Welche Bücher lest Ihr gerade?

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heisenberg
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Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von heisenberg » 22.04.2022 13:29:30

Hallo zusammen,

ich möchte nochmal gerne einen Dauer-Thread starten mit der Frage, mit welchen Büchern Ihr Euch hier gerade beschäftigt. Ich finde die Tiefe und den Umfang von Büchern einfach nochmal wesentlich größer als das, was man durch das Internet an direkten Informationen abrufen kann und auch die Sicht der Dinge ist IMHO eine andere als die sich meist - leicht oder sehr stark - an die Massenmeinung angepassten Beiträge der Medien.

Thematisch interessiert mich gerade vor allem Politik und Gesellschaft. Die Einladung zum teilen über die Bücher soll sich aber nicht auf diese Bereiche beschränken.

Die letzten Bücher, die ich gelesen habe waren:

M. Gorbatschow: Das neue Russland - Der Umbruch und das System Putin (2015)
M. Gorbatschow: Was jetzt auf dem Spiel steht - Mein Aufruf für Frieden und Freiheit (2019)
P. Schreyer: Die Angst der Eliten - Wer fürchtet die Demokratie? (2018)

Aktuell lese ich:

Noam Chomsky: Media Control - Wie die Medien uns kontrollieren. (2002)

Ich würde demnächst dann ggf. nochmal detaillierter auf das ein oder andere aus den Büchern eingehen, was mir wichtig erscheint.

Grüße,
h.
... unterhält sich hier gelegentlich mangels wunschgemäßer Gesprächspartner mal mit sich selbst.

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TRex
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von TRex » 22.04.2022 13:42:09

Brrr...

Das letzte, das ich gelesen hab, war der Cthulu-Mythos Band 1. Das ist weniger erschreckend.
Jesus saves. Buddha does incremental backups.
Windows ist doof, Linux funktioniert nichtDon't break debian!Wie man widerspricht

inne
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von inne » 22.04.2022 13:58:55

Schwere Kost?
Ich habe Hacking & Security: Das umfassende Handbuch, was ich gerade zu Ende durch arbeite.
Auf meinem Nachtisch liegt: Russiche Märchen. Das ist ein sehr schönes Buch, aber schon zu Ende!
:D

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von kalle123 » 22.04.2022 14:18:46

Momentan dieses hier

'Hirschfeld/Krumreich/Renz - Die Deutschen an der Somme 1914-1918'

cu KH

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bensmac
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von bensmac » 22.04.2022 14:19:20

Bereich Politik/Gesellschaft:
"Die lautlose Eroberung - Wie China westl. Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet"
Autoren Clive Hamilton, Mareike Ohlberg

Meine Meinung:
Hier geht es um die "westlichen" Demokratien. Interessant.
Dabei sollte man auch Bedenken, welchen Einfluß und (Land/Acker)Besitz China z.B. in Afrika schon hat.
Das ist nicht zu unterschätzen.

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paedubucher
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von paedubucher » 22.04.2022 15:48:12

Ich lese immer recht viele (zu viele) Bücher parallel. Im Moment sind das bei mir folgende:
  1. Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit. Das lese ich ungefähr einmal pro Jahr, und es erfreut mich immer wieder aufs Neue.
  2. Лев Толстой: Исповедь (Lev Tolstoj: Meine Beichte). Das lese ich im Russischen Original. Ich habe es schon auf Deutsch gelesen, und lese es jetzt durch, damit mir die russischen Sprachkenntnisse nicht ganz verloren gehen.
  3. Rolf Dobelli: Die Kunst des guten Lebens. Der Autor war früher mein indirekter Chef, und die kurzen Kapitel sind immer sehr lehrreich für zwischendurch. Das Buch hatte ich schon vor Jahren gelesen, und wollte es jetzt noch einmal lesen.
  4. Hermann Hesse: Demian. Das habe ich mir vorgestern spontan gekauft, weil ich meine alte Ausgabe bereits weggegeben hatte. Auch dieses Buch habe ich schon des öfteren gelesen.
  5. Michel Desmurget: La fabrique du crétin digital. Eine systematische Auswertung verschiedenster Studien, welche den Einfluss von Bildschirmzeit auf schulische Leistungen untersuchen. Sozusagen ein französischer Manfred Spitzer. Das lese ich auch, um mein Französisch nicht einrosten zu lassen.
  6. Tim Wu: The Attention Merchants. Es ist eine Parallelgeschichte zur Entwicklung der Medienwelt und der Werbebranche. Jetzt bin ich gerade beim Fernsehen angekommen.
  7. Stephen R. Foster und Lindsey D. Handley: Don't Teach Coding (Until You Read This Book). Das ist ein programmierdidaktisches Werk, das ich als Teilzeit-Berufsschullehrer lese. Es kommen verschiedene Racket-Sprachen zum Einsatz.
  8. Edgar G. Daylight: The Dawn of Software Engineering (from Turing to Dijkstra). Hier geht es um die Geschichte der Programmiersprachen. V.a. Turings berühmtes Paper zum Entscheidungsproblem und Dijkstras Einfluss auf Algol werden thematisiert. Es folgen Interviews mit Niklaus Wirth, C.A.R. Hoare, Barbara Liskov und Peter Naur.
  9. Maryanne Wolf: Reader Come Home. Das habe ich am Osterwochenende bei meiner Mutter in meinem alten Bücherregal aufgelesen. Es geht um die Auswirkungen der digitalen Medien auf das Lesen.
  10. Manfred Hildermeier: Geschichte Russlands. Ein über 1000-seitiges Mammutwerk. Nach ca. 100 Seiten ist die Kiever Rus bereits untergegangen.
  11. Greg Lukianoff und Jonathan Haidt: The Coddling of the American Mind. Es geht um die Cancel Culture und "die drei grossen Unwahrheiten", welche für das ganze Debakel mitverantwortlich sind.
Ich nehme mir von diesem Stapel jeweils 2-3 Bücher mit ins Schlafzimmer und lese dann darin, bis ich zu müde bin und schlafe. Wenn ich über zwei Wochen nicht in einem Buch lese, entferne ich das Lesezeichen und stelle das Buch zurück ins Regal. So bleibe ich immer dran.

