Selbst wenn man mal das Thema Datenschutz ausklammert und sich nur die technische Seite der Lösungen anschaut, bleibt immer noch das Problem der false-positive-rate. Wie geht man damit um, dass die App nicht unterscheiden können wird, zwischen dem topfiten Motoradfahrer mit geschlossenem Visier und dem Rentner aus der Risikogruppe ohne Mundschutz, nicht unterscheiden können wird, ob man Kontakt zum infizierten Postboten nur durch die geschlossene Wohnungstür hatte, nicht wissen wird, ob man mit Maske, Augenschutz und Handschuhen dem pflegebedürftigen Nachbarn geholfen hat? Warnen wir dann vorsorglich alle möglichen Kontakte, dass sie sich umgehend testen lassen müssen? Oder schicken wir sie einfach nur vorsichtshalber in Selbst- oder Zwangsquarantäne, halt ohne Test, weil wir gar nicht genug Kapazitäten hätten, alle Verdachtsfälle zu testen? Zwingen wir unsere Rentner und "Risikogruppen" sich die App zu installieren? Das wären ja eigentlich die, bei denen das besonders wichtig wäre, möglichst frühzeitig über einen möglichen bevorstehenden Ausbruch der Krankheit informiert zu werden. Vielleicht reicht ja auch, wenn's der Enkel (ach der soll ja grad nicht, ok die Tochter dann eben) der Oma aufs Renterphone installiert. Aber wie geht dann die Oma damit um, wenn sie grad alleine ist, wenn das Telefon ihr plötzlich sagt, dass sie vermutlich infiziert wurde - ein Todesurteil bei dem schwachen Herzen? Naja, also vielleicht lieber nicht der Oma installieren, aber der Tante, die ist noch fit genug. Egal wenn da ne Meldung kommt, auch wenn sie sich im Nachhinein als übervorsichtig erwiesen hat. Wieviele falsche Warnungen braucht es, bis die Leute bei der "Achtung: Sie hatten Kontakt"-Meldung nur noch gelangweilt mit den Schultern zucken?
Nen paar weitere nette Beispiele was da auch von technischer Seite so noch alles schiefgehen könnte:
https://www.lightbluetouchpaper.org/202 ... eal-world/
(wem der Name des Autors nichts sagt,
https://www.cl.cam.ac.uk/~rja14/book.html )
Und vermutlich wird's am Ende nen vielleicht sogar zahlenmässig gefährlichen "hab ja nun die App, Maske und Händewaschen brauch ich nicht mehr"-Seiteneffekt haben.
Mich erinnert das Szenario irgendwie an Leute, die ihre Karre in den See gelenkt haben, weil das Navi es so angesagt hat. Nur hier halt "die App war grün, ich brauch keinen Abstand *hust-röchel-fieberschwitz*".
Technisch, wäre schön, wenn man sehen könnte, was mit den Daten wirklich passiert. Auch wenn einige angeregt haben, dass man das ganze "Opensource" machen müsste, ich denke, das bleibt Wunschdenken. Und selbst wenn der Code der App einsehbar (von frei will ich hier gar nicht mal reden) wäre, über den verantwortungsvollen Umgang mit den Daten im Backend sagt das noch gar nichts aus. Und sonst noch zum Thema Datenschutz, interessant wie häufig bei den ganzen Berichten die Begrifflichkeiten durcheinander gewürfelt werden: Anonymität/Pseudonymität? Völlig egal, den Unterschied rafft eh keiner.
Davon abgesehn, wirklich vertrauenserweckend wirkt das Ganze auf mich bisher nicht. Ich find ich ja schon die Gruppierungen in dem einem "Strategiepaper"(?) was da grad die Runde macht (
https://github.com/pepp-pt/pepp-pt-docu ... ermany.pdf) höchst "lustig":
A2: Tech-savvy user (malicious user)
This adversary includes black/white hat hackers, academic researchers, etc.
academic researchers = malicious adversary? Na Danke.
An anderer Stelle (Artikel über einen der "Macher") hieß es ganz passend sinngemäß, wir machen irgendwann später dann mal sowas wie opensource, aber nur für die Leute die das professionell machen und ernsthaft mitarbeiten wollen. Ich hab das einfach mal als "schenkt uns kostenlose Arbeitskraft, aber pfuscht uns nicht ins Konzept - davon habt ihr Amateure ja eh keine Ahnung" interpretiert - sorry, falls ich das in den falschen Hals bekommen haben sollte, meine Erfahrung mit $openirgendwas aus rein kommerzieller Ecke sind da leider nicht so positiv.
Unterm Strich bleibt es dabei: es gibt keine technische Lösung für ein gesellschaftliches Problem.