Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

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paedubucher
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Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von paedubucher » 25.10.2021 22:58:08

Szene 1 (neulich selber erlebt)

Ich gebe einem Praktikanten ein Einführungsbuch in die Programmiersprache Python. Das Buch enthält neben den Erläuterungen auch Beispiele und Übungen. Ich weise ihn an, die ersten paar Kapitel durchzuarbeiten und auch die Übungen zu lösen. Bei Problemen soll er einfach bei mir nachfragen, damit ich helfen kann.

Auf meine spätere Nachfrage, ob es Fragen oder Unklarheiten gebe, erhalte ich ein klares und selbstsicheres "Nein" zur Antwort. Meine Frage, ob er die Übungen auch lösen konnte, wurde mit gleicher Klarheit und Selbstsicherheit bejaht. So lasse ich ihn das ganze Buch durcharbeiten: keine Fragen, alles klar, alle Übungen in kürzester Zeit fehlerfrei gelöst. Ich bin verblüfft.

Nach dieser Übungsphase geht es an konkrete, praktische Anwendungen des zuvor Gelernten. Auf meine Anweisung, eine bestimmte Funktion mit diesem und jenem Argument aufzurufen und das Ergebnis davon in einer passend benannten Variablen abzuspeichern erhalte ich bloss einen fragenden Gesichtsausdruck als Reaktion. Funktionsaufrufe waren Teil des zuvor durchgearbeiteten Kapitels und der zuvor gelösten Übungen. Nach einigen Hinweisen meinerseits zur Erinnerung an das zuvor vermeintlich Gelernte, die ihm auch nicht auf die Sprünge helfen, diktiere ich die Codezeile schliesslich fast zeichenweise, denn offenbar macht selbst die Syntax Probleme.

Ob wohl das Buch zu einfach war? Ich hatte es eigens durchgearbeitet um mich von dessen Qualität zu überzeugen. Zugegebenermassen sind die Übungen nicht schwierig und nur gering an der Zahl. Doch sie konzentrieren sich auf das Wesentliche. Am Buch alleine kann es also nicht liegen.

Szene 2 (von einem Bekannten berichtet)

Eine IT-Abteilung führt einen Workshop zum Thema Softwareentwicklung durch. Es werden Techniken wie Pair Programming und Test-Driven Development geübt. Es wird eine typische Übungsaufgabe gestellt: Die Darstellung von dezimalen Zahlen als römische Zahlen. Die Leute machen sich an die Arbeit.

Als erstes ist der Lehrling (1. Lehrjahr) fertig. Sein Programm funktioniert einwandfrei. Auf die Nachfrage, wie er das so schnell lösen konnte, meint er nur, dass er die Lösung auf Google gefunden und sie einfach kopiert hätte. Die Übung sei ja nun für ihn erledigt.

Szene 3 (vor fast genau zehn Jahren erlebt)

Ich besuche an einer Schweizer Universität ein Proseminar mit dem Titel "Einführung in die slavistische Literaturwissenschaft". Der Professor gibt uns die ein paar Wochen zuvor verfasste Proseminararbeit zurück. Diese sei unterschiedlich gut herausgekommen. Manche Studenten hätten wirklich Mühe beim Formulieren.

Weiter erzählt er die Anekdote, dass sein Sohn jetzt in der Primarschule sei. Ein Vortrag bestehe darin, sich Bilder und Textpassagen aus dem Internet in PowerPoint hinein zu kopieren und das dann der Klasse zu zeigen bzw. das vorzulesen.

Szene 4 (vor einigen Wochen erlebt)

Einer Berufsschulklasse (angehende Softwareentwickler) gebe ich die Aufgabe, ein Git-Repository mit Theoriefragen zu forken, einen Text zum Thema durchzulesen, und diese Theoriefragen dann zu beantworten. Das Ergebnis möchte ich anschliessend zu einem PDF kompilieren, damit die Auszubildenden es als Lernhilfe für die Prüfung verwenden können.

Eine grosse Anzahl von Fragen bleibt leider unbeantwortet. Bei den beantworteten Fragen handelt es sich zu einem grossen Teil um 1:1 aus dem vorgelegten Text kopierten Passagen, wodurch die Fragen nur teilweise treffend beantwortet werden.



Was haben diese Szenen gemeinsam? Sie scheinen ein neues Verständnis von "machen" oder "erledigen" zum Ausdruck zu bringen. Eine Lösung zu einer Übung aus dem Internet zu kopieren wird offenbar als gleichwertig betrachtet, wie wenn man diese selber gelöst hätte. Müsste man ein Musikstück auf einem Instrument üben, könnte man stattdessen auch einfach auf die persönliche Spotify-Playlist verweisen, welcher man zuvor eine entsprechende Interpretation hinzugefügt hat.

Sind meine geschilderten Beobachtungen reiner Zufall, oder kann mir jemand diesen kulturellen Wandel in den letzten 10-20 Jahren bestätigen? In meinen Tätigkeiten als Lehrlingsausbildner, Praktikumsbetreuer und Teilzeitlehrer, die ich noch kein Jahr ausübe, bin ich doch regelmässig irritiert. Hat jemand von euch mir vielleicht einige ergänzende, gegenteilige oder bestätigende Erlebnisse oder Interpretationen anzubieten? Vor lauter mir am Kopf kratzen komme ich gedanklich gerade nicht weiter...
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von hikaru » 26.10.2021 00:07:07

Szene 1:
Du lässt den Praktikanten tatsächlich das ganze Buch durcharbeiten, bevor du ihn prüfst? Dein Fehler!
(Für ihn) Gutwillig interpretiert wurde er Opfer des Dunning-Kruger-Effekts, denn er hatte offenbar nicht genug von dem Stoff verstanden um auch nur zu erkennen, dass er nichts verstanden hat. Böswillig ausgedrückt hat er gehofft, sich in dem Moment als du ihn das erste mal gefragt hast, drücken zu können. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.
Wenn du das nächste mal fragst ob alles klar ist, und die Antwort lautet "ja", dann stelle sofort(!) eine Aufgabe die mit dem bisher Erabeiteten lösbar sein sollte!

Szene 2:
Der Lehrling war ein "Rebell". [1] Offenbar war die Aufgabe nicht präzise genug formuliert. "Präsentiere eine Lösung für Problem X!" lässt sich valide mit Copy&Paste lösen, "Erkläre den Lösungsweg in eigenen Worten!" nicht.
Das ist "Mathelehrer-ABC 1.01" und sollte aus der eigenen Schulzeit hinlänglich bekannt sein.

Szene 3:
Es wird leider nicht klar wie die Aufgabenstellung des Sohnes genau formuliert war. Daher lässt sich auch nicht beurteilen, ob die Lösung valide war. Falls das Ziel der Übung "Medienkompetenz" war, könnte das Zusammensuchen der richtigen Text- und Bildschnipsel durchaus als valide Lösung zu betrachten sein.

