das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

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hikaru
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von hikaru » 28.03.2019 12:16:55

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 11:23:44
Unabhängig davon, ob vorstehender Vergleich passt oder doch wieder hinkt, finde ich "vorauseilenden Gehorsam" vertretbar, um den Urhebern als den "Davids" überhaupt eine realistische Chance zu geben, ihre Rechte gegenüber "Goliaths" wie YouTube zu wahren.
Du hast hier den Punkt meiner Aussage nicht erfasst. Das Problem sind der zu erbringende Negativbeweis und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen, nicht dass man sich im Voraus Gedanken über gesetzeskonformes Handeln machen muss.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 11:23:44
Wenn, wie bereits öfters betont, YouTube (und übrigens auch Vimeo) entsprechende Upload-Filtertechnik bereits einsetzt, um so besser, dann werden bestehende Anstrengungen der Anbieter ja nur festgeschrieben, wo ist da das Problem?
Wie bereits dargestellt ist das Problem die mit der Reform einhergehende Beweislastumkehr. Das sorgt einerseits wegen des nun zu erbringenden Negativbeweises für gesteigerte rechtliche Unsicherheit bei Plattformbetreibern sowie Nutzern, und andererseits zu einer technisch nötigen Verschärfung der Filter, die aber wiederum nie vollständig sein kann, dafür aber großen Potenzial für Missbrauch in Form von Zensur bietet.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 11:23:44
Auch die von der Richtlinie vorgesehenen Lizenzvereinbarungen zwischen Portalen und Rechteinhabern erscheinen mir prinzipiell nicht unrealistisch angesichts des 2016 abgeschlossenen Vertrags zwischen YouTube und Gema.
Youtube und Gema sind zwei Schwergewichte, die zumindest in Deutschland auf Augenhöhe agieren. Die Gema hatte aufgrund ihres Quasimonopols als Künstlervertreter die juristische, Youtube aufgrund der Nutzerzahlen die faktische "Lufthoheit". Nur deshalb hat das am Ende funktioniert. Und die Einigung hat trotzdem ewig gedauert. Bei ungleichen Partnern hätte der Stärkere einfach zum Schwächeren gesagt: "Friss oder stirb!"
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 11:23:44
Alternative Vorschläge der Novellierungskritiker zum effektiven Schutz der Urheber habe ich noch keine vernommen, höre sie mir aber gerne an.
Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, maße mir also auch nicht an, gute Vorschläge liefern zu können. Ich fände es aber schon einen Schritt in die richtige Richtung, wenn in der Diskussion wirklich mal die Urheber und nicht die Rechteverwerter in den Fokus gerückt würden.
Die vorliegende Richtlinie gilt für Dienste, deren wichtigster Zweck es ausschließlich oder unter anderem ist, eine große Menge von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern
Definiere, was in diesem Kontext "urheberrechtlich geschütze Inhalte" sind!
Auch unsere Beiträge hier, jede Manpage und das Artwork von GUIs in Screenshots haben Urheber, welche einem gewissen Rechtsschutz unterliegen, soweit man Schöpfungshöhe annimmt.
um daraus in direkter oder indirekter Weise Gewinne zu ziehen, indem die Inhalte mit dem Ziel, ein größeres Publikum anzuziehen, strukturiert und beworben werden, auch indem die Inhalte Kategorien zugeordnet werden und gezielte Werbung in die Inhalte eingefügt wird.
feltels Spendenkonto ist, soweit ich es beurteilen kann, ständig im Plus. Er erzielt also offenbar mit dem Debianforum Gewinne. Als Gegenleistung bietet er einem größeren Publikum eine in Kategorien struktuierte Plattform in Form dieses Forums an. Dafür macht er Werbung z.B. in Form von Messeauftritten.
Die gezielete Werbung in Inhalten sehe ich hier zwar nicht, aber ich kenne sowas aus anderen Foren. Reicht das als Ausschlusskriterium aus? Falls ja, reicht es dann auch für Youtube, die Werbepopups in Videos abzuschalten? warum musste Wikipedia im Gesetz extra erwähnt werden? Die machen auch keine Werbung (außer für eigene Aktionen).

Da ist viel zu viel Gummi in dem Paragraphen um irgendwas auszuschließen. Snoopy hat Recht, wenn er sagt, dass man nun die nationalen Umsetzungen abwarten muss, aber der nun vorliegende Zwischenschritt ist eher Grund zur Skepsis als zur Freude. Und im Zweifelsfall müssen eben Details vor Gerichten geklärt werden.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 11:23:44
hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.03.2019 23:11:16
Als Abmahnkanzlei würde ich zumindst versuchen, feltel einen Vergleich abzupressen.
Würde ich im Falle einer konkreten Urheberechtsverletzung auch, allerdings auf der Grundlage des bereits bestehenden Urheberrechts. Mit der EU-Richtlinie hat das nichts zu tun; dem "vorauseilenden Gehorsam" in Form von Lizenzverträgen oder Uploadfiltern muss sich das Debianforum nicht unterwerfen.
Nach altem Recht kriege ich als Abmahner so einen Fall nur mit feltels Hilfe: Irgendwer stellt hier eine Urheberrechstverletzung ein, feltel wird darüber informiert und handelt nicht. Dann kann ich klagen.
Nach neuem Recht mache ich mir den Fall einfach selbst: Ich melde mich hier als neuer User "Abmahnköder" an, begehe eine Urheberrechtsverletzung und setze als Abmahnanwalt feltel in Kenntnis. Nun muss er wie nach alter Rechtslage den Verstoß beseitigen und zusätzlich einen Filter implementieren, um eine Wiederholung zu verhindern. Dann melde ich mich als "Abmahnköder2" erneut an, begehe einen hinreichend ähnlichen Verstoß, der am Filter vorbei kommt und klage dann umgehend, denn feltels Uploadfilter hätte mich ja schon vom Upload abhalten müssen.

