Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

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spiralnebelverdreher
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Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von spiralnebelverdreher » 20.12.2022 23:10:57

Ich wünsche euch einen schönen 21. Dezember!

Heute soll es um Signalkarten gehen - aber was bitte schön sind "Signalkarten" und was haben die mit Computern und freier Software zu tun?

Einleitung
Signalkarten kennen sicher einige von euch, wenn auch unter einem anderen Namen - nämlich unter dem Namen Kanban. Die Signalkarte wurde in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan in der Automobilproduktion erfunden. Das Wort Kanban setzt sich zusammen aus "Signal" und "Karte". Ziel war damals weniger Produktionsausschuss und ein transparenter Workflow.

Bild

Heute ist mit "Kanban" begrifflich in der Regel nicht die einzelne Signalkarte (bzw. die Aufgabe, das zu fertigende Produkt, die Fehlfunktion, die Serviceanfrage welche durch eine Signalkarte repräsentiert wird) gemeint, sondern zusätzlich auch die Anordnung und Regeln zum Verschieben dieser Karten auf einer Fläche. In IT-lastigen Bereichen sind Kanban, Kanban-Teams, Kanban-Boards, prioriserte Backlogs, Work-in-Progress-Limits, Pull-Prinzip etc relativ häufig bekannt, da sie dort in der Zusammenarbeit im Team eingesetzt werden. Um diesen beruflichen Einsatzkontext soll es heute nicht gehen, wir sind ja im Adventskalender und nicht in der Firmenschulung.

Der betriebliche Einsatz von Kanban beschert uns Kanban-Software, die wir auch als Privatpersonen oder Zusammenschluss von Personen (bspw. im Verein) nutzen können.

Braucht es überhaupt Software für Kanban?
Nein, definitiv nicht. Die hatten die Erfinder von Kanban ja auch nicht. Es reicht im analogen Leben völlig aus, eine Fläche zu haben, an der beschriftbare Karten oder Zettel angeheftet werden; Post-Its und eine Betonwand genügen oder Karten und Pin-Nadeln bei weichem Untergrund. Die Karten werden in Spalten übereinander befestigt, so dass alle Karten sichtbar sind. Die Zugehörigkeit zu einer Spalte sagt etwas über den Zustand aus, die Anordnung zeigt von oben nach unten oftmals die Priorität an. Ein typisches einfaches Kanbanboard hat drei Spalten: "Zu erledigen", "In Bearbeitung", "Erledigt", aber es sind auch mehr Spalten und andere Überschriften gebräuchlich. Leitmotiv ist dabei, Ideen und Aufgaben zu sammeln, festzulegen, zu priorisieren um sie dann abzuarbeiten und dabei die Übersicht zu behalten durch Visualisierung.

Gibt es Software für Kanban, und gibt es freie Software dafür?
Software für Kanbanboards gibt es reichlich, als "Platzhirsche" bei den kommerziellen Closed-Source Anbietern haben sich Trello, Asana und Meistertask etabliert. Deren Funktionen sind für den "kleinen" Einsatz im privaten Umfeld deutlich überdimensioniert, manche sind aber dennoch einfach überraschend bedienbar. Dazu kommen noch Software aus dem Bereich der Bug-Tracker, die sich teilweise auch wie Kanbanboards anfühlen können. Die grundlegende Problematiken bei Closed-Source-Anbietern (Lock-in-Effekt, meine Daten auf fremder Leute Rechner, Geschäftsmodell etc) sind euch sicher bewusst. Als sehr einfaches alternatives Einstiegsprodukt zum Ausprobieren (ohne eigene Installation, nutzbar mit dem Browser) könnt ihr mit dem Anbieter cryptpad sofort loslegen (die Beispiellinks unten verwenden cryptpad). Nextcloud-Nutzer sollten sich Deck anschauen. Cryptpad bietet mehr als Kanbanboards, setzt Open Source Software ein und erhebt Nutzerdaten sehr sparsam (im Unterschied zu den vorhin genannten Platzhirschen).
Ansonsten nenne ich aus der Open Source Ecke (ohne eigene Erfahrung damit): Debianpython3-kanboard python3-kanboard, wekan und restya. Die Suchmaschine eures Vertrauens wird euch noch mehr OSS-Projekte nennen.