Natürlich sind 11 Bücher etwas zuviel auf einmal. Aber bald habe ich einige davon durchgelesen...

Nachtrag: Ein paar technische Bücher liegen auch herum, in denen ich eher lustlos drin lese:
  1. Cloud Native Go (O'Reilly). Das lese ich, weil ich Go als Unterrichtssprache für ein Berufsschulmodul mit der Thematik "Cloud" konzipieren soll.
  2. Cloud Native (O'Reilly). Das lese ich als theoretische Ergänzung des oberen Buches.
  3. Elixir in Action (Manning). Ein ausgezeichnetes Buch über Elixir mit einem Schwerpunkt auf Nebenläufigkeit und Fehlerbehandlung. Nach ca. 200/300 Seiten muss ich das leider weglegen, weil andere Themen eine höhere Priorität haben. (Web-Entwicklung, Go, Python)
  4. Python Concurrency with asyncio (Manning). Hier habe ich mal das erste Kapitel gelesen. Da die Thematik für mich im Moment beruflich von hoher Relevanz ist, werde ich wohl hier weiterlesen.
So viel zu lesen (und lernen), und so wenig Zeit :?
Zuletzt geändert von paedubucher am 05.11.2022 22:11:50, insgesamt 2-mal geändert.
Habe nun, ach! Java
Python und C-Sharp,
Und leider auch Visual Basic!
Durchaus programmiert mit heissem Bemühn.
Da steh' ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.

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ralli
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von ralli » 22.04.2022 18:10:21

Hallo,

aktuell lese ich "Karl Popper Lesebuch". ausgesuchte Texte zum kritischen Rationalismus und Karl Poppers Lebenswerk. Hier wird unter anderem wissenschaftlich und methodisch herausgearbeitet, das alles Wissen nur Vermutung ist. Solche Literatur kann nicht einfach nur gelesen werden, weil sie sonst nur konsumiert würde. Ich arbeite die einzelnen Abschnitte und Kapitel durch, um es besser zu verstehen.

Wer sich für Philosophie interessiert, ich habe von Popper auch "Die offene Gesellschaft und Ihre Feinde" gelesen, für Interessierte sehr empfehlenswert.

Gruß ralli
Wer nicht lieben kann, muß hassen. Wer nicht aufbauen kann muß zerstören.

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heisenberg
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von heisenberg » 22.04.2022 22:26:19

Da sind ja schon mal ein paar interessante Bücher dabei ;-)

---

Nochmal inhaltlich zu diesen beiden Büchern:

M. Gorbatschow: Das neue Russland - Der Umbruch und das System Putin (2015)
M. Gorbatschow: Was jetzt auf dem Spiel steht - Mein Aufruf für Frieden und Freiheit (2019)

Motivation

Nachdem mir diese Dauer-Berichterstattung der Mainstreammedien über den bösen Putin zu einseitig wurde, wollte ich mich mal aus anderen Quellen über Russland informieren. Michail Gorbatschow hat da für mich grundsätzlich eine bessere Reputation als die deutschen Leitmedien.

Über Michail Gorbatschow

Gorbatschow war zutiefst von der Demokratie und da insbesondere von der Sozialdemokratie überzeugt. Es war sein Anliegen die Perestroika("Umgestaltung") der Politik voranzutreiben vor allem unter zu Hilfenahme von Glasnost("Offenheit" bzw. "Transparenz"). Das war im totalitären Russland absolut revolutionär. Die falschen Worte - allem Voran Regierungskritik - hätten vor dieser Zeit einem jeden Menschen schnell zumindest die Freiheit oder aber das Leben kosten können.

Persönlich über sich schreibt Gorbatschow recht wenig. Keine Information über die vermutlich von elender Armut und Hunger geprägte Kindheit. Keine Klagen über die mitunter demütigende Behandlung von anderen Politikern. Während seiner Kandidatur zum Präsidenten Russlands gab es sogar einen persönlichen Angriff auf Ihn, der nur gerade so von seiner Security abgewehrt werden konnte. Er wurde immer wieder auch verleumdet und bedroht. Erhard Eppler beschreibt als Mann von "hoher emotionaler und geistiger Disziplin". Er steht für seine politischen Visionen. Seinem aufgrund des Alters schlechter werdenden Gesundheitszustandes sieht er nüchtern entgegen - entschuldigt sich dafür, dass dies so ist und nutzt die bleibende geringere Zeit neben den ärztlichen Behandlungen leidenschaftslos weiter für seine Arbeit.

