Welche Bücher lest Ihr gerade?

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novalix
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von novalix » 24.04.2022 13:11:13

fischig hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 15:57:03
MIt „vermuten“ ist man dann ganz schnell wieder bei Schopenhauer und Nietzsche. Aber gut, bei den „modernen“ Franzosen sind das ja sozusagen die Stammväter der Philosophie.
Das würde ich anders sehen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexandre_Koj%C3%A8ve

ontopic:
Ich lese gerade mal wieder Umberto Eco, Die Insel des vorigen Tages.
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön.

Huo
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Huo » 24.04.2022 15:00:14

rockyracoon hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 18:23:51
Im Sinne von Ludwig Wittgenstein: "Worüber man nicht reden kann, sollte man schweigen" (aus den "Tractatus Logicus").
Ich habe mit mir gerungen, ob ich jetzt pingelig sein soll. Aber der Titel des Werkes von Ludwig Wittgenstein lautet "Tractatus logico-philosophicus" und der berühmte letzte Satz daraus im korrekten Wortlaut: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen." Seine Abhandlung mit einem halbherzigen Konjunktiv abzuschließen wäre, glaube ich, nicht Wittgensteins Ding gewesen. :wink:

Einer meiner Lieblingssätze aus dem Tractatus: "Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist." - Und mir waren schon lange die Wahrheitstafeln der Aussagenlogik vertraut, bevor ich erfuhr, dass Wittgenstein sie erfunden und erstmals in seinem Tractatus verwendet hat.

Erst kürzlich habe ich die Wittgenstein-Biographie von Ray Monk gelesen [*]. Zurück bleibt der Eindruck einer genialen, aber auch zerissenen und manchmal qualvoll ambivalenten Persönlichkeit.

[*] Monk, Ray: Wittgenstein. Das Handwerk des Genies. Stuttgart, Klett-Cotta, 2021

rockyracoon
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 24.04.2022 15:56:38

@Huo:
Ich habe mit mir gerungen, ob ich jetzt pingelig sein soll. Aber der Titel des Werkes von Ludwig Wittgenstein lautet "Tractatus logico-philosophicus" und der berühmte letzte Satz daraus im korrekten Wortlaut: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen." Seine Abhandlung mit einem halbherzigen Konjunktiv abzuschließen wäre, glaube ich, nicht Wittgensteins Ding gewesen. :wink:
Jou. Ludwig hat sinngemaß in seinem Traktat auch geschrieben:
"Worüber man reden kann, soll man so genau reden wie es eben so geht" (LOL). Insofern bist Du ein wahrer Wittgenstein-Versteher.
Und so wie Du es bevorzugst, präzise zitiert:

4.116 Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht
werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar ausspre-
chen.

Aus: Logisch-philosophische Abhandlung, Ludwig Wittgenstein, 1922
Und dieses von Dir erwähnte Zitat habe ich aus tiefstem Respekt, weniger vor Wittgenstein, als vor seiner Aussagewucht nicht zitiert:
Einer meiner Lieblingssätze aus dem Tractatus: "Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist."
Zuletzt geändert von rockyracoon am 24.04.2022 16:11:55, insgesamt 6-mal geändert.

Huo
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Huo » 24.04.2022 15:58:36

Noch was: Ich fände es ziemlich doof, wenn in diesem Thread weiterhin "anspruchsvolle" und "unterhaltsame" Lektüre gegeneinander ausgespielt würde. Wie sich in der erwähnten Wittgenstein-Biographie von Monk nachlesen lässt, war Wittgenstein ein obsessiver Leser und Bewunderer amerikanischer "Schundkrimis" (wie er sie selbst bezeichnete). Den Krimiautor Norbert Davis hat er so geschätzt, dass er ihm sogar einen Dankesbrief schreiben wollte – was daran scheiterte, dass er dessen Anschrift nicht in Erfahrung bringen konnte.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 24.04.2022 16:00:12

@Huo:
Noch was: Ich fände es ziemlich doof, wenn in diesem Thread weiterhin "anspruchsvolle" und "unterhaltsame" Lektüre gegeneinander ausgespielt würde.
:THX: :THX: :THX:

All is serious and all is a joke.

Und zum Beispiel "Der Todesmarsch"* von Stephen King (alias Richard Bachmann) ist sowohl extrem unterhaltsam als auch extrem tiefgründig.
Da könnten sich imho der Popper und der Wittgenstein noch eine Scheibe davon abschneiden... :wink:
https://de.wikipedia.org/wiki/Todesmarsch_(Roman)


* Ich interpretiere den "Todesmarsch" dieser Erzählung übrigens als Metapher auf das Sterben, welches uns ja schließlich alle erwartet und die unterschiedlichen Reaktionen der Menschen darauf.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von TuxPeter » 24.04.2022 17:35:13

rockyracoon hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 16:00:12
Ich interpretiere den "Todesmarsch" dieser Erzählung übrigens als Metapher auf das Sterben [ .. ]
Das scheint ja ein recht intensives und heftiges Buch zu sein, echte Eindrucksliteratur. Nach dem Wikipedia-Artikel möchte ich darin übrigens eher eine Metapher auf das Leben sehen.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Meillo » 24.04.2022 18:57:48

Ich bin ganz verwundert wieviele Philosophen wir hier im Forum haben. 8O


rockyracoon hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 16:00:12
Und zum Beispiel "Der Todesmarsch" von Stephen King (alias Richard Bachmann)
Ich finde den deutschen Titel etwas schade, weil er so reisserisch ist. Das englische Original heisst ganz nuechtern ``The Long Walk'' ... was IMO dem dargestellten Setting und der Stimmung der Geschichte viel besser entspricht. Der deutsche Titel dagegen wirkt wie reines effekthaschendes Marketing.