Was kann ich als Privatperson mit so einem Kanbanboard anfangen?

a) klassische Aufgabenplanung
Ein Standard-Kanbanboard mit seinen drei Spalten "Zu erledigen", "In Bearbeitung", "Erledigt" lässt sich für die Strukturierung größerer Aufgaben einsetzen: Wohnungsrenovierung planen und durchführen, Hochzeit planen, Urlaub planen, Schrebergarten pflegen, Masterarbeit schreiben, ...
Diese Spaltenstruktur liegt nahe an der Verwendung im Arbeitsleben, ist aber beschränkt auf eine oder wenige Personen. Der Mehrwert zur handgeschriebenen Aufgabenliste (mit Durchstreichen des Erledigten), zu einer Textdatei oder ähnlichem ist bei kleinen Anwendungsfällen gering. Nicht zu unterschätzen ist aber schon ab zwei Personen die Visualisierung und die Sichtbarkeit für alle Beteiligten. Dazu kommt, dass man den Karten weitere "sprechende" Information wie Fotos, Screenshots, Dateien hinzu fügen kann. Für diesen klassischen Anwendungsfall gibt es massig Anleitungen im Internet.

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b) Materialverwaltung im Privathaushalt
Hört sich erst mal sehr seltsam an, Materialverwaltung im Privatbereich mit drei Spalten "Zu erledigen", "In Bearbeitung", "Erledigt" zu machen. Aber wenn wir andere, passende Spaltenüberschriften wählen, sieht das schon ganz anders aus. Wir behalten bspw. in unserem kleinen Haushalt den Überblickt über unser Gefriergut mit Hilfe eines Kanbanboards mit 13 Spalten. Die Spalte ganz links ist der "Parkplatz" für häufig eingefrorene Dinge (zum Beispiel Baguette). Die anderen 12 Spalten stehen für den Monat, in dem das Gefriergut spätestens verbraucht werden soll. Friere ich ein Baguette ein, wandert die Baguette-Karte von ganz links zum Monat, in dem das Baguette spätestens verwendet werden sollte. Wird das Baguette aufgetaut, wandert die Karte nach ganz links. Die Anordnung der Karten von oben nach unten hat hier keine Prioritätsbedeutung, sondern gibt an in welcher Schublade des Gefrierteils das Gefriergut liegt. Dieses Board ist auch auf meinem Smartphone sichtbar, so dass ich unterwegs nachschauen kann ob ich besser ein ganzes oder ein halbes Brot einkaufe oder ob es noch eingefrorene Muffins fürs Wochenende gibt. Aber wie gesagt - das geht im Wesentlichen auch mit Papierkärtchen und Magneten an der Tür des Kühlschranks.
Einen kleinen nerdigen Spaß habe ich mir erlaubt: Gefrierdosen werden nicht mit dem Volltext des Gefrierguts beschriftet, sondern groß und deutlich mit dem Hashwert des Inhalts. Also erst den Hash (sha1, sha256, md5 - was immer euch lieb ist) von "Fischsuppe" ausrechnen lassen und davon die ersten vier Zeichen verwenden um die Dose mit "57D9" zu beschriften. Natürlich ist das mit dem Hashwert Over-Doing! Zufällige Zeichenfolgen, die sich signifikant unterscheiden, würden ausreichen. Aber hey, genau diese Eigenschaft hat eine Hashfunktion ja, warum also nicht nutzen.

Code: Alles auswählen

sha1sum
Fischsuppe
gefolgt von Strg-D und Strg-D ergibt den mittel SHA1 errechneten Hashwert 57d9b6d06c477fc2d1c104527d7e79fa195705c0
Das Board hat in der praktischen Anwendung zwei Auswirkungen: es gibt beim Abtauen keine Überraschungseffekte mehr (oh - leckerer Kuchen, aber schon 10 Monate drin) und das Finden des Gefriergutes wird durch die große Beschriftung mit vier Zeichen deutlich einfacher.

