Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

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heisenberg
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Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

Beitrag von heisenberg » 21.10.2022 05:40:08

Ich finde aktuelle Serien/Filme irgendwie wesentlich ansprechender als frühere. Wenn ich z. B. die ersten Star Wars Filme - die mich natürlich besonders geprägt haben, weil ich sie in meiner Jugend gesehen habe - vergleiche mit den aktuellen Star Wars Serien, dann sind die Figuren deutlich differenzierter ausgearbeitet. Früher war doch alles eher sehr platt war, à la: Öch wörde dö Gölöxis böhörrschön! Hörr, Hörr, Hörr!. "Gute" und "Böse" schlicht einförmig und ohne große Ausgestaltung. Oder Kampfstern Galactica, die Ursprungsserie. Absolut dumme Superhirn-Roboter und der Ursprungs-Baltar mit seinen immer gleichen Platituden. Der modernere Galactica-Nachfolger war zwar auch deutlich differenzierter, hat mich aber überhaupt nicht angesprochen. Der Ableger aus in etwa der gleichen Zeit Caprica dagegen schon viel mehr.

Aktuell sehe ich viele einzelne, gut ausgearbeitete, authentische und realistische Charaktere. Irgendwie auch oft unbekannte Darsteller, was dem für mich absolut keinen Abbruch tut. Charakterentwicklungen über die Zeit hinweg. Spannungsbögen über Staffeln gespannt, statt immer gleiche Serienabläufe.

DS9 hatte ja auch schon eine episodenübergreifenden Handlung und deutlich weniger Eine-Episoden-Handlungen. Babylon 5 finde ich in der Hinsicht schon eher einen Vorreiter, der trotz vermutlich sehr geringem Budget und demzufolge auch für damalige Verhältnisse recht schlechte CGI viel von den Themen Charaktere und Gesamthandlung hatte. Aber aktuell scheint mir das noch mal deutlich weiter entwickelt zu sein. An Filmen, die da schon älter sind und für mich herausragen kommt mir gerade Dogville in den Sinn.

Ich muß sagen, davon bin ich eigentlich ziehmlich begeistert. Natürlich haben v. a. aktuelle Serien ja auch ein gigantisches Budget. Das macht da bestimmt schon vieles mehr möglich.

Schönes Zitat: Das Tempo der Unterdrückung übersteigt unsere Fähigkeit sie zu begreifen.
... unterhält sich hier gelegentlich mangels wunschgemäßer Gesprächspartner mal mit sich selbst.

uname
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Re: Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

Beitrag von uname » 21.10.2022 07:31:01

heisenberg hat geschrieben:Natürlich haben v. a. aktuelle Serien ja auch ein gigantisches Budget.
Früher hat mal GEZ-Gebühren bezahlt, ist vielleicht mal ins Kino gegangen und hat vielleicht am Ende den Film als VHS oder DVD gekauft.

Wer heute gewisse Inhalte sehen will, muss sich gleich mehrere Anbieter gleichzeitig zu einem monatlichen Budget zulegen.
Ich denke bei einigen Konsumenten entspricht dieses Streaming-Budget schon einige ehemalige DVDs im Monat. Natürlich waren auch damals viele schon bereit dies zu zahlen.

Heute ist es aber so, dass viele Inhalte (selbst mit Werbung) gar nicht mehr die nichtzahlende Bevölkerung erreicht.

Aber auh die öffentlich rechtlichen Sender sind nicht besser. So wird bei ARD Plus auch noch mal 4,99 Euro im Monat für Inhalte verlangt, die früher einfach wiederholt oder in den Mediatheken gelandet sind.

Eigentlich könnten alle öffentlich rechtliche Inhalte der vergangenen Jahre per Internet angeboten werden. Bezahlt werden müsste hierbei nur der Aufwand, um die Streaming-Plattform zu betreiben. Der Inhalt selbst ist längst bezahlt. Am Ende werden mit den vollkommen überzogenen Preisen von 4,99 Euro pro Monat für ARD Plus die heute schon unfassbar hohen Kosten der öffentlich rechtlichen Sender quersubventioniert.

Aber die Kuh muss gemolken werden. Egal ob Star Wars oder ARD.
Der Inhalt ist nicht wirklich besser geworden. Es war nur eine andere Zeit.
Wer will kann die neue bunte Welt unterstützen, wer nicht lässt es bleiben.

Ach ja. Selbst Youtuber bieten Inhalte, die heute weit professioneller sind als Dokus der 1980er-Jahre im TV.

Gerade gestern hat Flo Plus ein Video zur Schockwelle des Tonga-Ausbruchs vom vom 15.01.2022 veröffentlicht.
Die Welle widerlegt die flache Erde, belegt die Kugel-Erde und ermöglicht die Berechnung des Radius unserer Erde. Sehr interessant.