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.10.2021 22:58:08
Was haben diese Szenen gemeinsam?
Szene 1 und 2 haben gemeinsam, dass der Ausbilder seine Arbeit nicht erledigt hat.*
Dass die Schüler/Lehrlinge/Praktikanten/etc. die einfachste Lösung suchen ist weder neu noch unerwartet. Wenn die Aufgabe korrekt gestellt ist, ist es sogar erwünscht.


[1] viewtopic.php?p=1279161#p1279161

*) Ich gehe hier davon aus, dass die Begriffe "Praktikant" und "Lehrling" Hinweise darauf sind, dass es sich nicht um eine universitäre Studiensituation handelt, sondern um eine eher praxisnahe Ausbildungssituation. Der Unterschied ist in Bezug auf die Mentalität in sofern von Bedeutung, als dass von Uni-Studenten gemeinhin erwartet wird, ihre Lösung auf Wissenserlangung hin zu optimieren, während von Auszubildenden pragmatische Lösungen verlangt werden.

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von Meillo » 26.10.2021 07:26:21

Ueblicherweise machen die Leute das was fuer sie eine Erfolgsstrategie darstellt. Wenn Ja-Sagen ohne es wirklich verstanden zu haben, fuer sie erfolgreicher ist als Nein zu sagen, dann tun sie es. Wenn Code kopieren fuer sie erfolgreicher ist als ihn selbst zu schreiben, dann tun sie es. Wenn das ``kreative Auslegen'' der Aufgabenstellung fuer sie erfolgreicher ist als zu tun was der Lehrer vermutlich gemeint hat, dann tun sie es.

In dieser Hinsicht muesste man da ansetzen, dass dieses Verhalten nachteilig ist und das gewuenschte Verhalten fuer sie mehr Vorteile bietet.


Ich beobachte aber schon auch was du beschreibst. Das ist sicherlich die Folge der Fortentwicklung und Veraenderung der Welt und damit ein aufkommender Generationenkonflikt, den du hier nun zu spueren beginnst. Die aelteren Personen hier werden solche Erfahrungen vermutlich schon Jahrzehnte frueher gemacht haben. Vielleicht sind manche Veraenderungen in manchen Zeiten besonders auffaellig, das Phaenomen scheint mir aber immer das Gleiche zu sein.


Vielleicht nochmal zur Umrechnung der arabischen in roemische Zahlen. Wirklich falsch hat sich der Lehrling da nicht verhalten, finde ich. Ich habe in Pruefungen auch schon manches erwartete Faktenwissen nicht auswendig gelernt und stattdessen nur erklaert, wo ich es jederzeit nachlesen kann. Damit kann ich den Lehrling verstehen: Er findet es falsch, so etwas zu programmieren. Dies an sich kann als Faulheit und nicht lernen wollen (oder auch Rebellion) gewertet werden, oder man sieht, dass er eine Person ist, die nicht nur stupide ausfuehrt, sondern selber denkt und entscheidet. Er hat (vielleicht) mehrere Loesungswege gegeneinander abgewogen und dann den insgesamt vermutlich besten gewaehlt. In einem realen Projekt wuerde man auch niemandem empfehlen, diese Umwandlung manuell zu programmieren, weil man die 99 garantiert falsch macht, wenn man sich nicht gut auskennt. Also hat er sich eigentlich (was die Praxis angeht) richtig verhalten ... bloss halt nicht so wie der Paedagoge es wollte. Es muss damit dann wohl -- wie hikaru schreibt -- als schlechte Aufgabe gewertet werden, weil sie nicht erreicht hat, was der Paedagoge erreichen wollte.

Interessanterweise ist es im Sport aehnlich. Wenn man als Trainer Spielern sagt, sie sollen eine einfache Uebung technisch genau ausfuehren, dann machen das nur diejenigen, die selber Trainer/Paedagogen sind. Alle anderen machen es sich ``bequem''. Damit liegt es am Trainer/Paedagoge die Uebungen so zu gestalten, dass die Spieler/Schueler/Lehrlinge genau das tun was sie tun sollen (ohne dass sie es mitbekommen).

Bei Lehrlingen darf vielleicht auch nichts anderes erwartet werden. Problematischer finde ich die Situation im Studium, das eigentlich eine Hinfuehrung zum selbststaendigen wissenschaftlichen Arbeiten ist und darum die Studenten ein Eigeninteresse haben sollten, etwas zu lernen und nicht nur schnell fertig zu werden. D.h. sie sollten selbst versuchen, den Sinn der Uebung zu erfassen und dann an genau diesem zu arbeiten. Wenn sie den Sinn nur darin sehen, Punkte zu erhalten und Pruefungen zu bestehen, um einen Abschluss zu bekommen, dann stellt das das Verstaendnis vom Studium in Frage. Das ist aber eine andere Situation wie in einer Ausbildung.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von paedubucher » 26.10.2021 07:38:52

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 00:07:07
Szene 1:
Du lässt den Praktikanten tatsächlich das ganze Buch durcharbeiten, bevor du ihn prüfst? Dein Fehler!
(Für ihn) Gutwillig interpretiert wurde er Opfer des Dunning-Kruger-Effekts, denn er hatte offenbar nicht genug von dem Stoff verstanden um auch nur zu erkennen, dass er nichts verstanden hat. Böswillig ausgedrückt hat er gehofft, sich in dem Moment als du ihn das erste mal gefragt hast, drücken zu können. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.
Wenn du das nächste mal fragst ob alles klar ist, und die Antwort lautet "ja", dann stelle sofort(!) eine Aufgabe die mit dem bisher Erabeiteten lösbar sein sollte!
Ich habe jeweils nach einem Kapitel nachgefragt, und in der Besprechung wurden auch noch andere Themen behandelt. Das Lernen von Python war ein Teil. Den habe ich jeweils nach dem positiven Bescheid abgehakt. Also eine sofortige Kontrollaufgabe, die nicht im Buch steht, sehe ich tatsächlich als gute Lösung. Und wenn er die Lösung dann nicht fertig bringt, wird halt das Kapitel noch einmal durchgearbeitet.
hikaru hat geschrieben: Szene 2:
Der Lehrling war ein "Rebell". [1] Offenbar war die Aufgabe nicht präzise genug formuliert. "Präsentiere eine Lösung für Problem X!" lässt sich valide mit Copy&Paste lösen, "Erkläre den Lösungsweg in eigenen Worten!" nicht.
Das ist "Mathelehrer-ABC 1.01" und sollte aus der eigenen Schulzeit hinlänglich bekannt sein.
Diese Szene kenne ich halt nur als mündlichen Bericht. Das Setting war schon ein Workshop zum Üben. Aber tatsächlich kann "üben" in diesem Stadium als alles verstanden werden, was einem vom Problem näher zum Ziel bringt. Code finden ist ja duchaus eine Übung in diesem Stadium. Von daher kann es gut sein, dass die Instruktion zu unpräzise war.
hikaru hat geschrieben: Szene 3:
Es wird leider nicht klar wie die Aufgabenstellung des Sohnes genau formuliert war. Daher lässt sich auch nicht beurteilen, ob die Lösung valide war. Falls das Ziel der Übung "Medienkompetenz" war, könnte das Zusammensuchen der richtigen Text- und Bildschnipsel durchaus als valide Lösung zu betrachten sein.
Ist wiederum nur Hörensagen, von daher fällt die Beurteilung schwer, ob es bloss eine Medienkompetenzübung war. Aber ich vermute schon, dass in der Grundschule der Samen gesäht wird, der dann später in der Ausbildung aufgeht.
hikaru hat geschrieben:
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.10.2021 22:58:08
Was haben diese Szenen gemeinsam?
Szene 1 und 2 haben gemeinsam, dass der Ausbilder seine Arbeit nicht erledigt hat.*
Dass die Schüler/Lehrlinge/Praktikanten/etc. die einfachste Lösung suchen ist weder neu noch unerwartet. Wenn die Aufgabe korrekt gestellt ist, ist es sogar erwünscht.

