Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

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TRex
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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von TRex » 23.04.2022 20:27:43

curt123 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 19:15:40
Und auch der Ansatz, mal zu fragen, warum Autos bevorzugt werden, ist ausbaufähig. Ist ÖPNV zu schmuddelig, oder geht es um einen eigenen Raum oder Erweiterung oder gar Panzer, oder ist die Umwelt zu nervig?
*radier*

kurz gesagt: Zeit.
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curt123
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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von curt123 » 23.04.2022 20:35:13

niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 20:03:30
„Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten“ ist das Thema.
Dann nochmal dazu:
niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 14:40:43
Man kann das konkret in Bologna geplante System auch folgendermaßen betrachten: wenn es irgendeine wirksame intrinsische Motivation gäbe, welche die Leute dazu veranlassen würden, ihren Müll vernünftig zu handhaben und, wenn möglich, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, dann würde keiner überhaupt auf die Idee kommen, eine externe Motivation für dieses ja wohl unzweifelhaft wünschenswerte Verhalten zu schaffen – weil die Menschen sich ja schon von sich aus entsprechend verhalten würden. Es gibt also offensichtlich keine ausreichend starke intrinsische Motivation – so what?
Der Umkehrschluss wird wohl gar nicht zulässig oder richtig sein. Es gibt Geld für solche Projekte, es gibt politisches Interesse am Punktesystem, und es dürfte letztlich auch noch unschöne machtgeile Kontrollphantasien geben.

Und dann noch der Anspruch "unzweifelhaft wünschenswert"? 'Spinat ist gesund', also notfalls mit dem Trichter reinschieben? Wie wäre es damit: Wenn die Leute sich anders verhalten als erhofft, dann mag das auch gute Gründe haben. Ist ÖPNV zu teuer? Erfüllt er die Sollanforderungen? Ist die Mülltrennung in meinem Haushalt überhaupt sinnvoll, oder stimmen die Voraussetzungen überhaupt nicht? Dazu mag kommen, dass grundsätzlich womöglich schon zuviel Unfug propagiert wurde. Politik sollte der Bevölkerung nicht irgendwelche NGO-Vorgaben mit mehr oder weniger Zwang zu vermitteln versuchen, sondern eher die Wünsche der Bevölkerung umsetzen.

Der Mensch ist wohl, abgesehen von Einzelfällen oder Extremsituationen, hilfsbereit und kooperativ. Die Deutschen womöglich noch besonders ordentlich oder waschzwanggeprägt?
https://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/ ... t-100.html
Die Deutschen sind Weltmeister im Mülltrennen. Viele spülen Joghurtbecher und andere Behältnisse, bevor sie in die Tonne kommen.
Hier kann also eher vermittelt werden, dass das Spülen nicht umweltfreundlich ist, sondern dass "Restentleert" als Zustand erwartet wird.

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Ano
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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von Ano » 23.04.2022 21:01:33

Auf jeden Fall ist Fiktion mal wieder war geworden: siehe Abgestürzt aus der Serie Black Mirror.
"Lass die Leute reden und lächle einfach mild,
Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der Bild.
Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht,
aus: Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht!" - die ärzte

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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von DeletedUserReAsG » 23.04.2022 21:03:04

curt123 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 20:35:13
Es gibt Geld für solche Projekte, es gibt politisches Interesse am Punktesystem, und es dürfte letztlich auch noch unschöne machtgeile Kontrollphantasien geben.
Und welche unschönen machtgeilen Kontrollphantasien würden deiner Meinung nach bei einem auf Belohnungen basierenden Anreizsystem, bei dem sich jeder aussuchen kann, ob er da mitmacht oder nicht, bedient?
curt123 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 20:35:13
Und dann noch der Anspruch "unzweifelhaft wünschenswert"?
Bezweifelst du also, dass die Nutzung des ÖPNV anstelle des Autos aus Umweltsicht wünschenswert wäre? Was ist in diesem Fall dein Argument für das Auto? Bezweifelst du also auch, dass das richtige Entsorgen von Abfall aus Umweltsicht wünschenswert wäre? Was ist in diesem Fall dein Argument für eine wilde Müllentsorgung?

Aufgemerkt: es geht nicht darum, die Leute zu nötigen, vor und nach der Arbeit je ’ne Stunde durch die Stadt zu latschen, weil das ja noch viel toller für die Umwelt wäre – was zwar ganz unzweifelhaft richtig ist, jedoch eine realitätsferne Wunschvorstellung darstellt. Auch, wenn man den Leuten die zehn Euro Steuern erlassen würde, die sie im Jahr beim Kauf ihrer Schuhe bezahlen. Es geht darum, die Leute vom Auto wegzubekommen. Natürlich benötigt ein Wagen mehr an der Straßenbahn mehr Energie. Lass’ es von mir aus auch die 50% sein, die du angegeben hast (wenngleich das mit meinem Physikverständnis kollidiert): wieviele Leute passen in so einen Wagen rein, und wieviel mehr Energie wird wohl verbraucht, wenn diese Leute je mit einem Auto fahren? Wenn eine Person in einem Auto im Stadtverkehr 7ℓ Sprit auf 100km durchzieht, und ein Bus beim gleichen Profil 30ℓ auf 100km – dafür aber 60×7ℓ eingespart werden, dann muss man kein großer Mathematiker sein, um zu sehen, dass es deutlich umweltfreundlicher ist, wenn die Leute mit dem Bus fahren, statt je ein Auto durch die Stadt zu bewegen. Und wenn die ganzen Autos die Straßen nicht mehr verstopfen, und der Bus daher locker durchrollen kann, verbraucht der gar noch weniger. Allerdings ist so’n Bus nicht so flexibel, wie das Auto: es gibt fixe Zeitraster, und man muss unter Umständen noch einige Meter zum eigentlichen Ziel laufen – und das ist die Stelle, wo der typische Mensch nunmal einen Anreiz braucht.

