Mögliche Handlungsgrundsätze
Woran sich der ein oder andere hier stört scheint mir bezüglich der gedachten Vorgehensweise zu sein. Ich möchte da mal auf zwei mögliche Vorgehensweisen eingehen:
- Überlegtes und durchdachtes Handeln - Risikovermeidung durch Umsicht: Ausreichend Zeit nehmen. Optionen genau prüfen, ob da Probleme sind, über die man im Verlauf stolpern kann; d. h. die gravierend negative Auswirkungen haben. Sich dabei nur auf faktisch Erreichtes stützen und sich dabei nicht darauf verlassen, dass mögliche, wahrscheinliche Entwicklungen auch wirklich eintreffen.
_
- risikobehaftetes Handeln mit Mut zur Lücke: Aufgrund der Notwendigkeit in einem zeitlich klar definierten Rahmen tatsächlich Veränderungen bewirken zu müssen, die Möglichkeiten zu nutzen die existieren - auch wenn sie nicht perfekt sind - und darauf vertrauen, dass günstige technische, aber derzeit noch nicht vollständig abgeschlossene Entwicklungsschritte erreicht werden. Sich auf das auftreten von Problemen und die Notwendigkeit diese zu lösen einstellen.
zu: Überlegtes und durchdachtes Handeln
Grundsätzlich ist a) auf jeden Fall der wünschenswertere Handlungsgrundsatz: Keinen Scheiß machen! Überlege Dir was Du tust! Wenn Du Handlungen planst, die negative Konsequenzen beinhalten, sei Dir darüber bewusst und entscheide dann u. U. bewusst, diese Konsequenzen aufgrund der getroffenen Prioritäten einzugehen. Gehe keine Risiken ein. Verlasse Dich nur auf das, was sicher ist.
zu: risikobehaftetes Handeln mit Mut zur Lücke
Mein befürworteter Ansatz ist in der aktuellen Situation eher der Zweite. Wenn ich als Startpunkt für die offensichtliche Handlungsnotwendigkeit mal die Veröffentlichung von
Grenzen des Wachstums 1972 ansetze, dann haben wir jetzt 50 Jahre Zeit zum Handeln gehabt. 50 Jahre mit nur sehr geringem Engagement und sogar teilweise der notwendigen Wirkung entgegen gesetzten Handlungen erlebt. Damit meine ich jetzt die staatlichen Eingriffe die zum Einbruch des Ausbaus von Windkraft und PV geführt haben.
Wir hatten die Zeit. Jetzt haben wir sie aber nicht mehr. In der Klimaforschung werden Ergebnisse stets sehr zurückhaltend interpretiert, um ja nicht vorschnell als Alarmist verschrien und vom öffentlichen Dialog ausgeschlossen zu werden, was allerdings trotzdem immer wieder passierte. Als Folge
werden alle Voraussagen, die so sehr tiefgestapelt veröffentlicht wurden, jetzt übererfüllt: Es tritt alles schneller und drastischer ein als erwartet. ist der Klimawandel jetzt in einer Dramatik angekommen, wo ich gerade noch gar nicht wirklich die Auswirkungen absehen kann.
Infolge dessen widerrum steigt der Nachteil des Nicht-Handelns mit der Zeit, die dabei vergeht. Vergeht ein weiteres Jahr ohne Nicht-Handeln, verschiebt sich alles in Richtung Katastrophe: Mehr Hitze, Mehr Dürre, Mehr Starkregen, Höheres Risiko des Zusammenbruchs, höherer Aufwand, höhere Kosten etc.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch starke Kräfte, die das Nicht-Handeln begrüßen. Kräfte die die Veränderung und somit den Klimaschutz komplett ablehnen. Die Tage habe ich bei Lanz(1) zwischen Michael Kretschmer und Volker Quaschning gehört, seitens des Ersteren gehört, dass man ja nicht schneller vorangehen könne, weil der Klimaschutz auch sozial verträglich gestaltet werden müsse. Ich dachte: Wie bitte? Die CDU übernimmt jetzt also schon Positionen der Linken? Wie glaubwürdig ist das denn jetzt? Ist das nicht einfach nur Verzögerungstaktik?
Auf der anderen Seite kann das "Wir haben keine Zeit! Wir müssen handeln!" natürlich auch genutzt werden, um Technologien zu pushen, die uns hier überhaupt nicht helfen. (z. B. Atomkraft. Auf kurze Sicht ist auch Kernfusion nicht hilfreich.).
Buch: Energierevolution Jetzt!