[1] viewtopic.php?p=1279161#p1279161

*) Ich gehe hier davon aus, dass die Begriffe "Praktikant" und "Lehrling" Hinweise darauf sind, dass es sich nicht um eine universitäre Studiensituation handelt, sondern um eine eher praxisnahe Ausbildungssituation. Der Unterschied ist in Bezug auf die Mentalität in sofern von Bedeutung, als dass von Uni-Studenten gemeinhin erwartet wird, ihre Lösung auf Wissenserlangung hin zu optimieren, während von Auszubildenden pragmatische Lösungen verlangt werden.
Es handelt sich schon um eine Situation am Arbeitsplatz. Der Kontext ist aber auch etwas abgegrenzt, denn zuerst soll einmal die Programmiersprache gelernt werden, ohne konkrete Probleme zu lösen.

Aber offenbar genügt reines Nachfragen nicht, sondern muss von Nachprüfen begleitet werden. So kann man dem Auszubildenden auch gleich das Delta zwischen Selbsteinschätzung und Aussenwahrnehmung aufzeigen. Bei Selbsteinschätzungsbögen fällt mir auf, dass sehr oft "übertroffen" angegeben wird.

Der Dunning-Kruger-Effekt ist auch ein gutes Stichwort. Wenn man nur mit einfachen, gut abgegrenzten Aufgaben konfrontiert wird, glaubt man wohl bald alles verstanden zu haben, was es zu verstehen gibt. Evtl. wären ein paar grössere und anspruchsvollere Übungen mal eine gute Abweichung, um die Schwierigkeit des Gebiets besser zu demonstrieren.

Ich kenne halt die Situation in der Regelschule nur sehr schlecht und arbeite dann einfach mit deren Absolventen. Von daher habe ich Mühe, deren Verhalten und Arbeitsverhalten einzuordnen. Aber solche Rückmeldungen führen mich schon einmal auf neue Ideen! :THX:
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von paedubucher » 26.10.2021 08:04:45

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:26:21
Ueblicherweise machen die Leute das was fuer sie eine Erfolgsstrategie darstellt. Wenn Ja-Sagen ohne es wirklich verstanden zu haben, fuer sie erfolgreicher ist als Nein zu sagen, dann tun sie es. Wenn Code kopieren fuer sie erfolgreicher ist als ihn selbst zu schreiben, dann tun sie es. Wenn das ``kreative Auslegen'' der Aufgabenstellung fuer sie erfolgreicher ist als zu tun was der Lehrer vermutlich gemeint hat, dann tun sie es.

In dieser Hinsicht muesste man da ansetzen, dass dieses Verhalten nachteilig ist und das gewuenschte Verhalten fuer sie mehr Vorteile bietet.
Fändest du hier ein gemeinsames Code-Review sinnvoll, z.B. dass der Praktikant dann bestimmte Fragen zum Code beantworten oder mich zeilenweise durch den Code führen müsste?
Ich beobachte aber schon auch was du beschreibst. Das ist sicherlich die Folge der Fortentwicklung und Veraenderung der Welt und damit ein aufkommender Generationenkonflikt, den du hier nun zu spueren beginnst. Die aelteren Personen hier werden solche Erfahrungen vermutlich schon Jahrzehnte frueher gemacht haben. Vielleicht sind manche Veraenderungen in manchen Zeiten besonders auffaellig, das Phaenomen scheint mir aber immer das Gleiche zu sein.
Also wäre wohl der Vergleich mit einem ca. 20 Jahren älteren Ausbildner oder Lehrer sinnvoll, damit ich das besser einordnen kann.
Vielleicht nochmal zur Umrechnung der arabischen in roemische Zahlen. Wirklich falsch hat sich der Lehrling da nicht verhalten, finde ich. Ich habe in Pruefungen auch schon manches erwartete Faktenwissen nicht auswendig gelernt und stattdessen nur erklaert, wo ich es jederzeit nachlesen kann. Damit kann ich den Lehrling verstehen: Er findet es falsch, so etwas zu programmieren. Dies an sich kann als Faulheit und nicht lernen wollen (oder auch Rebellion) gewertet werden, oder man sieht, dass er eine Person ist, die nicht nur stupide ausfuehrt, sondern selber denkt und entscheidet. Er hat (vielleicht) mehrere Loesungswege gegeneinander abgewogen und dann den insgesamt vermutlich besten gewaehlt. In einem realen Projekt wuerde man auch niemandem empfehlen, diese Umwandlung manuell zu programmieren, weil man die 99 garantiert falsch macht, wenn man sich nicht gut auskennt. Also hat er sich eigentlich (was die Praxis angeht) richtig verhalten ... bloss halt nicht so wie der Paedagoge es wollte. Es muss damit dann wohl -- wie hikaru schreibt -- als schlechte Aufgabe gewertet werden, weil sie nicht erreicht hat, was der Paedagoge erreichen wollte.
Ich bin einverstanden damit, dass der Instruktor das Ziel der Übung wohl unklar kommuniziert hat. (Das passiert mir offenbar auch.) Ich frage mich aber trotzdem, ob man von einem Auszubildenden nicht auch eine intrinsische Motivation erwarten könnte, herauszufinden, wie man so etwas programmiert. In der Ausbildung steht ja das Erlangen von Wissen und Fähigkeiten wirklich im Zentrum. Im Klavierunterricht gibt sich ja der Musiklehrer auch nicht mit einem Verweis auf die Spotify-Playlist zufrieden, wenn das Stück hätte geübt werden sollen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum man in diesen beiden Kontexten komplett andere Beobachtungen macht.
Interessanterweise ist es im Sport aehnlich. Wenn man als Trainer Spielern sagt, sie sollen eine einfache Uebung technisch genau ausfuehren, dann machen das nur diejenigen, die selber Trainer/Paedagogen sind. Alle anderen machen es sich ``bequem''. Damit liegt es am Trainer/Paedagoge die Uebungen so zu gestalten, dass die Spieler/Schueler/Lehrlinge genau das tun was sie tun sollen (ohne dass sie es mitbekommen).
Das ist ein interessantes Beispiel, das ich mal genauer beobachten müsste. Ich frage mich, wie ich den gewünschten Effekt beim Programmieren erreichen könnte. Indem man etwa die Aufgabestelle obfuskiert? "FizzBuzz" ist ja so ein Beispiel, da ja Begriffe wie "Fizz" und "Buzz" überhaupt nichts mit Multiplikation und Modulo-Operation zu tun haben. (Natürlich kann man sich "FizzBuzz" in Sekunden ergoogeln, es müsste halt anders benannt werden.) Diese Übung könnte man nehmen und "Fizz" durch "ping" und "Buzz" durch "pong" ersetzen, dann noch die Regeln etwas anpassen.
Wenn ich die Absicht, was programmiert werden soll im Unklaren lasse, aber die Hinweise, wie etwas gemacht werden soll angebe, könnte ich dieses Ziel evtl. erreichen. Das ist natürlich das Gegenteil meiner Intuition, da ich mir gewohnt bin, immer zuerst das "Big Picture" anzugeben, das auf das Endziel weist.
Bei Lehrlingen darf vielleicht auch nichts anderes erwartet werden. Problematischer finde ich die Situation im Studium, das eigentlich eine Hinfuehrung zum selbststaendigen wissenschaftlichen Arbeiten ist und darum die Studenten ein Eigeninteresse haben sollten, etwas zu lernen und nicht nur schnell fertig zu werden. D.h. sie sollten selbst versuchen, den Sinn der Uebung zu erfassen und dann an genau diesem zu arbeiten. Wenn sie den Sinn nur darin sehen, Punkte zu erhalten und Pruefungen zu bestehen, um einen Abschluss zu bekommen, dann stellt das das Verstaendnis vom Studium in Frage. Das ist aber eine andere Situation wie in einer Ausbildung.
Also ich hatte einen Praktikanten (Vorbereitung fürs Informatikstudium) und jetzt einen Lehrling. Ich konnte bei beiden das gleiche beobachten.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von Meillo » 26.10.2021 08:33:30