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c) Planung von Terminen in selbstorganiserten Gruppen und Dokumentation
Der Beispielfall ist bei mir eine Wandergruppe, die über zig Kilometer verstreut wohnt. Am Jahresanfang werden die Wandertermine fürs ganze Jahr bestimmt, jeder Termin ist eine Spalte. Wandervorschläge werden in der Vorschlagsspalte gesammelt. Dann zieht (in einer Videokonferenz) jede(r) eine der Vorschlagskarten auf den oder die Termine, an denen er/sie die Wanderung organisieren kann. Danach werden die Häufungen der Karten so aufgeteilt, dass es für jeden Termin mindestens einen Erstvorschlag und Zweitvorschlag gibt und die Arbeitslast gerecht verteilt ist. Damit ist die initiale Jahresplanung fertig. Änderungen im Lauf des Jahres (bspw. tauschen Anton und Diana ihre Toruen) werden auch im Board notiert. Die Kärtchen der gemachten Wanderungen werden nicht gelöscht, sondern gehen in eine extra Spalte. Seit wir das so machen, geht die Planung viel schneller und vor allem ist die nachfolgende E-Mail-Flut bei Änderungen kleiner geworden. Nebenbei entstand eine schöne Sammlung von eintägigen Wandertouren mit wertvollen Informationen, da typischerweise schon hilfreiche Details (An- und Abreise mit Bus und Bahn, Einkehr, Sehenswürdigkeiten, Wegbeschaffenheit, Tourlänge, Höhenmeter, ...) notiert sind.

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d) Vereinsarbeit
Auf der Webseite https://moderne-vereinsorganisation.de/tag/kanban/ findet ihr ein praxistaugliches Beispiel für den Einsatz eines Kanbanboards im Verein.


Benutzungshinweise für Kanbanboards:
Die unterschiedlichen Softwarewerkzeuge kommen mit sehr unterschiedlichen Funktionen daher (Benutzerverwaltung, Kalender, Tags, Checklisten in den Karten, Dateianhangspeicherung, Erinnerungsfunktion, ...); hat alles im beruflichen Einsatz einen Sinn, aber für die private Nutzung kommt ihr mit deutlich weniger aus. Am besten klein anfangen und sinnvolle Spaltenüberschriften finden - und erst später optimieren. Und von Anfang an auf die Visualisierung achten (Farben, Symbole, Bilder)! Je selbsterklärender ein Kanbanboard ist, umso besser ist es.

Hier noch Links zu den oben genannten Anwendungsbeispielen mit beispielhaften Inhalten (alle nur im Lesezugriff):

Einfaches persönliches Aufgabenboard: https://cryptpad.fr/kanban/#/2/kanban/v ... 3iJxIMbxM/
Gefriergut (hashed, not salted) im Kanbanboard: https://cryptpad.fr/kanban/#/2/kanban/v ... c+W4eq-9o/
Wandergruppe: https://cryptpad.fr/kanban/#/2/kanban/v ... owfkZeGI8/

Bei den beiden letzten beiden Beispielen könnt ihr die Wirkung von "tags" auch im Lesezugriff ausprobieren sowie das Ein- und Ausklappen des Karteninhalts im Übersichtsbild. Das Verschieben (drag and drop) und Löschen von Karten könnt ihr in einem eigenen Board ausprobieren.


Vielleicht habt ihr noch weitere (gerne auch "nerdige") Beispiele (abseits von Zu erledigen", "In Bearbeitung", "Erledigt") für den Signalkarteneinsatz im privaten Bereich. Würde mich freuen, darüber was zu lesen.
Zuletzt geändert von spiralnebelverdreher am 28.12.2022 20:53:40, insgesamt 3-mal geändert.

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Meillo
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von Meillo » 21.12.2022 13:03:04

Danke fuer dieses Tuerchen mit einem nochmal ganz anderen Thema.

Als Softwarehilfsmittel reduzieren Kanban-Boards IMO die Komplexitaet der Aufgabenverwaltung. Ich finde, dass man Teambesprechungen gut mit einem Durchgehen des Boards strukturieren *kann*. Ein Board zu haben macht die Dinge nicht besser. Der richtige Umgang damit ist wichtiger als das technische Hilfsmittel.

