund dafür, an den veröffentlichten Zahlen zu zweifeln.
So hier der Grund: Mittlerweile wird jeder Tote unabhängig der Todesart als Corona-Toter gezählt. Völlig unabhängig vom Restzustand. In Deutschland sterben pro Jahr ~1Mio Menschen bei 80Mio Einwohnern.
=> Trotzdem reden mittlerweile das RKI ausdrücklich immer von "an" Corona gestorbenen und nennt dann die volle Zahl der gestorbenen mit Corona.
Entweder Corona macht in resistent gegen alle andere Todesursachen oder die Aussage ist schlicht falsch. (Ich hatte hier schon mal angemerkt warum das mit den Todesursachen Quatsch ist und man deswegen Übersterblichkeiten will. Man hätte da auch gleich eine Referenzgruppe: Die negativ getesteten. Das RKI hat von allen negativ getesteten Name, Anschrift, Geburtstag und meist die Telefonnummer. Einfach mal stichprobenhaft nach recherchieren... Dazu war das gedacht, dass man die erhebt. Aber im Moment dürften die wohl mit Talkshows beschäftigt sein.) Das ist dann zwar immer noch falsch (weil Risikogruppen vermutlich häufiger getestet werden) aber mal um ne Größenordnung Besser als wir jetzt haben.
Dabei sind die positiv getesteten garantiert nicht gleich verteilt. In vielen Krankenhäusern wird jeder eingelieferte getestet. – Schlicht um Restpatienten, die besonders anfällig sind und Personal zu schützen. Wer ins Krankenhaus eingeliefert wird wird aber garantiert nicht die durschnittliche Lebenserwartung haben...
Auf der anderen Seite wurde selbst mein Mitbewohner nicht getestet, der mit mehreren Bekannten fällen (Wohnheim in der Nachbarschaft hatte viele Amis die heim fliegen wollten, als die USA noch als Coronafrei galt und dafür einen Test brauchten.) so ca. 5 mal die Woche zu Abend isst. Das örtliche Kriesenzentrum wollte dann zwar ganz genau das alter haben hat sich dann aber mangels Symptomen geweigert zu testen. Ich nehme an, dass die Leute unter 70 schlicht nicht getestet werden weil die meist Symptomfrei sind. Das RKI hat die Altersverteilung der Corona erkrankten und getestet infizierten (die müssen per Dekret bei jedem Test da hin übertragen werden) die wollen sie aber nicht raus geben.
Wissenschaftliche Einrichtungen haben für gewöhnlich Erfahrung mit Statistik und sind sich auch der Schwächen bewusst, insbesondere wenn eine unsichere Datenlage zugrunde liegt.
Deswegen geben seriöse Wissenschaftler Errormargen oder zumindest Abschätzungen dafür an. (Schön zu sehen wie man das richtig macht kann man in den Influenza-Berichten des RKI.) Stattdessen meit die JHU "5,741 deaths". – So sieht seröse Wissenschaft aus...
Dass z.B. die Begrenzung der Testverfahren auf exponierte Gruppen zu sytematischen Fehlern in den ermittelten Zahlen führt wurde in meine Augen immer kommuniziert.
Und diese Aussage ist falsch. Auf keinen anderen Erreger wird so viel Getestet wie auf Corona. Wir leiden auch nicht wie überall sonst an einem Mangel an Testwilligen. Die Voraussetzungen sind unvergleichlich gut.
Der große unterschied ist, dass man bei jeder anderen weit verbreiten Krankheit peniebelst drauf achtet, dass Test repräsentativ verteilt werden damit man einen Überblick bekommt, welche Bevölkerungsgruppen wie betroffen sind. Behandelt wird meist Smptombasiert. Der Test ist eh Sinnlos, weil zu langsam um für die akute Behandlung eine Rolle zu spielen. (Ausnahmen sind sehr langsam verlaufende Krankheiten wie Krebs oder AIDS, wo es um möglichst frühe Erkennung geht.)
So und jetzt: Bei Corona. Statt mit viel mühe für Repräsentativität zu sorgen, werden explizit nur kranke getestet und damit auch ja ein möglichst stark verfälschtes Bild rau kommt. Auch bei nochmal 10 mal mehr Tests werden wir kein vernünftiges Bild über die Gesamtbevölkerung bekommen. Auch eine Früherkennung wird durch diese Art des Testens ausgeschlossen. Wer eh schon Symptome hat braucht keinen Test mehr. Der weiß das er krank ist und die sinnvollen Maßnahmen gegen Corona unterscheiden sich nicht von denen, die gegen andere Erkrankungen mit gleichen Symptomen getroffen werden würden. Gegen Pneumokokken gibst du Antibiotika. Das sparst du jetzt vielleicht. Könnte mir aber gut vorstellen, dass viele Ärzte das trotzdem machen. (Könntest ja auch doppelt erkrankt sein.) Weiß da jemand was?
Alle feiern sich wie sie besonders viel Testen. – In der Art und weise wie wir das im Moment tun ist das für jedes erdenkliche Ziel sinnlos. Auch wenn wir nochmal mehr Tests haben.