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 08:04:45
Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:26:21
Ueblicherweise machen die Leute das was fuer sie eine Erfolgsstrategie darstellt. Wenn Ja-Sagen ohne es wirklich verstanden zu haben, fuer sie erfolgreicher ist als Nein zu sagen, dann tun sie es. Wenn Code kopieren fuer sie erfolgreicher ist als ihn selbst zu schreiben, dann tun sie es. Wenn das ``kreative Auslegen'' der Aufgabenstellung fuer sie erfolgreicher ist als zu tun was der Lehrer vermutlich gemeint hat, dann tun sie es.

In dieser Hinsicht muesste man da ansetzen, dass dieses Verhalten nachteilig ist und das gewuenschte Verhalten fuer sie mehr Vorteile bietet.
Fändest du hier ein gemeinsames Code-Review sinnvoll, z.B. dass der Praktikant dann bestimmte Fragen zum Code beantworten oder mich zeilenweise durch den Code führen müsste?
Ich finde es immer gut, wenn die Personen ihren eigenen Code erklaeren. Dabei ist fuer mich die wichtigste Frage: Warum? Also: Warum so und nicht anders? Und dann auch: Wie haette man es anders machen koennen? -- Damit erkennst du, ob jemand es wirklich verstanden hat.

Zeile fuer Zeile ist IMO nicht unbedingt der beste Modus, da dieser die Gesamtstruktur nicht beruecksichtigt. Ich finde es auch eine gute Uebung, Code frei erklaeren zu lassen, weil das Erklaeren koennen auch das Strukturieren uebt. Darum sollten IMO Entwickler auch Doku schreiben. Nur wenn man es praegnant und kurz beschreiben kann, dann ist auch der Code gut strukturiert. Die Wichtigkeit beim Entwicklen Konzepte, Definitionen, Regeln fuer die programmierte Sache zu destillieren, wird IMO derzeit stark vernachlaessigt. Wer nur eine lineare Sicht im Code hat, der wird keinen guten Code schreiben koennen.

Das kann man auch gut in eine Art Pair-Programming-Situation umgestalten. Statt nur den Code zu betrachten, finde ich es viel netter wenn man gemeinsam im Code arbeitet, etwas umbaut, dann schaut ob es tut wie es soll. Wenn ich also frage, wie man die Schleife noch haette machen koennen und es kommt eine Antwort oder ich gebe einen Hinweis fuer den Ansatzpunkt, dann folgt darauf hin: Mach mal! Fuer viele Lehrlinge wird das wohl sehr stressig sein, deshalb sollte man ein moeglichst angenehmes Klima schaffen. Es darf nicht schlimm sein, wenn man etwas nicht weiss. Dann machst du den Schritt einfach. Sie koennen es sich dann anschauen wie es geht. Und wenn ihr jeden Zwischenschritt committet, dann koennen auch die verschiedenen Umbauten nachtraeglich noch nachvollzogen und gelernt werden. In so einer Session erfaehrst du eine Menge und der Lehrling kann viel dabei lernen. (Wir unterschaetzen auch den Wert davon, anderen beim Programmieren zuzuschauen.) Wenn du die Zeit dafuer hast, dann solltest du Ergebnisse immer so besprechen.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 08:04:45
Ich frage mich aber trotzdem, ob man von einem Auszubildenden nicht auch eine intrinsische Motivation erwarten könnte,
Gute Frage! Gibt es heute weniger Personen, die intrinsisch motiviert sind? Oder interessieren sie sich nur fuer andere Dinge als wir vor zehn, zwanzig Jahren oder heute? -- Vermutlich zweiteres.

Am ehesten findet man darauf wohl eine Antwort wenn man sich die Zeit anschaut, wo man selber im gleichen Alter war und vergleicht inwiefern man von dem abgewichen ist, was die aelteren fuer sinnvoll erachtet hatten. ;-)

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 08:04:45
Wenn ich die Absicht, was programmiert werden soll im Unklaren lasse, aber die Hinweise, wie etwas gemacht werden soll angebe, könnte ich dieses Ziel evtl. erreichen. Das ist natürlich das Gegenteil meiner Intuition, da ich mir gewohnt bin, immer zuerst das "Big Picture" anzugeben, das auf das Endziel weist.
Als Uebung kann man das sicher mal so machen. In der Praxis wuerde ich stets darauf wertlegen, dass die Entwickler fachlich verstehen sollen was sie tun und warum sie es tun, weil sonst unpassende, unstimmige und meist unnoetig komplexe Umsetzungen rauskommen. (Die Informatiker muessen der Fachseite in meiner Erfahrung naemlich auch dabei helfen, deren Fachdomaene zu strukturieren, weil Nicht-Informatiker zumeist grosse Probleme damit haben, strukturiert zu denken.)