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MartinV
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von MartinV » 28.03.2019 12:56:02

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 12:16:55
feltels Spendenkonto ist, soweit ich es beurteilen kann, ständig im Plus. Er erzielt also offenbar mit dem Debianforum Gewinne.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 11:23:44
Zweitens wäre es schlichtweg absurd bzw. Panikmache, Spenden als Profitausrichtung zu interpretieren.
Es gab bereits Gerichtsurteile, daß irgendwelche "Hasenzüchtervereinsseiten" kommerziell sind, weil sie 1&1-Werbung eingeblendet haben.
feltel erwirtschaftet Zinsen mit dem Spendenkonto.

Absurd? Ja. Aber auch ein absurdes Gerichtsurteil tut weh und kostet reales Geld.
Also nicht glauben, daß es die "kleinen" schon nicht treffen wird.
Die Vernunft kann einem schon leidtun. Sie verliert eigentlich immer.

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MSfree
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von MSfree » 28.03.2019 13:24:46

MartinV hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 12:56:02
feltel erwirtschaftet Zinsen mit dem Spendenkonto.
Uih!
@feltel, kannst du mir mal deine Bank nennen. Ich wüßte gerne eine Bank, bei der man Guthabenzinsen bekommt. :mrgreen: :mrgreen:

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MartinV
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von MartinV » 28.03.2019 13:34:41

MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 13:24:46
Uih! @feltel, kannst du mir mal deine Bank nennen. Ich wüßte gerne eine Bank, bei der man Guthabenzinsen bekommt. :mrgreen: :mrgreen:
Wir können die Absurdität natürlich weiter treiben. Doch beachte, wie lange es dfde schon gibt. In der Zeit gab es auch schon Zinseinnahmen.

Der Punkt ist: Die Größenordnung kann minimal sein, und trotzdem zu Verurteilungen führen. Darauf beruht auch das Geschäft der Abmahnanwälte. Also bitte nicht lächerlich machen, nur weil etwas klein ist.
Die Vernunft kann einem schon leidtun. Sie verliert eigentlich immer.

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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von Huo » 28.03.2019 21:02:52

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 12:16:55
Du hast hier den Punkt meiner Aussage nicht erfasst. Das Problem sind der zu erbringende Negativbeweis und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen, nicht dass man sich im Voraus Gedanken über gesetzeskonformes Handeln machen muss.
Tatsächlich verstehe ich Deinen Punkt immer weniger und weiß dabei nicht, ob ich an meiner begrenzten kognitiven Kompetenz verzweifeln soll oder ob - entschuldige meine kleine Bosheit - Du vielleicht nicht alle Russellschen Tassen im Schrank hast :wink: . Wenn ein Portal unerlaubte Uploads ausfiltern muss und ein Unternehmen Schadstoffe – welchen logischen Unterschied macht das in unserem Zusammenhang? Vermutlich wird die Umwelttechnik behördlich sogar strenger kontrolliert als das bei YouTubes Filtern jemals der Fall sein wird.

Okay, dein Stichwort lautet "Negativbeweis". Kannst Du mir verraten, welchem konkreten Passus der Richtlinie Du entnimmst, dass einschlägige Portale künftig vor jeder einzelnen Veröffentlichung eines Uploads die Urheberschaft "beweisen" müssen? Und wem beweisen? Ein Filter filtert, Lizenzverträge werden abgeschlossen, aber wenn es Deinem Sprachgebrauch entspricht, dies alles als als "(Negativ-)Beweis" zu bezeichnen, warum wäre andererseits mit der Pflicht, nur erlaubte Stoffe in die Umwelt zu pusten, kein Beweis verbunden?

Artikel 17 (= der ursprüngliche Artikel 13) Abs. 5 der Richtlinie will übrigens die Verhältnismäßigkeit des von den Anbietern zu erwartenden Aufwandes sicherstellen. Ob diese ihren Verpflichtungen nachkommen, soll u.a. gemessen werden an "Art, Publikum und Umfang der Dienste" sowie an den finanziellen Kapazitäten und den entstehenden Kosten. Auch deshalb sehe ich keine Gefahr, dass das Debianforum (wenn Du Dich schon, anders als ich, darauf versteifen willst, dass es von der Richtlinie betroffen ist) in der selben Liga wie ein Internetgigant spielen muss und an unerfüllbaren Anforderungen zerbrechen wird.

Und hiermit möchte ich mich aus dieser Diskussion verabschieden, denn der Punkt, der mir am meisten am Herzen liegt, nämlich eine angemessene Vergütung der Kulturschaffenden (und, ja, auch der Verlage und Verwerter), ist in unserer Diskussion fast völlig in den Hintergrund geraten gegenüber der Perspektive der Internetanbieter (und den damit verbundenen logischen und juristischen Spitzfindigkeiten). Zuletzt möchte ich gerne einem echten Urheber das Wort geben, nämlich dem Element-of-Crime-Frontman und Romanautor Sven Regener. Sein gewaltiger, weder YouTube noch die Piraten verschonender Wutausbruch, den er sich in Radio Bayern 2 geleistet hat, ist auch nach sieben Jahren noch ein Hörgenuss. Dem Moderator hat's jedenfalls fast die Sprache verschlagen. Und ich finde, Regener hat recht!