Flo Plus - Was die SCHOCKWELLE des Tonga-Ausbruchs über die Form der Erde verrät | Vulkanausbruch
https://www.youtube.com/watch?v=WAIKx1XNYBU

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debilian
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Re: Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

Beitrag von debilian » 21.10.2022 09:52:06

Ich sehe das genau anders rum, aktuelle Filme und Serien bedienen das immer gleiche Schema; arm/reich, Liebe/Hass, Macht/Ohnmacht, Krieg und Frieden (Gut und Böse) -
immer gleich und vorhersehbar und für mich; sehr langweilig.
Da ändert auch der 100 Zoll Monitor nichts.
Gute Schauspieler sind selten und werden oftmals von zu schnellen Schnitten, hektischer Musik und Reizüberflutung überdeckt.
Darum hab ich gar kein Abo für gar nichts, da ich mir das alles gar nicht angucken möchte...

sry

my 2 cent

ps. es gibt einige wenig ältere amerikanische Serien, bei denen ich die 1. Staffel manchmal gut ertragen kann, ab Staffel 2 wird es beliebig...
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Re: Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

Beitrag von hikaru » 21.10.2022 10:40:50

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.10.2022 05:40:08
Aktuell sehe ich viele einzelne, gut ausgearbeitete, authentische und realistische Charaktere. Irgendwie auch oft unbekannte Darsteller, was dem für mich absolut keinen Abbruch tut. Charakterentwicklungen über die Zeit hinweg. Spannungsbögen über Staffeln gespannt, statt immer gleiche Serienabläufe.
Die Sehgewohnheiten haben sich geändert.
Früher bist du täglich von der Arbeit/aus der Schule gekommen, hast dich vor die Glotze gesetzt und deine Lieblingserie angemacht. Es war ein fest eingeplantes Ritual deines Tagesablaufs. Und wenn etwas dazwischen kam, hast du diese Episode verpasst (Videorecorder, wenn vorhanden, programmieren war mühsam).
D.h., Serienmacher mussten darauf achten, dass die Gesamthandlung der Serie auch dann verständlich blieb, wenn einzelne Episoden ausgelassenen wurden. Episoden mussten daher in sich abgeschlossen sein und episodenübergreifende Veränderungen (z.B. Charakterentwicklungen) durften nicht kritisch für das Verständnis der Serie sein.
Heute dominiert Streaming. Du hast es in der Hand, wann du was schaust und bist nicht mehr an von außen vorgegebene Sendetermine gebunden. Die Restriktionen früherer episodenorientierter Handlungen fallen daher weg, was das Tor für mehr Tiefe in Charakterentwicklung und Handlung öffnet.

debilian hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.10.2022 09:52:06
Ich sehe das genau anders rum, aktuelle Filme und Serien bedienen das immer gleiche Schema; arm/reich, Liebe/Hass, Macht/Ohnmacht, Krieg und Frieden (Gut und Böse) -
immer gleich und vorhersehbar und für mich; sehr langweilig.
Das ist die Kehrseite der Medaille. Als Zuschauer ist es heute eine viel größere Investition, einer Serie zu folgen, denn du folgst nicht mehr einzelnen Episoden, sondern ganzen Staffeln oder gar der ganzen Serie. Du kannst nicht mehr entscheiden, einer Serie nicht mehr zu folgen, wenn sie dir keinen Spaß mehr macht und dich hinterher einfach wieder umentscheiden. Du brauchst die ganze Staffel/Serie zum Verständnis.
Das wissen auch die Macher, was dazu führt, dass sie weniger risikofreudig sind als zuvor. Eine schlechte Episode kann man aussitzen, wenn sie für sich allein steht, aber nach einer schlechten Staffel sind die Zuschauer weg. Daher folgen die meisten Serien heute Variationen der bekannten ausgetretenen Pfade.

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MSfree
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Re: Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

Beitrag von MSfree » 21.10.2022 12:17:16

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.10.2022 10:40:50
Die Sehgewohnheiten haben sich geändert.
Früher bist du täglich von der Arbeit/aus der Schule gekommen, hast dich vor die Glotze gesetzt und deine Lieblingserie angemacht.
Ich sehe da wenig Ändrung an den Sehgewohnheiten. Man kommt Heim, startet den Rechner und glotzt Netflix. Früher hat man halt ARD, ZDF oder, wenn man nah genug der ehemaligen "Zonengrenze" gewohnt hat, auch mal das DDR-Fernsehen geglotzt. Der eigentliche Inhalt ist doch heute wie früher weitgehend egal, es geht um Ablenkung vom Alltag.

Was heute anders ist, ist der inhaltliche Zusammenhang von Einzelfolgen, die zum Bingewatching animieren soll. Man soll gefälligst so viel wie möglich von der einen Sorte konsumieren, ohne auf das Konkurrenzprodukt auszuweichen.

Der Kommisar ist in 7 Jahren auf 97 Folgen gekommen, rund 14 Folgen pro Jahr. Wenn man nur alle 3-4 Wochen eine neue Folge zu sehen bekommt, kann sich kaum noch jemand an die vorherige Folge erinnern, was die Macher geradezu zwingt, inhaltlich abgeschlossene Folgen zu produzieren.