Sinnvoller erscheint es mir, durch viele Warum-Fragen zu pruefen, ob die Lehrlinge verstanden haben was sie tun. Von automatischen Pruefungen, die schauen, ob das Uebungsprogramm die exakt gleiche Ausgabe erzeugt, halte ich wenig. Besser ein nicht kompilierender Code, der erklaert werden kann, also ein perfekt funktionierender Code, der nicht verstanden ist.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von hikaru » 26.10.2021 09:33:25

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:38:52
Ich habe jeweils nach einem Kapitel nachgefragt, und in der Besprechung wurden auch noch andere Themen behandelt. Das Lernen von Python war ein Teil. Den habe ich jeweils nach dem positiven Bescheid abgehakt. Also eine sofortige Kontrollaufgabe, die nicht im Buch steht, sehe ich tatsächlich als gute Lösung. Und wenn er die Lösung dann nicht fertig bringt, wird halt das Kapitel noch einmal durchgearbeitet.
Die tatsächliche Kontrolle des Gelernten ist hier wirklich wichtig. Der Praktikant/Lehrling/etc. muss von Anfang an den Eindruck bekommen, dass "Durchmogeln" nicht funktioniert, sondern dass verstehendes Lernen der einfachste Weg ist.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:38:52
Diese Szene kenne ich halt nur als mündlichen Bericht.
Dann sollte vielleicht die Quintessenz aus diesem Bericht für dich sein, nicht Alles zu glauben was man dir sagt. Es wird mindestens noch eine andere Perspektive dieser Geschichte geben. Eigene Schlüsse solltest du erst ziehen, wenn du ein vollständiges Bild hast!
Im Grunde passiert ja hier im Thread das selbe. Du erzählst Geschichten und wir reagieren darauf. Aber wir reagieren eben nicht auf das was passiert ist, sondern auf das was du berichtest. Unsere Wahrnehmung der Tatsachen ist daher zwangsläufig verzerrt. Daher hüte ich mich davor, ein Urteil über den Lehrling zu fällen. Natürlich hat er die angedachte Aufgabe verfehlt. Aber ich bin nicht in der Position zu beurteilen, ob er die gestellte Aufgabe gelöst hat. Dass "angedacht" und "gestellt" deckungsgleich sind ist Aufgabe des Lehrers, nicht des Schülers.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:38:52
Ist wiederum nur Hörensagen, [..]
dito
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:38:52
[..] von daher fällt die Beurteilung schwer, ob es bloss eine Medienkompetenzübung war. Aber ich vermute schon, dass in der Grundschule der Samen gesäht wird, der dann später in der Ausbildung aufgeht.
Ich vermute, dass die Aufgabe nicht "Medienkompetenz" war, den mMn versagt die Regelschule bei diesem Thema total.
Daher freut mich diese Geschichte sogar, denn in ihr gibt es einen Grundschul-Rebellen mit Medienkompetenz (beides für das Alter eher ungewöhnlich). Den Schüler würde ich fördern, nicht bestrafen.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:38:52
Es handelt sich schon um eine Situation am Arbeitsplatz. Der Kontext ist aber auch etwas abgegrenzt, denn zuerst soll einmal die Programmiersprache gelernt werden, ohne konkrete Probleme zu lösen.
Es ist also auch keine Studiensituation. Was Das (Uni-)Studium in diesem Kontext so außergewöhnlich macht ist, dass hier das primäre Ziel nicht das Abliefern von funktionierenden Lösungen, sondern die Vermittlung von Wissen, bzw. die Vermittlung von "Wissenserlangungstechniken" ist.
Weder in der Lehre, noch am Arbeitsplatz (egal ob nach Lehre oder Studium) ist das der Fall. Am Arbeitsplatz hat man Ergebnisse zu liefern. Die Lehre vemittelt natürlich Wissen. Aber im Gegensatz zum Studium ist hier das Primärziel, den Lehrling für den Lehrberuf arbeitsfähig zu machen.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 07:38:52
Ich kenne halt die Situation in der Regelschule nur sehr schlecht und arbeite dann einfach mit deren Absolventen. Von daher habe ich Mühe, deren Verhalten und Arbeitsverhalten einzuordnen.
Du wirst dich doch aber an deine eigene Schulzeit erinnern! Versetz dich einfach gedanklich zurück, wie du oder deine Schulfreunde in dem Alter auf die gestellten Aufgaben reagiert hätten!

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 08:33:30
Ich finde es immer gut, wenn die Personen ihren eigenen Code erklaeren. Dabei ist fuer mich die wichtigste Frage: Warum? Also: Warum so und nicht anders? Und dann auch: Wie haette man es anders machen koennen? -- Damit erkennst du, ob jemand es wirklich verstanden hat.
[..]
Gute Frage! Gibt es heute weniger Personen, die intrinsisch motiviert sind?
Hier kommt wieder dein Uni-Hintergrund zum Vorschein. Es ist eine Mentalitätsfrage. Ein Lehrling denkt anders als ein Student, weil von ihm eine ergebnisorientierte Arbeitsweise verlangt wird.
Uni-Dozenten meinen oft von Lehrlingen, dass sie schlecht qualifiziert seien, weil sie nicht selbstständig denken können. Und Lehrmeister meinen oft von Studenten, dass sie schlecht qualifiziert seien, weil sie zu lange brauchen um eine funktioniereńde Lösung zu liefern. Beides ist falsch. Die intrinsische Motivation ist eine andere. Darauf muss man sich in einer Übungssituation einstellen.
Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 08:33:30
Oder interessieren sie sich nur fuer andere Dinge als wir vor zehn, zwanzig Jahren oder heute?
Das ist sicher zumindest zum Teil zutreffend. Dabei sollte man berücksichtigen, dass die heutige Welt eine völlig andere ist, als die vor 30 Jahren.
Ich habe in der Grundschule noch von meiner Mathelehrerin gehört, dass ich Kopfrechnen können muss, weil ich später nicht immer einen Taschenrechner mit mir rumtrage. Aus heutiger Sicht ist das völliger Quatsch. Jeder hat heute jederzeit einen Taschenrechner bei sich. Natürlich ist Kopfrechnen trotzdem sinnvoll, denn das Smartphone zu zücken ist oft unpraktisch, aber die Begründung von damals war schlicht falsch.
Einer meiner Lehrer vor 20 Jahren pfegte zu sagen: "Wissen ist wissen wo es steht." Er hatte dabei nicht das Internet im Sinn, auch wenn es das damals schon gab. Aber die Aussage ist heute wahrer denn je. Aufgaben die auf auswendiggelerntes Faktenwissen zugeschnitten sind, sind heute völlig realitätsfern, denn die Fakten sind jederzeit abrufbar. Die Zeit sollte lieber dazu genutzt werden um Medienkompetenz zu vermitteln, um präsentierte Informationen auch auf ihre Stichhaltigkeit prüfen zu können. Das war z.B. zur Zeit meiner Großeltern noch völlig anders, als es so gut wie keine Schulbücher und nicht mal permanente eigene Aufzeichnungen (Schiefertafel statt Hefter) gab.