Insgesamt bringt es mir viel, die Hintergruende von Kanban zu kennen und zu verstehen. Ein Board mit hunderten Tasks pro Spalte kann man gleich bleiben lassen. Ich finde, dass man sich immer die ursprungliche physische Form von Kanban vorstellen sollte, dann bringt es am meisten positiven Einfluss.

Ein Kanban-System in meinem Haushalt ist der Gelbe Sack. Es gibt den Sack den ich gerade fuelle und daneben Platz fuer einen vollen Sack. Auf den ersten Blick sieht man den Zustand. Wenn der Abfuhrtermin ansteht, schaue ich kurz auf das System und weiss sofort, was zu tun ist. Umgekehrt ebenso: Wenn ich sehe, dass der Lagerplatz schon belegt ist und der aktuelle Sack am Vollwerden ist, schaue ich auf den Kalender. Das System funktioniert im Vorbeigehen. Das ist IMO der Vorteil von Kanban: man muss nichts gross planen, sondern die aktuellen Zustaende und was zu tun ist, sind offensichtlich. Die Kommunikation zwischen verschiedenen Beteiligten laeuft einfach nur ueber volle oder leere Materialplaetze.

Im Buero (zumeist nur in Behoerden) koennte das beispielsweise auch die In- und Outbox fuer Akten auf dem Schreibtisch sein. Auch ein gutes Beispiel ist der Textilwaeschekreislauf zuhause. Eine Tafel, auf die man all die Dinge schreibt, die man nicht im Laden nebenan kaufen kann aber auch nicht eilig sind, kann auch im Kanban-Stil funktionieren: Wenn die Liste laenger wird (was man auf einen Blick sehen kann, was fuer mich ein zentraler Aspekt von Kanban ist), macht man mal eine grosse Einkaufsaktion und wischt die Tafel wieder leer.

Am meisten Sinn macht fuer mich Kanban in seiner physischen Form bei allen Arten von Lagerhaltungen. Das ist ja auch, wo das System herkommt. Je virtueller und abstrakter es wird, desto mehr muss man aktiv darauf achten, dass das System wirklich arbeitserleichternd ist und von alleine laeuft -- so wie es eigentlich gedacht war.

Digitale Kanban-Boards, einfach nur als Uebersicht, finde ich aber auch abseits ihrer Herkunft sinnvoll in der Form, dass sie eine Management-Vereinfachung einer Situation bieten. (Das Tiefkuehlboard von spiralnebelverdreher finde ich eine gute Idee, weil es eben Ordnung in eine unuebersichtliche Situation bringt ... also falls man eine grosse Tiefkuehltruhe hat.)

Ich hoffe, meine Gedanken zum Thema waren nicht zu sehr durcheinander. ;-)
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von spiralnebelverdreher » 21.12.2022 21:37:29

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.12.2022 13:03:04

... Das System funktioniert im Vorbeigehen. Das ist IMO der Vorteil von Kanban: man muss nichts gross planen, sondern die aktuellen Zustaende und was zu tun ist, sind offensichtlich. Die Kommunikation zwischen verschiedenen Beteiligten laeuft einfach nur ueber volle oder leere Materialplaetze. ...
Ich finde, du hast das Wesentliche gut ausgedrückt: Das Kanbanboard muss offensichtlich sein, das heißt an einem (physischen) Platz, an dem man hinreichend oft ist (oder vorbeikommt oder sich trifft) und es muss klar strukturiert sein.

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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von heisenberg » 21.12.2022 23:35:09

Ich würde das jetzt mal generischer ausdrücken: Wenn in einem Organisationstool die Übersicht verloren geht, dann kann man das Organisationstool wegwerfen. Ist mir mehrmals so gegangen mit irgendwelchen selbstgebastelten Shellscript-Tools oder Thunderbird-Aufgaben.