Ich habe vor Kurzem ``Masters of Doom'' gelesen. Das war kurzweilig und interessant zu lesen. Zudem hat es Lust auf's Programmieren gemacht. ;-)
https://en.wikipedia.org/wiki/Masters_of_Doom
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von heisenberg » 24.04.2022 19:09:30

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 15:58:36
Noch was: Ich fände es ziemlich doof, wenn in diesem Thread weiterhin "anspruchsvolle" und "unterhaltsame" Lektüre gegeneinander ausgespielt würde.
Empfindest Du das so? Bei welchen Beiträgen hast Du den Eindruck, dass das so ist? (Ich habe den Thread jetzt noch nicht voll gelesen).

Eines meiner Hauptanliegen hier ist, daß ich meine Erkenntnisse aus den gelesenen Bücher zusammenfasse(und mir u. a. deswegen besser merken kann) und zum hoffentlichen Nutzen aller weitergebe und auch zu meiner eigenen Freude, wenn letzteres tatsächlich zutrifft. Ich sehe verschiedenste Bücher hier und verschiedene Subgruppen, die sich in dem Thread zu den Büchern und deren Themen austauschen, die sie jeweils interessieren. Natürlich würde ich mich freuen, wenn darüber hinaus ein Dialog den Themen entsteht, die mich gerade interessieren, aber letztlich ist es halt so, wie es ist. Ansonsten lese ich selbst hier gerade nur etwas selektiv - wahrscheinlich hole ich das im Laufe der nächsten Zeit nochmal nach.

Ich würde auch sagen, dass was der ein oder andere auf der Empfängerseite hier empfinden mag, ist nicht unbedingt das, was der Schreibende ausdrücken und verstanden haben will. Bsp: Als im RT-Propagandathread "Hobbes" erwähnt wurde, war da für einen Moment auch Scham bei mir: Ich kenne den Namen, aber nicht was der geschrieben hat. Ich hatte also den Gedanken, dass ich "bildungstechnisch nicht auf dem gleichen Niveau bin wie die Person, die das geschrieben hat.". Das war aber mit Sicherheit nicht das Anliegen des Schreibers und ansonsten "will ich auch nicht alles glauben, was ich denke" (Ganser) und wenn ich irgendwann mal Bock haben sollte, dann kann ich von dem ja immer noch was lesen.

Nicht zuletzt freue mich u. a. darüber, dass ein reger Austausch zu Büchern jeglicher Art hier begonnen hat, weil ich denke, dass das eine Quelle von Inspiration ist.
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Huo » 24.04.2022 19:48:23

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 19:09:30
Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 15:58:36
Noch was: Ich fände es ziemlich doof, wenn in diesem Thread weiterhin "anspruchsvolle" und "unterhaltsame" Lektüre gegeneinander ausgespielt würde.
Empfindest Du das so? Bei welchen Beiträgen hast Du den Eindruck, dass das so ist? (Ich habe den Thread jetzt noch nicht voll gelesen).
Konkrete Beiträge möchte ich nicht zitieren, damit der Thread nicht in abwegige und fruchtlose Auseinandersetzungen abdriftet, die mit seiner Idee nur mehr wenig zu tun haben. Und zugegeben, vielleicht war meine Aussage mehr Befürchtung als konkret belegbarer Eindruck.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von fischig » 24.04.2022 20:05:54

novalix hat geschrieben:
fischig hat geschrieben:bei den „modernen“ Franzosen sind [Schopenhauer und Nietzsche] ja sozusagen die Stammväter der Philosophie.
Das würde ich anders sehen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexandre_Koj%C3%A8ve
Mal abgesehen davon, ob man Kojève zu den „modernen“ franzisischen Philosophen rechnen kann, überzeugt mich die Liste der womöglich(?) von ihm „beeinflussten“ Franzosen nicht. Die landen alle mehr oder weniger bei Heidegger und wo landet Heidegger?

Falls die Nennung weiterer philosophischer Lektüre noch erlaubt ist:
Georg Lukacs: Die Zerstörung der Vernunft
Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse.

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heisenberg
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von heisenberg » 24.04.2022 23:39:42

So. Hier kommt die nächste Textwand. Wer's lesen will der liest es und wer's nicht lesen will, der tut's halt nicht. Über Rückmeldungen dazu freue ich mich.

Paul Schreyer: Die Angst der Eliten - Wer fürchtet die Demokratie? (2018)

Der Autor / Motivation

Paul Schreyer ist ja mittlerweile eine Persona-non-Grata in den Mainstreammedien: Offiziell Verschwörungstheoretiker zu 9/11, "Corona-Leugner" bzw. wie der neue, aufkommende Ausdruck jetzt ist: "Corona-Rechter".

Seit einiger Zeit ist er auch auf - der sich zum Diffarmierungsinstrument wandelnden Plattform - PSIRAM mit ausführlichem Steckbrief beschrieben. Für mich selbst betrachte ich die Erwähnung dort für einen Teil der Personen mittlerweile eher als eine Art Ehrung für Zivilcourage und als Auszeichnung für wertvolle Beiträge zur Demokratie denn als Schmähung.

Insofern hatte ich auch gezielt nach Büchern von Paul Schreyer gesucht und bin froh, daß die Ausgrenzung im öffentlichen Diskurs die Frankfurter Stadtbibliothek noch nicht erfasst hat.

Wirkung und Allgemeines über das Buch

Das Buch hat in mir eine Begeisterung für direkte Demokratie entfacht, in einer Zeit, in der gefühlt die Politik in die komplett falsche Richtung läuft. Ich habe den Eindruck, dass wichtige Entscheidungen doch ohnehin nicht vom Volk ausgehen(bzw. dass ich sie nicht mitgestalten kann), sondern irgendwie im Hintergrund von Reichen und Mächtigen getroffen werden.