TomL

Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von TomL » 28.03.2019 22:07:13

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 21:02:52
Wenn ein Portal unerlaubte Uploads ausfiltern muss und ein Unternehmen Schadstoffe....
... dann wäre das nur insofern vergleichbar, wenn a.) entweder das Portal selber schutzwürdige Werke hochladen und zum download anbieten würde oder wenn b.) eine Heerschar werksfremder Menschen auf dem Werksgelände Schadstoffe thermisch entsorgen würde.

Aber in der Realität trifft beides nicht zu, das Portal erzeugt nicht selber 'Schadstoffe', im Unternehmen gibts keine Heerschar Schadstoffe erzeugender Fremde. Für Unternehmen gilt derzeit das Verursacherprinzip, beim Downloadfilter wird genau das unter Inkaufnahme von digitalen Kollateralschäden (Abbau der Möglichkeiten Wissen ungehindert und ungefiltert zu verbreiten (ich bewerte das als weiteren Abbau von Demokratie in der EU)) ausgehebelt. Am Ende bestehen bei diesem Vergleich überhaupt keine vergleichbaren Aspekte und am allerwenigsten eine Grundlage für eine daraus abgeleitete Begründung.

Und ja, ich bin ohne jede Frage unbedingt für eine gerechte Bezahlung der Kunstschaffenden und ich bin nicht damit einverstanden, dass alle anderen verdienen und die Künstler leer ausgehen.

letzter3
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von letzter3 » 28.03.2019 22:36:00

offtopic: Ich bedanke mich für diese sachlich geführte Diskussion!

Huo
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von Huo » 28.03.2019 22:45:58

@ TomL
Okay, danke für die instruktive Erklärung! Jetzt wird mir hikarus Punkt tatsächlich klarer.

Andererseits möchte ich zu bedenken geben, dass das Geschäftsmodell von YouTube und vergleichbaren Diensten ganz wesentlich auf User-generated Content beruht. Das bedeutet, dass die Nutzer, indem sie emsig Unmassen an Material hochladen, praktisch kostenlos für die Portale arbeiten. So funktioniert der digitale Kapitalismus! YouTube spart sich also die Bezahlung eigener Mitarbeiter, lässt Heerscharen von "Fremden" (um Deinen Ausdruck zu verwenden) für sich arbeiten und erzielt auf diese Weise Milliarden-Gewinne. Ich sehe nicht ein, dass ein klassisches Industrieunternehmen dafür gerade stehen muss, wenn seine Arbeiter und Angestellten Mist bauen, ein Unternehmen wie YouTube dagegen die Verantwortung für illegale Uploads bequem auf seine User abwälzen will, denen es doch gleichzeitig seinen Profit verdankt.

TomL

Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von TomL » 28.03.2019 23:16:03

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 22:45:58
So funktioniert der digitale Kapitalismus!
Ich bin zuwenig schlau, um dafür eine Lösung parat zu haben. Aber ich weiss, dass genau da die Lösung liegen muss, und zwar nur da. Der Veranstalter der Party muss bezahlen und nicht die Gäste, also Youtube oder ähnliche Portale, und zwar in voller Höhe, eben weil da das große Geld (gerade auch mit Werbung) verdient wird. Aber die zahlen ja hier noch nicht mal Steuern... :facepalm: ... oder siedeln sich in Steueroasen an :facepalm: Aber dann die Content-User mit Filtern zu behindern und dabei in Kauf zu nehmen, dass als kausaler Randeffekt auch uneindeutiges Material vor der Veröffentlichung dem Filter zum Opfer fällt... das geht gar nicht... das ist die weitere Fortsetzung des Abbaus von Demokratie und demokratischen Grundrechten in der EU.... angefangen mit der Vorratsdatenspeicherung, Quellen-TKÜ, erweitertes UKUSA-Abkommen, aktuell Whatsapp-Entschlüsselung, digitale Kinder-Überwachung, der Dämonisierung von Verschlüsselungstechniken (Tor-Netzwerk) ... was alles zusammengenommen einer Entmündigung der Verfügungshoheit auf die eigenen Daten und einer Entmündigung des Rechts auf digitale Privatsphäre entspricht oder darauf hinausläuft. Man muss das im Gesamtkontext sehen, dann erkennt man eine deutliche Richtung. Alles vorangetrieben von einer einzigen Organisation, die christlich und bürgerlich vorneweg trägt, aber in Wahrheit das genaue Gegenteil verkörpert.

Ich sehe es, wie z.B. bei Rock am Ring... wer als Veranstalter die Gäste einlädt, muss gleichzeitig auch die entsprechende Entsorgungs-Infrastruktur bezahlen. Dafür hat er das Recht, Eintritt zu nehmen, die Differenz von Einnahmen zu Kosten ist dann sein Gewinn. Wenn die Portale auf Eintritt verzichten und ihre Gewinne anders (durch Werbung) erzielen, ist das ok... aber die müssen als Veranstalter trotzdem für die 'Entsorgung' bezahlen... hier in diesem besonderen Fall und i.ü.S. (!) die Künstler... stattdessen kassieren die aber den Gewinn ungemindert. Da muss doch wirklich jedem gesunden Menschenverstand einleuchten, dass an diesem System was mega-faul ist. Umfassend in EU besteuern und gut ist... Einahmenbeteiligung an die Künster (durch GEMA oder was auch immer) und gut ist. Dafür braucht es keinen Filter, sondern nur simple Rechnungen an google und Co. Das dumme ist nur, mit einfachen Rechnungen an google & Co. hat man kein Mittel 'gegen' die Bürger etabliert, mit dieser Richtlinie aber sehr wohl.