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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von curt123 » 23.04.2022 21:52:06

niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 21:03:04
Aufgemerkt: es geht nicht darum, die Leute zu nötigen, vor und nach der Arbeit je ’ne Stunde durch die Stadt zu latschen, weil das ja noch viel toller für die Umwelt wäre – was zwar ganz unzweifelhaft richtig ist, jedoch eine realitätsferne Wunschvorstellung darstellt.
Interessant, dass jetzt um Nötigung geht. Anbieten, nicht nötigen. Ich hab das über 20 Jahre so machen können, das entspannt und hält gesund. Wobei ich trotz Stadt eine kaum längere, aber relativ grüne Route gefunden hatte.
dann muss man kein großer Mathematiker sein, um zu sehen, dass es deutlich umweltfreundlicher ist, wenn die Leute mit dem Bus fahren, statt je ein Auto durch die Stadt zu bewegen. Und wenn die ganzen Autos die Straßen nicht mehr verstopfen, und der Bus daher locker durchrollen kann, verbraucht der gar noch weniger.
Nicht unbedingt. Rechnungen etwa bei Emissionen pro gefahrene km gehen (abgesehen von der Fragwürdigkeit angenommener Verbrauchswerte) häufig nicht auf, wenn es keine Parkprobleme gibt, also jeweils ortsnah oder auf/an der Strecke Parkmöglichkeiten bestehen. Denn bei vielen Strecken muss man bei ÖPNV mehrfach umsteigen, die Route ist oft deutlich länger und dauert z.B. das dreifache. Auf Strecken mit hoher Ausfallquote kommt nochmal Zeitverlust hinzu. Ich gehe in der Stadt oft auch schon deswegen längere Strecken zu Fuß, weil es relativ schnell geht. Ein vernünftig ausgebauter ÖPNV als brauchbares Angebot müsste auch häufiger und auch am WE 'dicht' fahren, dann wird er aber mangels Auslastung noch teurer als ohnehin schon, die Umweltbilanz wird auch fragwürdiger.

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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von DeletedUserReAsG » 23.04.2022 22:01:37

curt123 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 21:52:06
Interessant, dass jetzt um Nötigung geht.
Wenn du die Freundlichkeit hättest, zumindest das, was zu zitierst, auch mal zu lesen:
niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 21:03:04
es geht nicht darum, die Leute zu nötigen

curt123 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 21:52:06
Rechnungen etwa bei Emissionen pro gefahrene km gehen (abgesehen von der Fragwürdigkeit angenommener Verbrauchswerte) häufig nicht auf, wenn es keine Parkprobleme gibt
Es ist mal völlig egal, ob du Parkprobleme hast, oder nicht. Wenn die Karre im Stadtverkehr auf 100km ihre sieben Liter nimmt und die sich daraus ergebende Menge CO₂ emittiert, dann tut sie das völlig unabhängig davon, ob du einen Parkplatz findest, oder nicht.

Ist das Wortverdrehen und Falschdarstellen meiner Aussagen von deiner Seite absichtliche Provokation, oder liest du tatsächlich nicht, worauf du antwortest? Ernstgemeinte Frage.

Abgesehen davon war das Thema hier dann eher das Punktesystem – nicht, ob man mit ordentlichem Verbiegen von Tatsachen nicht vielleicht doch ’n Auto ökologisch schöner rechnen kann, als ’nen Bus. Da steht deine Antwort auf die Frage, wie ein Anreizsystem mit freiwilliger Beteiligung irgendwelche unschönen, machtgeilen Kontrollphantasien bedienen könnte, noch aus.

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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von curt123 » 23.04.2022 22:23:53

1. Mal das Zitat komplett:
Aufgemerkt: es geht nicht darum, die Leute zu nötigen, vor und nach der Arbeit je ’ne Stunde durch die Stadt zu latschen, weil das ja noch viel toller für die Umwelt wäre – was zwar ganz unzweifelhaft richtig ist, jedoch eine realitätsferne Wunschvorstellung darstellt.
Das ist für mich eine andere Aussage als "es geht nicht darum, die Leute zu nötigen". Du verbindest da "latschen" mit "nötigen", und dieser Verbindung -oder dünnhäutiger interpretiert womöglich Fehlinterpretation oder gar Unterstellung- wollte ich vorsorglich widersprechen.

