Wulfnoth hat geschrieben:Ersteres ist nicht wahr.
Sehr viele Firmen (unter anderem diejenige, bei der ich angestellt bin) setzen immer noch Windows XP ein, da sie den Umstieg auf Vista nicht vollzogen haben. Die Drittanbieter können es sich also - dank Vista - nicht leisten, ihre Software nicht unter XP lauffähig herauszubringen. Weiterhin richten sich die Firmen mit dem Support ihrer Produkte nach dem Supportzeitraum, den Microsoft für Windows vorgibt. Wird Windows 2000 nicht mehr mit Sicherheitsupdates versorgt, stellen auch die Drittanbieter nach-und-nach den Support ein. Und warum bekommt XP extra langen Support von MS? Wegen Vista.
Zweiteres ist pure Arroganz.
Ich entwickele seit über 20 Jahren Windows Software, habe während des Studiums ein Windows-Netzwerk eingerichtet und betreut, seit dem Diplom entwickele ich seit ca. 15 Jahren (bis heute) beruflich Windows-Treiber und -Anwendungen. Und ich bin immer noch ein Windows-DAU (und meine Kollegen auch), weil Windows unter der Haube weder ausreichend Transparenz, Konsistenz, Dokumentation, oder Möglichkeiten zur Problemanalyse mitbringt. Man denkt, so langsam hat man Windows halbwegs im Griff, da kommt das nächste Problem daher, welches einem das Gegenteil aufzeigt. (BTW: Es gibt tatsächlich Probleme, die in der MS-KB beschrieben sind, und für die MS nur eine Neuinstallation von Windows als Lösung anbietet.)
Ich würde mich selber für unfähig halten, was meinen Beruf angeht, wenn ich nicht den Vergleich mit Kollegen und den Internet-Foren hätte. Man braucht doch nur mal in die Windows-Foren reinzuschauen, in der überwiegenden Mehrheit findet man dort bei Suchanfragen zu Problemen Leute, die ihre Probleme durch wildes Herumprobieren lösen, und wenn das nicht geht, wird eben neu installiert. Selbst Zeitschriften wie die CT machen hier keine Ausnahme, deren Lösung zur Umschaltung IDE-Emulation zu AHCI unter Windows XP ist wirklich abenteuerlich und offensichtlich aus mehreren Try-and-Error-Zyklen entstanden. (Da wird zunächst in der Registry herumgepfuscht und dann erst hinterher der Treiber vernünftig installiert, mit Finger kreuzen selbstverständlich. Dabei geht es deutlich direkter und einfacher, wenn man denn weiß, wie. Ich habe es leider auch erst später erfahren, schade, das hätte mir einen ganzen Tag Windows-Herumpfuscherei erspart.)
Aber ab wann ist man kein DAU mehr? Ich nehme da gerne drei Kriterien zur Beurteilung:
1. Der gefühlte DAU-Status: Wie sicher ist man gefühlt unterwegs? Wenn plötzlich ein unerwartetes Problem auftritt, hat man das Gefühl, in endlicher Zeit eine Lösung oder wenigstens eine brauchbare Problemanalyse zu haben, so daß man in der Regel relativ zeitnah weiterarbeiten kann?
2. Das "Schulterzuck-Kritierium": Kann man einem DAU bei
jedem Problem helfen, und sei es nur, indem man die Problemanalyse vorantreiben kann?
3. Das "Aufgeb-Kritierum": Kann man bei einem Problem immer herausfinden, woran es harkt, oder gibt es auch Probleme, wo man aufgeben musste, weil man der Meinung war, daß sein eigenes Know-How hierfür absolut nicht ausreicht, und somit eine Lösung auch nach Wochen nicht in Sicht wäre?
Windows setze ich wie schon geschrieben seit Jahrzehnten beruflich und privat ein. Dennoch signalisieren mir die obrigen drei Kriterien, daß ich das DAU-Stadium noch nicht verlassen habe (Ergebnis: 0 von 3, also 100% DAU, bestenfalls 0.5 von 3, also ca. 85% DAU), und kann (leider) reichlich konkrete Beispiele diesbezüglich vorweisen. Linux setze ich hingegen seit ein paar Jahren ein, und das auch nur privat in meiner Freizeit. Dennoch komme ich hier schon auf einen Punktestand von ca. "2.5 von 3", bin hier also nur noch zu ca. 15% DAU.
Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß es nicht Arroganz ist, sondern Selbsterkenntnis. In der Regel helfe ich guten Bekannten mit Windows-Problemen, indem ich ihnen Linux installiere. Nicht aus missionarischen Gründen, sondern weil ich dann den Rechner in einem Zustand habe, wo ich bei auftretenden Problemen helfen kann.
Und um zurück zum eigentlichen Thema zu kommen: Ich kann zwar nicht sagen, ob ich mit GNU/Linux 100%ig zufrieden bin, aber gefühlt bin ich aufgrund obriger Erfahrungen sehr zufrieden, auch wenn mir spontan diverse Ecken einfallen, wo es IMHO Verbesserungspotential gibt. Gerade XFCE entwickelt sich IMHO z.Z. in eine Richtung, die ich nicht gutheißen mag. (xfdesktop und Thunar driften immer weiter auseinander anstatt sich weiter anzunähern. Mir ist aber klar, daß dies keine gewollte, strategische Entscheidung ist, sondern lediglich dem Zeit- bzw. Entwicklermangel geschuldet ist.)