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hikaru
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von hikaru » 29.03.2019 11:15:41

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 21:02:52
Wenn ein Portal unerlaubte Uploads ausfiltern muss und ein Unternehmen Schadstoffe – welchen logischen Unterschied macht das in unserem Zusammenhang? Vermutlich wird die Umwelttechnik behördlich sogar strenger kontrolliert als das bei YouTubes Filtern jemals der Fall sein wird.
Um mich TomL anzuschließen:
Der Unterschied ist das Verursacherprinzip. Eine Fabrik erzeugt die Schadstoffe selbst, Youtube und Co. mit "user created content" sind nur "Marktplätze".
Stell dir vor, der Flohmarktorganisator müsste für jeden Schnuller und jeden Kaugummi den die Standbetreiber auf seinem Markt nachweisen können, dass er nicht geklaut wurde. Das ist menschlich unleistbar. Der Unterschied in der Digitalwirtschaft ist, dass solche Sachen dort prinzipiell automatisierbar sind, aber die Automatismen sind dumm, wenn auch fleißig. Und sie werden auf absehbare Zeit nicht intelligent werden, nur noch fleißiger.

Ich war als Student mal an einem IT-Projekt zum Thema Mustererkennung beteiligt. Ich will nicht behaupten, dass das was wir da vor über 15 Jahren zusammengecodet haben im entferntesten mit heutigen Technologien der Profis zu tun hatte, aber in Ansätzen ging es in Richtung Spur- und Abstandsassistent. Die Software war im Rahmen der uns damals zur Verfügung stehenden Rechenleistung recht fleißig, aber sie war gleichzeitig unglaublich dumm.
Nur als Beispiel: Eines unserer größten Probleme war damals, das Heck vorausfahrender weißer Kombis von schraffierten Sperrflächen zu unterscheiden.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 21:02:52
Okay, dein Stichwort lautet "Negativbeweis". Kannst Du mir verraten, welchem konkreten Passus der Richtlinie Du entnimmst, dass einschlägige Portale künftig vor jeder einzelnen Veröffentlichung eines Uploads die Urheberschaft "beweisen" müssen?
Aus deinem Link:
Kapitel 2 Art 17 S. 123 hat geschrieben:(4) Wird die Erlaubnis nicht erteilt, so ist der Diensteanbieter für das Teilen von
Online-Inhalten für nicht erlaubte Handlungen der öffentlichen Wiedergabe,
einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung, urheberrechtlich geschützter Werke
oder sonstiger Schutzgegenstände verantwortlich, es sei denn, der Anbieter dieser Dienste
erbringt den Nachweis, dass er

[..]

b) nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle
Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige
Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige
und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind; und in jedem
Fall
c) nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern
unverzüglich gehandelt hat, um den Zugang zu den entsprechenden Werken oder sonstigen
Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke oder sonstigen
Schutzgegenstände von seinen Internetseiten zu entfernen , und alle Anstrengungen
unternommen hat, um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser Werke oder
sonstigen Schutzgegenstände zu verhindern.
Die Erlaubnis aus dem ersten Absatz bezieht sich hier darauf, dass der Dienstanbieter vor Veröffentlichung hochgeladenen Materials sicherstellen muss, dass es keine Rechte Dritter verletzt. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Wege:
A: Der Uploader besitzt alle nötigen Rechte und gewährt sie dem Dienstanbieter im Zuge des Uploads. Dieser Fall greift, wenn es um "user created content" geht, also z.B. deine selbstgedrehten Urlaubsvideos, wo du der Urheber bist.
B: Der Uploader besitzt die nötigen Rechte nicht. Er ist nicht der Urheber und hat nicht die entsprechenden Verwertungsrechte um dem Dienstanbieter das Material zur Verfügung zu stellen. Der Dienstanbieter hat diese Rechte aber über einen anderen Weg, z.B. einen gesonderten Lizenzvertrag mit dem Urheber/Verwerter, erhalten.

Zwischen A und B muss der Dienstanbieter unterscheiden. Um Auszuschließen, dass B zutrifft muss er entweder vom Uploader einen Nachweis erhalten, dass dieser die entsprechenden Rechte besitzt (Positivbeweis), oder ausschließen können, dass irgendjemand anders Rechte an dem Material besitzt (Negativbeweis). Dazu braucht er eine VOLLSTÄNDIGE Liste ALLER Rechte an ALLEN möglichen Werken.
Bei der Unterscheidung zwischen A und B kommt erschwerend hinzu, dass ein Teilwerk vom Typ B in einem Werk vom Typ A enthalten sein kann (siehe mein früheres Beispiel zum abgefilmten Musikvideo).
Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass die gerade dargestellte Aufgabe technisch anspruchsvoll und fehlerträchtig ist.