Ziele

Ziele die Gorbatschow im Leben verfolgt - immer noch mit jetzt 91 Jahren.
  • Frieden (Nukleare Abrüstung)
  • Demokratische Umgestaltung Russlands
  • Das "Neue Denken" als neue Art des gemeinschaftlichen v. a. zwischenstaatlichen Umgangs miteinander [1]
  • Bekämpfung von Armut um das Leid der Menschen zu lindern und als Gefahr für den Frieden
  • Bekämpfung von großen neuen Problemen der Welt(Klimawandel, Umweltzerstörung, Internationales Grünes Kreuz)
Vertrauen in die Person Gorbatschow

Mein Vertrauen zu dieser Person gründet sich auf diese bisher bekannten Merkmale:
  • Er hat sich afaik nicht unrechtmässig bereichert in seiner Spitzenposition, obwohl er es bestimmt hätte können.
  • Er hat sein Land nie verlassen und wohnt jetzt nicht woanders.
  • Er hat Kritik in seinem Land immer deutlich, mutig und sachlich ausgedrückt. Im Vergleich zu anderen ehemaligen Regierungschefs hatte er keine Immunität - Das Damoklesschwert der Beseitigung durch die Staatsgewalt hing immer über Ihm. Das hat Ihn nicht von seiner Kritik abgehalten. Im hohen Alter ist er dann zunehmend offener geworden, weil er aufgrund der Nähe zu seinem eigenen Tod nun keine Repression mehr fürchtet.
  • Er hat während seiner Regierungszeit auf seine Ziele hingearbeitet, d. h. Demokratie, was bedeutet, dass er selbst immer wieder auch eigene Macht abgegeben hat.
Gorbatschow Stiftung

Die Stiftung gründete er nach seiner Zeit als Staatspräsident der Sovietunion. Er veranstalte dort Konferenzen und initiierte Studien über politische und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten des Landes und auch über aktuell sich anbahnende Krisen und die Auswirkungen auf Russland. Er holte Spezialisten zusammen und führte kontroverse Diskussionen auf den Konferenzen um Lösungen und Vorschläge für die Regierung zu erarbeiten. Die Lösungen und Vorschläge wurden soweit ich das sehe von der Regierung nicht oder nur in geringem Maße angenommen, weil ich das so verstehe, daß die Regierung in Gorbatschow immer auch noch einen Konkurrenten sah, der den eigenen Zielen im Wege steht - das sowohl für Jelzin als auch für Putin.

Russland und der Westen

Im ersten Buch war Gorbatschow noch voll des Lobes für viele westliche Politiker. Auch für die, mit denen er heftig gestritten hatte und nie zu einer gemeinsamen Meinung kam. (z. B. Margaret Thatcher). Es gab leicht geäußerte Kritik und eine immerwährende Ermutigung und Aufforderung zu Zusammenarbeit, zu gemeinsamem konstruktiven Dialog und einzelne kritische Beiträge zu bestimmten Situationen; z. B. die Rolle der USA im Zusammenhang mit dem Kaukasuskrieg 2008; dass sich Saakashwili(damaliger georgischer Staatspräsident) wahrscheinlich ohne die vermutlich von den USA gegebene Rückendeckung niemals getraut hätte Südossetien anzugreifen.

Im zweiten Buch und in neueren Interviews schlägt Gorbatschow viel kritischere Töne an. Er verurteilt die Haltung des Westens sich in Bezug auf die Beendigung des Kalten Kriegs selbst als Sieger darzustellen. Seiner Meinung nach war es eine gemeinsame Anstrengung, die nichts mit Stärke zeigen und besiegen als vielmehr mit Bereitschaft von beiden Seiten, in den Dialog zu gehen und Risiken einzugehen zu tun hatte. Dass dieser Weg der Stärke, der seitdem die Handlung der USA und des Westens bestimmt ein Fehler ist, der die Welt wieder zu einem unsichereren Ort macht, dass das eine Sackgasse ist.

Bzgl. der NATO-Osterweiterung sagen manche Experten ja, dass es notwendig gewesen wäre, dass schriftlich in einem Vertrag festzuhalten. Hier meint Gorbatschow, dass es dafür keinen Grund gab. Die Sovietunion war 1989 noch intakt und ebenso der Warschauer Pakt als das Gegenbündnis zur NATO.

Ich würde auch sagen Gorbatschow teilt Putins Enttäuschung bzgl. des Westens. Es gab während der Zeit nach 1991 immer wieder Angebote von Russland an den Westen, sowohl von Jelzin als auch von Putin. Die Angebote wurden nicht angenommen. Russland wurde zunehmend als Feind ausgegrenzt. Seine staatlichen Interessen wurden nicht miteinbezogen, was für Gorbatschow auch gipfelte in dem EU Assozierungsabkommen, das militärische Komponenten enthielt und massiv die Interessen der RF beeinträchtigte. (Das ist in einem neueren Interview mit RT und Gorbatschow zu hören).

Zu der Rede von Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 sagt Gorbatschow, dass er darin nichts verwerfliches gehört hat. Es war kein Angriff. Es war der Ausdruck einer großen Enttäuschung, dass alle Angebote zur Zusammenarbeit abgelehnt wurden. (Ich muss mir die Rede selbst mal anhören.). Die Rede markiert afaik ja einen Wendepunkt, an dem sich Putin vom Westen abwendet, der nicht auf die Angebote der Zusammenarbeit reagiert.

Die westliche Presse

Eine erste Kritik bzgl. der westlichen Presse hatte Gorbatschow bzgl. der Berichterstattung zum Kaukasuskrieg 2008. Die auslösende Situation - der Artillerie- und Raketenbeschuss von Südossetien durch Georgien wurde von der westl. Presse überhaupt nicht berichtet. Erst die Reaktion der Russen kam in die Zeitungen. Das hat die Russen als Aggressoren dargestellt, was eine Falschdarstellung war.