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
ob eine "halbnatürlich" erreichte Herdenimmunität in Form einer kontrollierten Durchseuchung schneller zum Ziel führen kann. Ob das nur für mich unklar war oder auch für die Fachleute, kann ich nicht beurteilen.
Ich habe das ziemlich direkt gesagt, als die was von flatten the curve geredet habe. Wenn die damals (als ich das gehört hatte redeten wir von von 1.XXX bestätigten fällen) am Rande der Belastbarkeit unserer Krankenhäuser gewesen sind und man 14 Tage lang erkrankt. – Nehmen wir mal den Faktor 10 für die Dunkelziffer an. Dann wären wir bei ~150 Jahren bis wir voll Durchseucht wären. Also a) nicht zu meinen Lebzeiten und b) hätten wir dann eine neue wieder nicht mehr resistente Bevölkerungen. Gehen wir von noch viel höheren Faktor für die Dunkelziffer aus, wären die Maßnahmen nie nötig gewesen. Ganz abgesehen davon, dass es unmöglich sein dürfte R immer schön bei 1 zu halten. Wollte man eine Durchsuchung bei möglichst kleiner maximal Last willst du konstant bei mindesten 1Mio. Erkrankten bleiben.
Nimmt man einigermaßen vernünftige realistische Werte für R Dunkelziffern und Inkubationszeiten an, müsste man also vermutlich so bis ~100k bestätigten Fällen die Verbreitung fördern. – Gerade in den weniger gefährdeten jungen Bevölkerungsschichten, die für ihre Corona-Partys kritisiert wurden. In der Zeit willst du Risikogruppen dann wirklich nicht auf der Straße haben. Und dann ziemlich abrupt in den totalen Lockdown für ~1 Jahr gehen. Jeder der das gesagt hat wurde als asozialer, unwissenschaftlicher Verschwörungstehoretiker abgetan und wäre beim Lanz nie eingeladen worden. Esseiden er hätte noch ein paar andere Krude Ideen damit sie sich ordentlich blamieren kann. Bei der Will auch gerne in dem man dann aussagen durch den den Moderrator verdreht und danach jede weitere Argumentation abwürgt. Talk-Shows sind nicht mein Ding.
Ein paar Wochen später erklärt MiLab das selbe und schließt daraus dass flatten the Curve bullshit ist. Und die gleichen Leute finden das plötzlich voll einleuchtend.
Die Schulen zu früh zu öffnen, halte ich auch für falsch und unvertretbar.
Dabei gleicht sich lediglch langsam der Erkenntnishorizont der Politiker der Realität an. Immerhin sind wir jetzt schon recht durchgängig bei 2021 als akzeptiertem Zeithorizont
Ich sehe das zweischneidig. Auf der einen Seite sind geschlossenen Schulen die einzige Maßnahme die vermutlich wirklich erfolgreich die Seuche eindämmt. Auf der anderen Seite möchte ich gerade bei Leuten, die hier Solidarität mit älteren Generationen fordern anmerken, dass man sich auch mal zu Gesicht Füren sollte was das für Folgen hat wenn man jetzt für 3 Jahre Schulen, Kindergärten und Spielplätze dicht macht und ein Kontaktverbot erhebt. 3 Jahre klingt für jemand mit 50 nicht viel. Es ist aber die Zeit in der man in den Kindergarten geht. Es ist die Zeit in der wir bildungstechnisch den Grundstein legen der uns von dritte Welt Ländern unterscheidet. Und es ist weitestgehend unbestritten, dass du die Grundschule nicht durch noch so lange Erwachsenenbildung wieder wett machen kannst. – Da ist unser Gehirn flexibel. Nicht im Studium. Da nutzen wir das Potential, dass wir uns vorher angeeignet haben. 3 Jahre das war die Zeit in der Anne Frank sich in dem kleinen Hinterhaus verstecken musste.
Wir Reden hier von einer Generation die nie in den Kindergarten gehen wird ein Bildungsniveau (und damit einen Lebensstandard) unter dem der meisten dritte-Welt länder bekommen wird und die Hälfte ihrer Kindheit kein Fange oder Versteck spielen kann.
Auf der anderen Seite reden wir von ~50000 (legt mich nur auf die 10er-Potenz fest. Also zwischen 5000 und 500000.) zusätzlichen toten zu 75% ältere mit mindestens 2 chronischen Vorerkrankungen.
Das ist beides keine schöne Sache und belastet massiv andere Bevölkerungsgruppen.
Ich finde aber schon es ist eine Abwägung Wert und ich finde es eine Unverschämtheit, dass so getan wird als ob das undenkbar ist sich auch nur irgend wie anders zu entscheiden. Zumal immer von einer totalitären Entscheidung für alle geredet wird und nicht wie in Schweden, wo das ganze auf freiwilliger Basis erfolgt. Da schreibt mir dich der 120kg Bürgermeister vor, dass ich nicht zu meinem Genuss beim HM laufen darf. Gefährdet sich aber selbst (zu seinem Genuss) mit seinem Übergewicht viel stärker.
Das die Maßnahmen jetzt fast ausschließlich auf dem Rücken der kleinsten, die eben gerade keine Stimme an der Urne hatten ausgetragen wir ist finde ich massiv unverschämt.
Zumal man derartige Einschnitte für die älteren Generationen nicht in kauf nimmt. Die mit Abstand beste Maßnahme dürfte sein: Läden dicht. ALLE. Alltagsgüter werden Polizeilich verteilt. Das ist der weitestgehend einzige Punkt wo täglich völlig unterschiedliche Personengruppen zusammen kommen. Nicht die Schulen wo täglich die gleichen 30 zusammen kommen sind das Problem. Das eine Kind das sich beim Einkaufen ansteckt und dann die ganze Klasse. Sieht man bei den Asiaten wie krass das hilft. – Aber sowas wäre in eine westlichen Demokratie undenkbar betrifft es doch die Wählerstärkste Gruppe. Lieber in der Sonne liegen verbieten. Nutzt zwar wenig bis nichts. Aber das macht nur die faule junge Generation.
Dort quellen die Leichenhallen über.
Wegen täglich 9.1% mehr Toten wie im Durschnitt? (In New York. Für Madrid habe ich keine Zahlen.) Haben die auch schon Lager auf der Straße oder wie? Mich würde es nicht mal wundern. Aber da läuft dann ganz anders was schief.
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Tintom » 25.04.2020 14:45:31