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von Meillo » 26.10.2021 10:27:21

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 09:33:25
Was Das (Uni-)Studium in diesem Kontext so außergewöhnlich macht ist, dass hier das primäre Ziel nicht das Abliefern von funktionierenden Lösungen, sondern die Vermittlung von Wissen, bzw. die Vermittlung von "Wissenserlangungstechniken" ist.
:THX:

hikaru hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 09:33:25
Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 08:33:30
Ich finde es immer gut, wenn die Personen ihren eigenen Code erklaeren. Dabei ist fuer mich die wichtigste Frage: Warum? Also: Warum so und nicht anders? Und dann auch: Wie haette man es anders machen koennen? -- Damit erkennst du, ob jemand es wirklich verstanden hat.
Hier kommt wieder dein Uni-Hintergrund zum Vorschein. Es ist eine Mentalitätsfrage. Ein Lehrling denkt anders als ein Student, weil von ihm eine ergebnisorientierte Arbeitsweise verlangt wird.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von TRex » 26.10.2021 11:03:40

Ich finds immer noch schwierig, aus einem Buch eine Programmiersprache zu lernen - die Übungsaufgaben (am Kapitelende) kommen zu einer Zeit, wo ich die Antworten dazu quasi noch bildlich im Kurzzeitgedächtnis habe. Von daher würde ich nicht einmal Böswilligkeit unterstellen, es aber aus Erfahrung auch nicht ausschließen.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von katzenfan » 26.10.2021 15:54:36

Was war vom Ursprung her vorgesehen?

Sowohl im Studium, als auch in der Lehre, zählte im Ursprung das Selbsterarbeiten des Geforderten?

Was ist gefordert? Erst hier findet die Differenzierung zwischen Studium und Lehre statt?

Es ist gesellschaftstypisch, es sich individuell, jedenfalls für den Augenblick, leichter zu machen, weil man eine gestellte Aufgabe sonst entweder gar nicht lösen könnte, zu lange dafür benötigen würde oder schlicht keinen Bock darauf hat; den Prozess des Sich-leichter-machens hatte es auch im Osten, der fing spätestens in der Schule mit dem Abschreiben beim Nachbarn/der Nachbarin an.

Da darf beim Rückblick auf die eigene Schulzeit mal jeder in sich gehen und sich fragen, ob man es u. U. nicht selber so gehalten hat und beim Sitznachbarn/der Sitznachbarin abschrieb?

Für die Gesellschaft ist derartiges Verhalten aber langfristig keineswegs vorteilhaft; erst recht nicht, wenn jene Leute, die in ihrer Schulzeit lieber abgeschrieben haben, als selber zu erarbeiten, später hohe politische oder wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, aber von ihrem Fach keine Ahnung haben, weil sie es versäumten, sich die notwendigen Kenntnisse später anzueignen.

Auch wenn es hier im Forum "nur" um Software geht, kann die Thematik des Titels und Eröffnungsbeitrages auf alle Sachbereiche angewandt werden.

Und da steht die Sprache als Trägerin aller Information im Vordergrund, wenn sie möglicherweise selbst nicht mehr richtig verstanden wird? (Da spielt es letztlich allerdings keine Rolle, ob Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Dänisch, etc.)

Für das richtige Verstehen einer Sprache ist das Lesen und Schreiben unabdingbar; und auch dieses fängt spätestens in der Schule an.

Wie soll Sprache später begriffen werden, wenn sie schon in der Schule nur rudimentärer Lernstoff ist?

Das gilt letztlich auch für eine Programmiersprache, die ja auf der echten Sprache aufbaut und ohne diese nicht auskommt?

Deutsch war damals im Osten als Sprache jedenfalls Hauptfach, (neben Russisch als Fremdsprache), neben Mathe, Physik, Chemie, Biologie, Geographie und Sport, später kam Produktive Arbeit in einem Industrieunternehmen als Teil des Schulunterrichtes dazu.

Es darf sich jeder fragen, was heute davon übrig ist, wegfiel oder dazukam, und dann braucht sich doch keiner mehr zu wundern?

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von TRex » 26.10.2021 16:21:56

Eine Einschränkung will ich da aber einwerfen: bei Software ist "Abschreiben" quasi erwünscht, nur nicht auf die Art und Weise, wie es zb bei Stackoverflow-Memes gemacht wird (ohne die Lösung verstanden zu haben). Ich will nicht, dass meine Kollegen jedes Rad neu erfinden. Das hat sogar nen Namen: Not-Invented-Here-Syndrom [1]. Wirtschaftlich gesehen ist kopieren (ohne viel zu verstehen) vermutlich sogar effizienter, weil es möglicherweise um Zeit (time to market) geht und Qualität erst dann folgen muss, wenn die ersten (x-hundert) Kunden da sind. Leider sind die Resultate davon desöfteren auch mal tatsächliche physische Produkte wie IoT, die das Stadium mit der Qualität nicht mehr erreichen. Zurück zum Anfang und runter vom hohen Ross: wenn du Student bist, der da in seinem vierten Semester seine Studiengebühren und Miete usw. alles zahlen muss, dann fragst du nicht, was dein Chef will - du machst es. Du hast eh nicht die Erfahrung, ihm zu widersprechen.

Ich stimme auch der These zu, dass man sich für das erfolgreichere Modell entscheidet. Es darf eben nicht das erfolgreiche Modell sein, sich durchs Leben zu mogeln - weil man sonst irgendwann jemandem zur Last fällt, der es mit sich machen lässt. Nem Lehrer kann das ja theoretisch egal sein, ob der Schüler nichts gelernt hat. Echte Folgen gibts erst, wenn zb die angesehene Universität jemandem nen Abschluss gibt und der sich dann in den Medien mit abgeschriebenen Abschlussarbeiten bekleckert. Oder jemand nen Job bekommt, bei dem er nur Müll fabriziert oder vielleicht sogar Menschenleben gefährdet (flugunfähiger Pilot, Taxifahrer ohne Führerschein).