In späteren Jahren hat er kritisiert, dass die Kritik an Russland in den westlichen Medien sich gewandelt hat. War es anfangs(80er Jahre) noch der unberechenbare wilde Russe, dem man nicht trauen darf, ist es nach und nach dazu gekommen, dass man bereits jede Person, die sich anschickte Russland zu verstehen, diskreditiert("Putin-Versteher").

Russland innenpolitsch und wirtschaftlich

Russland war 1989 in einer katastrophalen Lage. Es gab viel Armut. Die Wirtschaft stagnierte, weil aufgrund des herrschenden Totalitarismus keine Entwicklung möglich war. Die Offenheit gegenüber anderen Ländern ermöglichten Hilfe(z. B. aus Deutschland) für die Bevölkerung.

Perestroika und Glasnost leiteten 1990 einen Wandel ein, der den Menschen einen neuen Geschmack der Freiheit bescherte. Auch wenn dieser Wandel nicht abgeschlossen werden konnte, hat er doch nach M. G. begonnen und ist den Menschen auch nicht mehr wegzunehmen. 1991 gab es als Folge die ersten freien Wahlen. So wie es für mich aussieht wohl die auch bisher einzigen freien Wahlen.

Demokratie war ein Wandel im Innern, der von Gorbatschow vorangetrieben wurde und für den es im Innern auch viele Gegner war. Der Augustputsch 1991 hatte eine schlimme Auswirkung und die Verträge der Neuregelung der Zusammenarbeit im Rahmen der Sovietrepubliken(GUS?) konnte nicht abgeschlossen werden. Die Sovietunion zerfiel. Die neue Regierung unter Jelzin führte den Kurs in die Demokratie nicht fort. Es ging der Regierung mehr und mehr um blossen Machterhalt.

Jelzin sicherte sich mit Hilfe der Reichen die Medienkontrolle und die nächsten Wahlen wurde mit Hilfe der Medien und der "administrativen Resourcen" (d. h. Wahlbetrug, Einschüchterungen, Störung von Konkurrenten u. a.) wiedergewonnen. Für die nächste Wahl 1996 ließ sich Gorbatschow sogar noch einmal aufstellen. Für die Zulassung benötigte er 1,5 Mio Stimmen, die seine Wahlbeauftragten innerhalb sehr kurzer Zeit einholen konnten. Bei der eigentlichen Wahl bekam er dann seltsamerweise insgesamt nur 300.000 Stimmen. Es gab diverse Anzeichen offensichtlichen und groß angelegten Wahlbetrugs. Das hat sich seitdem bis heute wohl nicht geändert.

Wirtschaftlich wurde das Land mit der Schocktherapie(Radikale, schnelle Einführung der freien Marktwirtschaft) in eine tiefe Krise geführt. Deindustrialisierung. Armut.

Russland innenpolitsch und wirtschaftlich - Die Zeit Putins

Putin war dann 1999 Ministerpräsident und wurde 2000 das erste Mal zum Präsidenten gewählt. Er übernahm ein totales Chaos und eine große Not. Putin hatte wohl bereits in seiner anfänglichen Politik auf autokratische Elemente zurückgegriffen. Gorbatschow sah das zwar mit Besorgnis, aber er sah auch das große Chaos, daß es aufzulösen galt. Deswegen hat er Putin Vorschußvertrauen gegeben und ihn in der Anfangszeit öffentlich unterstützt. Gerade zur Beseitigung der Mißstände kann eine gewisse harte Führung für eine gewisse Zeit nötig sein.

Die autokratischen Maßnahmen wurden aber eher mehr statt weniger. Gorbatschow hat das immer wieder kritisiert und angemahnt. Der Weg der Demokratie müsse fortgesetzt werden. Es kann nur zu einer Stagnation führen, wenn die kreative Kraft aller Menschen des Volkes nicht einbezogen wird.

Gorbatschow war auch immer dafür, daß Menschen an der Macht diese nach Ihrer Zeit immer wieder abgeben sollten, um neue Menschen in die Führungsposition zu bringen. Putin hielt an der Macht fest. Er nutzte die Lücke aus, um nach einer "Zeit der Pause" als Ministerpräsident anschließend erneut Präsident zu werden.

Meinung / Ideen

Durch den Krieg ist eine grosse Distanz und ein grosses Mißtrauen da. Aber ich denke, der Weg in die andere Richtung kann auch wieder gegangen werden, so dass sich Vertrauen aufbaut. Den Weg der echten Verhandlungen, bei dem wirklich die Interessen aller Beteilligten berücksichtigt werden. Den Weg der Kooperation und des gegenseitigen Respekts. Natürlich muss man damit klar all denen Kräften bei uns und im Westen allgemein eine klare Absage erteilen, die Russland oder auch nur irgendjemanden als Feind ansehen und letzlich zerstören wollen.

Ich teile die Sorge über den sich entwickelnden Totalitarismus in Russland und ich denke, wie sich Russland als Land entwickelt, dass liegt imho nicht an anderen Staaten wie uns zu beurteilen. Es sind die russischen Bürger, die entscheiden, in was für einem Land sie leben wollen und gegen was sie sich auflehnen wollen, was sie nicht akzeptieren wollen und wie sie es ggf. mit Blut umgestalten werden. Ich denke, hier sollte man von außen kooperativ unterstützen ohne in die Entwicklung selbst einzugreifen. Nicht zuletzt ist es da vielleicht besser, vor unserer eigenen Haustüre zu kehren. Unsere Demokratie ist da vielleicht nicht in dem makellosen Zustand, für die mancher sie halten mag(Assange? Angriffskriege?).