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Ein paar Wochen später erklärt MiLab das selbe und schließt daraus dass flatten the Curve bullshit ist. Und die gleichen Leute finden das plötzlich voll einleuchtend.
Sinngemäß war die Schlussfolgerung imho "Flatten the curve ist bullshit - aber die Alternativen dazu sind noch viel verheerender".
Auf der anderen Seite möchte ich gerade bei Leuten, die hier Solidarität mit älteren Generationen fordern anmerken, dass man sich auch mal zu Gesicht Füren sollte was das für Folgen hat wenn man jetzt für 3 Jahre Schulen, Kindergärten und Spielplätze dicht macht und ein Kontaktverbot erhebt. 3 Jahre klingt für jemand mit 50 nicht viel. Es ist aber die Zeit in der man in den Kindergarten geht. Es ist die Zeit in der wir bildungstechnisch den Grundstein legen der uns von dritte Welt Ländern unterscheidet. Und es ist weitestgehend unbestritten, dass du die Grundschule nicht durch noch so lange Erwachsenenbildung wieder wett machen kannst. – Da ist unser Gehirn flexibel. Nicht im Studium. Da nutzen wir das Potential, dass wir uns vorher angeeignet haben. 3 Jahre das war die Zeit in der Anne Frank sich in dem kleinen Hinterhaus verstecken musste.
Ich gebe dir da Recht. Auf der anderen Seite hast du aber eine riesige Unbekannte in Form von Spätfolgen von Covid19. Dadurch, das es sich hier nicht um eine Influenzavariante handelt sondern um eine andere Virenart sind die Langzeitfolgen komplett unbekannt. Neben Lungenschäden sollen jetzt auch erste Hinweise auf andere Organschädigungen, sowie ein erhöhtes Risiko für Gefäßkrankheiten (Herzinfarkt/Schlaganfall) vorliegen. Sofern keine belastbaren Hinweise dagegen vorliegen und solange wir die Auswirkungen nicht verstehen müssen imho alle, egal ob jung, alt, krank oder gesund vor einer Ansteckung geschützt werden.
Läden dicht. ALLE. Alltagsgüter werden Polizeilich verteilt. Das ist der weitestgehend einzige Punkt wo täglich völlig unterschiedliche Personengruppen zusammen kommen.
In der jetztigen Form Zustimmung. Die momentanen Regelungen (Betreten von Läden nur mit Maske) führen zu einer falschen Sicherheit und bringen nichts.
Läden sollen dann öffnen können wenn jeglicher direkter persönlicher Kontakt unterbunden wird. Aber darauf ist das Geschäftsmodell der Meisten nicht ausgelegt und die Innovationen, um die Prozesse an die aktuelle Situation anzupassen, sind meiner Meinung nach sehr überschaubar. Das meinte ich auch mit
Tintom hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.04.2020 19:46:02
Wir brauchen vor allem Kreativität im Umgang mit der momentanen Situation ohne dass andere einem Risiko ausgesetzt werden.

