SGibbi hat geschrieben: 12.01.2018 02:03:40
oder die bittere Armut in den ehemaligen Deutschen Kolonien in Afrika, die uns als ehemalige Kolonialherren beschämen sollte.
Ich war vor ein paar Monaten in Namibia.
Die Deutschen haben diese Kolonie 1915 de facto an die Briten verloren.
An der Alte Feste in Windhoek steht ein Schild, dass die von den Deutschen erbaut wurde, um den Frieden zwischen den miteinander verfeindeten Herero und Nama zu sichern. 1904 waren die beiden dann gegen die Deutschen verbündet. Ich sehe da Parallelen zu Afghanistan heute.
1915 waren dann die Herero mit den Briten gegen die Deutschen verbündet. Und etwas später wurden sie von den Briten interniert.
Besonders interessant war ein Gespräch mit einer Frau, die sich als Herero sieht. Ihr biologischer Vater ist Bure, aber eingetragen ist ein Damara. Ihre Mutter sah sich als Herero. Die Mutter der Mutter war Herero. Und der Vater der Mutter war Deutscher.
Ich fragte sie, ob sie sich wegen ihrer Abstammung als Täter und Opfer in einer Person sieht. Ihre Antwort war, dass, wer Versöhnung wolle, kein Geld fordern würde.
Es gibt ja Leute, die meinen, dass schon ein Opfer sei, wer ein deutsches Großelter habe. Besonders schwer trifft es dann die, die vier davon haben.
Die Frau war an einer Beziehung zu mir interessiert, um in Deutschland leben zu können. Ich habe das abgelehnt, weil ich das nicht der anonymen Allgemeinheit in Deutschland aufs Auge drücken will. Aber ich habe ihr geraten, wegen ihrer Abstammung einen deutschen Pass zu holen. Ihr Opa ist deutsch, ihre Mutter ist deutsch, sie ist deutsch. Das hatte sie aber bereits versucht. Ohne Erfolg.
Danach sprach ich mit einem 65jährigen Namibier, von dem jedes seiner vier Großeltern in Deutschland geboren war. Auch er hatte schon erfolglos versucht, einen deutschen Pass zu bekommen. Er hätte gerne von der Rente aus Deutschland Dauerurlaub in Namibia gemacht.
Das Reiterdenkmal wurde vor Jahren von seinem Sockel entfernt, und vor die Alte Feste gestellt. Auf dem alten Sockel steht eine Statue von Nujoma, direkt vor dem Independence Memorial, das von Nordkorea gebaut wurde, und auch so aussieht.
Inzwischen steht das Reiterdenkmal in der Alte Feste, so dass man es nur sieht, wenn man rein geht. Auf dem Sockel vor der Alte Feste steht jetzt ein Monument mit einem schwarzen Mann und einer schwarzen Frau mit gesprengten Ketten. Darunter ein Bild wie ein Deutscher zwei Schwarze aufgehängt hat. Darüber der Text aus der Hymne: Their blood waters our freedom.
Ich bin dann in ein Bürogebäude neben der Alten Feste gegangen, und habe einen durchs Gitter, herangerufen, wollte von ihm wissen, wer der Kerl auf dem Pferd sei. Das war ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter, der mich dann gleich in sein Büro bat. Er meinte, es sei Kaiser Wilhelm II. Der war es aber nicht, wegen der Hand. Da ich wusste, dass der Enkel von Hendrik Witbooi, der Swapo-Politiker Dr hc Hendrik Witbooi den Kopf seines Großvaters aus dem Überseemuseum in Bremen nach Namibia geholt hat, sprachen wir über den. Der Mann sagte mir, dass der Kopf nicht beerdigt worden sei, sondern im Keller des Museums liege, und irgendwann mal im Independance Memorial feierlich ausgestellt würde.
In Namibia herrscht unglaubliche Verwaltung. Stundenlang schlangestehen und Formulare ausfüllen, ist normal. Man muss zum Wechseln von Bargeld seinen Pass vorlegen, und der Mensch am Schalter muss von Hand eintragen, in welcher Stückelung er das Geld ausgezahlt hat. Beim Bahnfahren muss man seine Fahrkarte unterschreiben, sie wird am Anfang der Reise gelocht, am Ende eingesammelt, und alles wird dokumentiert. Beim Kauf eines Kasten Bieres mit Rückgabe einer leeren Kiste, steht man erst bei der Leergutannahme, der Name wird aufgeschrieben und ins Büro gebracht. An der Kasse dann geht jemand ins Büro und holt den Zettel, dann kommt ein Vorgesetzter, der einen Code eingibt, und am Ende zeichnet ein Wachmann am Ausgang den Kassenzettel ab.