Ich sehe auch noch eine Parallele zwischen Putin und Hitler. Deutschland hat die Niederlage des 1. Weltkrieges eine als eine Demütigung empfunden. Diese wurde dadurch besonders verstärkt, dass die Deutschen bis 1988 Reparationen bezahlen sollten. Hitler hat Deutschland wirtschaftlich aufgebaut und anschließend außenpolitisch den anderen Staaten Siege abgetrotzt. Das hat dem Volk gefallen: Wir sind nicht mehr die Deppen und die letzten Ärsche. Uns behandelt man nicht so!

Das gleiche sehe ich jetzt mit Russland und Putin so. Die Einflusssphäre der NATO und der USA hat sich immer weiter in Richtung Osten ausgedehnt. Die Grosszügigkeit des gewährens der Wiederverinigung von Deutschland wurde damit mit Füßen getreten. Das Sterben von 21 Millionen Menschen im 2. Weltkrieg im Kampf gegen Hitler wurde komplett vergessen. Ich kann das verstehen, wenn die russische Bevölkerung da zu recht wütend ist und sich hinter jemanden wie Putin stellt. (Zufällig höre ich genau das in einem Beitrag von R. D. Precht aus 2014 [2]).

[1] http://www.acamedia.info/politics/ukrai ... enken.html
[2] https://www.youtube.com/watch?v=fhYjt1VH4ao
Zuletzt geändert von heisenberg am 24.04.2022 12:12:49, insgesamt 2-mal geändert.
... unterhält sich hier gelegentlich mangels wunschgemäßer Gesprächspartner mal mit sich selbst.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 22.04.2022 23:19:35

Polkinghorne, J. 2002. Quantentheorie. Stuttgart: Reclam Sachbuch.

Das ich mich für Quantencomputer interessiere, wollte ich einen fundierten Zugang zu den Grundlagen und der Historie der Quantenphysik bekommen. Dieses Büchlein schafft es, seichte Populärwissenschaft auf der einen Seite und Überforderung des Lesers mit kompliziertem Spezialwissen auf der anderen Seite zu umgehen. Zugrundeliegende mathematische Formeln befinden sich im Anhang. Man kann sie aber zum groben Verständnis der Thematik auch ignorieren, wenn man Nicht-Mathematiker ist. Der Autor vermittelt einem das Grundwissen mit sehr viel didaktischem Geschick. Er führt uns vor Augen, dass unsere gewohnten Denkschemata aus der Makrowelt wie „Lokalität“ und „Determinismus“ sich nicht so einfach auf die Mikrowelt übertragen lassen. Dabei warnt er aber vor unzulässigen mystifizierenden Schlussfolgerungen und verbleibt bei einer sachlich-wissenschaftlichen Grundhaltung, ohne jedoch auf Ehrfurcht und Staunen vor der Komplexität unserer Wirklichkeit zu verzichten.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von dasebastian » 23.04.2022 09:00:31

TRex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
22.04.2022 13:42:09
Das letzte, das ich gelesen hab, war der Cthulu-Mythos Band 1.
Guter Mann! :mrgreen:

Okay, dann hier meine letzten 3, Abteilung Erzählendes:

Houellebecq, Vernichten (wieder besser, als das schlechte Unterwerfung)
Filipenko, Die Jagd (kommt aus Belarus, überraschend furchtbares Ende)
O'Nan, Das Glück der anderen (passend zum vorläufigen Auslaufen der Pandemie für den Sommer)

Und jetzt gerade:
Aleksandar Hemon, Meine Eltern/Alles nicht dein eigen

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von fischig » 23.04.2022 15:57:03

ralli hat geschrieben: Hier wird unter anderem wissenschaftlich und methodisch herausgearbeitet, das alles Wissen nur Vermutung ist.
Ich denke eher, dass Popper meint, dass alles Wissen nur vorläufig sei. MIt „vermuten“ ist man dann ganz schnell wieder bei Schopenhauer und Nietzsche. Aber gut, bei den „modernen“ Franzosen sind das ja sozusagen die Stammväter der Philosophie. :wink:

Ansonsten: Barbara Tuchmann, August 1914

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von ralli » 23.04.2022 16:55:34

fischig hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 15:57:03
ralli hat geschrieben: Hier wird unter anderem wissenschaftlich und methodisch herausgearbeitet, das alles Wissen nur Vermutung ist.
Ich denke eher, dass Popper meint, dass alles Wissen nur vorläufig sei. MIt „vermuten“ ist man dann ganz schnell wieder bei Schopenhauer und Nietzsche. Aber gut, bei den „modernen“ Franzosen sind das ja sozusagen die Stammväter der Philosophie. :wink:

Ansonsten: Barbara Tuchmann, August 1914
Hallo,

gut ich habe nur aus dem Buch zitiert, es kann natürlich auch als vorläufig interpretiert werden. Gefällt mir gut. Es ging um die Logik der Forschung und deren Falsifizierbarkeit. Er wandte Methoden an, um der Wissenschaftsgläubigkeit entgegenzutreten, weil Wahrheit eine Sache des Blickwinkels ist und deshalb eher subjektiv und relativ. Seriöse Wissenschaftler betonen daher sehr oft, das der Erkenntnisgewinn nur augenblicklich ist, sozusagen eine Momentaufnahme. Die Rechthaberei in unserer Gesellschaft vergiftet das Klima und ist dogmatisch. Sie läßt im Dialog keine Freiheitsgrade mehr zu und verengt daher den Wissenshorizont. Gelassenheit und Toleranz können nur dort entstehen, wo zugegeben wird, das der Andere möglicherweise auch Recht haben könnte.