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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von novalix » 25.04.2020 15:21:05

Moin @wanne!

Du glaubst hoffentlich nicht wirklich, dass Deine verbalen Stahlgewitter zu einem größeren Maß an Aufklärung der Sachlage führen.
Zumal Du Behauptungen aufstellst, die so dermaßen aus der Luft gegriffen sind, dass es wirklich schwerfällt dazu noch irgendetwas zu erwidern.

Nein, nicht jeder Todesfall wird pauschal als durch Corona verursacht verbucht. Das ist so ziemlich der größte Unfug, den ich in den letzten Tagen zu dem Thema gehört habe.
Wenn Covid-19 Patienten versterben, wird allerdings diese Krankheit als letztlicher Verursacher des Todes angenommen. Das entspricht allgemeiner medizinischer Praxis. Die Totenscheine werden von Ärzten ausgestellt und nicht von Jens Spahn und Angela Merkel.
Du darfst gerne dieser Praxis misstrauen. Sie beinhaltet ja auch eine gewisse Fehlerquote. Das ist allerdings *immer* so bei inneren Krankheiten. Wenn es hart auf hart kommt, lässt sich sogar bei einem vom Panzer überrollten in Frage stellen, ob es denn letztlich der Panzer war, der dem Patienten den Rest gegeben hat. Möglicherweise hat ja kurz vorher das Herz versagt.

Überraschenderweise kommt das Leben (inklusive Sterben) nicht in erster Linie als Zahlen daher (#isso).
Wenn wir etwas zählen wollen, brauchen wir zunächst eine begriffliche Unterscheidung von dem, was da ist.
Da ist es dann auch nur folgerichtig, dass wir Zahlen erst dann verstehen und kritisieren können, wenn wir begrifflich einordnen können, wofür sie stehen.