Es braucht also einen Mechanismus, mit dem de fakto unwichtige Informationen in einen Überlauf verschoben werden. Z. B. Sachen, von denen man immer wieder meint, sie tun zu müssen, die aber nicht letztlich nicht angegangen werden, weil sie einfach nicht wichtig genug sind. D. h. wenn eine Aufgabe im Zeitraum X keinerlei Arbeitsfortschritt erfährt, fliegt sie auf den Haufen "Wenn mal ganz viel Zeit ist...". Dann kann man sich den Haufen in größeren Zeitabständen wieder mal anschauen und prüfen, ob man da gerade Zeit und Ideen dafür hat. Falls ja, zieht man sich die Aufgaben spezifisch aus dem Haufen raus.

Und ja: Ich finde das Thema auch sehr interessant. Danke!
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von spiralnebelverdreher » 22.12.2022 18:09:19

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
21.12.2022 23:35:09
Es braucht also einen Mechanismus, mit dem de fakto unwichtige Informationen in einen Überlauf verschoben werden. Z. B. Sachen, von denen man immer wieder meint, sie tun zu müssen, die aber nicht letztlich nicht angegangen werden, weil sie einfach nicht wichtig genug sind. D. h. wenn eine Aufgabe im Zeitraum X keinerlei Arbeitsfortschritt erfährt, fliegt sie auf den Haufen "Wenn mal ganz viel Zeit ist...". Dann kann man sich den Haufen in größeren Zeitabständen wieder mal anschauen und prüfen, ob man da gerade Zeit und Ideen dafür hat. Falls ja, zieht man sich die Aufgaben spezifisch aus dem Haufen raus.
Deine Gedanken scheinen auch die von anderen zu sein und werden von manchen Teams so umgesetzt: das Kanbanboard hat vier Spalten: a) "Ideen, Vorschläge (unpriorisiert)" b) "Backlog (priorisiert)", c) "In Bearbeitung" und d) "Erledigt". Dazu passend gibt es einige Regeln:
  • Aufgaben, die von Spalte a nach b wandern sollen, müssen erstens eine Aufwandschätzung und zweitens eine Nutzenschätzung haben.
  • In Spalte b steht das als nächstes zu beginnende Arbeitspaket immer ganz oben, das ganze Backlog ist von oben nach unten priorisiert.
  • Arbeitspakete, die ihre Aufwandschätzung deutlich überschreiten werden abgebrochen und wandern zurück in Spalte a
  • In regelmäßigen Abständen (wöchentlich, zweiwöchentlich, monatlich) nimmt sich das gesamte Team Zeit um zu prüfen, ob die Prioritäten in Spalte b noch stimmen und ob es inzwischen Arbeitspakte in Spalte a gibt, die in Spalte b geschoben werden sollen oder aus b entfernt werden können. Meine anfängliche persönliche Einschätzung "Arbeitspaket xy sollte man mal machen" wird dabei kollegial hinterfragt und führt oft zu einer geänderten Formulierung des Arbeitspaketes, die mehr Nutzen und/oder weniger Aufwand verspricht.
Das Abbrechen von Arbeitspaketen hört sich erst mal sehr drastisch und ressourcenverschwendend an; meiner Erfahrung nach ist es das aber nicht. Könnte ich noch näher begründen, aber das wäre doch etwas viel für ein Türchen im Adventskalender.

Die von dir angesprochenen Sachen, die nicht weitergehen "weil sie einfach nicht wichtig genug sind" sind ein wesentlicher Punkt, denn Wichtigkeit ist nicht statisch und muss immer wieder überprüft werden. Aber das muss auch nach außen (zu anderen Teams, zur Leitung) kommuniziert werden.

Die Summe der obigen Regeln (plus einer weiteren zur maximalen Anzahl von Arbeitspaketen pro Spalte) führt dazu, dass allen im Team (inklusive Leitung) wissen, woran derzeit gearbeitet wird und woran nicht. Ein Kanbanboard nimmt uns diese fortlaufende Arbeit des Schätzens und Priorisierens nicht ab; es dokumentiert aber eindeutig und für alle sichtbar woran gearbeitet wird und woran nicht, was fertig ist und was als nächstes dran kommt. Jede Woche ein Foto des physischen Kanbanboards gemacht hat das Potenzial den Projektfortschrittsbericht zu ersetzen ;-) .