Gruß ralli
Wer nicht lieben kann, muß hassen. Wer nicht aufbauen kann muß zerstören.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von ralli » 23.04.2022 17:06:06

Barbara Tuchmann "Die Torheit der Regierenden" kommt auf jeden Fall auf meine Leseliste.

Danke!

Gruß ralli
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Phineas
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von Phineas » 23.04.2022 17:56:59

Ich fiepe mal ganz leise dazwischen, dass ich gerade einen einfachen Roman lese:
Das Fundament der Ewigkeit von Ken Follett (2017)

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 23.04.2022 18:23:51

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
22.04.2022 18:10:21
Hallo,

aktuell lese ich "Karl Popper Lesebuch". ausgesuchte Texte zum kritischen Rationalismus und Karl Poppers Lebenswerk. Hier wird unter anderem wissenschaftlich und methodisch herausgearbeitet, das alles Wissen nur Vermutung ist. Solche Literatur kann nicht einfach nur gelesen werden, weil sie sonst nur konsumiert würde. Ich arbeite die einzelnen Abschnitte und Kapitel durch, um es besser zu verstehen.

Wer sich für Philosophie interessiert, ich habe von Popper auch "Die offene Gesellschaft und Ihre Feinde" gelesen, für Interessierte sehr empfehlenswert.

Gruß ralli
Was den Bereich "Wissenschaftstheorie" betrifft, da kenne ich mich wirklich aus.
Sir Karl Popper war imho einer der wichtigsten neuzeitlichen Theoretiker.

Während die "Positivisten" (Stichwort: "Wiener Kreis") wie auch frühere sogenannte "Philosophen" einem naiven Wahrheitsdenken nachhingen, haben Karl Popper und Ludwig Wittgenstein eine Art zweite Aufklärungszeit eingeläutet, beziehungsweise versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten.

Also:
Eine Theorie muß nach dem "kritischen Rationalismus" von Karl Popper so formuliert sein, dass sie prinzipiell getestet und auch wiederlegt werden kann. Tut sie dies nicht, "immunisiert sie sich" und ist sozusagen keine seriöse Theorie. In meiner Sprache: eine sinnvolle Theorie muß auf einer meßbaren Protokollebene aufbauen. Eine Theorie ist daher auch nur "vorläufig" und prinzipiell irgendwann einmal falsifizierbar, wenn neue unvereinbare Sachverhalte auftauchen, aber niemals entgültig verifizierbar.

Hält eine Theorie lange der Testung durch Messung und Vorhersage stand, handelt es sich also dennoch nicht um eine absolute Wahrheit (wie sie sich der dennoch geniale Newton erträumt hatte), sondern lediglich um ein vorläufiges Werkzeug ("Tool") und wird so lange beibehalten, bis seine Vorhersagen nicht mit der leider extrem komplizierten Realität kollidieren. Siehe die Historie der Quantentheorien.

Religionen und "Theologien" erfüllen diese Kriterien von Karl Popper nicht im Geringsten. Sie sind daher nicht falsifizierbar, also unüberprüfbare Aussagen. Darüber zu streiten ist sinnlos und hat mit wissenschaftlicher Forschung nichts zu tun.
Zen-Buddhismus und Daoismus sind mir daher sehr sympathisch, da sie um dieses Paradox wußten und "Schweigen", "Leere" und "Nichts" betonen und den Suchenden auf das Erkennen seiner Selbst zurückführen, statt von irgendwelchen spaghettimonstermäßigen unumstößlichen Dogmen zu sprechen.
Im Sinne von Ludwig Wittgenstein: "Worüber man nicht reden kann, sollte man schweigen" (aus den "Tractatus Logicus").
Und noch heftiger: "Zu einer Antwort, die man nicht aussprechen kann, kann man auch die Frage nicht aussprechen. D a s R ä t s e l gibt es nicht."

Als Trost für Wahrheitssuchende - auch aus den "Tractatus Logicus" von Ludwig Wittgenstein:
"Wir fühlen, dass, selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.
Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort".
Zuletzt geändert von rockyracoon am 24.04.2022 08:59:03, insgesamt 1-mal geändert.

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ralli
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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von ralli » 23.04.2022 19:53:11

Sehr schön rockyracoon,

wie ich sehe, hast Du Dich ausgiebig damit beschäftigt. Es ist schwierig, jemanden zu finden, der diesen Wissensstand repräsentiert. Ich beschäftige mich seit ca. 25 Jahren mit Philosophie. Wobei mir die Epoche der Aufklärung sowie der kritische Rationalismus sehr am Herzen liegt. Leider scheint die Aufklärung im Sinne Kant's in der Neuzeit heuzutage an vielen vorbeigegangen zu sein .... sie haben nicht nur keinen Zugang dazu, sondern lassen sich von sogenannten Experten bevormunden und entmündigen.

Wen es interessiert:

Kant schrieb am 5. Dezember 1783:

AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Und weiterhin:

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen.

..... Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen.