@hikaru hat Dir schon eine Einschätzung geliefert, warum Dein Pauschalverriss dem Problem nicht gerecht wird.
Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage: Du hast keine Ahnung, wovon Du redest.

Es besteht nämlich noch ein weiteres erkenntnistheoretisches Problem. Begriffe sind Abstraktionen, die ohne Anschauung leer bleiben. Sie bedeuten nichts.
Lass Dir mal von einem Kliniker beschreiben, wie das Dahinsiechen und die pandemischen äußeren Umstände einer schwer verlaufenden Covid-19 Infektion aussehen. Guten Appetit!

Ja, SARS-CoV-2 ist kein Killervirus aus der Zombie-Apokalypse.
Der zu vermutende Tunnel der Infektionssterblichkeit liegt irgendwo zwischen 0,3 und 0,7 Prozent bei funktionierender medizinischer Versorgung. Fauci schätzt, dass dieser Wert auf bis zu 2% hoch gehen kann, wenn die Versorgung überlastet ist.
Das ist für ein leidlich gesundes Individuum kein überragend großes Risiko, zumal wenn es sich vorerkrankungsfrei wähnt. Ist bloß ne Grippe, wenn überhaupt.

Das Problem: Es geht um die Herde.
Die Anschauung, was passiert, wenn man weitgehend unvorbereitet getroffen wird, haben wir aus Regionen benachbarter Länder. Man kann auch gut erkennen, welche Panikreaktionen das hervorruft.

Es ist nicht die Bohne spekulativ sich auszumalen, wie es aktuell hier in Schland aussehen würde, hätte man keinerlei Maßnahmen getroffen. Wir hätten nämlich jetzt trotzdem Maßnahmen, und zwar solche, die um ein vielfaches irrationaler und einschneidender wären, als die über die wir derzeit reden.

Und bitte, bitte, bitte, könnte man es unterlassen, Menschen, die so argumentieren, als Jubelperser der Regierung zu diffamieren, und die derzeitigen Verhältnisse als schlimmer als 1933 zu kennzeichnen.
Das ist falsch. Es geht mir mittlerweile fürchterlich auf den Sack.

Nichts für ungut, niels
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön.

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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Luxuslurch » 25.04.2020 15:27:29

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Wegen täglich 9.1% mehr Toten wie im Durschnitt? (In New York. Für Madrid habe ich keine Zahlen.) Haben die auch schon Lager auf der Straße oder wie? Mich würde es nicht mal wundern. Aber da läuft dann ganz anders was schief.
Ganz unabhängig von der Todesursache braucht man sich nur die Anzahl der Toten anschauen. Keine Angst, das musst du nicht selber recherchieren. Im European Mortality Monitoring* werden 24 europäische Länder über die Jahre hinweg mit verschiedenen Variablen statistisch aufbereitet. Viel "Spaß" beim Betrachten!

* https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von novalix » 25.04.2020 15:43:36

TomL hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 21:07:46
Der Kreis hat ~615.000 Einwohner. Es werden Stand heute 959 Infizierte berichtet, 635 Gesundete - 19 Verstorbene (auch hier, ohne zu erläutern, ob die Todesursachen auch ursächlich auf Corona zurückzuführen sind). Der ganze Kreis hat in den Jahren 2000-2015 relativ gleichbleibend ~7500 Sterbefälle, also ~625 pro Monat... macht bei 2 Monaten also 1250.... das mal so als Vergleichsgröße.
Ja, so sieht es derzeit in vielen Regionen aus. Eigentlich ist ja nichts. Die "Gefahr" ist reichlich abstrakt.
Die Beispiele von überängstlichen Verhaltensweisen kann ich sofort bestätigen (Radfahrer mit FFP-Schutzmasken :facepalm: ).
Es gibt einiges an irrationalen Reaktionen auf das Erscheinen des Virus zu beobachten.
In Osteuropa haben sich die Staaten das Deckchen über den Kopf gezogen und hoffen darauf, das Monster sei verschwunden, wenn sie wieder darunter hervor lugen. Hat bei mir auch immer funktioniert als ich fünf war.