Das Buch hat in mir auch Angst ausgelöst, damit wie stark die antidemokratischen Kräfte in der Welt sind. Das für mich bedeutenste Beispiel war der Sturz von Salvador Allende 1973 und der Regime Change zum brutalen System von Augusto Pinochet. Die Entstehung eines Präzedenzfalles, das Sozialismus tatsächlich eine Erfolgsgeschichte in der Welt werden könnte, mußte mit allen Mitteln verhindert werden.

Im Gegenteil zu dieser Angst von mir, dreht der Autor mit seinem Titel den Spiess aber um. Mit der Erwähnung der "Angst der Eliten" legt er den Fokus auf die Anderen, die diese ganzen Mittel der Gewalt und Unterdrückung tatsächlich einsetzen. Er drückt damit vermutlich seine Botschaft aus, dass die Bevölkerung nicht die Angst haben muss, sondern die Macht hat und sich dieser nur wieder bewusst werden muss und sich trauen, sie zu nutzen.

Das Buch ist insgesamt sehr detailliert mit Fakten und tatsächlichen Zitaten ausgearbeitet, umfangreich mit Quellen belegt, sowie mit Referenzen auf Literatur der Bezüge versehen. Ansonsten ist das Buch mit 220 Seiten sehr übersichtlich bzgl. des Umfangs.

Vorbemerkung zum Buch

Eine kritische Vorbemerkung zu einem kritischen Buch. d. h. kritisch in dem Sinn, dass hier wahrscheinlich der Grossteil der lesenden Personen vermutlich sowohl meine Sichtweise, als auch möglicherweise die Sichtweise des Autors nicht teilen - was für mich absolut ok ist.

Was 9/11 betrifft, so betrachte ich das durchaus als Terroranschlag, wenn auch nicht von Bin Laden oder sonst irgend jemandem aus der islamistischen Welt. Für mich ist klar, dass die Dinger(WTC 1+2+7) gesprengt wurden. Das ist meine Meinung und jeder mag darüber seine eigene andere Meinung haben. Darüber möchte ich hier auch gar nicht diskutieren. Was ich diesbezüglich aber loswerden möchte ist das folgende:

In der offiziellen Darstellung ist 9/11 der offiziell größte Terroranschlag aller Zeiten. Es hat ~3000 Todesopfer gegeben. Es wurde und wird als unglaublicher Angriff auf die westliche Welt bzw. die USA dargestellt, als grausamer Akt des Terrors. Demgegenüber möchte ich den 2. Irakkrieg stellen: Die Schätzungen sprechen von einer Bandbreite von 100.000 bis über 1 Mio. zivilen Opfern. (Siehe Wikipedia). Der Krieg wurde mit einer Lüge als Vorwand begonnen und war also ein völkerrechtswidriger, illegaler Angriffskrieg. Indem ich einfach nur diese beiden Zahlen gegenüberstelle, ist für mich 9/11 eher eine Kleinigkeit gegenüber des fast schon selbstverständlich hingenommenen Verbrechens, dass hier an einem Volk verübt wurde. Der Vergleich zeigt für mich, dass auf der Welt viel grössere Dinge am laufen sind, als nur 9/11.

Zudem ist das meiner Meinung nach - neben den vielen anderen Kriegen bei denen deren Völker dadurch auf Generationen traumatisiert wurden - die größte Ursache für zukünftigen tatsächlichen Terrorismus und Verhinderung von Aufbau von Vertrauen für ein friedliches Zusammenleben aus diesen Ländern in der Welt. Und das sind Reaktionen von Menschen, deren Leid ich da vollkommen nachvollziehen kann.

Aber jetzt zum Buch selbst...

Stigmatisierung in der Sprache und dadurch Ausgrenzung, Einschränkung der Meinungsfreiheit

Der Autor führt anhand Analysen der Begriffe "Populismus", "anti-Europäisch", "Querfront"(extremistische Verbindung zwischen linken und rechten Radikalen) und den Umgang in den Medien dazu aus, dass es bei diesen Begriffen um eine Wertung der Gesinnung geht und dass die Objekte, die damit belegt werden, natürlich die falsche Gesinnung haben und deswegen grundsätzlich abgelehnt/ausgegrenzt werden müssen. Populismusvorwürfe werden z. B. der AfD häufig gemacht. Für die Querfrontvorwürfe ist hier z. B. Ken Jebsen das Ziel. Mit ausgegrenzten Personen führt kein inhaltlicher Dialog mehr statt und über das Kontaktschuld-Prinzip soll auch schon der Umgang mit diesen geächtet werden.

In der Verwendung von Sprache gibt es daneben auch zweierlei Maßsstäbe. Von "allen" oder "wir" oder "uns" zu sprechen, dass ist grundsätzlich nur den Regierungen - den an der Macht befindlichen - erlaubt. Wenn dass die Andere tun, dann wird das als Anmaßung verunglimpft.

In Bezug der Sprache schreibt der Autor noch, dass er es sehr interessant findet, dass die Regierung besonders das Thema "Massnahmen gegen Hate Speech" stark voran treibt. Hatespeech für die nur sehr obskure Gesetze hervorgeholt werden. U. a. kommt er hier auch auf das NetzDG zu sprechen; ein Gesetz, dass Plattformbetreibern mit hohen Strafen droht, wenn widerrechtliche Inhalte nicht umgehend entfernt werden. Natürlich möchte von diesen Unternehmen niemand diese Strafen tatsächlich bezahlen und deswegen führt das grundsätzlich zu vorauseilender Zensur. Etwas das laut wesentlicher Institutionen und Personen als Aufhebung der Meinungsfreiheit(BVG, 2009), Vorlage für repressive Staaten(Reporter ohne Grenzen, 2017), vorauseilender Zensur(UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye), ... führe. Ganz egal. Die Einfühurng des NetzDG wurde 2017 durchgezogen.