Und zum kritischen Rationalismus von mir selbst verfaßt:

In den Naturwissenschaften ist es gängige Praxis, Hypothesen und Theorien aufzustellen, die solange mit Gegenargumenten konfrontiert werden, bis eine Aussage widerlegt werden kann. Ist dies nicht mehr möglich, so gilt das aber noch lange nicht als gesichertes und endgültiges Wissen.

Spätestens seit Karl Popper und Hans Albert als Vetreter des kritischen Rationalismus wissen wir aber, das es nur eine gesicherte Erkenntnis gibt, wie Sokrates es schon vor über 2000 Jahren formulierte:

Ich weiß das ich nichts weiß.

Sicheres Wissen ist für uns Menschen also schlichtweg unmöglich.

Weder lässt sich etwas endgültig beweisen, noch widerlegen, erklärte Albert in seinem sogenannten "Münchhausen-Trilemma". Aber: Durch bestimmte Regeln können wir versuchen zu verhindern, in die Falle der Voreingenommenheit, Vorurteile und des Selbstbetrugs zu laufen: Offenheit und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Vorstellungen ist Pflicht, Hypothesen müssen präzise formuliert sein, damit sie sich eindeutig widerlegen lassen, wenn sie falsch sind, und Erkenntnisse sind gewissermaßen nie wahr, sondern nur weniger falsch als andere Behauptungen. "Wir irren uns empor'", hat der Philosoph Gerhard Vollmer diese Philosophie zusammengefasst.

Die logische Schlußfolgerung wäre demnach, das es auch keine absolute Wahrheit geben kann. Wahrheit ist daher immer als persönliche subjektive Wahrheit aufzufassen. Unsere individualistische Sinneswahrnehmung konstruiert unser ureigenstes Weltbild.

Was wir aber über die Welt, unsere Realität und Lebenswirklichkeit angeblich wissen, ist daher ein Trugschluß und eine Illusion.

Wir können uns nur stufenweise an eine vermeintliche Wahrheit herantasten.

Alles ist aber im Fluß. das wußte auch schon Heraklit. Deshalb kann es auch keine statische Wahrheit geben. Wahrheit ist daher immer nur eine dynamische Wahrheit, die sich im Laufe der Zeit, abhängig von der evolutionären und kulturellen Entwicklung der gesamten Menschheit neu gebiert und neu erfindet.

Was heute noch als wahr oder richtig gilt, kann bereits morgen falsch oder unwahr sein.

Streng genommen ergibt sich daraus, das es weder ein richtig noch ein falsch gibt, das alles eine Frage der persönlichen Präferenz und Perspektive ist.

Wir alle erben die Werte einer Gesellschaft und Kultur, in der wir hineingeboren wurden.

Dann erfahren wir unsere erste Prägung durch die Sozialisierung in Familie, Bildungsstätten, Arbeit und Beruf, Kirche und Religion, Sport und Spiel.

Das ist die Grundausstattung mit der wir ins Leben starten und uns ein Leben lang auf die Suche nach Wahrheit begeben.

Es ist eine spannende Reise, bei der es stets Neues zu entdecken gilt.

Wir benötigen für unser Dasein einen Rahmen der Orientierung und ein Objekt der Hingabe.

Für mich war es der Humanismus, der mich Wertschätzung und Respekt für Andersdenkende lehrte. Unterschiedliche Meinungen begreif ich schon lange als Bereicherung.

erste Fassung über den kritischen Rationalismus

ralli - Oktober 2021

Gruß ralli
Zuletzt geändert von ralli am 23.04.2022 19:56:40, insgesamt 1-mal geändert.
Wer nicht lieben kann, muß hassen. Wer nicht aufbauen kann muß zerstören.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von DeletedUserReAsG » 23.04.2022 19:55:49

Phineas hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 17:56:59
Ich fiepe mal ganz leise dazwischen, dass ich gerade einen einfachen Roman lese:
Das Fundament der Ewigkeit von Ken Follett (2017)
Erfrischender On-Topic-Beitrag unter all den pseudopilosophischen Selbstdarstellungs-Textwänden¹. Ich selbst lese derzeit mal wieder² Terry Pratchett – Wahre Helden

---
¹) nicht zu ernst nehmen, aber so ganz von der Hand zu weisen ist’s ja nunmal nicht 😉️
²) man kann die Bücher in der Tat mehr als einmal lesen, ohne dass es direkt langweilig wird – man findet immer wieder eine neue Genialität

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 23.04.2022 20:19:10

@ralli:
Sicheres Wissen ist für uns Menschen also schlichtweg unmöglich.
Wie soll das gesamte Universum auch in approximativ 1,4 Kilogramm Gehirnmasse passen?
Zuletzt geändert von rockyracoon am 23.04.2022 21:42:39, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von rockyracoon » 23.04.2022 20:27:02

niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 19:55:49
Phineas hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
23.04.2022 17:56:59
Ich fiepe mal ganz leise dazwischen, dass ich gerade einen einfachen Roman lese:
Das Fundament der Ewigkeit von Ken Follett (2017)
Erfrischender On-Topic-Beitrag unter all den pseudopilosophischen Selbstdarstellungs-Textwänden¹. Ich selbst lese derzeit mal wieder² Terry Pratchett – Wahre Helden