P.S.: Falls jemand Interesse daran hat, was bspw. bei Toyota außer Signalkarten noch zum Vorgehen gehört, kann mal hier rein schauen: https://www.quality.de/lexikon/tps/ . Dieses Vorgehen und die damit erzielten Erfolge wurden in den 70er Jahren für europäische und amerikanische Volkswirtschaften als so bedrohlich empfunden, dass damals von der "japanischen Gefahr" die Rede war und der baldige Untergang der heimischen Automobilfertigung, der optischen Industrie und des Maschinenbaus prognostiziert wurde. In einer Branche war die Prognose nicht ganz falsch.

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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von heisenberg » 27.12.2022 01:17:48

Mein private Umsetzung des Überlaufes im Homeverzeichnis ist ein Verzeichnis mit dem Namen Muellhalde.

Wenn ich irgend etwas nicht mehr brauche, bzw. es nicht so wichtig ist, dass ich es einsortiere, dann verschiebe ich es einfach da rein. Die Muellhalde darf gerne wachsen. Wenn ich dann mal was suche, was ich irgendwann schon einmal hatte, dann grabe ich dort.
spiralnebelverdreher hat geschrieben:P.S.: Falls jemand Interesse daran hat, was bspw. bei Toyota außer Signalkarten noch zum Vorgehen gehört, kann mal hier rein schauen: https://www.quality.de/lexikon/tps/.
Ahh jetzt ja! Da kommen die also her, die TPS-Berichte! :mrgreen:

YT: TPS-Reports
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von tobo » 27.12.2022 02:18:04

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.12.2022 01:17:48
Mein private Umsetzung des Überlaufes im Homeverzeichnis ist ein Verzeichnis mit dem Namen Muellhalde.

Wenn ich irgend etwas nicht mehr brauche, bzw. es nicht so wichtig ist, dass ich es einsortiere, dann verschiebe ich es einfach da rein. Die Muellhalde darf gerne wachsen. Wenn ich dann mal was suche, was ich irgendwann schon einmal hatte, dann grabe ich dort.
Die Strategie der Verdrängung ist im Grundsatz ganz bestimmt auch wichtig. Wichtig ist wohl, dass man dazu eine Strategie hat...

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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von TRex » 27.12.2022 07:50:36

Ich find's mega interessant, was du da gemacht hast. Auch das mit dem Punkt der Arbeitserleichterung als Prämisse. Ich hab da privat auch schon kanban für einiges angefangen und dann eben nicht durchgezogen.

Was mir nicht leicht fällt, ist der Überlauf. Nur, weil ich "Kühlschrank putzen" seit 3 Monaten nicht bearbeitet habe, ist's ja nicht unnötig.
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von DeletedUserReAsG » 27.12.2022 08:10:07

OT: ich find’s auch durchaus interessant und möchte mich auch für die da hereingesteckte Arbeit bedanken – leider ist scheint die Vorstellung auch auf Bilder zu setzen, die hier nicht angezeigt werden, weil extern eingebunden.
Einzelschicksal und selbst schuld, werden manche nun schreiben wollen – aber die Erfahrung zeigt, dass es in einiger Zeit vermutlich jedem so gehen wird, weil von extern eingebundene Bilder die Neigung haben, mit der Zeit zu verschwinden – sei’s, weil der Bilderhoster was umgebaut hat, sei’s, weil er gar nicht mehr existiert. Wer mal in einem alten Thread in irgendeinem Forum gelandet ist, in dem ebenfalls Bilder einen Sachverhalt erläutern sollten, kennt den Frust sicher …

Meine Bitte dazu wäre daher: könntest du prüfen, ob du die Bilder nicht in der foreneigenen Galerie hinterlegen und von dort aus einbinden kannst?

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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von spiralnebelverdreher » 27.12.2022 10:18:22

Danke für eure Rückmeldungen zu den Signalkarten.

Die Fotos im Beitrag sind auch in der Galerie hier (gallery/album/235) zu finden:

3884
3885
3886
3887
3888


Sie waren ursprünglich auch im Artikel, aber sie erschienen nur in unleserlich kleiner Vorschau. Deshalb hatte ich sie durch externe Bilder ersetzt. Oder kennt jemand die Syntax zur Steuerung der Bildgröße?