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Not-invented-here-Syndrom
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von curt123 » 30.10.2021 10:21:23

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.10.2021 22:58:08
Ob wohl das Buch zu einfach war? Ich hatte es eigens durchgearbeitet um mich von dessen Qualität zu überzeugen. Zugegebenermassen sind die Übungen nicht schwierig und nur gering an der Zahl. Doch sie konzentrieren sich auf das Wesentliche. Am Buch alleine kann es also nicht liegen.
Beim Buch könnten noch andere Aspekte wichtig sein. Mit dem richtigen (muss natürlich nicht für jeden das gleiche bedeuten) Buch kann man sehr schnell lernen, ich kenne aber auch viele Beispiele von ungeeigneten, bis zu m.E. grottenschlechten, Büchern. Zum Teil hapert es bereits an Selbstverständlichkeiten wie sinnvolle Gliederung, Index, aber in den letzten Jahren zunehmend auch Lesbarkeit, Typographie, Layout, Kontrast, Schnitt, Bindung. Schlechte, unlogische Code-Beispiele kommen natürlich noch hinzu.

Da gibt es viel zu große Schrift, zu breite Absätze, zu luftiger Blocksatz, zu sparsamer Einsatz der Druckfarbe. Dann der ganze Text immer ganz dicht an die enge Bindung, sonst wäre das Lesen ja auch zu einfach. Codespiele gerne unscharf hellgrau auf dunkelgrau, und derlei Unfug mehr. Dabei sind die Grundlagen des Bruchdrucks etc. schon lange kein Geheimnis mehr, aber inzwischen anscheinend verzichtbar.


Als erstes ist der Lehrling (1. Lehrjahr) fertig. Sein Programm funktioniert einwandfrei. Auf die Nachfrage, wie er das so schnell lösen konnte, meint er nur, dass er die Lösung auf Google gefunden und sie einfach kopiert hätte. Die Übung sei ja nun für ihn erledigt.
Auch bei dieser Methode kann u.U. etwas verstanden worden sein bzw. "hängen bleiben". Problematisch kann so etwas m.E. auch dahingehend sein, wenn durch solche Lösungswege die Normalverteilung bei der Notengebung verändert oder letztlich der Schwierigkeitsgrad von Übungen, ggf. Prüfungen, übertrieben erhöht wird.

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von DeletedUserReAsG » 30.10.2021 10:40:14

TRex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
26.10.2021 16:21:56
Eine Einschränkung will ich da aber einwerfen: bei Software ist "Abschreiben" quasi erwünscht, nur nicht auf die Art und Weise, wie es zb bei Stackoverflow-Memes gemacht wird (ohne die Lösung verstanden zu haben). Ich will nicht, dass meine Kollegen jedes Rad neu erfinden. Das hat sogar nen Namen: Not-Invented-Here-Syndrom [1].
Ich hingegen halte Kopieren nur dann für möglicherweise erwünscht, wenn der Kopierende in der Lage ist, zu verstehen, was er da kopiert. Irgendwann™ wird irgendwas® angepasst werden müssen – und dann knallt’s ansonsten. Für das Verstehen gibt’s halt keine Abkürzung auf Stackoverflow, Reddit oder im Buntu-Wiki.

Dass es in der Praxis anders erzwungen und gehandhabt wird (und daher mittlerweile nahezu alles kaputt ist, wenn man sich mal so umschaut …), ist ein anderes Problem. Jemand, der explizit lernen soll, wie in paedubuchers erstem Szenario, der sollte halt auch genau das tun.

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von TRex » 30.10.2021 10:50:16

Ich meinte schon kopieren im Sinne von Bibliotheken nutzen usw., nicht primär kopieren von stackoverflow. Und mit "nicht die Weise" war genau das gemeint, was du beschreibst.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von paedubucher » 04.11.2021 20:23:21

Ich bedanke mich etwas verspätet noch für die verschiedenen Hinweise.

Diese Woche habe ich in der Schule wirklich einmal eine Kontrolle durchgeführt. Ich ging bei allen Schülern vorbei und habe mir zeigen lassen, was sie gemacht haben, und wollte sehen, wie sie die Programme ausführten. Ich notierte mir zu jedem Namen etwas (mögliche Probleme, Fortschritt). Das hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass ich nun die Namen etwas besser kenne.

Eine interessante Diskussion hatte ich gestern noch mit zwei anderen neuen Lehrern und einem sehr erfahrenen Lehrer (unser Coach). Der Coach meinte, dass die Prüfungsbesprechung keine Lernsituation darstellen sollte, weil ja dann das Thema schon abgeschlossen sei. Wir drei Nachwuchslehrer waren anderer Meinung: Ich meinte, dass dies die einzige Möglichkeit sei Aufgaben zu diskutieren, die wirklich alle versucht haben zu lösen. Der Coach zeigte sich überrascht und gleichzeitig einsichtig.

Coaching und Selbstversuche sind schon eine gute Kombination.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von Meillo » 04.11.2021 20:29:09

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
04.11.2021 20:23:21
Coaching und Selbstversuche sind schon eine gute Kombination.
... ueberhaupt das bewusste sich Beschaeftigen mit dem Thema, das Einholen anderer Meinungen und Sichtweisen und sich selber auch der manchmal vielleicht auch harten Kritik auszusetzen, wenn man solche Fragen hier stellt -- durch all das kommt man voran. Ich finde es gut, dass du diesen Weg gehst.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von TRex » 04.11.2021 20:40:52

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
04.11.2021 20:23:21
Aufgaben zu diskutieren, die wirklich alle versucht haben zu lösen.
Meinst du, weil es sonst mit weniger Beteiligung abläuft und sich jetzt erst auf den letzten Drücker alle anstrengen? Falls ja, würde ich verstehen, warum der erfahrenere Lehrer diese Haltung vertreten hatte. Ich weiß aber auch nicht, wie man die Beteiligung erhöht (naiverweise würde ich versuchen, den Verlauf des Schuljahres transparent zu machen und versuchen zu erklären, dass es zu jeder Etappe Prüfungen und gemeinsame Besprechungen geben wird, und in der Prüfungszeit eben nicht).
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von paedubucher » 05.11.2021 09:49:30

TRex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
04.11.2021 20:40:52
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
04.11.2021 20:23:21
Aufgaben zu diskutieren, die wirklich alle versucht haben zu lösen.
Meinst du, weil es sonst mit weniger Beteiligung abläuft und sich jetzt erst auf den letzten Drücker alle anstrengen?
Ja, beim Besprechen anderer Aufgaben gibt es kaum Wortmeldungen, da muss man die Leute aufrufen. Das "auf den letzten Drücker" stimmt nicht ganz, da die Prüfung ja bereits wieder korrigiert, benotet und zurückgegeben worden ist. Die Schüler interessieren sich dann noch dafür, weil sie glauben, sich evtl. ein paar Punkte herausverhandeln können. (Es gab hitzige Diskussionen über Viertelpunkte, die ca. einem Zehntel Notenpunkt entsprechen. Mit dem gleichen Enthusiasmus beim Lernen würde man wohl mehr erreichen.)
TRex hat geschrieben: Falls ja, würde ich verstehen, warum der erfahrenere Lehrer diese Haltung vertreten hatte. Ich weiß aber auch nicht, wie man die Beteiligung erhöht (naiverweise würde ich versuchen, den Verlauf des Schuljahres transparent zu machen und versuchen zu erklären, dass es zu jeder Etappe Prüfungen und gemeinsame Besprechungen geben wird, und in der Prüfungszeit eben nicht).
Dass die Sachen besprochen werden und prüfungsrelevant sind, kommuniziere ich recht klar. Aber von Interesse ist es halt erst nach der Prüfung, wenn man es offensichtlich vorher zu lange ignoriert hat.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von katzenfan » 05.11.2021 17:44:00