2. Die fehlenden oder nicht fehlenden "Parkprobleme" erübrigen ggf. eine weitere Berechnung, wenn ÖPNV bereits da im Vorteil sind. Und Rechnungen mit Verbrauch pro KM müssen nunmal um unterschiedliche KM-Werte bzw. Strecken korrigiert werden, wenn ich z.B. zum Ziel per PKW 10 km und mit Öffis 25 km fahren muß. Wenn dann noch die Verbrauchswerte eines im Netz gefundenen Vergleichs nicht zu meinem Fahrzeug passen, muß das auch noch berücksichtigt werden.

DeletedUserReAsG

Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von DeletedUserReAsG » 24.04.2022 07:12:22

Zu 1: vielleicht solltest du nochmal drüber nachdenken? Gegen Aussagen zu argumentieren, die nicht getätigt wurden, ist eher nicht so seriös.

Zu 2: natürlich war das „Rechenbeispiel“ grob vereinfacht. Die dahinterstehende Aussage ist jedoch, dass ein gut genutzter Bus die Passagiere deutlich umweltfreundlicher zum Ziel bringt, als wenn jeder mit seinem eigenen Auto fahren würde. Stellst du das tatsächlich infrage? In dem Fall bitte ein eigenes, von mir aus ebenso grobes, Rechenbeispiel anführen, aus dem hervorgeht, wie sechzig Autos mit je einer Person umweltfreundlicher sein können, als ein Bus mit sechzig Personen.

Zu 3. (weil die Frage nun das dritte Mal direkt gestellt werden muss): welche „unschönen, machtgeilen Kontrollphantasien“ würde so ein Anreizsystem mit freiwilliger Beteiligung denn nun bedienen? Ich mein‘: das Punktesystem in Bologna ist doch das eigentliche Thema des Threads – wär’ also schon schön, wenn du deine Befürchtungen diesbezüglich mal etwas näher erläutern würdest. Für Umweltdiskussionen gibt es bereits geeignetere Threads.

katzenfan
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Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von katzenfan » 24.04.2022 11:11:19

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 19:55:17
In Deutschland soll es ja das Phänomen geben, dass Leute sich etwas Geld mit dem Einsammeln von Flaschen dazuverdienen. *** Das funktioniert wohl nur im Zusammenhang mit dem knappen Arbeitslosengeld II.
Dieses Phänomen hat es, und es wird auch von Rentnern maßgeblich realisiert.
niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 17:05:18
Inwiefern verstößt ein solches Punktesystem gegen eine Pflicht zur Gleichbehandlung?
Sie könnte dann dagegen verstoßen, wenn sie zur Ungleichbehandlung der Unionsbürger*innen führt, d.h. zur nicht gleichen Behandlung der nicht einheimischen Unionsbürger*innen.
Das wäre aus meiner laienhaften Sicht nur genau dann der Fall, wenn nicht jeder Bürger gleichermaßen an einem solchen System teilnehmen könnte.
Das Könnte spielt im Unionsrahmen insofern keine Bedeutung, als die Wirkung einer Regel zählt.
Aus den vorliegenden Informationen lässt sich diesbezüglich allerdings nichts ableiten?
Die Art 7, 8 und 24 Unionsgrundrecht könnten Hindernisse darstellen?

Art 8 betrifft bspw. den Datenschutz, und dann sind schon die DSGVO und die dazu getroffenen Entscheidungen des EuGH berührt, bspw. zur Zweckbindung der erhobenen Daten; für das Unionsland Deutschland national gefestigt bspw. durch BGH 1 StR 32/13.

Ein Problem einer jeden Regel ist ihr potentieller Mißbrauch.

Aussage stellt freilich nur meine Meinung dar.

DeletedUserReAsG

Re: Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten

Beitrag von DeletedUserReAsG » 24.04.2022 11:22:29

katzenfan hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 11:11:19
Sie könnte dann dagegen verstoßen, wenn sie zur Ungleichbehandlung der Unionsbürger führt, d.h. zur nicht gleichen Behandlung der nicht einheimischen Unionsbürger.
Das erscheint mir etwas sehr weit an den Haaren herbeigezogen. Ansonsten könntest du nun versuchen, jede Stadt zu verklagen, die beispielsweise Anwohnerparkausweise ausstellt – weil damit Einheimische und Besucher dadurch ja ungleich behandelt würden.
katzenfan hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 11:11:19
Das Könnte spielt im Unionsrahmen insofern keine Bedeutung
Genau das Könnte ist bedeutend: jeder hat die gleichen Möglichkeiten, und kann sich selbst dafür oder dagegen entscheiden. Immerhin leben wir in einer freien Gesellschaft – das kannst du im GG und garantiert auch auf irgendwelchen EU-Zetteln nachlesen. Kann keiner gezwungen werden, da mitzumachen, also muss die freie Auswahl zum Mitmachen das Kriterium sein. Und die ist gegeben – zumindest, soweit ich das anhand der für mich verfügbaren Informationen erkennen kann. Falls du da andere Informationen hast, kannst du sie gerne benennen.

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