Ein Punkt, auf den der Autor noch eingeht, ist der Unterschied zwischen "Europa" und "Europäische Union(EU)". Europa ist die geografisch zusammengefasste Gemeinschaft. Die EU ist der Modus der Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern. "Anti-Europäisch" wird dabei mitunter als Bezeichnung - z. B. zur Abwertung von Menschen - verwendet, die gegen die EU sind. Man kann aber durchaus für Europa sein, aber mit dem aktuellen Stand der Zusammenarbeit("EU") nicht einverstanden sein und diese Zusammenarbeit verändern wollen.

Die AfD

Die AfD wird in einem Kapitel besonders durchleuchtet, weil sie in ein paar wesentlichen Punkten einen Schaden für die Demokratie darstellt. Zum einen wird dort lt. Autor das Kunststück vollbracht komplett gegensätzliche Zielgruppen zu vereinen: Zum einen eine reiche Bevölkerungsschicht, die sich gegen Kapitalabflüsse im Euroraum wehren möchte. Dieser Schicht kommt zusätzlich zum genannten Punkt die der FDP und CDU/CSU sehr ähnliche Wirtschafts- und Finanzpolitik sehr entgegen. Zum anderen werden dort Protestwähler bedient, die mit der bisherigen Regierung nicht zufrieden sind, weil sie sich von dieser - zu Recht - nicht vertreten fühlen. Der Autor verweist dazu aber noch auf diese besonderen Punkte:
  1. Die Unzufriedenheit wird aber von der AfD v. a. auf die vorhandene Regierung gelenkt, sollte aber lt. Autor auf die eigentlichen Verantwortlichen der Zustände - die Schicht der Reichen und Mächtigen - gelenkt werden.
  2. Es werden von der Partei Themen ausgewählt, die einerseits versprechen, die Menschen möglichst stark zu emotionalisieren und anzusprechen d. h. als Wähler zu gewinnen und andererseits in der Medienlandschaft zu provozieren, um als politische Partei viel Aufmerksamkeit zu erhalten.
  3. Die Auswahl von hochemotionalen Themen(z. B. Islamismus) führt dann dazu, dass der Diskurs von den wirklich wichtigen Themen für die ärmere Zielgruppe(Sozial- und Demokratieabbau) weg geführt wird, also sowohl von den Befürwortern der Blendthemen als auch von den Gegnern - die sich darüber echauffieren.
Der Autor geht auch weiterhin auf die Hintergründe vieler Personen und deren Verbindungen in die Wirtschaftswelt ein.

Direkte Demokratie in Deutschland

Der Autor beleuchtet die direkte Demokratie in der Weimarer Republik (1918-1933). Hier wurde zum ersten Mal tatsächlich direkte Demokratie praktiziert. Hier gab es diverse Versuche mit Volksabstimmungen für die Bevölkerung tatsächlich an der Regierung mitzuwirken. Selbst wenn es letztlich keine einzige Volksabstimmung geschafft hat einen gültigen Beschluss herbei zu führen, weil die Hürden wohl einfach zu hoch waren - allen voran die notwendige Bevölkerungsbeteilligung von 20% - hat allein das ringen um die ernsthafte Auseinandersetzung damit viel Lebendigkeit in der Politik und Bevölkerung ausgelöst.

Ein Beispiel ist das Volksbegehren: "Gegen den Panzerkreuzerbau". Also ein hochaktuelles Thema: Man wollte die Rüstung begrenzen, weil man das Geld ja für die Sozialleistungen für die Bevölkerung viel dringender benötigte.

Die Lebendigkeit dabei wurde dadurch ausgelöst, dass man breit und mit großer Heftigkeit in der Bevölkerung über die Sache diskutierte. Rückwirkend wir die Weimarer Republik oftmals als totales und katastrophales Chaos angesehen. Der erfolgreiche YouTuber LeFloid schrieb dazu in einem von Ihm verfassten Buch, dass die direkte Demokratie damals direkt mitursächlich für den Aufstieg Hitlers verantwortlich war. (IMHO: Was für ein Unsinn!).

Der Autor führt Pro und Contra Argumente verschiedner Parteien zur direkten Demokratie aus:
  • Contra: Das Volk ist zu dumm und unreif. Es ist unfähig sich selbst zu regieren.
  • Pro: Der ungesetzliche aber faktisch vorhandene Fraktionszwang untergräbt die Demokratie noch weiter, indem er Entscheidungen in die Parteiführungen verlagert, weg von den Abgeordneten
  • Pro: Die Komplexität vieler Gesetzesvorhaben überfordert auch Abgeordnete(z. B. hochkomplexe Verträge wie der zum Thema Mautsystem), die diese Verträge gar nicht lesen(aber das ist eigentich kein spezielles Problem der direkten Demokratie)
  • Pro: Ein ganzes Volk zu manipulieren ist viel schwieriger als nur ein paar Hundert Abgeordnete in der Regierung
  • Pro(imho): Das Volk kann auch falsche Entscheidungen treffen. Aber es wird auf jeden Fall die Folgen seiner Handlungen spüren und daraus lernen
Der Autor benennt auch noch die Tatsache, dass das Volk bei direkter Demokratie evtl. Entscheidungen der Regierung rückgängig machen kann als sehr wesentlich. Denn wenn alleine die Tatsache möglich wäre und dies vielleicht auch bereits passiert wäre, würde sich in der Politik vermutlich das Verständnis entwickeln, dass man keine Politik gegen die Bevölkerung machen kann.

Der Autor geht auch noch auf die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg ein und warum keine Elemente der direkten Demokratie in die neue Verfassung der BRD eingeflossen sind. Direkte Demokratie war damals ein Element, dass einige Fürsprecher, aber auch manche Gegner hatte. In den neu geschaffenen Landtagsverfassungen waren bereits Elemente direkter Demokratie enthalten, mit den Lehren die man aus der Weimarer Republik gelernt hatte: Senkung der Hürden für die Volksabstimmung.