Den Fahrkartenschalter der Eisenbahn muss man suchen. Es gibt kein Schild. Ein Verwalter dort fragte mich, was man denn besser machen könne. Ich sagte, dass ein Schild an der Straße hilfreich sei. Die Antwort war, dass das seit über einem Jahr bestellt sei, aber noch nicht geliefert worden sei. Auf die Idee, so ein Schild mit Pappe und Stift selbst zu malen, kommen die nicht. Ist möglicherweise unerwünscht. Könnte sich ja einer dran verletzten. Und wenn das nicht genehmigt ist. Uijuijui...
Man könnte in Namibia einiges Technisches machen. Man könnte in der fast immer wolkenlosen Wüste eine Wasserstoffproduktion aufbauen, 20 Jahre lang die Hälfte des komprimierten Wasserstoffs als Bezahlung per Schiff nach Deutschland holen, und dann das Ding denen überlassen.
Aber das ist nicht gewünscht. Stattdessen sind da Heerscharen von deutschen Wissenschaftlern, die Nashörner zählen und jahrelang ihre Doktorarbeit darüber schreiben, während sie in eingezäunten Unterkünften residieren und von fünf Leuten bedient werden, die pro Tag 10 Euro bekommen, während Nahrungsmittel teurer als in Deutschland sind.
In Hostels gibt es praktisch keinen weißen Arbeiter. Arme weiße Arbeiter gibt es auch, aber nicht da, wo Touristen sind. Die Touristen haben es offensichtlich gerne, von vielen Schwarzen bedient zu werden. Und sie geben kaum Trinkgeld, so haben mir es jedenfalls einige der Arbeiter gesagt, nachdem ich sie danach gefragt hatte.
Wenn sie dann bekifft waren, erzählten mir die deutschen Touristen oder Doktoranden, dass alle Menschen das Recht hätten, in Deutschland zu leben und von der anonymen Allgemeinheit dort versorgt zu werden.
Auf meine Anmerkung, dass er, wenn er ohne Visum durch die Wüste nach Angola geht, vllt beschossen wird, aber sicherlich, wenn er dort kontrolliert wird, nach Deutschland abgeschoben wird, und Einreiseverbot erhält, kam dann die entsetzte Frage, ob ich denn nicht an die Menschenrechte glauben würde.
Besoffene sprechen oft die Wahrheit. Es geht um Glauben. Das ist etwas Religiöses.
Vor einer Schule fand ich einen Geschichte-Test für Klasse 10.
Die letzte Frage war "Benenne zwei Merkmale eines faschistischen Staats und gibt jeweils ein Beispiel!".
Meine Antwort wäre gewesen "Führerkult und Terror gegen Ungehorsame. Beispiel: In jedem Laden ein Bild vom Präsidenten mit den albernen Ehrentiteln His Excellency und Doktor humoris causa, und Schulverweis für mich.".
Ich hatte vor meiner Reise mit dem Gedanken gespielt, nach Namibia auszuwandern, habe das aber schnell verworfen.
Ich befürchte, in Namibia das erlebt zu haben, wohin die Reise in Deutschland geht.
Und einen Rastamann aus Malawi habe ich noch getroffen. Der hat ua mit einer Gruppe von zehn europäischen Frauen in den 20ern getrommelt. Das Gespräch mit ihm war sehr interessant. Er ist aus Malawi, fühlt sich einer Kultur angehörig, die auf Jamaica von Leuten aus Westafrika gelebt wird, und sieht einen Enkel des Haile Selassi als Kandidaten für den Königsthron der kommenden Eine-Welt-Regierung, weil der in direkter Linie von Salomon abstamme.
Da fügten sich bei mir einige Puzzlestücke zusammen. Und damit bin ich bei der Überschrift: Der 3. Weltkrieg, divide et impera.
Wir sollten vor lauter Schämen nicht das Beobachten und Denken vergessen!