Realistischerweise ist das Virus aber da und verbreitet sich weiter. Die Gesamtverbreitung in Schland liegt derzeit bei 2% oder weniger und ist noch ungleich verteilt. Das wird sich aber ändern.
Es ist kein Monster, kann aber erhebliche Probleme verursachen, wenn man sich ihm nicht stellt.
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön.

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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von hikaru » 25.04.2020 16:14:42

fischic hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 23:39:31
hikaru hat geschrieben:Unklar war für mich anfangs lediglich, ob eine "halbnatürlich" erreichte Herdenimmunität in Form einer kontrollierten Durchseuchung schneller zum Ziel führen kann. Ob das nur für mich unklar war oder auch für die Fachleute, kann ich nicht beurteilen.
Ich denke, das ist nach wie vor sachlich unklar. Man wird sich mal im Ausland umschauen müssen.
Meiner Wahrnehmung nach ist das inzwischen klar. Erlaubt man Infektionsraten, die in überschaubarer Zeit zu einer Durchseuchung führen, dann kollabiert das Gesundheitssystem an der Anzahl zu behandelnder Intensivpatienten (nicht aus Mangel an Betten, sondern aus Mangel an Verbrauchsmaterial für das Personal und Überlastung des Pesonals). Drückt man die Infektionszahlen auf ein für das Gesundheitsystem erträgliches Maß, dann duert die Durchseuchung ewig und das Impfstofflotto wird interessanter.
fischic hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 23:39:31
Statt der Frage: Wer finanziert ... interessiert mich eigentlich mehr: Wer bezahlt letztlich .../wem werden die Kosten letztlich aufgebürdet
Die Antwort ist doch klar: Am Ende zahlt der Steuerzahler - wie schon in der Bankenkrise.

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 07:20:28
Vorweg zum Rededuell zwischen Kretschmer und Lauterbach. Bei allen auftretenden Meinungsverschiedenheiten dürfen wir nicht vergessen oder vernachlässigen, das jeder im guten Glauben handelt, das Richtige zu tun.
Der entscheidende Punkt ist aber, dass Lauterbach neben seiner Politikertätigkeit Epidemiologe ist, Kretschmer ist Wirtschaftsingenieur. Lauterbach hat also eindeutig die passendere Qualifikation zum Thema und das sollte auch Kretschmer bekannt sein. Da finde ich es vorsichtig ausgedrückt "mutig" von ihm anzunehmen, mit Lauterbach zu auf Augenhöhe diskutieren zu können - insbesondere wenn seine Diskussionsstrategie dann auch noch im Wesentlichen auf Lautstärke basiert.
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 07:20:28
Alle Meinungsverscheidenheiten empfinde ich nicht als trennend, sonder als Bereicherung. Auch dann, wenn sie nicht meinem Weltbild entsprechen.
Ich würde dir zustimmen, wenn die Diskutanten mit vergleichbaren Qualifikationen in die Diskussion gehen. Aber wenn ein Kretschmer mit einem Lauterbach über eine Pandemie diskutiert und es dabei zu Meinungsverschiedenheiten kommt, dann ist eben nicht davon auszugehen, dass sich um gleichwertige alternative Standpunkte handelt, sondern es liegt nahe, dass der Ökonom einfach Unsinn redet.
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 07:20:28
Im übrigen bin ich kein Optimist, auch kein Pessimist. Ich bemühe mich mit meiner Wahrnehmung die Wirklichkeit zu sehen und realistisch einzuschätzen. Ob mir das immer gelingt, da habe ich auch meine Zweifel, denn ich bin nicht unfehlbar.
Ich glaube das Thema der Selbstzuschreibung auf der Skala hatten wir schon mal. ;)

wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Mittlerweile wird jeder Tote unabhängig der Todesart als Corona-Toter gezählt.
Das ist - zumindst auf die Wissenschaft bezogen - nicht richtig. Das RKI berichtet immer von "im Zusammenhang mit Corona verstorbenen", ganz einfach, weil denen völlig klar ist, dass eine kausale Zuschreibung hier bestenfalls schwierig ist. Dass die Erhebung dieser Zahl in der Praxis nur begrenzt hilfreich ist, wissen sie ebenfalls. Aber sie haben nichts besseres und veröffentlichen eben das was sie können, auch wenn die Aussagekraft begrenzt ist.