Ein großes Anliegen in der Zeit war die Frage, ob Deutschland wieder vereinigt werden sollte oder aufgeteilt bleibt. Die Bedingung der UDSSR für eine Vereinigung war die Neutralität des gesamten Deutschlands. Die USA bzw. die Siegermächte wollten aber auf jeden Fall eine Einbindung von Deutschland in die NATO, als Stärkung des Einflussgebietes gegen die UDSSR. In der Bevölkerung schien der Wunsch nach Vereinigung größer zu sein - ist ja auch ganz klar: Familien- und Verwandschaftsverhältnisse waren im Land verteilt. Wer wollte sich da auseinander reissen lassen? Mit den bisherigen Erfahrungen in Sachen direkter Demokratie zeichnete sich schon ab, dass es hier wahrscheinlich zu einer Volksabstimmung kommen könne und dass das Volk sich wahrscheinlich klar für eine Wiedervereinigung entscheiden würde.

Um also ein neutrales Deutschland zu verhindern, versuchte man also in der neuen Verfassung der Bundesrepublik die direkte Demokratie aussen vor zu lassen. Natürlich konnte man nicht den wahren Grund dafür - die Siegermächte wollen das so - nennen. Das hätte sofort Widerstand ausgelöst. Man hat sich statt dessen auf die Begründung geeinigt: "Das was wir hier erarbeitet haben, dass ist ja nur eine vorläufige Verfassung. Da kommen noch viele Änderungen. Hier jetzt schon eine Volksabstimmung durchzuführen, wäre total sinnlos und übertrieben.". Damit war dann der Widerstand gegen das weglassen der Elemente direkter Demokratie erst einmal besänftigt und auch ein Volksentscheid zur Thematik "Vereinigung von Deutschland" konnte nicht durchgeführt werden. Und diese vorläufige Verfassung haben wir heute immer noch.

Zuletzt geht der Autor noch auf die Tatsache ein, dass gerade in den letzten Jahren Parteien wie CDU/CSU und FDP Ihre eindeutigen Bekundungen zum Wunsch der Einführung von Elementen direkter Demokratie entfernt bzw. stark reduziert haben.

Tiefer Staat

Das ist also jetzt das vermutlich das Thema, wo die Ansichten hier wahrscheinlich stark auseinander gehen.

Der Tiefe Staat - früher auch militärisch-industrieller Komplex genannt - bezeichnet komplexe, informale und undefinierte Netzwerke aus unterschiedlichsten Personen, Institutionen, Politikern, Unternehmen, Konzernen und NGOs, die miteinander in Kontakt stehen, um Ihre Interessen zu schützen und auf die Welt in Ihrem Interesse einzuwirken.

Ein Beispiel für ein Element des tiefen Staates ist die CIA. Der Autor schildert hier die Gründung als Institution nicht der Regierung oder Politik sondern der Finanzwelt. Der Autor liefert viele Belege hierfür. U. a. gibt es auch einen regen Austausch von Personal zwischen CIA und Finanzwelt.

Diese Netzwerke bestehen im Hintergrund unabhängig von Regierungen, haben ein Veto für unerwünschte Gesetze und unterlaufen gesellschaftliche Erneuerungen wann immer die eigenen Interessen bedroht sind.

Der tiefe Staat ist dabei häufig in Ereignisse entwickelt, die über Jahre oder Jahrzehnte die öffentliche Politik prägen, sog. Tiefenereignisse. Z. B.:
  • politische Morde(Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Walther Rathenau, Dag Hammerskjöld, Patrice Lumumba, John F. Kennedy, Martin Luther King, Robert Kennedy, Olof Palme, ...)
  • Reichstagsbrand 1933
  • Staatsstreich gegen die demokratisch gewählte Regierung im Iran 1953
  • Zwischenfall im Golf von Tonkin 1964
  • Anschläge von 9/11
Ein paar Zitate von Michael Hayden, ehemaliger Air-Force-General, NSA- und CIA-Chef. Chronologie rückwärts wie im Buch:

Über die "Permanente Regierung" 6.3.2017 [1]:
Paul Schreyer hat geschrieben:Befragt zum Thema Tiefenstaat meinte ... Michael Hayden kurz nach der Amtseinführung von Trump, er möge diesen Begriff nicht besonders und spräche statt dessen lieber von einer "permanenten Regierung". Deren Mitglieder, zu denen er selbst auch gehöre, seien nüchterne "Profis": "Sie wählen, haben Ansichten, aber als Profis wissen sie, was zu tun ist."
Dem US-Präsidenten sagen wie der Hase läuft 28.3.2016 [2]:
Paul Schreyer hat geschrieben: Michael Hayden: "In diesem Moment beginnt die permanente Regierung - das sind Leute wie ich - damit, den Siegerkandidaten von unserer Sicht der Welt zu überzeugen, ... ihm zu erklären, dass nationale Sicherheit aus dem Weißen Haus heraus anders aussieht, als von einem Hotelzimmer in Iowa.
Über die Rolle der permanenten Regierung 20.3.2015 [3]:
Paul Schreyer hat geschrieben: Michael Hayden: Gewählte Politiker, so der General in einer Einschätzung im Jahr 2015, seien zwar nötig, da sie für die öffentliche Legitimität sorgten. Die permanente Regierung aber trage "Fachwissen und Erfahrung" bei. Außerdem beuge man mit dieser Struktur einer "übermässigen Leichtsinnigkeit" der Politik vor.
Es gab viele Warner vor dem Tiefenstaat; u. a. Salvador Allende [4] in seiner Rede in New York / UNO.
Paul Schreyer hat geschrieben: Salvador Allende: "Uns stehen Kräfte gegenüber, die im Schatten wirken, ohne eine Flagge, aber mit mächtigen Waffen an vielen einflussreichen Positionen. ... Die großen kapitalistischen Firmen wollen mit Ihrer Aggression die Emanzipation des Volkes blockieren. Es handelt sich um einen direkten Angriff auf die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter Chiles ... Internationale Konzerne nehmen Einfluss auf grundsätzliche politische, wirtschaftliche und militärische Entscheidungen. Diese Firmen sind globale Organisationen, die von keinem Staat abhängen und von keinem Parlament kontrolliert werden oder diesem Rechenschaft schulden. Mit einem Wort: Die gesamte politische Struktur der Welt wird untergraben. ... Von dieser Gefahr sind nicht nur die unterentwickelten Lnder bedroht, sondern auch die Industriestaaten."