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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von heisenberg » 27.12.2022 10:41:38

TRex hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.12.2022 07:50:36
Was mir nicht leicht fällt, ist der Überlauf. Nur, weil ich "Kühlschrank putzen" seit 3 Monaten nicht bearbeitet habe, ist's ja nicht unnötig.
Das finde ich interessant.

Für mich hängt da auch die persönliche Lebensrealität und das Thema "Grenzen" dran. Wenn ich z. B. den Kühlschrank nicht putze, o. ä., dann gibt es einen Grund dafür. Und entweder es braucht dann da noch etwas, z. B. mehr Entspannung, bevor ich das mache oder es ist irgend etwas im Weg, wo ich mir Zeit nehmen möchte, das anzuschauen.

Mich frustriert es ansonsten etwas, wenn der Überlauf immer sichtbar ist und immer mehr Raum einnimmt. Für mich ist da - so ein sichtbarer Überlauf von 1-3 Punkten wahrscheinlich geeignet. Und 1 Punkt davon ist Entspannung. Wenn dann mal alles leer ist, ist dass ja auch irgendwie befriedigend. Wenn ich dann irgendwann mal genügend Energie frei habe, dann kann ich mir ja bewusst den großen Überlauf anschauen.
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von smutbert » 27.12.2022 12:25:45

spiralnebelverdreher hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.12.2022 10:18:22
Oder kennt jemand die Syntax zur Steuerung der Bildgröße?
Da muss man einfach das Bild sozusagen zu Fuss einbinden – damit hier die Bilder nicht zu hunderten herumkugeln poste ich es lieber nur in Codetags, zuerst die Originalgröße

Code: Alles auswählen

[img]https://debianforum.de/forum/gallery/image/3884/source[/img]
dann die mittleren Größe

Code: Alles auswählen

[img]https://debianforum.de/forum/gallery/image/3885/medium[/img]
und zuletzt noch einmal mit Link auf die Galerie, damit auch zur vollen Größe kommt

Code: Alles auswählen

[url=https://debianforum.de/forum/app.php/gallery/image/3886][img]https://debianforum.de/forum/gallery/image/3886/medium[/img][/url]

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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von TRex » 27.12.2022 13:18:23

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.12.2022 10:41:38
Für mich hängt da auch die persönliche Lebensrealität und das Thema "Grenzen" dran. Wenn ich z. B. den Kühlschrank nicht putze, o. ä., dann gibt es einen Grund dafür.
Richtig, die Lebensrealität ist nicht Teil dieses Boards. Über die Priorisierung von "Erholung", "Kühlschrank putzen" und "angefahrenen Hund zum Tierarzt bringen" (dem einen oder anderen vertrautere Analogien: "persönliche Weiterbildung", "CI-Server updaten", "kritische Sicherheitslücke fixen") könnten wir auch sicher noch nen weiteren Thread füllen. Das TK-Fach-Beispiel war deswegen recht passend: man wüsste ohne die Karten nicht, was noch im Fach liegt, und die Deadlines sind keine leicht verschmutzen Glasflächen, sondern mittelharte Grenzen, bevor Lebensmittel in der Tonne landen.
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Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von spiralnebelverdreher » 28.12.2022 09:14:26

niemand hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
27.12.2022 08:10:07
... könntest du prüfen, ob du die Bilder nicht in der foreneigenen Galerie hinterlegen und von dort aus einbinden kannst?
Hab ich erledigt, aber jetzt scheinen nicht eingeloggte Besucher gar kein Bild mehr zu sehen. Muss ich in der Galerie noch was ändern?

DeletedUserReAsG

Re: Adventskalender 21. Dezember 2022 - Signalkarten

Beitrag von DeletedUserReAsG » 28.12.2022 09:52:06

Damit nichteingeloggte User Bilder der Galerie sehen können, müssen sie im Album „Bilder vom Forum“ sein.

Beim Testen dran denken, dass manche Browser die Platzhalterbilder aus dem Cache anzeigen, bis sie angewiesen werden, die komplette Seite neu zu laden (Strg+Shift+r beim FF).

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