Was Medien und Politik dann daraus machen ist eie andere Frage. Und ja, hier geht Einiges durcheinander.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Dass z.B. die Begrenzung der Testverfahren auf exponierte Gruppen zu sytematischen Fehlern in den ermittelten Zahlen führt wurde in meine Augen immer kommuniziert.
Und diese Aussage ist falsch.
Quelle bitte! Wo wird in wissenschaftlichen Veröffentlichungen behauptet, dass die aktuelle Testmethode statistisch fehlerfrei sei?
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Auf keinen anderen Erreger wird so viel Getestet wie auf Corona. Wir leiden auch nicht wie überall sonst an einem Mangel an Testwilligen.
Wir leiden aber an einem Mangel an Testkapazitäten. Wenn sich jeder einfach so auf Verdacht testen lassen könnte, dann hätten wir mehere Millionen Testwillige pro Tag. Deshalb muss man Kriterien festlegen, wer mit den begrenzten Kapazitäten getestet wird und wer nicht. Dass man da im Angesicht eines drohenen Kontrollverlusts zunächst gezielt Verdächtige testet, statt auf eine repräsentative Verteilung zu achten, mag man aus statistischer Perspektive kritisieren, ist aber aus epidemiologischer Sicht sinnvoll.
Ob die aktuellen Testkriterien angesichts wieder freiwerdender Kapazitäten noch geeignet sind ist sicher fraglich, aber einfach so freigeben kann man es eben nicht. Man müsste einen alternativen Kriterienkatalog festlegen, der sicher in Teilen Rücksicht auf Repräsentativität nehmen kann, das aber nicht vollumfänglich umsetzen kann.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Der Test ist eh Sinnlos, weil zu langsam um für die akute Behandlung eine Rolle zu spielen.
Das ist nicht richtig. Infizierte werden wohl am Tag vor Symptombeginn infektiös. Wenn man nun jeden der Symptome entwickelt noch am Tag des Symptombeginns in Quarantäne steckt, dann hat er nur einen Tag Zeit um andere anzustecken. Das ist immer noch einen Tag später als man gern hätte, aber es ist epidemiologisch betrachtet besser als nichts.
Ähnlich verhält es sich mit den Asymptmatischen. Natürlich wäre es besser, auch die erfassen zu können, aber das geht eben nur mit dem unrealistischen "Millionenscreening". Statt also eine repräsentative Stichprobe zu testen die zu >99% negativ ist, ist es sinnvoller, wirklich alle Symptomatischen zu testen.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Wer eh schon Symptome hat braucht keinen Test mehr.
Wer "coronatypische" Symptome hat weiß noch längst nicht, ob er an Covid-19 erkrankt ist. Er könnte auch einfach einen grippalen Infekt oder angesichts der oft unspezifichen Symptome etwas völlig anderes haben. Daher ist gerade mit Symptomen ein Test nötig, um zu verifizieren, dass eine Infektion vorliegt.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2020 17:56:43
Ich habe das ziemlich direkt gesagt, als die was von flatten the curve geredet habe. Wenn die damals (als ich das gehört hatte redeten wir von von 1.XXX bestätigten fällen) am Rande der Belastbarkeit unserer Krankenhäuser gewesen sind und man 14 Tage lang erkrankt. – Nehmen wir mal den Faktor 10 für die Dunkelziffer an. Dann wären wir bei ~150 Jahren bis wir voll Durchseucht wären. Also a) nicht zu meinen Lebzeiten und b) hätten wir dann eine neue wieder nicht mehr resistente Bevölkerungen. Gehen wir von noch viel höheren Faktor für die Dunkelziffer aus, wären die Maßnahmen nie nötig gewesen. Ganz abgesehen davon, dass es unmöglich sein dürfte R immer schön bei 1 zu halten. Wollte man eine Durchsuchung bei möglichst kleiner maximal Last willst du konstant bei mindesten 1Mio. Erkrankten bleiben.
Faktor 10 dürfte für die Dunkelziffer zu hoch sein. Streeck geht in seiner Heinsbergstudie von etwa Faktor 3 aus. Das ist aber eigentlich unerheblich, weil "flatten the curve" ohnehin keine Lösung für die Pandemie sein kann. Ziel der Maßnahme ist lediglich, die Infektionszahlen bis zur Entwicklung eines Impstoffs auf einem für das Gesundheitswesen erträglichen Maß zu halten und das funktioniert auf Dauer nur bei einem Reproduktionsfaktor um oder unter 1. Momentan haben wir in Deutschland je nach Quelle etwa 40k bis 50k aktive Fälle. Nimmt man nun Streecks Faktor 3 hinzu fehlt zu deiner Million immer noch Faktor 7. Das schafft unser Gesundheitssystem nicht, was genau der Grund ist, warum eine kontrollierte Durcheuchung ausfällt.
wanne hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 12:04:29
Nimmt man einigermaßen vernünftige realistische Werte für R Dunkelziffern und Inkubationszeiten an, müsste man also vermutlich so bis ~100k bestätigten Fällen die Verbreitung fördern.
Das Problem ist, dass man keine "einigermaßen vernünftigen Werte" annehmen kann, wenn sich Vernunft sowohl an der Kapazität des Gesundheitssystems als auch an einem überschaubaren Zeithorizont orientiert.