Im bis auf den letzten Platz gefüllten großen Sitzungssaal des New Yorker UNO-Gebäude brandete nach dieser Rede tosender Beifall auf der minutenlang anhielt. [5]

Ein Jahr später wurde Allende mit Unterstützung der CIA gestürzt. ... Ausschlaggebend war auch die Lobbyarbeit des Milliardärs und Bankers David Rockefeller, der auf die US-Regierung persönlich einwirkte.
Das Zitat aus Rockefellers Memoiren: "In March 1970, well before the election, my friend Augustin (Doonie) Edwards, publisher of El Mercurio, Chile's leading newspaper, told me that Allende was a Soviet dupe, who would destroy Chile's fragile economy and extend Communist Influence in the region. If Allende won, Doonie warned, Chile would become another Cuba, a satellite of the Soviet Union. He insisted the United States must prevent Allende's election. Doonie's concerns were so intense, that I put him in touch with Henry Kissinger." [6]

Henry Kissinger hat das folgende dem chilenischen Botschafter in Washington kurz vor dem Putsch 1973 mitgeteilt, wie nachträglich veröffentlicht wurde [7]:
Paul Schreyer hat geschrieben:Henry Kissinger: Lateinamerika ist eine Region, der kaum eine strategische Bedeutung zukommt. Chile hat keinerlei strategischen Wert. Wir können unser Kupfer aus Peru, Sambia, Kanada beziehen. Ihr habt nichts, was entscheidend sein könnte. Aber wenn dieses Projekt Sozialismus à la Allende sich durchsetzt, werden wir in Frankfreich und Italien ernsthafte Probleme bekommen, wo Sozialisten und Kommunisten gespalten sind, sich aber an diesem Projekt ein Beispiel nehmen und sich zusammenschließen könnten. Und dies würde die Interessen der Vereinigten Staaten substantiell tangieren. Wir werden es nicht zulassen, dass es zum Erfolg geführt wird. Nehmen Sie dies zur Kenntnis.
Damit möchte es für jetzt mal gut sein lassen. Vielleicht kommt noch ein Nachtrag. Kapitel und Themen die ich nicht behandelt habe:
  • Reichtum regiert: Studien darüber, welchen Bevölkerungsschichten die Politik in Deutschland und USA dient
  • Milliardäre machen Politik
  • Begrenzte Grundrechte
  • Eigentum

[1] http://edition.cnn.com/TRANSCRIPTS/1703/06/acd.01.html
[2] https://www.politico.com/story/2016/03/ ... den-221275
[3] https://www.washingtontimes.com/news/20 ... rity-agen/
[4] https://web.archive.org/web/20210306233 ... onolo4.htm Rede via nur noch via web.archive.org auf spanisch(-> Google-translate benutzen)
[5] Youtube-Video und nytimes-Archiv-Beitrag leider nicht mehr erreichbar, auch nicht via web.archive.org
[6] Scott, Peter Dale: The Road to 9/11 a. a. O. S. 39-42 / Rockefeller David: Memoirs (Random House, 2002) S. 432
[7] Die Quelle ist das brasilianische Online Magazin carta maior aus dem Jahre 2013 - Ein Dossier zum Anlass des vierzigsten Jahrestages des Putsches. Quelle im Buch genau spezifiziert.
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von frox » 25.04.2022 00:16:10

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 23:39:42
So. Hier kommt die nächste Textwand.
Geht das auch via NoPaste? :lol:

Nee, ernsthaft: Respekt für die Ausdauer beim Verfassen.
Gruß, Fred

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frox
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von frox » 25.04.2022 00:22:16

Dank E-Book-Reader schmökere ich mich derzeit ganz gemütlich im Wechsel durch die Gesamtausgaben von Lovecraft, Poe, Edgar Wallace und Oscar Wilde.
Bloß raus aus dieser überschleunigten, seltsamen, aktuellen Zeit.
Gruß, Fred

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von paedubucher » 25.04.2022 07:45:48

frox hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 00:22:16
Dank E-Book-Reader schmökere ich mich derzeit ganz gemütlich im Wechsel durch die Gesamtausgaben von Lovecraft, Poe, Edgar Wallace und Oscar Wilde.
Bloß raus aus dieser überschleunigten, seltsamen, aktuellen Zeit.
Zum Stichwort "überbeschleunigt": Ich persönlich habe meinen eBook-Reader letztes Jahr auf Werkseinstellungen zurückgesetzt und im Keller verstaut. Ich musste leider die Erfahrung machen, dass bei eBooks bei mir weniger hängen bleibt als bei gedruckten Büchern. (Das ist auch das Thema von Reader Come Home, das ich gerade lese.) Aber vielleicht hast du da andere Erfahrungen gemacht...
Habe nun, ach! Java
Python und C-Sharp,
Und leider auch Visual Basic!
Durchaus programmiert mit heissem Bemühn.
Da steh' ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Meillo » 25.04.2022 07:52:12

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 07:45:48
frox hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 00:22:16
Dank E-Book-Reader schmökere ich mich derzeit ganz gemütlich im Wechsel durch die Gesamtausgaben von Lovecraft, Poe, Edgar Wallace und Oscar Wilde.
Bloß raus aus dieser überschleunigten, seltsamen, aktuellen Zeit.
Zum Stichwort "überbeschleunigt": Ich persönlich habe meinen eBook-Reader letztes Jahr auf Werkseinstellungen zurückgesetzt und im Keller verstaut. Ich musste leider die Erfahrung machen, dass bei eBooks bei mir weniger hängen bleibt als bei gedruckten Büchern. (Das ist auch das Thema von Reader Come Home, das ich gerade lese.) Aber vielleicht hast du da andere Erfahrungen gemacht...
Vielleicht ist der Unterschied, dass die von frox aufgezaehlten Autoren hauptsaechlich Kurzgeschichten oder zumindest kurze Geschichten geschrieben haben. Da tritt das von dir beschriebene Problem wohl nicht so auf wie wenn man groessere Werke liest.