Insofern folge ich da Quaschnings Linie(Ich lese gerade das Buch: Energierevolution Jetzt!(2)).
Das Ziel ist die 100%-ige CO²-Neutralität.
Die Autor:innen schlagen in dem Buch für alle Bereiche des Energieverbrauchs Möglichkeiten vor und rechnen grob durch, was da ungefähr mengenmässig benötigt wird und was da an technischen Möglichkeiten existiert und mit hoher Sicherheit erwartet werden kann. Und dass sich keiner da irgendwelchen Illussionen hingibt: Das was da inhaltlich drin steckt, dass verlangt eine sehr starke Transformation von der derzeit weitestgehenden staatlichen Handlungsblockade und -unfähigkeit zum totalen Gegenteil.
Dabei wird natürlich mit Technologien geplant, die derzeit nicht voll ausentwickelt sind. Z. B. Wasserstoff oder intelligente Stromnetze.
Andere Technologien, wie die Batterietechnik - speziell der aktuelle Stand der Lithium-Ionen-Batterie wird natürlich als Mittel der Wahl vorausgesetzt. Das ist nicht unproblematisch. Lithium ist begrenzt und würde demnächst knapp und demensprechend teuer werden. Wir können uns unsere bisherige Wegwerfmentalität nicht mehr leisten.
Wir müssen deswegen zu annähernd 100% Recycling-Quote kommen, da sonst die Rohstoffe halt irgendwann alle sein werden. Auch hier gilt es ein Stück weit eine Mischung zwischen Vertrauen und Einschätzung bzgl. der Umsetzung von Neuentwicklungen zu haben. Hikaru erwähnte oben mit Zynismus, dass die neue Superbatterie ja jetzt schon regelmässig immer wieder angekündigt wird, aber bis jetzt noch nichts davon zu sehen sei. Nun hat ja wie bereits geschrieben, CATL, der größte Batteriehersteller der Welt Mitte letzten Jahres die tatsächliche Markteinführung von Natrium-Ionen Batterien für 2023 angekündigt(3). Erst als Mischzellen mit NaIon/LiIon - weil erstere noch eine schlechtere Energiedichte haben, welche aber durch weitere Entwicklung zügig gesteigert werden soll - und dann als ausschließliche Natrium-Ionen Batterien.
Auch problematisch sehe ich den ganzen Wasserverbrauch bei der Batterieproduktion und dem Batterierecycling. Ich bin da noch gespannt, was bei der Tesla-Giga-Factory in Brandenburg in der Hinsicht noch so kommt.
Nichts desto trotz: Das und weiteres sind Risiken und Probleme, die da sind, die uns vielleicht eiskalt erwischen werden und mit denen wird man umgehen müssen. Die Kosten und Nachteile des Nicht-Handelns wiegen da für mich sowohl bereits jetzt als auch mit jedem vergehenden Jahr noch viel stärker.
Zuletzt gibt es Technologien, die vorhanden und gut entwickelt sind. Als da beispielsweise wären Windkraftanlagen und Photovoltaik. Natürlich gibt es eine Abhängigkeit zwischen diesen vollentwickelten Technologien und den nicht-voll-entwickelten Technologien: PV und Windkraft brauchen Speicher. Da führt kein Weg dran vorbei.
Aber wenn wir jetzt das tun, was wir können, also massiv Windkraft und Photovoltaik ausbauen und gleichzeitig die notwendigen Technologien zu Ende entwickeln bzw. auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich auch das entwickeln kann, dann haben wir zu einem Zeitpunkt in der Zukunft dann beides geschafft.
Würden wir die andere Variante wählen und sagen: Ok. Wind und PV macht ohne Speicher keinen Sinn. Wir entwickeln jetzt erst Mal die Speicher. Die Speicher haben wir dann irgendwann und stellen dann fest, dass uns ca. 10.000 - 50.000 Windräder und anderes fehlen und dass wir dann halt noch 5-10 Jahre brauchen bis wir das nachholen. Wer weiss, ob wir die Zeit dann noch haben. Davon abgesehen: Die erneuerbaren Energien haben uns in Europa in diesem Jahr auch ohne Speicher so ziehmlich den Arsch gerettet(Stichwort: Frankreich).
(1)
Mediathekviewweb Direktlink(MP4-low): Lanz 24.8. ab 48:20
(2)
Volker und Cornelia Quaschning: Energierevolution Jetzt! Januar 2022
(3)
PV-Magazine: Post-Lithium-Technologie: CATL bringt Natrium-Ionen-Batterien auf den Markt