Huo
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Re: Wer finanziert die gigantische Neuverschuldung?

Beitrag von Huo » 25.04.2020 18:17:03

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2020 16:14:42
Der entscheidende Punkt ist aber, dass Lauterbach neben seiner Politikertätigkeit Epidemiologe ist, Kretschmer ist Wirtschaftsingenieur. Lauterbach hat also eindeutig die passendere Qualifikation zum Thema und das sollte auch Kretschmer bekannt sein. Da finde ich es vorsichtig ausgedrückt "mutig" von ihm anzunehmen, mit Lauterbach zu auf Augenhöhe diskutieren zu können - insbesondere wenn seine Diskussionsstrategie dann auch noch im Wesentlichen auf Lautstärke basiert.
Man kann es auch anders sehen: Gerade weil Kretschmer kein Epidemiologe ist, kann er sich vielleicht in gewisser Hinsicht einen umfassenderen Blick auf die Gesamtsituation leisten, der auch Dimensionen des menschlichen Zusammenlebens stärker einbezieht. Lauterbach ist ohne Zweifel ein sehr heller Kopf, seine Einschätzungen zur Coronakrise aus epidemiologischer Sicht empfinde ich als sehr fundiert und wertvoll. Nur: Was ein monate- oder gar jahrelanger Lockdown für die Menschen und die Gesellschaft bedeutet – etwa für die im sogenannten Home-Schooling eingesperrten Kinder und für die in Heimen abgeschotteten Alten – dazu meine ich von Lauterbach dann doch eher wenig gehört zu haben. In der Hinsicht erscheint mir sogar Christian Drosten, der Nichtpolitiker, aufgeschlossener, so jedenfalls mein Eindruck.

Schon in der Debatte vor einem Jahr um die Pränataldiagnostik wirkte Lauterbach auf mich übrigens kaum zugänglich für die Befürchtungen von Medizinethikern, dass der neue Bluttest eine schleichende vorgeburtliche Selektion von Menschen etwa mit Down-Syndrom (und damit überhaupt eine subtile Diskriminierung Behinderter) zur Folge haben könnte.

Politiker sind doch zwangsläufig auf den meisten Gebieten, mit denen sie sich befassen, den wissenschaftlichen Experten an Wissen unterlegen. Aber wer möchte die Politik alleine den Technokraten oder gar den Fachidioten überlassen? Der Dialog zwischen Wissenschaft und Politik ist in der aktuellen Situation wahrscheinlich wichtiger denn je und, klar, das möglichst auf Augenhöhe – Augenhöhe nicht, was die wissenschaftliche Expertise, aber was den gegenseitigen Respekt angeht. Lauterbach als Wissenschaftler und Politiker wird das natürlich wissen.

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