Post wurde nachträglich editiert; Änderung durch Unterstreichung hervorgehoben.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
05.11.2021 09:49:30
Dass die Sachen besprochen werden und prüfungsrelevant sind, kommuniziere ich recht klar. Aber von Interesse ist es halt erst nach der Prüfung, wenn man es offensichtlich vorher zu lange ignoriert hat.
Interesse am Lernstoff bei Schülern und Schülerinnen aller denkbaren Geschlechtsausprägungen und Jahrgangsstufen weckt man durch einen interessant gestalteten Unterricht, der nicht nur blanke Theorie enthält? Das gilt nicht nur für Chemie und Physik, sondern sicherlich auch für den Bereich der Informatik, Softwareprogrammierung etc?

Als Laie mein ich, daß man da doch nur eine interessante Aufgabe zu stellen braucht, die nur durch Teamarbeit zu bewältigen ist?

Gerade in der vernetzten Auswertung ökologischer Daten aus Wind, Solar, Geothermie incl. Seismologie etc, Meerestemperaturen, ozeanischer Strömungen, Zusammensetzung der Atmosphäre, regionale Wachstumsbedingungen der Pflanzen, (Sauerstoffabgabe/CO2-Aufnahme), braucht es mehr Anstrengungen, das "Was-Wäre-Wenn" zu ermitteln, wenn sich auch nur ein einziger der obigen Aspekte verändert.

Software kann, wird und muß einen Teil dazu beitragen, dieses zu realisieren.

Evtl. vorhandene Scheuklappen müssen weg. -> Diese Aussage ist nicht so zu deuten, daß es zulässig wäre, sich über die Grundrechte natürlicher Personen hinwegzusetzen.

Die weitere Reduzierung der Wälder reduziert den Sauerstoffgehalt der Luft, die wir alle zum Atmen brauchen.
Zuletzt geändert von katzenfan am 05.11.2021 21:01:15, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von Meillo » 05.11.2021 19:44:56

katzenfan hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
05.11.2021 17:44:00
Als Laie mein ich, daß man da doch nur eine interessante Aufgabe zu stellen braucht, die nur durch Teamarbeit zu bewältigen ist?
Auch wenn Ueberforderung durch zu viele Themen und zu viel Inhalt auf einmal auch dazu fuehren kann, dass man nicht mehr macht was einen interessiert, sondern nur noch schaut, dass man irgendwie durchkommt, so stimme ich deinem ersten Aussageteil prinzipiell zu.

Der Teamarbeit stehe ich dagegen eher kritisch gegenueber. In der Theorie hoert sich das immer so gut an, wirklich funktionierend habe ich das selten erlebt. Oft kann man es dann nicht mal fuer sich selbst passend machen, was moeglich waere wenn man es alleine macht. So wichtig das Zusammenarbeiten zu lernen waere, ich warte immer noch darauf wirkliche Erfolgserlebnisse in relevanter Zahl dort zu sehen oder berichtet zu bekommen.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von paedubucher » 05.11.2021 20:40:38

Zum Thema Teamarbeit: Ich mache einen Unterrichtsblock zum Thema Pair Programming, stelle aber den Schülern frei, ob sie das machen wollen. Einige machen das bereits so ähnlich. Ich finde die Freiwilligkeit eine gute Lösung, und alle sollen halt mal durch eine Aufgabe durchmüssen, wenn auch mit Hilfestellungen anderer.

Die klassische Teamarbeit läuft ja sonst darauf heraus, dass diejenigen, die es eh schon können, mal eben schnell machen, und bei den anderen der Lerneffekt ausbleibt.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von katzenfan » 05.11.2021 21:17:31

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
05.11.2021 19:44:56
Der Teamarbeit stehe ich dagegen eher kritisch gegenueber
Das kommt doch darauf an, ob die emotionale Ebene positiv besetzt ist?

Die Kritik verstehe ich völlig. Hatte bereits alle Optionen im beruflichen Umfeld, vom M/W-Mix, zu nur W, zu nur M; und Gezoffe gab es überall.

So ist ein ziel- und ergebnisorientiertes Arbeiten freilich nicht oder nur bedingt möglich.

Das Problem ist nichtmal u. U. fehlende Fachkunde, sondern die offenbare Ureigenschaft des Menschen, die Mitmenschen dirigieren zu wollen, die ja tlw. bis hin zum Mobbing führt; letztlich ist das aber wiederum reine Psychologie.

Unsere Vor-Vorfahren wären bei der Jagd kaum je erfolgreich gewesen, hätten sie nicht zusammengearbeitet.

Ein Zusammenarbeiten in der heutigen Zeit heißt nicht zwingend Großraumbüro mit vielen Leuten darin, sondern auch Heimarbeit durch viele Leute, mehrere Einzelnbüros mit je nur 1 Person oder auch ein Mix von allem.
paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
05.11.2021 20:40:38
Die klassische Teamarbeit läuft ja sonst darauf heraus, dass diejenigen, die es eh schon können, mal eben schnell machen, und bei den anderen der Lerneffekt ausbleibt.
Da ist vorher immer zu überlegen, welche Konsequenzen Fehlarbeiten auf Grund von Unwissen haben könnten; ich würde keinen völlig Fachfremden an den OP-Tisch lassen. Ja, freilich, wo sollten sie lernen? Dort, wo das Risiko für Folgeschäden am geringsten bzw. unwahrscheinlich ist.

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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von Meillo » 05.11.2021 21:41:36

Nur dass keine Missverstaendnisse aufkommen: Ich habe mich mit meiner Aussage zur Teamarbiet nur auf die Situation in Studium und Ausbildung bezogen.
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Re: Was heisst heute "verstanden" und "erledigt"?

Beitrag von katzenfan » 06.11.2021 08:14:21

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
05.11.2021 21:41:36
Nur dass keine Missverstaendnisse aufkommen: Ich habe mich mit meiner Aussage zur Teamarbiet nur auf die Situation in Studium und Ausbildung bezogen.
Ok, aber auch im Studium kann je nach Fachgebiet Zusammenarbeit sicherlich mehr bewirken, als reines Einzelkämpfertum.

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