Zudem ist frox, soweit ich das mitbekommen habe, ein paar Jaehrchen aelter als du. Mir ist von einigen aelteren Menschen erzaehlt worden, dass sie lieber mit einem Ebook-Reader lesen, weil sie dort die Schriftgroesse anpassen koennen. Kleine Schrift zu lesen wird mit zunehmendem Alter wohl deutlich anstrengender.

Das koennten Gruende sein, die deine abweichende Wahrnehmung erklaeren koennten.
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von frox » 25.04.2022 09:35:57

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 07:45:48
frox hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 00:22:16
Dank E-Book-Reader schmökere ich mich derzeit ganz gemütlich im Wechsel durch die Gesamtausgaben von Lovecraft, Poe, Edgar Wallace und Oscar Wilde.
Bloß raus aus dieser überschleunigten, seltsamen, aktuellen Zeit.
Zum Stichwort "überbeschleunigt": Ich persönlich habe meinen eBook-Reader letztes Jahr auf Werkseinstellungen zurückgesetzt und im Keller verstaut. Ich musste leider die Erfahrung machen, dass bei eBooks bei mir weniger hängen bleibt als bei gedruckten Büchern. (Das ist auch das Thema von Reader Come Home, das ich gerade lese.) Aber vielleicht hast du da andere Erfahrungen gemacht...
Ohne den Reader hätte ich mir die Gesamtausgaben alleine schon aus Platzgründen in meinem Wohnklo gar nicht zugelegt.
Aktuell brauche ich aus gesundheitlichen Gründen bei längeren Gehstrecken schon mal längere Pausen, bei denen ich nicht überall schnitzen kann und möchte.
Da finde ich es schon sehr praktisch, einfach in die Beintasche zu greifen, und ganz nach Stimmung was passendes zum Lesen dabei zu haben.
Wenn ich ein Buch zum Arbeiten benutze, habe ich es auch lieber als Print vor mir auf dem Schreibtisch liegen, mit einem Collegeblock für Notizen daneben.
Denn ja, Print hilft beim Fokussieren ungemein.
Aber ich nehme mir halt die Vorteile von beidem.
Da werde ich im hohen Alter ganz pragmatisch. :lol:
Gruß, Fred

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von frox » 25.04.2022 09:59:59

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 07:52:12
Zudem ist frox, soweit ich das mitbekommen habe, ein paar Jaehrchen aelter als du. Mir ist von einigen aelteren Menschen erzaehlt worden, dass sie lieber mit einem Ebook-Reader lesen, weil sie dort die Schriftgroesse anpassen koennen. Kleine Schrift zu lesen wird mit zunehmendem Alter wohl deutlich anstrengender.
Ganz ehrlich? Wenn ich die Schrift soweit vergrößern würde, dass sie mir die Lesebrille ersetzt, bliebe mir zu wenig Text zum komfortablen Lesen auf dem Bildschirm übrig. :lol:
Da müsste ich ein Tablet mit mir rumschleppen.
Und mit 52 brauche ich mich ja wegen einer Lesebrille auch nicht zu schämen.
Da ich mit älteren Senioren arbeite, ist es aber tatsächlich schon mal ganz praktisch, einzelne, (nicht allzu lange) Sätze vergrößern zu können, wenn beim Vorlesen irgendetwas verständnismäßig harkt, das beim Selbstnachlesen vielleicht klarer wird.
Gruß, Fred

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von novalix » 25.04.2022 12:39:07

fischig hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 20:05:54
Mal abgesehen davon, ob man Kojève zu den „modernen“ franzisischen Philosophen rechnen kann, überzeugt mich die Liste der womöglich(?) von ihm „beeinflussten“ Franzosen nicht. Die landen alle mehr oder weniger bei Heidegger ..
Nein, Kojève rechne ich nicht zu den "modernen Franzosen". Er war Hegelianer, und es ist ein gut untersuchter Umstand, dass seine Vorlesungen auf unterschiedliche Weise die verschiedenen Strömungen des französischen Denkens im 20. Jahrhundert beeinflusst haben. Und nein, die landen nicht alle bei Heidegger. Ich weiß auch nicht was das heißen soll.
Unter den Existenzialisten war es Sartre, der auf Heidegger rumgeritten ist, sonst eher keiner. Camus definitiv nicht.
Merleau-Ponty, den man inhaltlich nie und nimmer zu den Existenzialisten zählen kann, war geprägt von der Phänomenologie Edmund Husserls und hatte selber einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die strukturalistischen und poststrukturalistischen Ansätze. Jetzt sind wir wohl bei dem Haufen, der volkstümlich als "die modernen Franzosen" benannt wird. Auch hier wieder: Die einzelnen Protagonisten haben durchaus unterschiedliche Einflüsse und Erklärabsichten. Der Einfluss Ferdinand de Saussures' linguistischer Theorien ist hier allerdings wohl eher maßgeblich.
guennid hat geschrieben: ... und wo landet Heidegger?
Ja, wo wohl? In der Eck-sistenz.