Bis hier her ist noch nichts neu, genau diese Bedingungen galten im Prinzip schon bisher. Der Unterschied ist, was nach dieser Kategorisierung der Uploads passiert:
Bisher hat der Dienstanbieter das Material kategorisiert und nach erfolgreicher Prüfung veröffentlicht. Hat er bei der Kategorisierung einen Fehler gemacht, so war das nicht schlimm. Wird er von Dritten auf einen Fehler aufmerksam gemacht, so muss er diesen korrigieren und der Verstoß gilt als geheilt. Das steht im Prinzip in Punkt c) des Zitats, wenn man den Verweis auf Punkt b) ignoriert.

Jetzt kommt aber Punkt b). Der ist neu und gefährlich. "hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt" heißt nichts anderes als Uploadfilter, denn sie sind bereits bei einigen Dientanbietern in Betrieb und sind trotz ihrer Mängel das beste, weil einzig praktikable Mittel. Sie setzen also den hohen Standard.
"sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind" beschreibt einen Zustand, kein Ziel. Wenn der Rechteinhaber den Dienstanbieter von bestimmten Rechten auf bestimmte Werke in Kenntnis gesetzt hat, hat Letzterer von da an sicherzustellen, dass das genannte Werk nie wieder unrechtmäßig zugänglich gemacht wird. Die initiale Inkenntnissetzung geschah nach der bereits etablierten Praxis der Meldung rechtsverletzenden Materials, welches der Dienstanbieter daraufhin natürlich gelöscht hat.

Das Problem bei der Umsetzung ist, dass Werke im juristischen Sinn etwas völlig anderes sind als Dateien im technischen Sinn. Ob ich eine Datei schon mal gesehen habe ist einfach zu prüfen:
Ich bilde eine Prüfsumme und speichere diese zusammen mit der Information ab, ob ich die Datei veröffentlichen darf oder nicht. Jede neue Datei die ich bekomme prüfe ich gegen alle bekannten Prüfsummen. Wenn ich einen Treffer habe, richte ich mich nach der dazu abgespeicherten Information. Habe ich keinen Treffer, muss ich klären, was ich mit der Datei mache.
Auf Werke angewandt funktioniert dieser Mechanismus nicht. Das selbe Werk kann in verschiedenen Dateien (Prüfsummen) vorkommen. Aus technischer Sicht ist jedes Werk immer neu. Ich brauche also einen schlaueren Mechanismus als einfache Prüfsummen. Hier kommt Mustererkennung in's Spiel. Ich mache Ähnlichkeitsvergleiche auf Bilder und Tonsequenzen und erkläre ab einer gewissen Übereinstimmungsrate zwei präsentierte Dateien zum selben Werk. Eben dieser Mechanismus ist fehleranfällig und so wird dann der weiße Kombi manchmal zur schraffierten Sperrfläche.
Das weiß jeder mit dem entsprechenden technischen Hintergrund und kann das Wissen über diese Fehleranfälligkiet auch missbrauchen, indem er z.B. gezielt in den Algorithmus eingreift, diesen Eingriff verschleiert und das falsche Ergebnis als technisches Versagen verkauft, obwohl es in Wahrheit interessengesteuert war. Genau hier setzen z.B. die Zensurbedenken der Kritiker an.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 21:02:52
Und wem beweisen?
In erster Linie sich selbst, um Rechtssicherheit zu haben - letztendlich aber natürlich einem Gericht.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 21:02:52
Artikel 17 (= der ursprüngliche Artikel 13) Abs. 5 der Richtlinie will übrigens die Verhältnismäßigkeit des von den Anbietern zu erwartenden Aufwandes sicherstellen. Ob diese ihren Verpflichtungen nachkommen, soll u.a. gemessen werden an "Art, Publikum und Umfang der Dienste" sowie an den finanziellen Kapazitäten und den entstehenden Kosten. Auch deshalb sehe ich keine Gefahr, dass das Debianforum (wenn Du Dich schon, anders als ich, darauf versteifen willst, dass es von der Richtlinie betroffen ist) in der selben Liga wie ein Internetgigant spielen muss und an unerfüllbaren Anforderungen zerbrechen wird.
das ist halt alles Gummi und ich habe weder technisch noch politisch das Vertrauen, dass unsere Politiker das bei der nationalen Umsetzung interessenneutral festzurren. Genau deshalb sehe ich das Debianforum in Gefahr.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 21:02:52
Und hiermit möchte ich mich aus dieser Diskussion verabschieden, denn der Punkt, der mir am meisten am Herzen liegt, nämlich eine angemessene Vergütung der Kulturschaffenden (und, ja, auch der Verlage und Verwerter), ist in unserer Diskussion fast völlig in den Hintergrund geraten gegenüber der Perspektive der Internetanbieter (und den damit verbundenen logischen und juristischen Spitzfindigkeiten).
Ich finde es schade und ehrlich gesagt auch etwa unfair, wenn du dich nun zurückziehst. das würde nämlich bedeuten, dass ich mir die ganze Mühe hier umsonst gemacht hätte.
Zum Thema der Vergütung der Kulturschaffenden haben wir deshalb nicht diskutiert, weil ich da keine Kompetenzen habe. Das Thema interessiert mich durchaus, nur kann ich dazu eben nichts beitragen (wenn man mal vom Punkbandbeispiel des Freundes meiner Cousine absieht).
Was ich aus meiner eher technischen Sicht wahrneheme ist, dass den Künstlern oft das Verständnis für das technisch Machbare fehlt. Das soll kein Vorwurf sein, aber ich finde es vermessen, aus dieser Position heraus juristiche Forderungen zu stellen die technische Umsetzungen brauchen. Verwerter haben oft das technische Verständnis, sind mir in ihren Interessen aber zu einseitig und so sehen dann auch die Ergebnisse aus. Was der Diskussion mMn fehlt ist eine weithin anerkannte technisch bewanderte Künstlervertretung ohne kommerzielle Interessen, quasi sowas wie eine "Künstler-FSF".