Das Ritual ansich, seinen Feierabend vor der Mattscheibe zu verbringen, hat sich nur dahingehend geändert, daß heute vermutlich noch mehr Zeit vor der Mattscheibe verbracht wird als früher.
Heute dominiert Streaming.
Tut es das wirklich?

Netflix und Co. gehen natürlich ausschließlich über diesen Weg. Aber dominiert dieses kommerzeile Streaming wirklich den Markt?

Beim linearen TV nimmt Streaming doch eher eine untergeordnete Stellung ein, nämlich dann, wenn man eine bestimmte Sendung verpaßt hat, die man unbedingt sehen wollte.

Ich selbst habe weder Satelliten-TV noch Kabelfernsehen und empfange das TV-Programm über Antenne und verzichte hier sogar noch auf die Freenet-Gebühren, so daß ich nicht einmal die privaten Sender empfangen kann. Ich nutze auch kein Abo bei den kommerziellen Streamern. Ich bin mit meiner Konsumverweigerung vermutlich wenig repräsentativ. Ich brauche dieses "Opium" für mich einfach nicht und bin eher erschreckt, wenn ich erzählt bekomme, was die Leute sich im Bekanntenkreis so alles "reinziehen".

Aber auch im ÖR gibt es diese unsäglichen Telenovellas mit einer täglichen neuen Folge, die genau das bedienen, was oben schon beschrieben wurde, nämlich einen fortsetzenden Handlungsstrang. Das Prinzip irgendeiner Netflixserie und diesen Telenovellas ist dasselbe, nur daß die Telenovellas noch kitschiger und verblödender sind.

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Re: Fortschreiten der Entwicklungsstufe von Serien und Filmen

Beitrag von hikaru » 21.10.2022 12:41:22

MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.10.2022 12:17:16
Ich sehe da wenig Ändrung an den Sehgewohnheiten. Man kommt Heim, startet den Rechner und glotzt Netflix. Früher hat man halt ARD, ZDF oder, wenn man nah genug der ehemaligen "Zonengrenze" gewohnt hat, auch mal das DDR-Fernsehen geglotzt. Der eigentliche Inhalt ist doch heute wie früher weitgehend egal, es geht um Ablenkung vom Alltag.
In diesem Szenario ist es dir (fast) egal, was du schaust. Du willst dann nur den Kopf durchspülen.

Was ich meinte ist etwas Anderes:
Wenn du einer Serie ihrer Handlung wegen folgst, dann strukturierst du deinen Alltag in gewisser Weise um diese Serie herum. Früher, als es praktisch nur lineares TV gab, war das eine recht strikte zeitliche Struktur. Wenn du diesen "Termin" nun aus welchen Gründen auch immer nicht wahrnehmen kannst, dann verpasst du diese Episode und kannst sie bis zum nächsten Rerun auch nicht nachholen. Daher müssen Episoden in sich abgeschlossen sein, damit du den nächsten "Termin" ohne Nachteile wahrnehmen kannst.

Genau dieses strikte Zeitregime existiert beim Streaming nicht mehr. Damit entfällt auch die Notwendigkeit für abgeschlossene Episoden.
MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.10.2022 12:17:16
Heute dominiert Streaming.
Tut es das wirklich?
Kommerziell betrachtet, aus Sicht der Macher schon. Und das ist das Entscheidende, denn gezeigt wird nur was auch geschaut wird. Lineares TV ist heute oft nur der sekundäre Vertriebskanal.
MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.10.2022 12:17:16
Ich bin mit meiner Konsumverweigerung vermutlich wenig repräsentativ.
Ja, bist du, denn letztendlich ist der Zweck von TV-Serien nicht den Zuschauer zu unterhalten, sondern mit ihm Geld zu verdienen. Die Unterhaltung ist nur Mittel zum Zweck. Wenn du den Machern nicht beim Geldverdienen hilfst, dann bist du auch nicht marktrelevant.

Das erklärt auch gewissermaßen den von debilian beklagten Einheitsbrei:
Die Einnahmen entstehen durch die Masse. Wenn ich ein Durchschnittsprogramm mache, das viele Menschen leidlich erträglich finden, so dass sie mehr oder weniger widerwillig immer wieder einschalten, dann verdiene ich damit mehr als mit einem Nischenprogramm, bei dem eine handvoll Nerds total abgehen, das aber den Großteil der Menschen überhaupt nicht interessiert.
Das war natürlich auch früher schon so. Aber bei Episodenfernsehen kann ich mit jeder Episode eine andere Nerdkultur bedienen und binde so letztendlich alle. Bei fortlaufenden Handlungssträngen muss ich mich auf eine Richtung festlegen und muss daher durchschnittlich bleiben um alle irgendwie abzuholen.

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