---
¹) nicht zu ernst nehmen, aber so ganz von der Hand zu weisen ist’s ja nunmal nicht 😉️
²) man kann die Bücher in der Tat mehr als einmal lesen, ohne dass es direkt langweilig wird – man findet immer wieder eine neue Genialität
Na das Lesen von Terry Pratchett steht tatsächlich nicht im Verdacht von Selbstdarstellungs-Textwänden. :lol:
Ich lese ihn btw genau so gern wie z.B Stephen King.
Wie hat ein Hopi-Schamane einmal so richtig gesagt: "Spirits are importent, but don`t overdo". :wink:

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von dasebastian » 24.04.2022 08:50:39

Ich werfe dazu noch ein, dass man Pratchett (und Douglas Adams) sowieso auch "philosophisch" lesen kann, wenn man will. :mrgreen:

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von DeletedUserReAsG » 24.04.2022 09:00:03

dasebastian hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 08:50:39
Ich werfe dazu noch ein, dass man Pratchett (und Douglas Adams) sowieso auch "philosophisch" lesen kann, wenn man will. :mrgreen:
Ist eigentlich eine sinnvolle Art, das zu lesen, ja. Aber es taugt nicht für „Seht her! Seht, welche total philososphischen Bücher ich kenne und von welchen Philosophen ich schon gehört habe; seht, wie kluk ich doch bin!“ – auf ’nen halben Threadmeter ausgewalzt 😉️

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von TuxPeter » 24.04.2022 09:37:19

Für mich war bisher Heisenbergs Bericht über das Gorbatschow-Buch der interessanteste Beitrag. Auch wenn es ein langer Riemen war, für ein Forum. Mir war es bislang nicht gelungen den Herrn Genossen G. so positiv zu sehen, denn vermutlich gilt auch in der Politik: Das Gegenteil von Gut ist Gut gemeint.

Was diesen ganzen Popper-Kram betrifft, so erinnere ich mich dunkel daran: Da gab es doch so vor etwa 40 Jahren mal den sog. "Positivismusstreit", Die Gegner des sog. Positivismus meinten in etwa, das sei bloß Kunst, die Welt so zu sehen, dass sie sich garantiert nicht ändern kann / wird / soll. Vielleicht kein Zufall, wenn das heut wieder vorgekramt wird.

Ansonsten bin ich alt genug, mir völlig unzeitgemäße Unterhaltungsliteratur zu gönnen. Habe gerade mal wieder den Herbert Rosendorfer beim Wickel, mit einer netten Justiz-Satire. Davor habe ich mich durch einen Stapel meiner Arthur-W.-Upfield-Krimis gelesen. Den Typ hat es zu Hause in England nicht gehalten und er ist in den 20er Jahren des vorigen Jahrunderts nach Australien. LKW fahren, Schafe scheren, Kananinchen-Zaun flicken, Pferde einreiten, Kamele führen und solche Sachen, hat die weiße Kultur und die der Aborigines ausführlich kennen gelernt, bevor er Autor wurde. Sein Held ist ein Mischling, in keiner oder beiden Kulturen zu Hause, wie man's nimmt. Kann man auch "philosophisch" lesen. Von vielen der neueren sog. Ethno-Krimis unterscheidet er sich durch den völligen Mangel an Verklärung der Eingeborenen.
Mit sehr viel Vergnügen habe ich davor die "Courasche", die alte Landstörzerin des Grimmelshausen, gelesen, in der gut lesbaren, sanft ans Neuhochdeutsche angeglichenen Reclam-Ausgabe. Ein Teufelsweib, fürwahr, diese Courasche. Und was das Beherzigenswerte auch für unsere Zeitläufe ist: In dem ganzen Elend des 30jährigen Krieges, unter dem sie gelitten und von dem sie profitiert hat, hat es ihr den Lebensmut nie verschlagen.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von dasebastian » 24.04.2022 10:20:41

Habe im ersten Beruf Buchhändler gelernt und das auch gute 10 Jahre ausgeübt, mit der Zeit hat's mich beruflich woanders hin verschlagen.

Mittlerweile lese ich vorwiegend auch nur mehr zum reinen Genuss (was Mitdenken ja nicht ausschließt). Hin und wieder werfe ich dann sowas wie den Piketty (Kapital im 21. Jdt) oder die Zuboff (Überwachungskapitalismus) dazwischen, mal mit mehr, mal mit weniger Erkenntnisgewinn.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von JTH » 24.04.2022 10:58:21

dasebastian hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 10:20:41
Habe im ersten Beruf Buchhändler gelernt und das auch gute 10 Jahre ausgeübt, mit der Zeit hat's mich beruflich woanders hin verschlagen.
Ah, immer wieder interessant und überraschend, welche (beruflichen) Hintergründe Forenkollegen & -kolleginnen haben :THX: Sollte man (schließe mich ein) beim Schreiben im Hinterkopf haben, wenn es um – für einen selbst vielleicht selbstverständliche – Informatik- und verwandte Grundlagen geht :)
Manchmal bekannt als Just (another) Terminal Hacker.

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Re: Welche Bücher lest Ihr gerade?

Beitrag von dasebastian » 24.04.2022 11:07:23

JTH hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
24.04.2022 10:58:21
Sollte man (schließe mich ein) beim Schreiben im Hinterkopf haben, ...
Da hatte ich auch schon hin und wieder lustige Erlebnisse. Wenn du als Junger was Neues gelernt hast und dann meinst, dass jedem unter die Nase reiben zu müssen. Und dann schmunzelt dich jemand an und schießt dich im nächsten Moment beinhart ab, weil eigentlich er in diesem Bereich ein altgedienter Zampano ist... :lol:

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