Huo
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Registriert: 26.11.2017 14:03:31
Wohnort: Freiburg

Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von Huo » 29.03.2019 14:09:01

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 11:15:41
Ich finde es schade und ehrlich gesagt auch etwa unfair, wenn du dich nun zurückziehst. das würde nämlich bedeuten, dass ich mir die ganze Mühe hier umsonst gemacht hätte.
Diskussionen in Foren haben es an sich, dass sie meist mehr oder weniger abrupt mit dem plötzlichen Rückzug eines oder mehrerer Teilnehmer enden – gewöhnlich geschieht dies unangekündigt, manchmal auch mit einem "Ich bin raus". Zu sagen bleibt jedesmal noch viel, ausdiskutiert ist ein Thema selten. Und es hat doch auch etwas, das letzte Wort behalten zu dürfen, oder? :wink: Aber Deine ausführliche Erwiderung hat noch ein paar Anmerkungen von mir verdient. :wink:
EDIT 30.03.2019: Noch interessanter als eine Fortsetzung der Kontroverse zwischen uns beiden fände ich übrigens, zu erfahren, wie feltel inzwischen mögliche Auswirkungen auf das Debianforum einschätzt, nachdem unsere Diskussion immerhin einen kleinen Einblick in den berüchtigten Artikel 13 (jetzt 17) gegeben hat.
hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 11:15:41
Der Unterschied ist das Verursacherprinzip. Eine Fabrik erzeugt die Schadstoffe selbst, Youtube und Co. mit "user created content" sind nur "Marktplätze".
Stell dir vor, der Flohmarktorganisator müsste für jeden Schnuller und jeden Kaugummi den die Standbetreiber auf seinem Markt nachweisen können, dass er nicht geklaut wurde. Das ist menschlich unleistbar. Der Unterschied in der Digitalwirtschaft ist, dass solche Sachen dort prinzipiell automatisierbar sind, aber die Automatismen sind dumm, wenn auch fleißig. Und sie werden auf absehbare Zeit nicht intelligent werden, nur noch fleißiger.
Anders als der Flohmarktorganisator streicht der "Marktplatz" Youtube praktisch sämtliche Gewinne ein. Seine Milliardenumsätze verdankt YouTube ganz wesentlich den nutzergenerierten Inhalten; darauf basiert YouTubes Geschäftsmodell. Das von Dir nun ins Spiel gebrachte Verursacherprinzip lehne ich kategorisch ab, da es Youtube und Co. erlauben würde, den ihnen kostenlos zuarbeitenden Nutzern auch noch die Verantwortung für illegale Uploads aufzubürden (siehe auch meine obige Antwort an TomL).
EDIT 30.03.2019: Mein Hauptargument aber ließe sich wie folgt zusammenfassen: Wer wie YouTube eine Infrastruktur zur Verfügung stellt, die es ermöglicht, ja fast schon dazu einlädt, massenhaft Urheberrechtsverletzungen zu begehen, und damit auch noch Milliardengeschäfte macht, ist für mich im Grunde ein "Verursacher" (nicht der einzige, aber der Hauptverursacher) und muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden können. So neu ist die Idee einer rechtlich durchsetzbaren Pflicht zur Vorabfilterung übrigens nicht; die Musiktauschbörse Napster musste 2001 aufgeben, nachdem sie sowohl vom US-Musikindustrieverband als auch von Einzelinterpreten erfolgreich wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt wurde. Für die globalen "Märkte" der digitalen Welt müssen andere Gesetze und Rechtsprinzipien gelten als für Deinen kleinen Flohmarkt, alleine schon weil es um ganz andere Größenordnungen geht. Digitale Produkte sind ihrer leichten Vervielfältig- und Verbreitbarkeit wegen nicht mit einem geklauten Schnuller ( :lol: ) vergleichbar, der auf einem Flohmarkt verscherbelt wird.

Ich sehe ein, dass, zumindest in absehbarer Zeit, kein Filter entwickelt werden kann, der ausnahmslos alle Uploads korrekt zu überprüfen imstande wäre. Mir war das von vorneherein einigermaßen klar, und Du hast es dem IT- Laien, der ich bin, jetzt noch einmal schön nachvollziehbar veranschaulicht. Ich glaube aber, Du als Informatiker hast einfach einen zu perfektionistischen Anspruch an die Technik, nach dem Motto: Solange es keine annähernd perfekten Filter gibt, soll es gar keine geben, am besten verzichten wir dann überhaupt gleich auf jegliche Regulierung.
Den Autoren der EU-Richtlinie war nach meinem Eindruck durchaus bewusst, dass den Portalen eine perfekte Filterung und damit eine kaum zu erbringende "Beweislast" nicht zugemutet werden darf. In dem von Dir als Gummi bezeichneten Art. 17 Abs. 5 wird eine Vehältnismäßigkeit der Mittel und des Aufwands eingeräumt - klar, dass YouTube dabei anders als kleinere Anbieter einen "hohen branchenüblichen Standard" (aber eben auch keinen absolut "perfekten") erfüllen muss. Und Abs. 4 des gleichen Artikels geht auf die realistischerweise nie auszuschließenden Fälle ein, in denen unerlaubte Uploads allen Vorkehrungen zum Trotz doch durch die Maschen schlüpfen (YouTube muss dann jedenfalls nicht gleich seine Schließung befürchten :roll: ).