Als Leseempfehlung - falls sich jemand ernsthaft dafür interessiert - möchte ich hier auf Maurice Merleau-Pontys Erstling "Die Strukturen des Verhaltens" verweisen. Zusammen mit seinem Hauptwerk "Die Phänomenologie der Wahrnehmung" gilt das immer noch als eine Referenz für die moderne Kognitionswissenschaft.
Das Wem, Wieviel, Wann, Wozu und Wie zu bestimmen ist aber nicht jedermannns Sache und ist nicht leicht.
Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von ralli » 25.04.2022 15:51:40

Sehr interessant. Wollte mir "Die Strukturen des Verhaltens" gerade bestellen, aber 109 € für ein Taschenbuch sind mir dann doch zuviel.

Gruß ralli
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 25.04.2022 16:09:00

@ralli:
Solch` einen Preis würde ich nur für einen guten Kunsbildtband akzeptieren.

Und überhaupt erlebe ich die Veröffentlichungen von Maurice Merleau-Ponty einfach als Wiederholung und Zusammenstellung aller möglichen psychologischen Theorien, welche man in einem guten Lehrbuch finden kann.
Zum Beispiel:
Mischel, W. 1981. W. Introduction To Personality. New York: Holt, Rinehart, and Winston. 8)
Geistreicher und alltagsnäher:
Watzlawick, P. 2007. Die Möglichkeit des Andersseins. Zur Technik der therapeutischen Kommunikation. Bern: Huber. :!:
Zuletzt geändert von rockyracoon am 25.04.2022 16:28:12, insgesamt 4-mal geändert.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von ralli » 25.04.2022 16:23:25

rockyracoon hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
25.04.2022 16:09:00
@Ralli:
Solch` einen Preis würde ich nur für einen guten Kunsbildtband akzeptieren.

Und überhaupt erlebe ich die Veröffentlichungen von Maurice Merleau-Ponty einfach als Wiederholung und Zusammenstellung aller möglichen psychologischen Theorien, welche man in einem guten Lehrbuch finden kann.
Zum Beispiel;
Mischel, W. 1981. W. Introduction To Personality. Holt, Rinehart, and Winston. 8)
Geistreichen und alltagsnäher:
Watzlawick, P. 2007. Die Möglichkeit des Andersseins. Zur Technik der therapeutischen Kommunikation. Bern: Huber. :!:
Hallo, @rockyracoon

danke für die Information und die Tipps. Werde ich mir auf jeden Fall anschauen.

Gruß ralli
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 25.04.2022 16:30:20

@ralli:
danke für die Information und die Tipps.
You're welcome.
Und schweren Herzens habe ich diesmal auf "Textwände" verzichtet, damit niemand überfordert wird. :wink:

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von paedubucher » 28.04.2022 11:05:11

Mein Bücherstapel wächst bevor er kleiner wird: Gerade ist mir Jetzt von Karl Heinz Bohrer, der letzten Sommer gestorben ist, in die Hände gefallen.

Es handelt sich um ein autobiographisches Werk, wobei es inhaltlich noch stärker von der Geistesgeschichte v.a. Deutschlands ab den späten 60er-Jahren geprägt ist. Als gescheiterter Sprachwissenschaftler (zwei Semester Germanistik und Slavistik) kann ich zwar nur einen Bruchteil dieser Debatten nachvollziehen, Bohrers Schreibstil sorgt aber dafür, dass ich das Buch kaum weglegen kann. (Der Stil ist recht anspruchsvoll, aber nicht derart anstrengend wie bei Kant, Adorno oder Habermas, sondern sorgt bei mir offenbar gerade für das richtige Niveau an Aufmerksamkeit.)

Bohrer war übrigens derjenige, der die Formulierung, dass Günther Netzer "aus der Tiefe des Raumes" kam, als England-Korrespondent der FAZ geprägt hatte.

Nachtag: Als grosser Fan von Thomas Bernhard hat mich v.a. die Passage fasziniert, wo Bohrer auf Bernhard trifft. Die beiden führen jedoch keine intellektuellen Gespräche über Bernhards Prosa, sondern gehen lieber in der Kantine eine Rindswurst essen.
Habe nun, ach! Java
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Da steh' ich nun, ich armer Tor!
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Meillo » 28.04.2022 11:26:08

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.04.2022 11:05:11
Nachtag: Als grosser Fan von Thomas Bernhard hat mich v.a. die Passage fasziniert, wo Bohrer auf Bernhard trifft. Die beiden führen jedoch keine intellektuellen Gespräche über Bernhards Prosa, sondern gehen lieber in der Kantine eine Rindswurst essen.
:lol:
Use ed once in a while!

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von dasebastian » 29.04.2022 09:16:14

paedubucher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
28.04.2022 11:05:11
Als grosser Fan von Thomas Bernhard...
Ein Bernhard pro Jahr gehört einfach zur seelischen Hygiene! :mrgreen: Wer sich für ihn interessiert, sich aber noch nicht drüber getraut hat, dem kann ich nur die 5 autobiographischen Bände Die Ursache, Der Keller, Der Atem, Die Kälte, Ein Kind empfehlen. Die haben alles, was einen "typischen" Bernhard ausmacht, sind aber weniger sperrig und jeder Band für sich angenehm kurz. Aber unbedingt in der "richtigen" Reihenfolge lesen, dann ergibt sich praktisch ein sich selbst antreibendes Schwungrad und du willst nach dem Kind gleich wieder zur Ursache greifen.

Ich aber wollte in die andere Richtung, diese Richtung war nicht meine Richtung, in die andere Richtung wollte ich... :lol: (Ganz ganz frei zitiert).

Und dass es hier noch mehr Leser mit einer Leidenschaft für den alten HPL gibt, freut mich auch sehr. Entweder man schläft ein bei ihm oder man liebt ihn. Oder beides. 8)

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