Auch ich fände es nicht hinnehmbar, wenn aus der EU-Richtlinie (bzw. seiner ja erst noch anstehenden Umsetzung in deutsches Recht) jedem kleinen Forum ein Strick gedreht werden könnte, bin in der Hinsicht aber, wie klar geworden sein dürfte, deutlich optimistischer als Du. Im Grunde ist die Urheberrechtsreform doch eine "Lex YouTube", die endlich die einschlägigen datenhungrigen Internetkonzerne stärker in die Pflicht nehmen will.
TomL hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.03.2019 23:16:03
... das geht gar nicht... das ist die weitere Fortsetzung des Abbaus von Demokratie und demokratischen Grundrechten in der EU.... angefangen mit der Vorratsdatenspeicherung, Quellen-TKÜ, erweitertes UKUSA-Abkommen, aktuell Whatsapp-Entschlüsselung, digitale Kinder-Überwachung, der Dämonisierung von Verschlüsselungstechniken (Tor-Netzwerk) ... was alles zusammengenommen einer Entmündigung der Verfügungshoheit auf die eigenen Daten und einer Entmündigung des Rechts auf digitale Privatsphäre entspricht oder darauf hinausläuft. Man muss das im Gesamtkontext sehen, dann erkennt man eine deutliche Richtung.
Zu Recht weist Du auf die besorgniserregende Gefahr zunehmender Überwachung hin, auch wenn ich da vielleicht andere Schwerpunkte setzen würde. Den größten und gefährlichsten Datenhunger haben nach meiner Einschätzung nicht die Staaten, sondern Google und Co. Auch urheberrechtlich geschützte Werke sind für diese Konzerne erst einmal nichts als "Daten", die deren Begehrlichkeit wecken – ebenso wie unsere privatesten Daten, die wir ihnen unter dem euphemistischen Deckmantel der "Personalisierung" freigiebig zur Verfügung stellen. Die amerikanische Sozialpsychologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff spricht hier knallhart von "Überwachungskapitalismus" und einem "marktgetriebenen Putsch von oben". "Einst haben wir Google durchsucht, jetzt durchsucht Google uns" – mit diesem Bonmot bringt Zubroff es in einem sehr lesenswerten Interview der Wochenzeitung "Der Freitag" auf den Punkt, das leider (noch?) nicht online verfügbar ist [*].

Statt mich wegen der m.E. äußerst hypothetischen Möglichkeit, dass das Debianforum unter der Knute der EU-Richtlinie wird leiden müssen, nass zu machen, sehe ich die Urheberrechtsrichtlinie insgesamt positiv, nämlich als einen im Detail unbestritten verbesserungswürdigen Versuch, den "Überwachungskapitalismus" nicht mehr länger ohne Gegenwehr schalten und walten zu lassen.

[*] Eine Form der Tyrannei, die sich von Menschen ernährt. Shoshana Zuboff könnte sich eine digitale Welt auch ohne Überwachungskapitalismus vorstellen. In: Der Freitag, 28. März 2019

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hikaru
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Re: das Forum nimmt am #321EUOfflineDay teil

Beitrag von hikaru » 01.04.2019 11:47:45

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 14:09:01
Anders als der Flohmarktorganisator streicht der "Marktplatz" Youtube praktisch sämtliche Gewinne ein. Seine Milliardenumsätze verdankt YouTube ganz wesentlich den nutzergenerierten Inhalten; darauf basiert YouTubes Geschäftsmodell. Das von Dir nun ins Spiel gebrachte Verursacherprinzip lehne ich kategorisch ab, da es Youtube und Co. erlauben würde, den ihnen kostenlos zuarbeitenden Nutzern auch noch die Verantwortung für illegale Uploads aufzubürden (siehe auch meine obige Antwort an TomL).
Ich verstehe deine Argumentation, aber ich finde, dann geht die Problemlösung, welche Art 17 (13) darstellen soll, am eigentlichen Problem vorbei - und das ist schlecht, sowohl konzeptuell als auch von den Auswirkungen her.

Ob das Geschäftsmodell von Youtube(/Facebook/etc.) in der aktuellen Form gesellschaftlich tragbar ist, kann man gern diskutieren. Und wenn man zum Schluss kommt, das es das nicht ist, kann man gern über Gesetze nachdenken, die dieses Geschäftsmodell ändern, so dass Youtube z.B. wirklich zum inhaltsneutralen Flohmarkt wird, und die Einnahmen (Abzüglich angemessener "Standgebühr") direkt an die Inhalteanbieter, also die Uploader, gehen.
Vom Verursacherprinzip wirst du mich aber schwer wegbekommen, denn ich halte das für ein überzeugendes Konstrukt: Wer Mist baut, muss dafür gerade stehen. Jemand anderen juristisch zum Verursacher zu erklären, weil er einfacher greifbar ist, halte ich für einen Hütchenspielertrick.

Meine Vermutung ist, dass die Vertwerterindustrie Druck auf die Politik macht, diese sich aber nicht an Gesetze traut, welche Youtube & Co. in ihrer aktuellen Form zerschlagen und auf gesellschaftlich getragene Füße stellen würden. Stattdessen werden sie jetzt über eine halbgewalgte Urheberrechtsreform reguliert, welche die Verwerter zufriedenstellt, dabei aber sehenden Auges in Kauf nimmt, dass andere Plattformen, welche schon jetzt "gesellschaftsverträglich" funktionieren, mit unter die Räder kommen.
Das ist zwar einfacher umzusetzen, erweist der Gesellschaft aber einen Bärendienst.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 14:09:01
Ich sehe ein, dass, zumindest in absehbarer Zeit, kein Filter entwickelt werden kann, der ausnahmslos alle Uploads korrekt zu überprüfen imstande wäre. Mir war das von vorneherein einigermaßen klar, und Du hast es dem IT- Laien, der ich bin, jetzt noch einmal schön nachvollziehbar veranschaulicht. Ich glaube aber, Du als Informatiker hast einfach einen zu perfektionistischen Anspruch an die Technik, nach dem Motto: Solange es keine annähernd perfekten Filter gibt, soll es gar keine geben, am besten verzichten wir dann überhaupt gleich auf jegliche Regulierung.
Mein Ansatz mag da sehr perfektionistisch sein, das stimmt. Aber ich glaube, mit weniger dürfen wir uns hier nicht zufriedengeben, denn es stehen demokratische und rechtsstaatliche Grundrechte auf dem Spiel.
Die Interessen der Künstler in allen Ehren, aber auf der anderen Seite liegt Zensur in der Waagschale. Das ist Art 5 GG. Nun hatten die Gründungsväter der BRD bei der Ausarbeitung des GG natürlich nicht Youtube im Kopf, aber interaktive Plattformen aller Art im Netz haben heute bei der öffentlichen Meinungsbildung weitgehend die Rolle traditioneller Medien ohne echten Rückkanal übernommen. Daher müssen mMn auch die Grundrechte entsprechend modern interpretiert werden.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 14:09:01
Den Autoren der EU-Richtlinie war nach meinem Eindruck durchaus bewusst, dass den Portalen eine perfekte Filterung und damit eine kaum zu erbringende "Beweislast" nicht zugemutet werden darf. In dem von Dir als Gummi bezeichneten Art. 17 Abs. 5 wird eine Vehältnismäßigkeit der Mittel und des Aufwands eingeräumt - klar, dass YouTube dabei anders als kleinere Anbieter einen "hohen branchenüblichen Standard" (aber eben auch keinen absolut "perfekten") erfüllen muss. Und Abs. 4 des gleichen Artikels geht auf die realistischerweise nie auszuschließenden Fälle ein, in denen unerlaubte Uploads allen Vorkehrungen zum Trotz doch durch die Maschen schlüpfen (YouTube muss dann jedenfalls nicht gleich seine Schließung befürchten :roll: ).
Aber Youtube muss dann einen Rechtsstreit darüber befürchten, ob die implementierten Uploadfilter dem Gesetz ("hoher branchenüblicher Standard") gerecht wurden. Youtube mag sich solche Prozesse leisten können, feltel vermutlich eher nicht.
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 14:09:01
Auch ich fände es nicht hinnehmbar, wenn aus der EU-Richtlinie (bzw. seiner ja erst noch anstehenden Umsetzung in deutsches Recht) jedem kleinen Forum ein Strick gedreht werden könnte, bin in der Hinsicht aber, wie klar geworden sein dürfte, deutlich optimistischer als Du. Im Grunde ist die Urheberrechtsreform doch eine "Lex YouTube", die endlich die einschlägigen datenhungrigen Internetkonzerne stärker in die Pflicht nehmen will.
Als eine "Lex Youtube" sehe ich das Gesetz nicht. Warum muss denn Wikipedia explizit ausgeklammert werden?
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
29.03.2019 14:09:01
Zu Recht weist Du auf die besorgniserregende Gefahr zunehmender Überwachung hin, auch wenn ich da vielleicht andere Schwerpunkte setzen würde. Den größten und gefährlichsten Datenhunger haben nach meiner Einschätzung nicht die Staaten, sondern Google und Co.
Auch wenn das nicht an mich gerichtet war:
Ich teile deine Meinung hier nur bedingt. Den größten Datenhunger haben vielleicht Konzerne, aber der größte Einflus ihres Datenhungers geht von staatlichen Stellen aus. Ob ich Unternehmen meine Daten geben möchte, liegt zum Großteil in meiner eigenen Hand. Ich kann das für gewöhnlich dadurch unterbinden, dass ich die entsprechenen Dienste nicht nutze. (Dass Google und Facebook vermutlich auch über mich Profile haben, allein schon weil z.B. Nutzer von Android-Handys meine Nummer in ihrem Telefonbuch haben ist mir bewusst und finde ich nicht ok.)
Bei staatlichen Stellen habe ich diese Wahl nicht: Das Einwohnermeldeamt verscherbelt meine Daten an den "Beitragsservice", meine gesetzliche KV reicht meine Daten über die EGK ohne meine Einwilligung an eine Firma weiter, polizeiliche Aufnahmen von mir auf Demonstrationen werden in den USA abgelegt und auch in Deutschland schnüffeln Polizeimitarbeiter in der Mittagspause gern mal privat in meinen Daten.

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